L 13 V 18/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 45 V 111/95
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 V 18/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. November 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der im Jahre 1922 geborene Kläger war von Januar bis Dezember 1941 zum Reichsarbeitsdienst verpflichtet. Anfang 1942 wurde er zur Wehrmacht einberufen. Wegen des Verdachts auf eine Ruhrinfektion befand er sich im März/April 1942 für drei Wochen in stationärer Behandlung. Nach seiner Entlassung absolvierte er seine Ausbildung als Sanitäter im Reservelazarett. Ab Dezember 1942 war er in Nordafrika eingesetzt. Er geriet im Mai 1943 in französische Kriegsgefangenschaft, die er bis Ende 1947 in Nordafrika, anschließend bis Juni 1948 in Marseille verbrachte.

Im Dezember 1993 beantragte der Kläger – u.a. wegen Herzkreislaufbeschwerden, Magen- und Darmleiden und Nierenerkrankung – Versorgung nach dem BVG. Der Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen bei und holte versorgungsärztliche Gutachten des Arztes für Urologie und Chirurgie Dr. B und der Ärztin für Sozialmedizin F ein, auf deren Grundlage er mit Bescheid vom 23. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1995 den Antrag ablehnte.

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, der Darm-prolaps sei erstmalig durch die wiederholten Darmerkrankungen mit schweren Durchfällen während seiner Zeit als Soldat und seiner Gefangenschaft entstanden. Auch seine Nierenbeschwerden, die im Jahre 1955 notwendige Magenoperation und die Herz-Kreislaufschäden seien auf die Erkrankungen in seiner Gefangenschaft zurückzuführen.

Das Sozialgericht Berlin hat Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens des Prof. Dr. S vom 27. Juni 2002, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die bei dem Kläger im Bereich des Magens, des Darmes, des Herzens einschließlich des Blutdrucks und der Nieren vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht mit Wahrscheinlichkeit durch den Wehrdienst oder die Kriegsgefangenschaft hervorgerufen oder verschlimmert worden seien.

Mit Urteil vom 28. November 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle an der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den während des Reichsarbeitsdienstes, des Wehrdienstes und der Gefangenschaft erlittenen gesundheitlichen Schädigungen und den bei dem Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen:

Die 2/3-Magen-Resektion sei bei dem Kläger im Jahre 1955 wegen narbiger Verengungserscheinungen am Magenausgang nach wiederkehrenden Geschwürsbildungen am Magenausgang und im Darm vorgenommen worden. Diese Geschwürsbildungen seien nach übereinstimmender Auffassung der Ärzte Dr. B, F und Prof. Dr. S als konstitutionell verankert aufzufassen und wiesen keinen direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Zuständen während der Gefangenschaft auf. Die bestehende Neigung zum Analprolaps beruhe auf einer angeborenen Bindegewebsschwäche, die durch die während der Gefangenschaft aufgetretenen Durchfallerkrankungen lediglich temporär verschlimmert worden sei. Da dieser Analprolaps sich nach Sistieren der Durchfälle vollständig zurückgebildet habe, zeige dessen späteres erneutes Auftreten unter normalen Lebensbedingungen, dass es nicht von den gefangenentypischen Verhältnissen abhängig sei. Bei dem Kläger seien aktuell keine Anzeichen für eine über das Alter hinausgehende Herzkreislaufschwäche zu erheben. Während erst seit dem Jahre 1994 überhaupt eine Neigung zu leicht erhöhten Blutdruckwerten bekannt sei, habe im Jahre 1967 noch eine hypotone Kreislaufsituation vorgelegen. Eine signifikante Herzkrankheit, die auf der Gefangenschaft beruhen könnte, sei nicht erkennbar. Nach übereinstimmender Ansicht der Ärzte Dr. B, F und Prof. Dr. S bestehe bei dem Kläger kein Nierenleiden. Auch beständen keine über das Alter hinausgehenden Beschwerden an der Wirbelsäule.

