L 5 B 549/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 17/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 549/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 25. April 2006 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2005 aufschiebende Wirkung hat, soweit der Antragsgegner mit dem genannten Bescheid eine Erstattungsforderung in Höhe von 2.467,62 EUR geltend gemacht hat. Soweit er in dem Bescheid die Leistungsgewährung für die Zeit vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2006 zurückgenommen hat, wird die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die notwendigen Kosten für das gesamte einstweilige Rechtsschutzverfahren zu erstatten. -

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Anordnung bzw. Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Antragsgegners.

Die 1955 geborene Antragstellerin lebt zusammen mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen, 1990 geborenen Sohn C. Im Oktober 2004 beantragte sie die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). In diesem Zusammenhang legte sie u.a. eine Einkommensbescheinigung für ihren Ehemann vom 03. Oktober 2004 vor, nach der dieser bei der Firma R Transporte zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.535,00 EUR beschäftigt war. Unter Ansatz des Regelsatzes in Höhe von 298,00 EUR für die Antragstellerin und ihren Ehemann, von Sozialgeld in Höhe von 265,00 EUR für den Sohn und anteilige Kosten für Unterkunft in Höhe von jeweils 181,75 EUR errechnete der Antragsgegner einen Bedarf der Antragstellerin und ihres Ehemann von je 479,72 EUR und von 446,75 EUR des Sohnes. Dem stellte er Einkommen der Antragstellerin in Höhe von 43,81 EUR, ihres Ehemannes von 797,14 EUR und des Sohnes von 154,00 EUR gegenüber und berechnete einen Anspruch der Antragstellerin und ihres Ehemannes in Höhe von je 157,55 EUR sowie ihres Sohnes in Höhe von 96,15 EUR. Auf dieser Grundlage gewährte er mit an die Antragstellerin gerichtetem Bescheid vom 13. Dezember 2004 ihr und den mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2005 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 411,27 EUR.

Anlässlich der Geltendmachung eines Fortzahlungsantrages legte die Antragstellerin eine Einkommenbescheinigung für ihren Ehemann vor, nach der dieser seit dem 01. Dezember 2004 bei der Firma Transporte S Güternah- und Fernverkehr zu einem monatlichen Bruttolohn von 1.613,29 EUR beschäftigt war und monatliche Nettospesen in Höhe von 504,00 EUR erhielt.

Mit an den Ehemann der Antragstellerin gerichtetem Anhörungsschreiben vom 14. Juni 2005 informierte der Antragsgegner daraufhin den Empfänger des Schreibens, dass es in der Zeit vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2005 zu einer Überzahlung von insgesamt 2.467,62 EUR gekommen sei. Dies sei darauf zurückzuführen, dass er eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in den Verhältnissen nicht angezeigt habe. Es sei daher beabsichtigt, die Entscheidung über die Bewilligung der Leistung für den genannten Zeitraum ganz aufzuheben. Für den Fall, dass Leistungen zu erstatten seien, sei ferner eine Aufrechnung beabsichtigt.

Am selben Tage – also ebenfalls am 14. Juni 2005 – hob der Antragsgegner mit an die Antragstellerin gerichtetem Bescheid die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) mit Wirkung ab dem 02. Januar 2005 vollständig auf.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Antragstellerin vom 23. Juni 2005, mit dem sie geltend machte, dass die ihrem Ehemann vom Arbeitgeber gezahlten Spesen zu Unrecht als Einkommen berücksichtigt worden seien, wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2005 zurück. Der Ehemann der Antragstellerin habe bei Beginn des Leistungszeitraumes ein wesentliches höheres Einkommen erzielt als ursprünglich angegeben, nämlich neben seinem Bruttoeinkommen von 1.613,29 EUR Nettospesen in Höhe von 504,00 EUR erhalten. Die Leistungsbewilligung sei daher nach § 45 SGB X zurückzunehmen gewesen. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X lägen im Falle der Antragstellerin vor (was ausgeführt wird), sodass die Rücknahme für die Zeit vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2005 rechtmäßig gewesen sei. Mit der Rücknahme des Verwaltungsaktes verbinde sich die Erstattung von zu Unrecht erbrachten Leistungen. Die Antragstellerin habe für die Zeit vom 01. Ja¬nuar bis zum 30. Juni 2005 Leistungen in Höhe von monatlich 411,27 EUR bezogen, obwohl keine Hilfebedürftigkeit bestanden habe. Die Leistungen seien daher zu Unrecht erbracht worden und damit in voller Höhe von 2.467,62 EUR nach § 50 SGB X zu erstatten.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 05. Januar 2006 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben und zugleich "die Aussetzung der Vollziehung" beantragt, beides jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Cottbus hat mit Beschluss vom 25. April 2006 "den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen". Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2005 über die Aufhebung der Leistungsbewilligung vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2005 und die darauf beruhende Rückforderung in Höhe von 2.467,62 EUR gemäß § 39 SGB II sofort vollziehbar seien. Geeigneter Rechtsschutz sei in solch einem Fall über § 86b Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu erlangen. Indes sei dieser Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, da nach Aufforderung des Gerichts keinerlei Begründung für den Antrag beigebracht worden sei. Für das Gericht sei nicht nachvollziehbar, weshalb die im Rahmen von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG vorzunehmende summarische Überprüfung eine Rechtswidrigkeit des Bescheides ergeben solle.

