Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 42 VG 149/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 7/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2003 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin zu 3. verlangt als Witwe, die Kläger zu 1. und 2. als Kinder des am 23. Juni 1992 getöteten M M. (M) Hinterbliebenenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
M und seine Sekretärin und Freundin K wurden in der Nacht vom 23. Juni 1992 auf den 24. Juni 1992 in der Nähe einer Scheune 800 m südlich der Bundesautobahn nahe der Ausfahrt H erschossen. Die Leichen lagen in der Nähe eines auf eine Firma des M zugelassenen Mercedes Cabrio. Der Mord konnte nicht aufgeklärt werden. Die Getöteten wurden nicht ausgeraubt. Ob geschäftliche Papiere entwendet wurden, konnte nicht aufgeklärt werden. Bei den Unterlagen des M wurde ein Zettel mit einer B Anschrift gefunden. Am 21. Oktober 1996 beantragten die Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung. Auf Anfrage des Beklagten teilte die Staatsanwaltschaft St im Januar 1997 und erneut im April 1997 mit, es bestehe der Verdacht, dass M in dubiose Geschäfte verwickelt gewesen sei. Möglicherweise seien dabei Geschäfte auf dem Gebiet der organisierten Wirtschaftskriminalität getätigt worden. Daraus resultiere die Vermutung, dass die Tat in einem Zusammenhang mit diesen Geschäften stehe. Es könne angenommen werden, dass der oder die Täter die Getöteten unter einem Vorwand zum Tatort bestellt hätten. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Gefahr der Gewalttat für M konkret vorhersehbar gewesen sei, könne nicht angegeben werden. Ein anderer Geschehensablauf könne nicht ausgeschlossen werden. Der Beklagte zog die Verwaltungsakten der Berufsgenossenschaft bei, bei der M als Unternehmer einer Firma T versichert war, und fragte erneut bei der Staatsanwaltschaft St an, die daraufhin die Spurenakten E 8 und E 115 mit der Bitte um vertrauliche Behandlung übersandte und darauf verwies, dass im Interesse der Aufklärung die Einsichtnahme "nur so restriktiv wie möglich gehandhabt werden" könne. Mit Bescheiden vom 7. Juli 1997 lehnte der Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung ab. Eine Entschädigung sei nach § 2 Abs. 1 2. Alternative OEG zu versagen. Ermittlungen hätten ergeben, dass es sich bei dem Tod des M nicht um einen gewöhnlichen Raubmord gehandelt habe. Da private Wertgegenstände wie Brieftasche und Bargeld nicht gestohlen worden seien und auch der Pkw des M am Tatort zurückgeblieben sei, lediglich Geschäftspapiere verschwunden seien, sei davon auszugehen, dass der /die Täter es ausschließlich hierauf abgesehen hätten und dabei nicht davor zurückgeschreckt seien, M zu töten. Bei den Geschäften, die in einem "Milieu" abgewickelt worden seien, das wegen einer Vielzahl von Firmen- und Geschäftsverflechtungen trotz intensiver Bemühungen nicht vollständig habe durchleuchtet werden können, sei davon auszugehen, dass sie dem Bereich der organisierten Wirtschaftskriminalität zuzuordnen seien. Auch wenn sich der Verdacht nicht konkret habe erhärten lassen, müsse zwingend davon ausgegangen werden, dass die Ursache der Ermordung in der Verwicklung in organisierter Wirtschaftskriminalität zu sehen sei. Die von diesen Geschäften bzw. Geschäftspraktiken ausgehende zu missbilligende Selbstgefährdung des M stehe der Gewährung von Leistungen im Sinne des § 2 Abs.1 2. Alternative OEG entgegen. Die dagegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 9. Oktober 1997 unter ergänzendem Hinweis darauf, dass die im Strafrecht geltende Unschuldsvermutung keine Anwendung finde, zurück. Von Bedeutung sei ausschließlich eine Verwicklung in den Bereich der organisierten Kriminalität. Die von den Klägern jeweils gegen die sie betreffenden Bescheide erhobenen Klagen hat das Sozialgericht zum Verfahren S 42 VG 149/97 verbunden. Die Kläger haben darauf verwiesen, dass die damaligen Presseberichte ( aufgebauscht seien. M sei mit dem An- und Verkauf von L befasst gewesen. Durch Urteil vom 26. November 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es liege eine Gewalttat im Sinne des § 1 OEG vor. Da gegenüber dem Opfer im Überlebensfall Versorgungsansprüche nach § 2 OEG ausgeschlossen gewesen seien, gelte dies auch für die Hinterbliebenen, die sich das Verhalten des Geschädigten zurechnen lassen müssten. Ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 OEG (Versagung von Leistungen, wenn der Geschädigte in die organisierte Kriminalität verwickelt sei, es sei denn, der Geschädigte weise nach, dass die Schädigung hiermit nicht im Zusammenhang stehe) erfüllt seien, könne offen bleiben, da die Versagungsgründe des § 2 Abs. 1 S.1 2. Alternative OEG gegeben seien. Zwar seien nach dem Sachstandsbericht der Staatsanwaltschaft St vom 22. Juli 1992 viele Fragen offen geblieben, und es werde Bezug genommen auf nicht näher bezeichnete "Informationen". Es stehe jedoch fest, dass M an einer Vielzahl von Firmen beteiligt gewesen, es zum Teil um erhebliche Größenordnungen von Transaktionen u.a. im Rahmen von Transferrubelgeschäften gegangen sei und sich die Firma T in finanzieller Schieflage befunden habe. Insbesondere aus dem Umstand, dass überhaupt kein Geld mehr vorhanden gewesen sei, sei im Zusammenhang mit den Tötungsumständen die Annahme berechtigt, dass ein seriöses Geschäftsgebaren nicht vorhanden gewesen sei und nur aufgrund wenig aussagebereiter Zeugen und zahlreicher ins Ausland reichender Spuren eine weitere Aufklärung nicht gelungen sei.