Mit seiner Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin bringt der Kläger insbesondere vor: Selbst wenn es sich bei seinen Gesundheitsstörungen um anlagebedingte Leiden handele, so müsse doch berücksichtigt werden, dass diese bis zu den Ereignissen in der Kriegsgefangenschaft äußerlich nicht in Erscheinung getreten seien. Es sei deshalb zu klären, ob diese Leiden durch die kriegsbedingten Erkrankungen ausgelöst oder zumindest richtunggebend verschlimmert worden seien. Wenn tatsächlich die Erbanlagen für das Auftreten des Mastdarmvorfalls die von dem Gutachter angenommene überragende Rolle gespielt hätten, so wäre der Analprolaps mit Sicherheit bei seiner ersten Durchfallerkrankung im Frühjahr 1942 aufgetreten. Tatsächlich habe er jedoch vor seiner Typhus-Erkrankung im Sommer 1943 nie Enddarmprobleme gehabt. Hinsichtlich des Magenleidens sei darauf hinzuweisen, dass er im Jahr 1955 nicht wegen einer akuten Geschwürserkrankung operiert worden sei, sondern dass er an chronisch-rezidivierenden Geschwüren am Magenausgang gelitten habe. Bereits während seiner Gefangenschaft habe er häufig an unerträglichen Magenkrämpfen gelitten, die auch nach seiner Entlassung immer wieder aufgetreten seien. Der Feststellung des Sozialgerichts, bei ihm bestehe kein Nierenleiden, könne nicht gefolgt werden. Der Sachverständige Prof. Dr. S habe die Neigung zu Nierensteinbildungen bestätigt. Im Frühjahr 2002 sei ein Nierenstein durch Ultraschalluntersuchung festgestellt worden. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Nierenkoliken erstmals während seiner Gefangenschaft auftreten seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. November 2002 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1995 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm vom 1. Januar 1991 an Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz unter Berücksichtigung eines Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen des Klägers unter Vorlage der Stellungnahmen des Facharztes für Urologie und Chirurgie Dr. B entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin sowie die den Kläger betreffende Versorgungsakte und Schwerbehindertenakte haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz unter Berücksichtigung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v.H. (§§ 30, 31 in Verbindung mit § 1 BVG). Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG erforderliche Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den gesundheitlichen Schädigungen, die der Kläger während seines Reichsarbeits- und Wehrdienstes sowie während seiner Gefangenschaft erlitt, und den jetzt bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht besteht. Zur Begründung wird nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils verwiesen.

Die von dem Kläger mit seiner Berufung erhobenen Einwände rechtfertigen keine andere Entscheidung: Das Auftreten von krampfartigen Magenbeschwerden während seiner französischen Gefangenschaft wurde, wie der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S im Gutachten vom 27. Juni 2002 ausgeführt hat, sicherlich durch die dort herrschenden schlechten hygienischen und ernährungsmäßigen Bedingungen begünstigt. Die wiederkehrenden Geschwürsbildungen am Magenausgang, die eine Teilresektion des Magens nach Billroth II im Jahre 1955 erforderlich machten, sind nach den überzeugenden Darlegungen des Gutachters jedoch als konstitutionell verankert aufzufassen. Sie stehen mit den Erlebnissen während der Gefangenschaft in keinem direkten oder indirekten ursächlichen Zusammenhang im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung der vorliegenden Gesundheitsstörung des Klägers.

Gegen die ausführlich und überzeugend begründete Feststellung des Gutachters, dass die fortgesetzte Neigung zum Darmvorfall, erweitert durch erhebliche Hämorrhoidalbildungen, auf einer konstitutionell bestehenden Bindegewebsschwäche beruht und nicht – weder im Sinne der Entstehung noch sich im Sinne einer Verschlimmerung des ursprünglich vorhandenen, nicht als Schädigungsfolge zu betrachtenden Leidens – auf die Gefangenschaft zurückgeführt werden kann, spricht auch nicht die Annahme des Klägers, der Analprolaps wäre mit Sicherheit bereits bei seiner ersten Durchfallerkrankung im Frühjahr 1942 aufgetreten, wenn tatsächlich seine Erbanlagen hierfür eine überragende Rolle gespielt hätten. Denn es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass bei den während der genannten Infektionskrankheit auftretenden Durchfallepisoden Enddarmteile prolabierten, da der Kläger an seinen Aufenthalt im Lazarett Guben keine eigene Erinnerung hat.

Ein – aktuelles – Nierenleiden liegt bei dem Kläger nach den Feststellungen von Dr. B und Prof. Dr. S nicht vor, sondern vielmehr eine Neigung zu Nierensteinbildungen, die, wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, nicht mit Wahrscheinlichkeit durch den Wehrdienst oder die Kriegsgefangenschaft hervorgerufen oder verschlimmert wurde.

Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Berufung keinen Erfolg hat.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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