Gegen diesen ihr am 02. Mai 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 10. Mai 2006 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, die sie trotz mehrerer Aufforderungen erst Ende Juli 2005 begründet hat. Sie macht geltend, sie habe dem Antragsgegner nicht früher Lohnabrechnungen über das neue Arbeitsverhältnis ihres Mannes vorlegen können. Weiter hält sie daran fest, dass der Antragsgegner die Nettospesen zu Unrecht als Einkommen bewertet habe, und vertieft dies. Im Übrigen habe der Antragsgegner ihr zu Unrecht grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen. Dass die Spesen, die der Entschädigung für tatsächlich entstandene erhöhte Aufwendungen dienten, als Einkommen angerechnet würden, hätte sie nicht erkennen können.

II.

Die Beschwerde des Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 25. April 2006 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG zulässig und begründet. Das Sozialgericht Cottbus bewertet die Sach- und Rechtslage nicht zutreffend.

Zwar hat es im Ansatz richtig das Begehren der Antragstellerin, "die Aussetzung der Vollziehung" anzuordnen, dahin ausgelegt, dass die Antragstellerin um einstweiligen Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nachsucht. Soweit es jedoch weiter angenommen hat, der erhobenen Klage komme insgesamt keine aufschiebende Wirkung zu und die aufschiebende Wirkung sei auch nicht anzuordnen, überzeugt dies nicht.

Grundsätzlich haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Als Ausnahme hiervon haben jedoch nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 SGB II Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der – so Ziffer 1 – über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Der Antragsgegner hat hier zum einen die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2005 zurückgenommen und zum anderen eine Erstattungsforderung geltend gemacht. Ob er hiermit unter den Regelungsbereich des § 39 Ziffer 1 SGB II fallende Verwaltungsakte erlassen hat, ist durchaus zweifelhaft (ablehnend z.B. Conradis in LPK-SGB II, § 39 Rn. 7) und wird in der Rechtsprechung bisher nicht einheitlich behandelt. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei einer Entscheidung über die Rücknahme oder Aufhebung eines Bewilligungsbescheides – auch soweit er sich auf die Vergangenheit bezieht – um eine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung handelt (so auch Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 Rn. 12 und Mayer in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 39 SGB II Rn. 37 und 38 m.w.N.). Denn mit der entsprechenden Verfügung bringt der Leistungsträger zum Ausdruck, dass dem Betroffenen die ursprünglich gewährten Leistungen der Grundsicherung nicht bzw. nicht so wie gewährt zustanden oder ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zustehen. Anderes gilt jedoch für die Geltendmachung einer Erstattungsforderung. Abgesehen schon davon, dass sich im Hinblick auf den Charakter der Vorschrift als Ausnahmeregelung eine erweiternde Auslegung verbietet (vgl. Conradis in LPK-SGB II, § 39 Rn. 5, Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 Rn. 3, vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86a Rn. 3, 12) und daher bereits nach dem Wortlaut erhebliche Bedenken bestehen, ob die Geltendmachung einer Erstattungsforderung eine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung darstellen kann, erscheint eine dahingehende Auslegung auch nach Sinn und Zweck nicht geboten. Die aufschiebende Wirkung ist Ausprägung des Grundsatzes der Garantie des effizienten Rechtsschutzes und damit ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Verfahrens. Sämtlichen in § 86a Abs. 1 SGG geregelten Fällen, in denen als Ausnahme von der Regel, dass Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, diese aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht eintreten soll, ist gemein, dass die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger gesichert werden soll. Dazu mag es erforderlich sein, dass die Leistungsträger ihnen (auch vermeintlich) zustehende laufende Zahlungen wie z.B. Beiträge fordern können, selbst wenn die Rechtmäßigkeit der Forderung nicht abschließend geklärt ist, und umgekehrt die weitere Gewährung von Leistungen verweigern können, wenn Zweifel am Bestehen eines entsprechenden Anspruchs bestehen. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Sozialleistungsträger ist es jedoch nicht notwendig, dass diese einmal erbrachte Leistungen auch sofort zurückfordern können, ohne dass zuvor geklärt ist, ob der Leistungsempfänger einen Anspruch hatte oder nicht. Dass der Gesetzgeber eine für den Bereich der Leistungen zur Grundsicherung in § 39 SGB II so weit über die entsprechende Regelung für das Arbeitslosengeld I in § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG hinausgehende Regelung treffen wollte, ist nicht ersichtlich. Für den Bereich des Arbeitslosengeldes I dürfte jedoch unstrittig sein, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Rücknahme bzw. Aufhebung der Leistungsbewilligung keine aufschiebende Wirkung zukommt, wohl aber gegen eine geltend gemachte Rückforderung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86a Rn. 14).