Gegen das ihnen am 11. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger. Sie machen geltend, das einzig strafrechtlich relevante Verhalten des M sei ein Betrugsverfahren, das gegen die damalige Mitangeklagte nach dem Tod des M wegen geringer Schuld eingestellt worden sei. Diese Tat rechtfertige nicht den Vorwurf der Unbilligkeit der Entschädigung. Die Beteiligung an Firmen der UdSSR und Geschäftsbeziehungen dorthin seien ebenso wenig verwerflich wie der Handel mit Transferrubeln. Da man nicht einmal wisse, ob die Tat durch die geschäftlichen Beziehungen des M verursacht worden sei, sei nicht mit Sicherheit von einer anspruchsvernichtenden Unbilligkeit auszugehen. Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 7. Juli 1997 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Hinterbliebenenversorgung nach dem OEG wegen der Folgen der Gewalttat vom 23. Juni 1992 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Senat hat die den Rechtstreit gegen die Ablehnung eines Wegeunfalls betreffenden Gerichtsakten L 2 U sowie die dort benannten Spurenakten E 95, E 105 und E 139 des Ermittlungsverfahrens – beigezogen. Die Spurenakte E 105 enthält Teile einer Vernehmung des Geschäftspartners des M, N, der am 29. Juni 1992 angegeben hat, mit M zuletzt um 23.30 Uhr telefoniert zu haben, wobei M angegeben habe, er würde jetzt seine Sachen entgegennehmen und wolle dann weiter nach Bfahren. Die Spurenakte E 95 enthält eine Vernehmung des MB vom 20. Oktober 1992, der ausgesagt hat, M habe ihm bei einem Notar-Termin im Januar 1991 gesagt, die von ihm geschuldeten 1,8 Millionen DM bar zahlen zu wollen. M sei "immer mit irgendwelchen Papieren" gekommen, "die er haben müsste, damit er in seiner Geschichte mit den Transferrubeln seinen Kopf aus der Schlinge zieht." Der Hintergrund sei "wohl nicht ganz legal abgelaufen". Schließlich habe M bei einem Telefonat in der Woche nach dem 20. Juni 1992 angegeben, man werde zu einer definitiven Lösung im Sinne des B bei einem Treffen am 23./24. Juni 1992 im Raum Bkommen. Der Notar hat zu dem fraglichen Vertrag über den Verkauf eines Lithotripters am 23. Januar 1992 erklärt, dass ihm der Vertrag sehr unklar sei.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Verfahrens L 2 U der Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der beigezogenen Spurenakten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Kläger sind unbegründet.
