Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 25/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 166/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die anteilig auf sie entfallenden Unterkunftskosten für die Wohnung in der M Straße in C über den Monat März 2006 hinaus in voller Höhe zu übernehmen und insoweit an sie einen monatlichen Betrag von weiteren 34,34 EUR auszuzahlen.
Die 1987 geborene Antragstellerin ist aufgrund einer Intelligenzminderung schweren Grades zu 100 % schwerbehindert. Sie bewohnt gemeinsam mit ihrer Mutter eine Dreiraumwohnung mit 71,90 m² und einer Grundmiete von 367,68 EUR. Seit August 2005 bezieht sie Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII). Ihre Mutter bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Arbeitsagentur Cottbus ARGE. Bereits im Dezember 2004 ist der Mutter der Antragstellerin von der ARGE mitgeteilt worden, dass die Wohnung unangemessen groß und teuer sei. Im August 2005 ist sie zum Umzug in eine angemessene Wohnung bis zum 31. März 2006 aufgefordert worden. Ab dem 01. April 2006 werden der Mutter der Antragstellerin von der ARGE nur noch die nach deren Auffassung angemessenen Kosten der Unterkunft gewährt.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 teilte auch die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die bei der Antragstellung angegebene Wohnungsgröße nach ihrer Unterkunftsrichtlinie unangemessen sei und legte der Berechnung des Bedarfs lediglich eine angemessene Miete von insgesamt 463,25 EUR (Brutto) zugrunde. Auf den hiergegen von der Betreuerin der Antragstellerin, deren Mutter, eingelegten Widerspruch änderte die Antragsgegnerin den Bescheid mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2006 dahingehend ab, dass "in Absprache mit der ARGE" bis zu der von der ARGE eingeräumten Frist zum Umzug in eine angemessene Wohnung, dem 31. März 2006, bei der Leistungsgewährung - unabhängig von der Unangemessenheit der Wohnung - die tatsächlichen Kosten berücksichtigt würden. Für den Zeitraum ab dem 01. April 2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, ein Mehrbedarf an Wohnfläche könne nicht anerkannt werden. Die Antragstellerin erfülle nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG". Trotz der Hinweise auf einen ausladenden Gang und unkontrollierte Bewegungen der Antragstellerin könne nicht nachvollzogen werden, dass eine Wohnung mit einer kleineren Wohnfläche gegenüber der jetzigen Wohnsituation ein höheres Verletzungsrisiko berge. Eine Wohnung mit 65 m², die einen Raum weniger habe als die jetzige Wohnung, habe nicht automatisch kleinere Räume, Türöffnungen oder engere Gänge. Die Erforderlichkeit einer Pflegeperson für die Antragstellerin im Bad rechtfertige prinzipiell auch keine Erhöhung des Wohnraumbedarfes. Erst durch vergleichbare Wohnungsangebote, mit den entsprechenden Grundrissen, könne die Antragstellerin entkräften, dass Bäder in kleineren Wohnungen im konkreten Fall nicht geeignet seien. Die Zugänglichkeit des Bettes der Antragstellerin von drei Seiten erscheine nachvollziehbar, daraus sei jedoch nicht zwingend ersichtlich, dass dies einen höheren Wohnraumbedarf rechtfertige. Der geltend gemachte Raummehrbedarf für eine Ersatzpflegeperson könne nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 28. März 2006 Klage zum Sozialgericht Cottbus zum Geschäftszeichen S 20 SO 26/06 erhoben und die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt. Die strittige Dreiraumwohnung sei behindertengerecht, habe keine Schwellen und ein geräumiges Bad mit einem abgeflachten Wanneneinstieg. Ein Umzug in eine gleichwertige Wohnung mit diesen Voraussetzungen werde nicht möglich sein, da behindertengerechte Wohnungen immer einen großzügigeren Grundriss aufweisen würden. Auch die Ausstattung mit einer besonders gestalteten Badewanne, die zur Körperpflege der Antragstellerin notwendig sei, sei nur in behindertengerechten Wohnungen zu finden. Unzumutbar sei auch, dass keine separaten Schlafzimmer für sie und eine eventuelle Ersatzpflegeperson vorhanden wären. Sie habe einen erhöhten Wohnraumbedarf, weil sie unter Störungen in der Körperwahrnehmung und der Bewegungskoordination leide. Sie habe einen ausladenden Gang und führe oft unkontrollierte Bewegungen aus. In engen Gängen, Räumen und Türöffnungen würde sie sich daher verletzen. Bei der Körperpflege sei die Anwesenheit einer Pflegeperson besonders im Sanitärbereich zwingend erforderlich. Aufgrund der diagnostizierten Epilepsie müsse ihr Bett von drei Seiten zugänglich im Raum stehen. Da ihre Mutter allein erziehend und selbst 50 % schwerbehindert sei, könne es vorkommen, dass diese an ihrer Pflege gehindert sei. Deshalb müssten für solche Fälle im Haushalt Ersatzpflegepersonen untergebracht werden. Es sei unzulässig, einen Wohnraummehrbedarf am Merkzeichen "aG" festzumachen.
