L 22 RJ 100/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 790/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 RJ 100/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 21. April 2004 verurteilt, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01. April 2000 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu zwei Dritteln zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1962 geborene Kläger erlernte den Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs und hat diesen bis 1993 ausgeübt. Danach war er arbeitsunfähig erkrankt und ab April 2002 arbeitslos.

Bereits am 19. März 2000 hatte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit beantragt und dies damit begründet, wegen Gesundheitsstörungen in der Bauspeicheldrüse sei er seit 04. Dezember 1999 arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte holte Unterlagen der behandelnden Ärzte und Krankenanstalten ein und ließ den Kläger von Dr. W untersuchen. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 06. Juli 2000 einen langjährigen Alkoholabusus fest, der wiederkehrende Bauchspeicheldrüsenentzündungen verursachte, jetzt aber komplett eingestellt sei. Dazu kämen ein Verschleiß des unteren Bereichs der Lendenwirbelsäule ohne Bewegungseinschränkung und ein belastungsabhängiger Schulterschmerz rechts ohne Bewegungseinschränkung. Zu empfehlen sei eine medizinische Reha Maßnahme und eine absolute lebenslängliche Alkoholkarenz müsse eingehalten werden. Bereits jetzt sei der Kläger in der Lage, leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten.

Gestützt auf diese Feststellungen lehnt die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 2000 den Antrag ab und führte zur Begründung aus, der Kläger könne als Montierer oder Poststellenmitarbeiter vollschichtig eingesetzt werden.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 10. August 2000. Während des Widerspruchsverfahrens ließ die Beklagte für den Kläger eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der E Klinik L vom 13. März 2001 bis 03. April 2001 durchführen, bei der folgende Entlassungsdiagnosen gestellt wurden:

- alkoholinduzierte, fortgeschrittene chronische Pankreatitis, Zustand nach Pankreaskopfresektion Pankreatiko-Jejunostomie und Choledocho-Jejunostomie und CE 01/2000 mitexokriner Pankreasinsuffizienz, akuter Schub - Diabetes mellitus Typ III - labiler Hypertonus - rezidivierendes LWS-Syndrom - Schultersyndrom rechts

Der Kläger könne als Gas- und Wasserinstallateur nicht mehr arbeiten, sei jedoch vollschichtig für leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten einsetzbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, der Kläger könne zumutbare Verweisungstätigkeiten als Gerätezusammensetzer, als Poststellenmitarbeiter, als Telefonist und als Parkhauswächter vollschichtig verrichten.

Hiergegen hat sich die am 10. Oktober 2001 beim Sozialgericht erhobene Klage des Klägers gerichtet, zu deren Begründung er vorträgt, er sei nicht in der Lage, einer vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid vom 20. Juli 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. September 2001 aufzuheben und ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Beruf des Gerätezusammensetzers von Kleinapparaten als Verweisungstätigkeit benannt und insoweit berufskundliche Unterlagen übersandt. Darüber hinaus hat sie die Tätigkeiten des Telefonisten, des Parkhauswächters und des Poststellenmitarbeiters benannt.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und die Berufsinformationskarten zu den Berufsbildern Feinmechaniker, Telefonist, Postdienstleistungskraft und Wachmann in das Verfahren eingeführt.

Sodann hat das Sozialgericht mit Urteil vom 21. April 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht berufsunfähig. Maßgeblicher Beruf sei derjenige des Gas- und Heizungsinstallateurs, eine Facharbeitertätigkeit mit einer Regelausbildung von über zwei Jahren. Der Kläger sei deshalb nicht in die Tätigkeit eines Telefonisten zu verweisen, da dies eine ungelernte Tätigkeit sei, ein Parkhauswächter müsse in Schichtdienst arbeiten und ein Poststellenmitarbeiter müsse Pakete bis zirka 18 kg bewegen. Der Kläger könne jedoch als Gerätezusammensetzer sowohl medizinisch als auch sozial zumutbar eingesetzt werden.

Gegen dieses dem Kläger am 09. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 16. Juni 2004, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. April 2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Juli 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. September 2001 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren und die höchste Rente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat als weiteren Verweisungsberuf denjenigen des Hochregalarbeiters in einer großen Anlage modernen Zuschnitts, die lediglich leichte Arbeiten abverlangt, benannt.

Der Senat hat neue Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und sodann den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens über dem Kläger verbliebene Leistungsvermögen beauftragt.