Wie das Sozialgericht bereits zutreffend dargelegt hat, ist M Opfer einer Gewalttat i.S. des § 1 Abs. 1 OEG geworden. Weiter ist es zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, den Hinterbliebenen des Opfers seien Leistungen nach § 2 Abs. 1 2. Alternative OEG zu versagen, weil es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Opfers liegenden Gründen unbillig sei, seinen Hinterbliebenen Entschädigung zu gewähren (§ 2 Abs 1 Satz 1 2. Alternative OEG). Ein Versagungsgrund in der Person des Opfers schließt dessen Hinterbliebene von Leistungen aus. Die Kläger müssen sich das Verhalten ihres unmittelbar geschädigten Ehemannes und Vaters entgegenhalten lassen, weil sie nur einen von dem Opfer der Gewalttat abgeleiteten Versorgungsanspruch haben (BSGE 49, 104, 106 f = SozR 3800 § 2 Nr 1). Zutreffend ist das Sozialgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass entgegen der Auffassung des Beklagten auch ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 S.2 Nr. 3 OEG ausscheidet. Zwar sind die Ausschlussgründe des § 2 Abs. 1 S. 2 OEG erst durch das 2. OEG-Änderungsgesetz vom 21. Juli 1993 (BGBl. I S. 1262) eingefügt worden, jedoch gemäß Art. 7 rückwirkend ab 1. Juli 1990 in Kraft getreten, so dass sie auf die Gewalttat vom 23. Juni 1992 Anwendung fänden. Ob eine derartige rückwirkende Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich zulässig ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil der anspruchsbegründende Antrag auf Leistungen nach dem OEG erst 1996 gestellt worden ist. Organisierte Kriminalität ist nach den bereits vom Sozialgericht zitierten gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei ( in Kraft gesetzt in Berlin durch Gemeinsame AV vom 1. 10. 1991 (ABl 2426) die von Gewinn- und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken. Ein Leistungsausschluss setzt in diesem Zusammenhang nicht voraus, dass die Beteiligung im organisierten Verbrechen bewiesen sein muss. Da aber zugleich eine Umkehr der Beweislast in der Form eintritt, dass grundsätzlich Ansprüche ausgeschlossen sind, dem Opfer nur im Einzelfall die Möglichkeit eröffnet wird, den fehlenden Zusammenhang zu beweisen, während im Regelfall die Behörde die Beweislast für die den Anspruchsauschluss begründenden Tatsachen trägt, ist es erforderlich, dass gesicherte Kenntnisse über die Verwickelung in Bereiche der organisierten Kriminalität vorliegen. Anderenfalls würde eine Umkehr der Beweislast auf bloße Vermutungen gestützt. Die somit erforderlichen Voraussetzungen vermag der Senat unter Beachtung der Auskunft der Staatsanwaltschaft vom 3. April 1997 nicht als erfüllt anzusehen. Danach besteht der Verdacht, dass M in dubiose Geschäfte verwickelt war. "Möglicherweise wurden dabei Geschäfte auf dem Gebiet der organisierten Wirtschaftskriminalität getätigt". Daraus wird deutlich, dass die umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auch unter dem Aspekt der organisierten Kriminalität trotz deren Hintergrundwissens aus anderen Verfahren und durch Informanten keine Erkenntnisse zutage gebracht haben, die über eine Vermutung hinausgehen, dass das Opfer in organisierte Wirtschaftskriminalität verwickelt war. Der fehlende Nachweis dieses Zusammenhangs ändert jedoch nichts daran, dass ein Versagungsgrund des § 2 Abs. 1 S. 1 2. Alternative OEG nachgewiesen ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, ihm eine Entschädigung zu gewähren. Bei dem Tatbestand der 1. Alternative der Vorschrift - Mitverursachung - handelt es sich um einen Sonderfall der Unbilligkeit - 2. Alternative -, der abschließend regelt, wann die unmittelbare Tatbeteiligung des Geschädigten Leistungen ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 2003, B 9 VG 3/00 R= Soz R 3-3800 § 2 Nr. 10). Eine Mitverursachung kann nur angenommen werden, wenn das Verhalten des Opfers nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm nicht nur einen nicht hinwegzudenkenden Teil der Ursachenkette, sondern eine wesentliche, d.h. annähernd gleichwertige Bedingung neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers darstellt (ständige Rechtsprechung des BSG, a.a.O.). Ein Leistungsausschluss ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn das Opfer in der konkreten Situation in ähnlich schwerer Weise wie der Täter gegen die Rechtsordnung verstoßen hat (vgl. BSGE 84, 54, 60 = SozR 3-3800 § 1 Nr. 15 sowie BSGE 79, 87, 90 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 5). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass M in der konkreten Situation in irgendeiner Weise gegen die Rechtsordnung verstoßen hat.