Dementsprechend hatte die Klage hier – soweit sie sich gegen die Geltendmachung der Erstattungsforderung in Höhe von 2.467,62 EUR richtete, von Anfang an aufschiebende Wirkung, so dass insoweit nur noch analog § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG eine entsprechende Feststellung auszusprechen war. Hilfsweise sei jedoch darauf verwiesen, dass selbst dann, wenn die Geltendmachung einer Erstattungsforderung nach § 50 SGB X dem Anwendungsbereich des § 39 SGB II unterfallen würde, die aufschiebende Wirkung der dagegen gerichteten Klage hier genauso anzuordnen wäre wie dies auch bezüglich der Rücknahme der Leistungsbewilligung der Fall ist. Mit ihrem Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz musste die Klägerin auch insoweit nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Erfolg haben. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides überwiegt ihr Interesse, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, nicht. Denn an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung des Antragsgegners bestehen ganz erhebliche Zweifel, und zwar sowohl formaler wie auch inhaltlicher Natur.

Inhaltlich ist die Rechtsauffassung der Antragstellerin, dass die ihrem Mann vom Arbeitgeber gewährten Nettospesen keine Einnahmen im Sinne des § 11 SGB II darstellen, sondern unter die Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II fallen, jedenfalls nicht ohne weitere Aufklärung von der Hand zu weisen. Denn zu den zweckbestimmten privatrechtlichen Einnahmen zählen solche Leistungen, die mit einer erkennbaren Zweckrichtung (etwa Abgeltung eines besonderen Aufwands) in der Erwartung gezahlt werden, dass sie vom Empfänger tatsächlich für den gedachten Zweck verwendet werden, sodass die Anrechnung auf den Unterhalt eine Zweckverfehlung darstellen würde. Soweit sie als Einkommen nur so weit außer Betracht zu bleiben haben, wie sie die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, wären vorliegend jedenfalls erst einmal seitens des Antragsgegners Ermittlungen dazu anzustellen gewesen, wofür die Nettospesen tatsächlich gewährt wurden. Spätestens auf den entsprechend begründeten Widerspruch der Antragsstellerin wäre er insofern angehalten gewesen, den Sachverhalt aufzuklären. Stattdessen hat er jedoch den Widerspruch – ohne sich auch nur ansatzweise mit der Begründung der Antragstellerin auseinanderzusetzen - abgewiesen. Dies reicht nicht.