In dem am 17. Dezember 2004 erstatteten Gutachten diagnostiziert der Sachverständige:

1. Fehlhaltung der Wirbelsäule, beginnende Wirbelkörperverformung im Brustwirbelsäulenbereich bei bestehender Osteoporose. Neigung zu muskulären Reizzuständen. Ausschluss einer Nervenwurzel-reizsymptomatik. 2. Medikamentös nicht eingestelltes arterielles Bluthochdruckleiden. 3. Zustand nach operativer Entfernung des Bauspeicheldrüsenkopfes mit Wiederherstellung des Verdauungsweges durch biliodigestive Anastomose (Verbindung der Gallengänge und des Bauchspeichel-drüsenganges durch eine ausgeschaltete Dünndarmschlinge). Neigung zu Diarrhöen ohne Schädigung des körperlichen Ernährungszustandes. Chronische kalzifizierende Pankreatitis ohne Nachweis aktueller Entzündungsparameter.

Der Kläger könne nur noch leichte körperliche Arbeiten verrichten, mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten seien auszuschließen. Die Gesundheitsbeeinträchtigungen bestanden bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung und eine Besserung sei nicht zu erwarten. Er könne nur noch sehr einfache geistige Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen verrichten. Ausschließliches Gehen, Stehen oder Sitzen würde den Stütz- und Halteapparat überbeanspruchen, weswegen isolierte Tätigkeiten zu vermeiden seien. Jeweils ein Drittel der Arbeitszeit könne der Kläger aber in den genannten Körperpositionen eingesetzt werden. Wenn längere Zeit gesessen werde, müsse ihm Gelegenheit gegeben werden, sich durchzubewegen. Bei längeren Wegstrecken sollte ebenfalls die Möglichkeit gegeben sein, eine Pause einzulegen. Gelegentlich könne der Kläger sich knien, hocken oder bücken. Auf Leitern und Gerüsten sollte er nicht eingesetzt werden. Ständige Überkopfarbeiten seien zu vermeiden, gelegentlich jedoch sei dies möglich. Arbeiten im Freien sei nur unter Witterungsschutzbedingungen möglich, da Kälte, Nässe, Feuchtigkeit und Zugluft die Beschwerden im Bereich des Stütz- und Halteapparats verstärken könnten. Die Arbeit sollte überwiegend in geschlossenen Räumen verrichtet werden. Der Kläger könne in Wechselschichten, jedoch nicht in Nachtschicht und nicht unter Zeitdruck arbeiten.

Die Beklagte hat hierzu dahingehend Stellung genommen, der Kläger sei mit dem von Dr. B festgestellten Leistungsvermögen weiterhin in der Lage, die Tätigkeiten eines Montierers/Gerätezusammensetzers oder eines Hochregalarbeiters zu verrichten. Bezüglich der Einschätzung des Sachverständigen Dr. B, der Kläger könne nur noch sehr einfache geistige Tätigkeiten verrichten, seien diese nicht plausibel begründet.

Der Sachverständige Dr. B hat hierzu dahingehend Stellung genommen, der Kläger habe bei seiner Untersuchung unter dem Niveau eines Facharbeiters intellektuell einfach strukturiert gewirkt.

Der Senat hat sodann den Neurologen und Psychiater Dr. C zum weiteren Sachverständigen ernannt, der mit Genehmigung des Senats eine testpsychologische Untersuchung durch den Diplompsychologen Dr. Dr. W durchführen ließ. Von Letzterem wurde ein IQ von 98 ermittelt; die Konzentrationsfähigkeit sei unterdurchschnittlich.

Dr. C hat auf neurologischem Gebiet eine leichte Auffälligkeit im Sinne einer früheren Polyneuropathie und eine etwas erhöhte Depressivität im Sinne einer leichteren Anpassungsstörung vorgefunden, wobei diese Störungen leichtgradig seien. Der Kläger könne geistig noch einfache bis mittelschwere Arbeiten verrichten. Im Übrigen könne Dr. C sich der Leistungseinschätzung des Sachverständigen Dr. B anschließen.

Der Senat hat sodann Herrn M L zum berufskundlichen Sachverständigen ernannt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 17. September 2005 dargelegt, das ermittelte körperliche Leistungsvermögen sei für Tätigkeiten als Montierer oder Gerätezusammensetzer, die zumindest der Anlernebene zugerechnet werden könnten, nicht ausreichend. Einfache Tätigkeiten des Montierers in der industriellen Serienfertigung hätten keine berufsfachlichen Verbindungen zu den Arbeiten eines Installateurs oder Klempners und die Tätigkeiten, die anspruchsvollerer Art seien, setzten eine entsprechende Ausbildung im Bereich der Elektronik oder der Feinmechanik voraus.