Eine Entschädigung ist jedoch wegen "sonstiger, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründe" (§ 2 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative OEG) als "unbillig" zu bewerten. In diesem Zusammenhang können lediglich solche Gründe eine Versagung der Opferentschädigung begründen, die dem in der ersten Alternative genannten Grund der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen (vgl. BSG, Urteile vom 7. November 1979, 9 RVg 2/78, BSGE 49, 104 = SozR 3800 § 2 Nr. 1, und vom 24. April 1980, 9 RVg 1/79, BSGE 50, 95-99 = SozR 3800 § 2 Nr. 2). Der Maßstab hierfür ergibt sich aus dem gesetzlichen Zweck der Gewaltopferentschädigung, aus verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, aus Prinzipien der Gesamtrechtsordnung und aus viktimologischen Erkenntnissen. Rechtsgrund für die Gewährung von Gewaltopferentschädigung ist das Einstehen der staatlichen Gemeinschaft für die Folgen bestimmter Gesundheitsstörungen nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen. Aufgabe des Staates ist es u.a., den Bürger vor Gewalttaten zu schützen. Kann er dieser Aufgabe nicht gerecht werden, so besteht ein Bedürfnis für eine allgemeine Entschädigung (vgl. BT-Drucks 7/2506 S. 7). Stellt sich jemand jedoch bewusst außerhalb der staatlichen Gemeinschaft und realisiert sich die damit verbundene Gefahr in Schädigungen durch eine Gewalttat, so widerspräche es dem Verbot unzulässiger Rechtsausübung, zum Ausgleich der Schädigungsfolgen staatliche Leistungen zu verlangen. So setzt sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wer zwar nicht einem kriminellen Umfeld angehört, sich aber z.B. als chronisch Alkohol- oder Drogenabhängiger sozialwidrig verhält, einer spezifischen Gefahr dieses Milieus erliegt und dafür von der staatlichen Gemeinschaft eine Entschädigung verlangt (vgl BSGE 49, 104, 110 = SozR 3800 § 2 Nr. 1 und Urteil vom 10. November 1993 - 9 RVg 2/93 - WzS 1996, 287). Liegt eine derartige missbilligte Selbstgefährdung vor, kommt es nicht darauf an, ob das Opfer mit der konkreten Gewalttat hätte rechnen müssen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände hatte M sich außerhalb der Rechtsordnung der staatlichen Gemeinschaft gestellt. Dabei ist nicht allein auf das gegen M geführte Ermittlungsverfahren wegen Betruges abzustellen, weil nach der Rechtsprechung des BSG eine rechtsfeindliche Betätigung nicht in einem einmaligen Rechtsverstoß zu sehen ist. Dieses Betrugsverfahren ist jedoch in die Würdigung der Gesamtumstände unabhängig davon einzubeziehen, dass das Verfahren nach dem Tod des M gegen die "Mittäterin" eingestellt worden ist, weil aus der Einschätzung zu deren Schuld als gering kein Rückschluss auf das dem M vorgeworfene Verhalten gezogen werden kann. Zu berücksichtigen ist des weiteren, dass das diesem Betrugsverfahren zugrunde liegende Geschäft mit Transferrubeln im Zusammenhang mit weiteren Geschäften stand, die in der Zusammenschau eine rechtsfeindliche Haltung mit dem für den Anspruchsausschluss erforderlichen Beweismaßstab des Vollbeweises nachweisen. M war an einem Vertrag über einen Lithotripter beteiligt, dessen Sinn der beurkundende Notar nicht erkennen konnte. In diesem Zusammenhang benötigte er wiederum Papiere, die für die Abwicklung des angeblichen Transfer-Rubel-Geschäftes wertlos waren. Des Weiteren hatte sich M zur Zahlung von 1,8 Millionen verpflichtet, deren Zahlung er erst mit dem Bemerken verweigert hatte, er müsse "in seiner Geschichte mit den Transferrubeln seinen Kopf aus der Schlinge" ziehen. Schließlich hatte er gegenüber B angedeutet, diese 1,8 Millionen DM in bar am 23./24. Juni 1992 zahlen zu wollen. Für die Tatsache, dass sich M außerhalb der Rechtsordnung gestellt hatte, war schließlich zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft St angenommen hat, dass der oder die Täter die Getöteten zuvor unter einem Vorwand zum Tatort hinbestellt hatten. Hierfür spricht auch die Angabe des N, der am 29. Juni 1992 angegeben hat, mit M zuletzt um 23.30 Uhr telefoniert zu haben, wobei M angegeben habe, er würde jetzt seine Sachen entgegennehmen und wolle dann weiter nach B fahren. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass M Geschäfte größeren Umfangs außerhalb üblicher Geschäftsräume und Geschäftszeiten nachts in der Nähe einer Autobahnausfahrt abwickeln wollte. Demgegenüber gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass M aufgrund eines zufälligen Haltes, etwa um nach dem Stau eine kürzere Pause einzulegen, als Zeuge eines kriminellen Vorgangs zur Vertuschung dieser Straftat erschossen worden sein könnte. Dagegen spricht insbesondere die bereits angeführte Aussage des N, die nur den auch von der Staatsanwaltschaft gezogenen Schluss zulässt, M sei von dem oder den Tätern "einbestellt" worden. Ein derartiges Geschäftsgebaren kann in der Gesamtschau nur dahingehend gewürdigt werden, dass Geschäfte gerade außerhalb der Rechtsordnung abgewickelt wurden. Nach alledem hat der Beklagte zu Recht Leistungen nach dem OEG versagt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Die Klägerin zu 3. verlangt als Witwe, die Kläger zu 1. und 2. als Kinder des am 23. Juni 1992 getöteten M M. (M) Hinterbliebenenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
