L 9 B 281/06 KR

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 89 KR 1554/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 281/06 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
wird die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. Mai 2006 aus den im Wesentlichen zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen (vgl. § 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe:

Das Sozialgericht hat die Erledigung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens rechtsfehlerfrei festgestellt. Denn der Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass die Klage der Antragsgegnerin gegen den Schiedsspruch vom 13. Mai 2005 in der Fassung vom 27. Mai 2005 keine aufschiebende Wirkung hat, hilfsweise, die sofortige Vollziehung des Schiedsspruchs anzuordnen, hat sich durch den Erlass des für sofort vollziehbar erklärten Bescheids des Bundesversicherungsamtes vom 26. Juli 2005 in der Hauptsache erledigt, weil dadurch ihre Beschwer und damit auch das Rechtsschutzinteresse für den Feststellungsantrag entfallen ist. Das Ziel dieses Feststellungsantrages, die Antragsgegnerin zur sofortigen Befolgung des Schiedsspruches zu veranlassen, dessen sofortige Vollziehbarkeit die Antragsgegnerin bestreitet, ist durch den Bescheid des Bundesversicherungsamtes herbeigeführt worden. Durch diese Verwaltungsentscheidung wird die Antragsgegnerin dazu gezwungen, dem Schiedsspruch nachzukommen, indem sie den am Schiedsverfahren beteiligten Leistungserbringern für ihre Pflegeleistungen die im Schiedsspruch festgelegten Vergütungen gewähren muss. Der Zweck des vorläufigen Rechtsschutzantrages und des Verwaltungsaktes der Aufsichtsbehörde sind damit im Ergebnis deckungsgleich, so dass die sofort vollziehbare Aufsichtsanordnung das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren in der Hauptsache erledigt hat. Denn als erledigendes Ereignis kommt jede außerprozessuale Veränderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht, die bereits für sich betrachtet die Abweisung des im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gestellten Antrages als unzulässig oder unbegründet rechtfertigen würde (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 14. Auflage, § 161 Rdnr. 21).

Nachdem die Antragstellerin das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (einseitig) in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, die Antragsgegnerin jedoch der Erledigungserklärung entgegengetreten ist, hat sich der Streitgegenstand geändert. Der Rechtsstreit ist im Beschwerdeverfahren auf die Feststellung beschränkt, ob die Hauptsache erledigt ist (vgl. BVerwGE 31, 318, 319). Das Sozialgericht war an dieser Feststellung auch nicht dadurch gehindert, dass der ursprünglich gestellte Feststellungsantrag unzulässig war. Dabei kann hier offen bleiben, ob eine solche Zulässigkeitsprüfung nach einseitiger Hauptsachenerledigungserklärung überhaupt (noch) vorzunehmen war oder sich die Prüfung nur auf die Feststellung des Eintritts der Hauptsachenerledigung zu beschränken hat (vgl. hierzu: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, § 161 Rdnrn. 23 ff.). Denn an der Zulässigkeit des beim Sozialgericht gestellten Feststellungsantrages bestehen keine Zweifel. Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin waren Beteiligte des Schiedsverfahrens und sind deshalb von den Festsetzungen des in Form eines Verwaltungsakts (Beschluss des 9. Senats des LSG Berlin - L 9 B 65/05 KR ER) ergangenen Schiedsspruchs unmittelbar rechtlich begünstigt bzw. beschwert. Enthält der Schiedsspruch im Verhältnis zu ihrem im Schiedsverfahren erkennbar gewordenen Begehren eine Beschwer, können sie hiergegen mit der Klage vorgehen, wie es hier die Antragsgegnerin getan hat, und ggf. nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG (im Falle einer Belastung) oder nach § 86 b Abs. 2 SGG (im Falle einer unzureichenden Begünstigung) um vorläufigen Rechtschutz nachsuchen. Aber auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich die beschwerte Krankenkasse (die Antragsgegnerin) nicht an die Festsetzungen des Schiedsspruchs hält, ist die daraus begünstigte Leistungserbringerin (die Antragstellerin) rechtlich nicht schutzlos. Sie kann - je nach ihrem Rechtsstandpunkt - die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 1 SGG beim Sozialgericht beantragen oder, wenn sie dem Rechtsstandpunkt des 9. Senats des LSG Berlin in seinem Beschluss vom 27. April 2005 (L 9 B 65/05 KR ER) folgt, die sofortige Vollziehbarkeit des Schiedsspruchs vom Sozialgericht in entsprechender Anwendung des § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG feststellen lassen, ohne zuvor Beteiligte eines Klageverfahrens in der Rolle der Klägerin, Beklagten oder Beigeladenen sein zu müssen; die hierfür erforderliche Antragsbefugnis kann sie aus § 132 a Abs. 2 Sozialgesetzbuch/ Fünftes Buch (SGB V) i. V. m. den Festsetzungen des Schiedsspruchs herleiten.

Die Antragsgegnerin kann auch nicht damit gehört werden, dass die von der Antragstellerin begehrte Feststellung an der Unbegründetheit des ursprünglichen Antrages scheitern müsse. Zwar wird man grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen in einem Klageverfahren in analoger Anwendung der Regelung des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG auch dem Beklagten zubilligen müssen, durch die Aufrechterhaltung seines Klagabweisungsantrags eine Sachentscheidung gegen den Willen des Klägers zu erzwingen (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 18. April 1986, BayVBl. 1988, 602; vom 3. Juni 1987, BayVBl. 1988, 48 und vom 3. Oktober 1990, DVBl. 1991, 214; BVerwGE 20, 146, 150, 154; 31, 318, 320; 82, 41, 44), wenn er im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ein berechtigtes Interesse an einer Sachentscheidung über den ursprünglichen Rechtsschutzantrag des Klägers und demgemäß an der Aufrechterhaltung seines Abweisungsantrags hat. In Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 86 b Abs. 1 und 2 SGG) kommen diese für das Klageverfahren entwickelten Rechtsgrundsätze aber wegen ihres summarischen Charakters grundsätzlich nicht zum Tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1995, DVBl. 1995, 520; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. Oktober 1989, VBlBW 1990, 135 f.; Beschluss vom 7. Oktober 1980, VBlBW 1981, 289 f.; Beschluss vom 5. Oktober 1977, NJW 1978, 774 f.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. Juni 1990, OVGE MüLü 41, 511 f.; OVG Berlin, Beschluss vom 23.5.1989, UPR 1989, 400; Hess. VGH, Beschluss vom 11. September 1979, ESVGH 30, 26 f.). Hat sich - wie hier - im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG die Hauptsache erledigt, so hat die Antragsgegnerin grundsätzlich kein berechtigtes Interesse an einer Sachentscheidung (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26. Mai 1987, NVwZ 1988, 747), da Gegenstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ist, sondern allein die Vollziehbarkeit dieses Aktes in Frage steht und im Übrigen nur eine summarische Prüfung stattfindet.

Die Antragsgegnerin hat nach § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren gemäß §§ 52 und 63 GKG auf 2.500 EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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