Das Sozialgericht Cottbus hat den Antrag mit Beschluss vom 27. Juni 2006 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es handele sich nur um einen um 34,34 EUR reduzierten Betrag. Unzumutbare Nachteile drohten der Antragstellerin nicht, denn es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihr wegen der Nichtgewährung der vollen Unterkunftskosten ein Verlust ihrer Unterkunft drohe.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 30. Juni 2006 zugestellten Beschluss am 18. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 18. Juli 2006). Die Betreuerin der Antragstellerin wiederholt insoweit ihr Vorbringen aus dem Verfahren vor dem Sozialgericht und aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus, die nicht gedeckten Unterkunftskosten der Antragstellerin – und ihre eigenen, auf die sich das einstweilige Rechtsschutzverfahren ebenfalls beziehe - begleiche sie seit April 2006 aus der Geldleistung der Pflegeversicherung, obwohl sie dieses Geld für die Pflege und Betreuung der Antragstellerin einsetzen müsse. Dies bedeute für die Antragstellerin eine Benachteiligung, weil sie die von ihr sonst in Anspruch genommene Nachmittagsbetreuung durch den Familien entlastenden Dienst der Lebenshilfe Cottbus e. V. nicht mehr finanzieren könne. Diese Benachteiligung wäre mit einer einstweiligen Anordnung zu beheben.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Juni 2006 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig die auf die Antragstellerin anteilig entfallenen Unterkunftskosten für die Wohnung in der M Straße in C über den Monat März 2006 hinaus in voller Höhe zu übernehmen und insoweit an sie einen monatlichen Betrag von weiteren 34,34 EUR auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf die Gründe der Entscheidung des Sozialgerichts beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, die Gerichtsakte zum Verfahren S 20 SO 26/06 sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (zwei Halbhefter) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind. II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der erwachsenen Antragstellerin, die von der Antragsgegnerin zusätzlich zu den Kosten der Unterkunft monatlich Leistungen nach §§ 42 Nr. 1 und Nr. 3 SGB XII (Regelbedarf und Mehrbedarf) in Höhe von 348,66 EUR erhält, ist es zuzumuten, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die nicht gedeckten Kosten der Unterkunft in Höhe von 34,34 EUR aus den ihr gewährten Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu bestreiten und bis zu einer Entscheidung mit 90 % dieses Betrages zu leben (vgl. ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Mai 2002, 12 B 423/02, FEVS 54, 174 ff. m. w. N.; a. A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. August 2005, L 19 B 33/05 AS ER, juris). Hierbei ist es der Antragstellerin insbesondere auch zuzumuten, die Kosten für den Besuch von Freizeitkursen für die Dauer des bereits anhängigen Hauptsacheverfahrens vorübergehend durch Einsparungen an anderer Stelle insbesondere bei dem Bestandteil des Regelsatzes, der für die Ansparung größerer Verbrauchsgüter vorgesehen ist aufzubringen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin im März 2006 ein Betrag von 206,04 EUR für den Zeitraum August 2005 bis 31. März 2006 nachgezahlt worden ist, der ihr zusätzlich zu den laufenden Leistungen zur Verfügung stand (6 x 34,34 EUR).
Auch das Bundesverfassungsgericht BVerfG hat in seinem Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, 803 ff. - für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausdrücklich die Möglichkeit anerkannt, "dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie z. B. Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen". In dem vom BVerfG in Bezug genommenen Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2005 - S 35 SO 28/05 ER NJW 2005, S. 845 ff. war entsprechend der zitierten ständigen Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen zum Bundessozialhilfegesetz ein Anordnungsgrund nur in Höhe von 80 % der Regelleistung bejaht worden. Soweit die Betreuerin der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren erstmals vorträgt, der beantragte einstweilige Rechtsschutz beziehe sich auch auf das sozialgerichtliche Verfahren, in dem die ihr selbst zu gewährenden Unterkunftskosten nach dem SGB II streitig seien, ist weder das Landessozialgericht zuständiges Gericht der Hauptsache (vgl. § 82 b Abs. 2 Satz 3 SGG) noch ist die Antragstellerin aktiv legitimiert, Ansprüche ihrer Mutter gerichtlich geltend zu machen, oder die Antragsgegnerin passiv legitimiert. Die Leistungen nach dem SGB II gewährt nicht die Antragsgegnerin, sondern die ARGE Cottbus.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die anteilig auf sie entfallenden Unterkunftskosten für die Wohnung in der M Straße in C über den Monat März 2006 hinaus in voller Höhe zu übernehmen und insoweit an sie einen monatlichen Betrag von weiteren 34,34 EUR auszuzahlen.