M und seine Sekretärin und Freundin K wurden in der Nacht vom 23. Juni 1992 auf den 24. Juni 1992 in der Nähe einer Scheune 800 m südlich der Bundesautobahn nahe der Ausfahrt H erschossen. Die Leichen lagen in der Nähe eines auf eine Firma des M zugelassenen Mercedes Cabrio. Der Mord konnte nicht aufgeklärt werden. Die Getöteten wurden nicht ausgeraubt. Ob geschäftliche Papiere entwendet wurden, konnte nicht aufgeklärt werden. Bei den Unterlagen des M wurde ein Zettel mit einer B Anschrift gefunden. Am 21. Oktober 1996 beantragten die Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung. Auf Anfrage des Beklagten teilte die Staatsanwaltschaft St im Januar 1997 und erneut im April 1997 mit, es bestehe der Verdacht, dass M in dubiose Geschäfte verwickelt gewesen sei. Möglicherweise seien dabei Geschäfte auf dem Gebiet der organisierten Wirtschaftskriminalität getätigt worden. Daraus resultiere die Vermutung, dass die Tat in einem Zusammenhang mit diesen Geschäften stehe. Es könne angenommen werden, dass der oder die Täter die Getöteten unter einem Vorwand zum Tatort bestellt hätten. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Gefahr der Gewalttat für M konkret vorhersehbar gewesen sei, könne nicht angegeben werden. Ein anderer Geschehensablauf könne nicht ausgeschlossen werden. Der Beklagte zog die Verwaltungsakten der Berufsgenossenschaft bei, bei der M als Unternehmer einer Firma T versichert war, und fragte erneut bei der Staatsanwaltschaft St an, die daraufhin die Spurenakten E 8 und E 115 mit der Bitte um vertrauliche Behandlung übersandte und darauf verwies, dass im Interesse der Aufklärung die Einsichtnahme "nur so restriktiv wie möglich gehandhabt werden" könne. Mit Bescheiden vom 7. Juli 1997 lehnte der Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung ab. Eine Entschädigung sei nach § 2 Abs. 1 2. Alternative OEG zu versagen. Ermittlungen hätten ergeben, dass es sich bei dem Tod des M nicht um einen gewöhnlichen Raubmord gehandelt habe. Da private Wertgegenstände wie Brieftasche und Bargeld nicht gestohlen worden seien und auch der Pkw des M am Tatort zurückgeblieben sei, lediglich Geschäftspapiere verschwunden seien, sei davon auszugehen, dass der /die Täter es ausschließlich hierauf abgesehen hätten und dabei nicht davor zurückgeschreckt seien, M zu töten. Bei den Geschäften, die in einem "Milieu" abgewickelt worden seien, das wegen einer Vielzahl von Firmen- und Geschäftsverflechtungen trotz intensiver Bemühungen nicht vollständig habe durchleuchtet werden können, sei davon auszugehen, dass sie dem Bereich der organisierten Wirtschaftskriminalität zuzuordnen seien. Auch wenn sich der Verdacht nicht konkret habe erhärten lassen, müsse zwingend davon ausgegangen werden, dass die Ursache der Ermordung in der Verwicklung in organisierter Wirtschaftskriminalität zu sehen sei. Die von diesen Geschäften bzw. Geschäftspraktiken ausgehende zu missbilligende Selbstgefährdung des M stehe der Gewährung von Leistungen im Sinne des § 2 Abs.1 2. Alternative OEG entgegen. Die dagegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 9. Oktober 1997 unter ergänzendem Hinweis darauf, dass die im Strafrecht geltende Unschuldsvermutung keine Anwendung finde, zurück. Von Bedeutung sei ausschließlich eine Verwicklung in den Bereich der organisierten Kriminalität. Die von den Klägern jeweils gegen die sie betreffenden Bescheide erhobenen Klagen hat das Sozialgericht zum Verfahren S 42 VG 149/97 verbunden. Die Kläger haben darauf verwiesen, dass die damaligen Presseberichte ( aufgebauscht seien. M sei mit dem An- und Verkauf von L befasst gewesen. Durch Urteil vom 26. November 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es liege eine Gewalttat im Sinne des § 1 OEG vor. Da gegenüber dem Opfer im Überlebensfall Versorgungsansprüche nach § 2 OEG ausgeschlossen gewesen seien, gelte dies auch für die Hinterbliebenen, die sich das Verhalten des Geschädigten zurechnen lassen müssten. Ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 OEG (Versagung von Leistungen, wenn der Geschädigte in die organisierte Kriminalität verwickelt sei, es sei denn, der Geschädigte weise nach, dass die Schädigung hiermit nicht im Zusammenhang stehe) erfüllt seien, könne offen bleiben, da die Versagungsgründe des § 2 Abs. 1 S.1 2. Alternative OEG gegeben seien. Zwar seien nach dem Sachstandsbericht der Staatsanwaltschaft St vom 22. Juli 1992 viele Fragen offen geblieben, und es werde Bezug genommen auf nicht näher bezeichnete "Informationen". Es stehe jedoch fest, dass M an einer Vielzahl von Firmen beteiligt gewesen, es zum Teil um erhebliche Größenordnungen von Transaktionen u.a. im Rahmen von Transferrubelgeschäften gegangen sei und sich die Firma T in finanzieller Schieflage befunden habe. Insbesondere aus dem Umstand, dass überhaupt kein Geld mehr vorhanden gewesen sei, sei im Zusammenhang mit den Tötungsumständen die Annahme berechtigt, dass ein seriöses Geschäftsgebaren nicht vorhanden gewesen sei und nur aufgrund wenig aussagebereiter Zeugen und zahlreicher ins Ausland reichender Spuren eine weitere Aufklärung nicht gelungen sei.
