Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 11 P 28/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 B 37/06 P ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Juli 2006 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage (S 3 KR 103/06) wird angeordnet. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache die Entziehung von Leistungen nach der Pflegestufe I streitig (Rechtsstreit S 3 KR 103/06 - SG Potsdam). Im vorliegenden Beschlussverfahren geht es um die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 18. Mai 2006.
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 Pflegeleistungen der Pflegestufe I ab 19. September 2002. Grundlage dafür war ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. MDK vom 21. Oktober 2002, wonach die Antragstellerin wegen einer Sprunggelenksarthrose rechts, einem Parkinsonsyndrom mit Zittern der Hände und Beine, einem Zustand nach der Operation beider Knie mit Gonarthrose, einem Zustand nach einer Carpaltunnelsyndromoperation, einer inkompletten Harninkontinenz sowie von Psoriasis vulgaris und Hallux valgus der Grundpflege von 51 Minuten pro Tag und der hauswirtschaftlichen Pflege von 60 Minuten pro Tag bedürfe. Mit Bescheid vom 03. Juni 2005 erfolgte ohne weitere Begutachtung erneut eine Bewilligung.
Am 18. Oktober 2005 suchte die Ärztin Dr. P vom MDK die Antragstellerin in deren Wohnung auf, untersuchte sie in der häuslichen Umgebung und erstattete am 25. Oktober 2005 ein Gutachten darüber, ob die Voraussetzungen der Pflegestufe I nach wie vor vorlägen. Die Sachverständige des MDK gelangte dabei zu der Auffassung, dass bei den gleichen Diagnosen sich der Hilfebedarf im Pflegebereich im Vergleich "zu 10/2001" deutlich verringert hätte. Die Antragstellerin benötige nur noch Hilfe beim Waschen der Füße. In der Wohnung würde sie sich ohne Hilfsmittel bewegen und stehe frei und sicher. Der Tremor im Handbereich sei so gering, dass sie schneiden könne, so dass die Ernährung nunmehr nicht mehr mundgerecht gereicht werden müssen. Allerdings sei Hilfe noch beim Anziehen der Strumpfhose und bestimmter Schuhe notwendig, nicht jedoch beim Entkleiden. Daraus ergebe sich ein Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von 26 Minuten täglich.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 mit, dass sie beabsichtige, die Zahlung des Pflegegeldes einzustellen. Sie gab ihr Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
Mit Bescheid vom 17. November 2005 hob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 3. Juni 2005 mit Wirkung zum 30. November 2005 auf. Die Antragstellerin bat daraufhin um eine erneute Begutachtung durch den MDK ... Diese erfolgte nach Aktenlage ohne Änderung der Auffassung des MDK. Am 12. April 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtete sich die am 18. Mai 2006 beim Sozialgericht Potsdam erhobene Klage S 3 KR 103/06, mit der gleichzeitig beantragt worden ist, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Entgegen der Einschätzung der Antragsgegnerin bestünde nach wie vor ein täglicher Grundpflegebedarf von mehr 45 Minuten, wie sich aus dem Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. C vom 16. Juni 2006 ergäbe. Aufgrund ihres Alters und ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei es der Klägerin nicht zuzumuten, auf die Pflegeleistungen zu verzichten, bis das Verfahren in der Hauptsache entschieden sei. Ihr Interesse an einer hinreichenden Grundversorgung überwiege gegenüber den finanziellen Interessen der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten: Es würden lediglich die Feststellungen des MDK bestritten, ohne dass zu erkennen sei, weshalb die Voraussetzungen der Pflegestufe I noch erreicht würden.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18. Juli 2006 den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Begehren der Antragstellerin würde bei positiver Entscheidung die Hauptsache vorwegnehmen. Der Antragstellerin sei zuzumuten, den Ausgang der Hauptsache abzuwarten.
Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 21. Juli 2006 zugestellten Beschluss richtet sich dessen Beschwerde vom 02. August 2006, mit der er eine MRT der Lendenwirbelsäule vom 04. August 2006 beibringt, in der über Osteochondrosen mit begleitenden multisegmentalen Bandscheibenprotrusionen, Spondylarthrosen, eine Schwellung der Ligamenta flava L4/5 mit zirkulärer Beeinträchtigung des Spinalkanals und geringer Pseudoventrolisthese L4 berichtet wird. Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Juli 2006 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der am 18. Mai 2006 beim Sozialgericht Potsdam (S 3 KR 103/06) erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt (Nichtabhilfeentscheidung vom 03. August 2006).
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehungsbescheide zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Ziffer 2 Sozialgerichtsgesetzes SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift liegt hier vor, denn gemäß § 86 a Abs. 2 Ziffer 3 entfällt die aufschiebende Wirkung für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen. Die Beklagte hat mit den im Hauptverfahren angefochtenen Bescheiden die laufende Pflegegeldleistung der Antragstellerin entzogen. Bei der Entscheidung über den Antrag auf die Herstellung der aufschiebenden Wirkung nimmt das Gericht eine Interessenabwägung zwischen den Beteiligten vor. Dabei sind ausschlaggebend die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ist der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, ist auszusetzen, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung der angefochtenen Bescheide nicht erkennbar ist. Ist die Klage hingegen aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, da dann auf Seiten des Betroffenen kein schützenswertes Interesse an der Herstellung vorliegt. Sind die Erfolgsaussichten nicht sicher abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, bei der jedoch die Aussichten des Hauptverfahrens zu berücksichtigen sind. Dabei gilt der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten sind, desto geringer die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse.
Im vorliegenden Fall überwiegt bei der gebotenen summarischen Prüfung die Wahrscheinlichkeit, dass die Antragstellerin in der Hauptsache obsiegen dürfte. Zwar hat der hierzu berufene MDK in dem Gutachten vom 25. Oktober 2005, das nach Aktenlage in dem Gutachten vom 15. Dezember 2005 bestätigt wurde, dargelegt, dass die Antragstellerin im Bereich der Grundpflege nicht mehr der Pflege von mindestens 45 Minuten täglich bedürfe. Damit läge eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor, die beim Erlass des Ausgangsbewilligungsbescheides im Oktober 2002 vorgelegen haben. Damit dürfte eine wesentliche Änderung eingetreten sein, die die Leistungsentziehung für die Zukunft ermöglichen könnte (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren [SGB X]). Im Streit ist jedoch nicht die Aufhebung des Bescheides vom 30. Oktober 2002. Die entzogene Leistung beruht vielmehr auf dem Neubewilligungsbescheid vom 3. Juni 2005.
Welche wesentlichen Veränderungen gem. § 48 SGB X zwischen dem 3. Juni 2005 und dem 20. Oktober 2005 eingetreten sein sollen, lässt sich dem Bescheid vom 17. November 2005 und dem Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 nicht entnehmen. Dies ist auch konsequent, denn in dem als "Folgegutachten" bezeichneten MDK- Gutachten vom 25. Oktober 2005, auf das die Beklagte die Entziehung stützt, fehlt jede Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid vom 3. Juni 2005. Bezug genommen wird auf das Vorgutachten des MDK vom 21. Oktober "2001" (richtig vom 21. Oktober 2002) und den Entlassungsbericht des Oberlinkrankenhauses vom 2. September 2002, der damals Gegenstand der Begutachtung war. Der Vergleich zwischen der Ausgangssituation und der Situation, die zur Entziehung führen soll, wurde somit zwischen Oktober 2002 und Oktober 2005 vorgenommen, nicht aber, wie es zur Aufhebung des Bescheides vom 3. Juni 2005 notwendig wäre, mit der Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin im Juni 2005. Allein eine Änderung der Verhältnisse gegenüber Juni 2005 würde die Entziehung mit der in den angefochtenen Bescheiden gegebenen Begründung rechtfertigen.
Bei diesen erkennbaren weit überwiegenden Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache kann der Antragstellerin nicht zugemutet werden, deren Entscheidung abzuwarten. Denn die Antragsgegnerin kann, wie dargelegt, kein schützenswertes Interesse daran haben, einen einstweiligen Rechtszustand aufrecht zu erhalten, der sich aller Wahrscheinlichkeit nach als unrechtmäßig erweisen wird.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG statt zu geben.
Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde nicht statt (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache die Entziehung von Leistungen nach der Pflegestufe I streitig (Rechtsstreit S 3 KR 103/06 - SG Potsdam). Im vorliegenden Beschlussverfahren geht es um die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 18. Mai 2006.
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 Pflegeleistungen der Pflegestufe I ab 19. September 2002. Grundlage dafür war ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. MDK vom 21. Oktober 2002, wonach die Antragstellerin wegen einer Sprunggelenksarthrose rechts, einem Parkinsonsyndrom mit Zittern der Hände und Beine, einem Zustand nach der Operation beider Knie mit Gonarthrose, einem Zustand nach einer Carpaltunnelsyndromoperation, einer inkompletten Harninkontinenz sowie von Psoriasis vulgaris und Hallux valgus der Grundpflege von 51 Minuten pro Tag und der hauswirtschaftlichen Pflege von 60 Minuten pro Tag bedürfe. Mit Bescheid vom 03. Juni 2005 erfolgte ohne weitere Begutachtung erneut eine Bewilligung.
Am 18. Oktober 2005 suchte die Ärztin Dr. P vom MDK die Antragstellerin in deren Wohnung auf, untersuchte sie in der häuslichen Umgebung und erstattete am 25. Oktober 2005 ein Gutachten darüber, ob die Voraussetzungen der Pflegestufe I nach wie vor vorlägen. Die Sachverständige des MDK gelangte dabei zu der Auffassung, dass bei den gleichen Diagnosen sich der Hilfebedarf im Pflegebereich im Vergleich "zu 10/2001" deutlich verringert hätte. Die Antragstellerin benötige nur noch Hilfe beim Waschen der Füße. In der Wohnung würde sie sich ohne Hilfsmittel bewegen und stehe frei und sicher. Der Tremor im Handbereich sei so gering, dass sie schneiden könne, so dass die Ernährung nunmehr nicht mehr mundgerecht gereicht werden müssen. Allerdings sei Hilfe noch beim Anziehen der Strumpfhose und bestimmter Schuhe notwendig, nicht jedoch beim Entkleiden. Daraus ergebe sich ein Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von 26 Minuten täglich.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 mit, dass sie beabsichtige, die Zahlung des Pflegegeldes einzustellen. Sie gab ihr Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
Mit Bescheid vom 17. November 2005 hob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 3. Juni 2005 mit Wirkung zum 30. November 2005 auf. Die Antragstellerin bat daraufhin um eine erneute Begutachtung durch den MDK ... Diese erfolgte nach Aktenlage ohne Änderung der Auffassung des MDK. Am 12. April 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtete sich die am 18. Mai 2006 beim Sozialgericht Potsdam erhobene Klage S 3 KR 103/06, mit der gleichzeitig beantragt worden ist, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Entgegen der Einschätzung der Antragsgegnerin bestünde nach wie vor ein täglicher Grundpflegebedarf von mehr 45 Minuten, wie sich aus dem Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. C vom 16. Juni 2006 ergäbe. Aufgrund ihres Alters und ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei es der Klägerin nicht zuzumuten, auf die Pflegeleistungen zu verzichten, bis das Verfahren in der Hauptsache entschieden sei. Ihr Interesse an einer hinreichenden Grundversorgung überwiege gegenüber den finanziellen Interessen der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten: Es würden lediglich die Feststellungen des MDK bestritten, ohne dass zu erkennen sei, weshalb die Voraussetzungen der Pflegestufe I noch erreicht würden.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18. Juli 2006 den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Begehren der Antragstellerin würde bei positiver Entscheidung die Hauptsache vorwegnehmen. Der Antragstellerin sei zuzumuten, den Ausgang der Hauptsache abzuwarten.
Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 21. Juli 2006 zugestellten Beschluss richtet sich dessen Beschwerde vom 02. August 2006, mit der er eine MRT der Lendenwirbelsäule vom 04. August 2006 beibringt, in der über Osteochondrosen mit begleitenden multisegmentalen Bandscheibenprotrusionen, Spondylarthrosen, eine Schwellung der Ligamenta flava L4/5 mit zirkulärer Beeinträchtigung des Spinalkanals und geringer Pseudoventrolisthese L4 berichtet wird. Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Juli 2006 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der am 18. Mai 2006 beim Sozialgericht Potsdam (S 3 KR 103/06) erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt (Nichtabhilfeentscheidung vom 03. August 2006).