Die 1987 geborene Antragstellerin ist aufgrund einer Intelligenzminderung schweren Grades zu 100 % schwerbehindert. Sie bewohnt gemeinsam mit ihrer Mutter eine Dreiraumwohnung mit 71,90 m² und einer Grundmiete von 367,68 EUR. Seit August 2005 bezieht sie Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII). Ihre Mutter bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Arbeitsagentur Cottbus ARGE. Bereits im Dezember 2004 ist der Mutter der Antragstellerin von der ARGE mitgeteilt worden, dass die Wohnung unangemessen groß und teuer sei. Im August 2005 ist sie zum Umzug in eine angemessene Wohnung bis zum 31. März 2006 aufgefordert worden. Ab dem 01. April 2006 werden der Mutter der Antragstellerin von der ARGE nur noch die nach deren Auffassung angemessenen Kosten der Unterkunft gewährt.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 teilte auch die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die bei der Antragstellung angegebene Wohnungsgröße nach ihrer Unterkunftsrichtlinie unangemessen sei und legte der Berechnung des Bedarfs lediglich eine angemessene Miete von insgesamt 463,25 EUR (Brutto) zugrunde. Auf den hiergegen von der Betreuerin der Antragstellerin, deren Mutter, eingelegten Widerspruch änderte die Antragsgegnerin den Bescheid mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2006 dahingehend ab, dass "in Absprache mit der ARGE" bis zu der von der ARGE eingeräumten Frist zum Umzug in eine angemessene Wohnung, dem 31. März 2006, bei der Leistungsgewährung - unabhängig von der Unangemessenheit der Wohnung - die tatsächlichen Kosten berücksichtigt würden. Für den Zeitraum ab dem 01. April 2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, ein Mehrbedarf an Wohnfläche könne nicht anerkannt werden. Die Antragstellerin erfülle nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG". Trotz der Hinweise auf einen ausladenden Gang und unkontrollierte Bewegungen der Antragstellerin könne nicht nachvollzogen werden, dass eine Wohnung mit einer kleineren Wohnfläche gegenüber der jetzigen Wohnsituation ein höheres Verletzungsrisiko berge. Eine Wohnung mit 65 m², die einen Raum weniger habe als die jetzige Wohnung, habe nicht automatisch kleinere Räume, Türöffnungen oder engere Gänge. Die Erforderlichkeit einer Pflegeperson für die Antragstellerin im Bad rechtfertige prinzipiell auch keine Erhöhung des Wohnraumbedarfes. Erst durch vergleichbare Wohnungsangebote, mit den entsprechenden Grundrissen, könne die Antragstellerin entkräften, dass Bäder in kleineren Wohnungen im konkreten Fall nicht geeignet seien. Die Zugänglichkeit des Bettes der Antragstellerin von drei Seiten erscheine nachvollziehbar, daraus sei jedoch nicht zwingend ersichtlich, dass dies einen höheren Wohnraumbedarf rechtfertige. Der geltend gemachte Raummehrbedarf für eine Ersatzpflegeperson könne nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 28. März 2006 Klage zum Sozialgericht Cottbus zum Geschäftszeichen S 20 SO 26/06 erhoben und die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt. Die strittige Dreiraumwohnung sei behindertengerecht, habe keine Schwellen und ein geräumiges Bad mit einem abgeflachten Wanneneinstieg. Ein Umzug in eine gleichwertige Wohnung mit diesen Voraussetzungen werde nicht möglich sein, da behindertengerechte Wohnungen immer einen großzügigeren Grundriss aufweisen würden. Auch die Ausstattung mit einer besonders gestalteten Badewanne, die zur Körperpflege der Antragstellerin notwendig sei, sei nur in behindertengerechten Wohnungen zu finden. Unzumutbar sei auch, dass keine separaten Schlafzimmer für sie und eine eventuelle Ersatzpflegeperson vorhanden wären. Sie habe einen erhöhten Wohnraumbedarf, weil sie unter Störungen in der Körperwahrnehmung und der Bewegungskoordination leide. Sie habe einen ausladenden Gang und führe oft unkontrollierte Bewegungen aus. In engen Gängen, Räumen und Türöffnungen würde sie sich daher verletzen. Bei der Körperpflege sei die Anwesenheit einer Pflegeperson besonders im Sanitärbereich zwingend erforderlich. Aufgrund der diagnostizierten Epilepsie müsse ihr Bett von drei Seiten zugänglich im Raum stehen. Da ihre Mutter allein erziehend und selbst 50 % schwerbehindert sei, könne es vorkommen, dass diese an ihrer Pflege gehindert sei. Deshalb müssten für solche Fälle im Haushalt Ersatzpflegepersonen untergebracht werden. Es sei unzulässig, einen Wohnraummehrbedarf am Merkzeichen "aG" festzumachen.