Gegen das ihnen am 11. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger. Sie machen geltend, das einzig strafrechtlich relevante Verhalten des M sei ein Betrugsverfahren, das gegen die damalige Mitangeklagte nach dem Tod des M wegen geringer Schuld eingestellt worden sei. Diese Tat rechtfertige nicht den Vorwurf der Unbilligkeit der Entschädigung. Die Beteiligung an Firmen der UdSSR und Geschäftsbeziehungen dorthin seien ebenso wenig verwerflich wie der Handel mit Transferrubeln. Da man nicht einmal wisse, ob die Tat durch die geschäftlichen Beziehungen des M verursacht worden sei, sei nicht mit Sicherheit von einer anspruchsvernichtenden Unbilligkeit auszugehen. Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 7. Juli 1997 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Hinterbliebenenversorgung nach dem OEG wegen der Folgen der Gewalttat vom 23. Juni 1992 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Senat hat die den Rechtstreit gegen die Ablehnung eines Wegeunfalls betreffenden Gerichtsakten L 2 U sowie die dort benannten Spurenakten E 95, E 105 und E 139 des Ermittlungsverfahrens – beigezogen. Die Spurenakte E 105 enthält Teile einer Vernehmung des Geschäftspartners des M, N, der am 29. Juni 1992 angegeben hat, mit M zuletzt um 23.30 Uhr telefoniert zu haben, wobei M angegeben habe, er würde jetzt seine Sachen entgegennehmen und wolle dann weiter nach Bfahren. Die Spurenakte E 95 enthält eine Vernehmung des MB vom 20. Oktober 1992, der ausgesagt hat, M habe ihm bei einem Notar-Termin im Januar 1991 gesagt, die von ihm geschuldeten 1,8 Millionen DM bar zahlen zu wollen. M sei "immer mit irgendwelchen Papieren" gekommen, "die er haben müsste, damit er in seiner Geschichte mit den Transferrubeln seinen Kopf aus der Schlinge zieht." Der Hintergrund sei "wohl nicht ganz legal abgelaufen". Schließlich habe M bei einem Telefonat in der Woche nach dem 20. Juni 1992 angegeben, man werde zu einer definitiven Lösung im Sinne des B bei einem Treffen am 23./24. Juni 1992 im Raum Bkommen. Der Notar hat zu dem fraglichen Vertrag über den Verkauf eines Lithotripters am 23. Januar 1992 erklärt, dass ihm der Vertrag sehr unklar sei.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Verfahrens L 2 U der Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der beigezogenen Spurenakten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Kläger sind unbegründet.