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehungsbescheide zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Ziffer 2 Sozialgerichtsgesetzes SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift liegt hier vor, denn gemäß § 86 a Abs. 2 Ziffer 3 entfällt die aufschiebende Wirkung für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen. Die Beklagte hat mit den im Hauptverfahren angefochtenen Bescheiden die laufende Pflegegeldleistung der Antragstellerin entzogen. Bei der Entscheidung über den Antrag auf die Herstellung der aufschiebenden Wirkung nimmt das Gericht eine Interessenabwägung zwischen den Beteiligten vor. Dabei sind ausschlaggebend die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ist der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, ist auszusetzen, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung der angefochtenen Bescheide nicht erkennbar ist. Ist die Klage hingegen aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, da dann auf Seiten des Betroffenen kein schützenswertes Interesse an der Herstellung vorliegt. Sind die Erfolgsaussichten nicht sicher abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, bei der jedoch die Aussichten des Hauptverfahrens zu berücksichtigen sind. Dabei gilt der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten sind, desto geringer die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse.
Im vorliegenden Fall überwiegt bei der gebotenen summarischen Prüfung die Wahrscheinlichkeit, dass die Antragstellerin in der Hauptsache obsiegen dürfte. Zwar hat der hierzu berufene MDK in dem Gutachten vom 25. Oktober 2005, das nach Aktenlage in dem Gutachten vom 15. Dezember 2005 bestätigt wurde, dargelegt, dass die Antragstellerin im Bereich der Grundpflege nicht mehr der Pflege von mindestens 45 Minuten täglich bedürfe. Damit läge eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor, die beim Erlass des Ausgangsbewilligungsbescheides im Oktober 2002 vorgelegen haben. Damit dürfte eine wesentliche Änderung eingetreten sein, die die Leistungsentziehung für die Zukunft ermöglichen könnte (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren [SGB X]). Im Streit ist jedoch nicht die Aufhebung des Bescheides vom 30. Oktober 2002. Die entzogene Leistung beruht vielmehr auf dem Neubewilligungsbescheid vom 3. Juni 2005.
Welche wesentlichen Veränderungen gem. § 48 SGB X zwischen dem 3. Juni 2005 und dem 20. Oktober 2005 eingetreten sein sollen, lässt sich dem Bescheid vom 17. November 2005 und dem Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 nicht entnehmen. Dies ist auch konsequent, denn in dem als "Folgegutachten" bezeichneten MDK- Gutachten vom 25. Oktober 2005, auf das die Beklagte die Entziehung stützt, fehlt jede Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid vom 3. Juni 2005. Bezug genommen wird auf das Vorgutachten des MDK vom 21. Oktober "2001" (richtig vom 21. Oktober 2002) und den Entlassungsbericht des Oberlinkrankenhauses vom 2. September 2002, der damals Gegenstand der Begutachtung war. Der Vergleich zwischen der Ausgangssituation und der Situation, die zur Entziehung führen soll, wurde somit zwischen Oktober 2002 und Oktober 2005 vorgenommen, nicht aber, wie es zur Aufhebung des Bescheides vom 3. Juni 2005 notwendig wäre, mit der Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin im Juni 2005. Allein eine Änderung der Verhältnisse gegenüber Juni 2005 würde die Entziehung mit der in den angefochtenen Bescheiden gegebenen Begründung rechtfertigen.
Bei diesen erkennbaren weit überwiegenden Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache kann der Antragstellerin nicht zugemutet werden, deren Entscheidung abzuwarten. Denn die Antragsgegnerin kann, wie dargelegt, kein schützenswertes Interesse daran haben, einen einstweiligen Rechtszustand aufrecht zu erhalten, der sich aller Wahrscheinlichkeit nach als unrechtmäßig erweisen wird.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG statt zu geben.
Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde nicht statt (§ 177 SGG).
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