Das Sozialgericht Cottbus hat den Antrag mit Beschluss vom 27. Juni 2006 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es handele sich nur um einen um 34,34 EUR reduzierten Betrag. Unzumutbare Nachteile drohten der Antragstellerin nicht, denn es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihr wegen der Nichtgewährung der vollen Unterkunftskosten ein Verlust ihrer Unterkunft drohe.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 30. Juni 2006 zugestellten Beschluss am 18. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 18. Juli 2006). Die Betreuerin der Antragstellerin wiederholt insoweit ihr Vorbringen aus dem Verfahren vor dem Sozialgericht und aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus, die nicht gedeckten Unterkunftskosten der Antragstellerin – und ihre eigenen, auf die sich das einstweilige Rechtsschutzverfahren ebenfalls beziehe - begleiche sie seit April 2006 aus der Geldleistung der Pflegeversicherung, obwohl sie dieses Geld für die Pflege und Betreuung der Antragstellerin einsetzen müsse. Dies bedeute für die Antragstellerin eine Benachteiligung, weil sie die von ihr sonst in Anspruch genommene Nachmittagsbetreuung durch den Familien entlastenden Dienst der Lebenshilfe Cottbus e. V. nicht mehr finanzieren könne. Diese Benachteiligung wäre mit einer einstweiligen Anordnung zu beheben.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Juni 2006 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig die auf die Antragstellerin anteilig entfallenen Unterkunftskosten für die Wohnung in der M Straße in C über den Monat März 2006 hinaus in voller Höhe zu übernehmen und insoweit an sie einen monatlichen Betrag von weiteren 34,34 EUR auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf die Gründe der Entscheidung des Sozialgerichts beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, die Gerichtsakte zum Verfahren S 20 SO 26/06 sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (zwei Halbhefter) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind. II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der erwachsenen Antragstellerin, die von der Antragsgegnerin zusätzlich zu den Kosten der Unterkunft monatlich Leistungen nach §§ 42 Nr. 1 und Nr. 3 SGB XII (Regelbedarf und Mehrbedarf) in Höhe von 348,66 EUR erhält, ist es zuzumuten, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die nicht gedeckten Kosten der Unterkunft in Höhe von 34,34 EUR aus den ihr gewährten Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu bestreiten und bis zu einer Entscheidung mit 90 % dieses Betrages zu leben (vgl. ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Mai 2002, 12 B 423/02, FEVS 54, 174 ff. m. w. N.; a. A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. August 2005, L 19 B 33/05 AS ER, juris). Hierbei ist es der Antragstellerin insbesondere auch zuzumuten, die Kosten für den Besuch von Freizeitkursen für die Dauer des bereits anhängigen Hauptsacheverfahrens vorübergehend durch Einsparungen an anderer Stelle insbesondere bei dem Bestandteil des Regelsatzes, der für die Ansparung größerer Verbrauchsgüter vorgesehen ist aufzubringen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin im März 2006 ein Betrag von 206,04 EUR für den Zeitraum August 2005 bis 31. März 2006 nachgezahlt worden ist, der ihr zusätzlich zu den laufenden Leistungen zur Verfügung stand (6 x 34,34 EUR).
Auch das Bundesverfassungsgericht BVerfG hat in seinem Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, 803 ff. - für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausdrücklich die Möglichkeit anerkannt, "dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie z. B. Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen". In dem vom BVerfG in Bezug genommenen Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2005 - S 35 SO 28/05 ER NJW 2005, S. 845 ff. war entsprechend der zitierten ständigen Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen zum Bundessozialhilfegesetz ein Anordnungsgrund nur in Höhe von 80 % der Regelleistung bejaht worden. Soweit die Betreuerin der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren erstmals vorträgt, der beantragte einstweilige Rechtsschutz beziehe sich auch auf das sozialgerichtliche Verfahren, in dem die ihr selbst zu gewährenden Unterkunftskosten nach dem SGB II streitig seien, ist weder das Landessozialgericht zuständiges Gericht der Hauptsache (vgl. § 82 b Abs. 2 Satz 3 SGG) noch ist die Antragstellerin aktiv legitimiert, Ansprüche ihrer Mutter gerichtlich geltend zu machen, oder die Antragsgegnerin passiv legitimiert. Die Leistungen nach dem SGB II gewährt nicht die Antragsgegnerin, sondern die ARGE Cottbus.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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Aus
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