Wie das Sozialgericht bereits zutreffend dargelegt hat, ist M Opfer einer Gewalttat i.S. des § 1 Abs. 1 OEG geworden. Weiter ist es zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, den Hinterbliebenen des Opfers seien Leistungen nach § 2 Abs. 1 2. Alternative OEG zu versagen, weil es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Opfers liegenden Gründen unbillig sei, seinen Hinterbliebenen Entschädigung zu gewähren (§ 2 Abs 1 Satz 1 2. Alternative OEG). Ein Versagungsgrund in der Person des Opfers schließt dessen Hinterbliebene von Leistungen aus. Die Kläger müssen sich das Verhalten ihres unmittelbar geschädigten Ehemannes und Vaters entgegenhalten lassen, weil sie nur einen von dem Opfer der Gewalttat abgeleiteten Versorgungsanspruch haben (BSGE 49, 104, 106 f = SozR 3800 § 2 Nr 1). Zutreffend ist das Sozialgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass entgegen der Auffassung des Beklagten auch ein Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 S.2 Nr. 3 OEG ausscheidet. Zwar sind die Ausschlussgründe des § 2 Abs. 1 S. 2 OEG erst durch das 2. OEG-Änderungsgesetz vom 21. Juli 1993 (BGBl. I S. 1262) eingefügt worden, jedoch gemäß Art. 7 rückwirkend ab 1. Juli 1990 in Kraft getreten, so dass sie auf die Gewalttat vom 23. Juni 1992 Anwendung fänden. Ob eine derartige rückwirkende Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich zulässig ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil der anspruchsbegründende Antrag auf Leistungen nach dem OEG erst 1996 gestellt worden ist. Organisierte Kriminalität ist nach den bereits vom Sozialgericht zitierten gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei ( in Kraft gesetzt in Berlin durch Gemeinsame AV vom 1. 10. 1991 (ABl 2426) die von Gewinn- und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken. Ein Leistungsausschluss setzt in diesem Zusammenhang nicht voraus, dass die Beteiligung im organisierten Verbrechen bewiesen sein muss. Da aber zugleich eine Umkehr der Beweislast in der Form eintritt, dass grundsätzlich Ansprüche ausgeschlossen sind, dem Opfer nur im Einzelfall die Möglichkeit eröffnet wird, den fehlenden Zusammenhang zu beweisen, während im Regelfall die Behörde die Beweislast für die den Anspruchsauschluss begründenden Tatsachen trägt, ist es erforderlich, dass gesicherte Kenntnisse über die Verwickelung in Bereiche der organisierten Kriminalität vorliegen. Anderenfalls würde eine Umkehr der Beweislast auf bloße Vermutungen gestützt. Die somit erforderlichen Voraussetzungen vermag der Senat unter Beachtung der Auskunft der Staatsanwaltschaft vom 3. April 1997 nicht als erfüllt anzusehen. Danach besteht der Verdacht, dass M in dubiose Geschäfte verwickelt war. "Möglicherweise wurden dabei Geschäfte auf dem Gebiet der organisierten Wirtschaftskriminalität getätigt". Daraus wird deutlich, dass die umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auch unter dem Aspekt der organisierten Kriminalität trotz deren Hintergrundwissens aus anderen Verfahren und durch Informanten keine Erkenntnisse zutage gebracht haben, die über eine Vermutung hinausgehen, dass das Opfer in organisierte Wirtschaftskriminalität verwickelt war. Der fehlende Nachweis dieses Zusammenhangs ändert jedoch nichts daran, dass ein Versagungsgrund des § 2 Abs. 1 S. 1 2. Alternative OEG nachgewiesen ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, ihm eine Entschädigung zu gewähren. Bei dem Tatbestand der 1. Alternative der Vorschrift - Mitverursachung - handelt es sich um einen Sonderfall der Unbilligkeit - 2. Alternative -, der abschließend regelt, wann die unmittelbare Tatbeteiligung des Geschädigten Leistungen ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 2003, B 9 VG 3/00 R= Soz R 3-3800 § 2 Nr. 10). Eine Mitverursachung kann nur angenommen werden, wenn das Verhalten des Opfers nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm nicht nur einen nicht hinwegzudenkenden Teil der Ursachenkette, sondern eine wesentliche, d.h. annähernd gleichwertige Bedingung neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers darstellt (ständige Rechtsprechung des BSG, a.a.O.). Ein Leistungsausschluss ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn das Opfer in der konkreten Situation in ähnlich schwerer Weise wie der Täter gegen die Rechtsordnung verstoßen hat (vgl. BSGE 84, 54, 60 = SozR 3-3800 § 1 Nr. 15 sowie BSGE 79, 87, 90 = SozR 3-3800 § 2 Nr. 5). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass M in der konkreten Situation in irgendeiner Weise gegen die Rechtsordnung verstoßen hat.