Gegen die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Leistungsbewilligung – und letztlich auch der Erstattungsforderung – spricht hier weiter, dass der angefochtene Bescheid jedenfalls zu unbestimmt, wenn nicht gar hinsichtlich des Normadressaten im Hinblick auf die ausgesprochene Verfügung offensichtlich fehlerhaft ist. Der Antragsgegner hat vorliegend die Leistungsbewilligung nach Aktenlage allein gegenüber der Antragstellerin zurückgenommen und diese so behandelt, als hätte ihr allein der Anspruch auf die ihr und ihrem Mann und Sohn zunächst gewährten Leistungen zugestanden. Dies gipfelte letztlich darin, dass er die Erstattungsforderung über die Gesamtsumme der für alle drei Personen gezahlten Leistungen gegen die Antragstellerin geltend gemacht hat.

Diese Vorgehensweise kann auch nicht mit der Regelung des § 38 SGB II gerechtfertigt werden. Die Vorschrift sieht lediglich vor, dass, soweit Anhaltspunkte nicht entgegenstehen, vermutet wird, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt ist, Leistungen nach dem SGB II auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Das ändert aber nichts daran, dass die Vertretenen – hier der Ehemann und der Sohn der Antragstellerin – ihren jeweiligen individuellen Anspruch behalten, der auch für sie individuell entschieden werden muss. Die Vermutungsregel führt nicht dazu, dass die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu einer "Gemeinschaft von Inhabern eines gemeinsamen Bedarfs oder Anspruchs" werden. Es muss daher gegenüber jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ein rechtlich gesonderter Bescheid ergehen. Im Übrigen erstreckt sich die Vollmachtsvermutung ihrem klaren Wortlaut nach auf die Antragstellung und die Entgegennahme von Leistungen. Eine generelle und uneingeschränkte Vollmacht wird hingegen nicht vermutet. Dass die Antragstellerin also bevollmächtigt gewesen sei, für ihren Ehemann und Sohn Rücknahme- und schließlich auch Erstattungsbescheide entgegenzunehmen, kann nicht angenommen werden.

Auch eine Auslegung des Bescheides dahin, dass sich die Rücknahme und die Erstattungsforderung allein auf die konkret der Antragstellerin gewährten Leistungen beziehen sollten, scheitert zur Überzeugung des Senats daran, dass dies mit der offensichtlich nicht zutreffenden Höhe der Erstattungsforderung nicht in Einklang zu bringen ist.

Hinsichtlich der geltend gemachten Erstattungsforderung ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese gegenüber der Antragstellerin erstmals im Widerspruchsbescheid geltend gemacht worden ist. Bei dem an die Antragstellerin gerichteten Bescheid vom 14. Juni 2005 handelt es sich nämlich – anders als es beim Sozialgericht Cottbus anklingt - gerade nicht um einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, sondern allein um einen Aufhebungsbescheid, der – was der Antragsgegner dann selbst erkannt hat – zu Unrecht auf § 48 SGB X gestützt worden ist. Eine Erstattungsforderung ist im Ausgangsbescheid nicht ansatzweise geltend gemacht worden, sondern erstmals im Widerspruchsbescheid. Soweit der Antragsteller aber entgegen der Forderung des § 50 Abs. 3 SGB X die Erstattungssumme nicht mit der Aufhebung der Bewilligungsleistung verbindet, kann er dies nicht auf einen Widerspruch des Betroffenen im Widerspruchsbescheid nachholen. Weiter hat der Antragsgegner die Antragstellerin zur Geltendmachung der Erstattungsforderung nie angehört. Vielmehr hat er allein mit an ihren Ehemann gerichtetem Schreiben vom 14. Juni 2005 diesen zur beabsichtigen Aufhebung der Leistungsbewilligung und Rückforderung des überzahlten Betrages sowie einer beabsichtigen Aufrechnung angehört, um ihr gegenüber die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom selben Tage aufzuheben. All dies ist weder vom zeitlichen Ablauf noch inhaltlich nachvollziehbar.

Angesichts dieser hier zahlreichen gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides sprechenden Aspekte musste die Antragstellerin mit ihrem vorläufigen Rechtsschutzbegehren Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog. Obwohl die Antragstellerin ihren Antrag vor dem Sozialgericht nicht ansatzweise begründet hat, hält es der Senat vorliegend angesichts der offensichtlichen Mängel des angefochtenen Bescheides für gerechtfertigt, den Antragsgegner mit den gesamten Kosten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu belasten.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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