Eine Entschädigung ist jedoch wegen "sonstiger, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründe" (§ 2 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative OEG) als "unbillig" zu bewerten. In diesem Zusammenhang können lediglich solche Gründe eine Versagung der Opferentschädigung begründen, die dem in der ersten Alternative genannten Grund der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen (vgl. BSG, Urteile vom 7. November 1979, 9 RVg 2/78, BSGE 49, 104 = SozR 3800 § 2 Nr. 1, und vom 24. April 1980, 9 RVg 1/79, BSGE 50, 95-99 = SozR 3800 § 2 Nr. 2). Der Maßstab hierfür ergibt sich aus dem gesetzlichen Zweck der Gewaltopferentschädigung, aus verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, aus Prinzipien der Gesamtrechtsordnung und aus viktimologischen Erkenntnissen. Rechtsgrund für die Gewährung von Gewaltopferentschädigung ist das Einstehen der staatlichen Gemeinschaft für die Folgen bestimmter Gesundheitsstörungen nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen. Aufgabe des Staates ist es u.a., den Bürger vor Gewalttaten zu schützen. Kann er dieser Aufgabe nicht gerecht werden, so besteht ein Bedürfnis für eine allgemeine Entschädigung (vgl. BT-Drucks 7/2506 S. 7). Stellt sich jemand jedoch bewusst außerhalb der staatlichen Gemeinschaft und realisiert sich die damit verbundene Gefahr in Schädigungen durch eine Gewalttat, so widerspräche es dem Verbot unzulässiger Rechtsausübung, zum Ausgleich der Schädigungsfolgen staatliche Leistungen zu verlangen. So setzt sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wer zwar nicht einem kriminellen Umfeld angehört, sich aber z.B. als chronisch Alkohol- oder Drogenabhängiger sozialwidrig verhält, einer spezifischen Gefahr dieses Milieus erliegt und dafür von der staatlichen Gemeinschaft eine Entschädigung verlangt (vgl BSGE 49, 104, 110 = SozR 3800 § 2 Nr. 1 und Urteil vom 10. November 1993 - 9 RVg 2/93 - WzS 1996, 287). Liegt eine derartige missbilligte Selbstgefährdung vor, kommt es nicht darauf an, ob das Opfer mit der konkreten Gewalttat hätte rechnen müssen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände hatte M sich außerhalb der Rechtsordnung der staatlichen Gemeinschaft gestellt. Dabei ist nicht allein auf das gegen M geführte Ermittlungsverfahren wegen Betruges abzustellen, weil nach der Rechtsprechung des BSG eine rechtsfeindliche Betätigung nicht in einem einmaligen Rechtsverstoß zu sehen ist. Dieses Betrugsverfahren ist jedoch in die Würdigung der Gesamtumstände unabhängig davon einzubeziehen, dass das Verfahren nach dem Tod des M gegen die "Mittäterin" eingestellt worden ist, weil aus der Einschätzung zu deren Schuld als gering kein Rückschluss auf das dem M vorgeworfene Verhalten gezogen werden kann. Zu berücksichtigen ist des weiteren, dass das diesem Betrugsverfahren zugrunde liegende Geschäft mit Transferrubeln im Zusammenhang mit weiteren Geschäften stand, die in der Zusammenschau eine rechtsfeindliche Haltung mit dem für den Anspruchsausschluss erforderlichen Beweismaßstab des Vollbeweises nachweisen. M war an einem Vertrag über einen Lithotripter beteiligt, dessen Sinn der beurkundende Notar nicht erkennen konnte. In diesem Zusammenhang benötigte er wiederum Papiere, die für die Abwicklung des angeblichen Transfer-Rubel-Geschäftes wertlos waren. Des Weiteren hatte sich M zur Zahlung von 1,8 Millionen verpflichtet, deren Zahlung er erst mit dem Bemerken verweigert hatte, er müsse "in seiner Geschichte mit den Transferrubeln seinen Kopf aus der Schlinge" ziehen. Schließlich hatte er gegenüber B angedeutet, diese 1,8 Millionen DM in bar am 23./24. Juni 1992 zahlen zu wollen. Für die Tatsache, dass sich M außerhalb der Rechtsordnung gestellt hatte, war schließlich zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft St angenommen hat, dass der oder die Täter die Getöteten zuvor unter einem Vorwand zum Tatort hinbestellt hatten. Hierfür spricht auch die Angabe des N, der am 29. Juni 1992 angegeben hat, mit M zuletzt um 23.30 Uhr telefoniert zu haben, wobei M angegeben habe, er würde jetzt seine Sachen entgegennehmen und wolle dann weiter nach B fahren. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass M Geschäfte größeren Umfangs außerhalb üblicher Geschäftsräume und Geschäftszeiten nachts in der Nähe einer Autobahnausfahrt abwickeln wollte. Demgegenüber gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass M aufgrund eines zufälligen Haltes, etwa um nach dem Stau eine kürzere Pause einzulegen, als Zeuge eines kriminellen Vorgangs zur Vertuschung dieser Straftat erschossen worden sein könnte. Dagegen spricht insbesondere die bereits angeführte Aussage des N, die nur den auch von der Staatsanwaltschaft gezogenen Schluss zulässt, M sei von dem oder den Tätern "einbestellt" worden. Ein derartiges Geschäftsgebaren kann in der Gesamtschau nur dahingehend gewürdigt werden, dass Geschäfte gerade außerhalb der Rechtsordnung abgewickelt wurden. Nach alledem hat der Beklagte zu Recht Leistungen nach dem OEG versagt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
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