Die Tätigkeit eines Hochregallagerarbeiters ohne eigene körperliche Belastung existiere in nennenswerter Anzahl nicht. Die Tätigkeitsbezeichnung "Hochregalarbeiter" sei in keiner berufskundlichen Beschreibung und nicht in Tarifverträgen enthalten. Das Bedienen von Transportgeräten wie Staplern oder Regalfahrzeugen gehöre zu den Aufgaben von Handelsfachpackern, der Fachkräfte für Lagerwirtschaft oder der Fachkräfte für Lagerlogistik. Für Teilbereiche in diesem Bereich würde vor Ort angelernt und eingearbeitet. Hochregale würden in Höhen von bis zu 40 m Stapelhöhe geführt, und zwar zunehmend in einem geschlossenen System dergestalt, dass im Lager selbst keine Arbeitnehmer tätig sind. Die Gitterboxen oder Paletten würden computergesteuert gelagert. Lediglich im Pufferbereich seien Lagerbearbeiter beschäftigt, die jedoch körperlich voll belastbar sein müssten. Die von der Beklagten eingereichten Auskünfte des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie in Berlin-Brandenburg deckten sich nicht mit seinen Recherchen zur Verweisungstätigkeit und nicht mit den tatsächlichen Abläufen in den vom Arbeitgeberverband selbst zitierten Firmen, nämlich der K AG, der P (jetzt R) und der A. Er selbst habe mit diesen Firmen die Arbeitsabläufe abgesprochen und festgestellt, dass in den Großlagern auch körperlich gearbeitet werden müsse, weil auch bei vollautomatisierter Entnahme aus dem Hochregel die eigentlichen Kommissionierungsarbeiten durch Heben und Tragen verrichtet werden müssten. Beigefügt war eine Stellungnahme der Firma A.

Allerdings könne der Kläger für leichte Pack- und einfache Sortierarbeiten in der Form eines Versandfertigmachers eingesetzt werden. Dabei handele es sich um leichte Tätigkeiten, die mit dem medizinischen Leistungsvermögen übereinstimmten, die jedoch zum Bereich der ungelernten Arbeiten gehörten.

Die Beklagte hat daraufhin Unterlagen beigebracht, nach denen ihrer Auffassung nach der Kläger als Montierer eingesetzt werden könne.

Hierzu hat der Sachverständige L am 13. November 2005 dahingehend Stellung genommen, dass der Kläger lediglich Montiertätigkeiten der Lohngruppe 2 verrichten könne, wobei es sich um einfache Arbeiten handele, die eine geringe Sach- und Arbeitskenntnis verlangten und jegliche Ausbildung nach einer Unterweisungszeit von bis zu einem Monat ausgeführt werden könne. Nach Lohngruppe 3 jedoch, die ihm sozial zumutbar sei, würden Arbeiten entlohnt, die eine Zweckausbildung oder ein systematisches Anlernen von bis zu sechs Monaten erfordern. Die Lohngruppe sei definiert mit "Montieren von Einzelteilen oder Baugruppen mit hoher Genauigkeit in der Einzel- oder Serienfertigung". Da der Kläger als Klempner insoweit über keine verwertbaren Vorkenntnisse verfüge, sei in seinem Fall eine Einarbeitungszeit von über drei Monaten erforderlich.

Die Beklagte hat hierzu dahingehend Stellung genommen, dass sie auch an dem Verweisungsberuf des Hochregalarbeiters in einer großen Anlage modernen Zuschnitts festhalte. Zwar käme die Tätigkeit, wie sie in der Auskunft der Firma A beschrieben sei, nicht in Betracht, es gebe jedoch auch solche Tätigkeiten, die lediglich leichte Arbeiten abverlangten.

Hierzu hat der Sachverständige L erneut am 26. Februar 2006 Stellung genommen. Er hat nochmals dargelegt, dass er im Herbst 2004 mit den drei von der Beklagten benannten Firmen Kontakt aufgenommen habe und festgestellt hat, dass in allen diesen Betrieben für den Hochregalarbeiter eine körperliche Mitarbeit erforderlich ist, die deutlich über "leicht" hinausgeht. Er habe parallel dazu mit den Herstellerfirmen der vollautomatischen Hochlager mit dem Ergebnis telefoniert, dass es solche Anlagen, in denen keine körperliche Arbeit erforderlich sei, bundesweit nur sehr vereinzelt gibt - geschätzt wurde eine Zahl von unter zehn. Der Sachverständige hat darauf verwiesen, dass in den Schreiben des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie zum einen von derselben Auskunftsperson am 09. November 1998 ausgeführt worden sei, Arbeiten in Hochregallagern würden fast ausschließlich (zirka 90 %) im Sitzen ausgeführt, dann jedoch am 19. März 2002 dargelegt wird, "in den meisten uns bekannten Unternehmen arbeiten in den Hochregallagern nur wenige Arbeitnehmer, so dass der überwiegende Zeitanteil (mindestens 60 %) mit Wareneingangsprüfung oder Aus- und Einlagerung der Waren ausgefüllt wird und die Bildschirmarbeit maximal 40 % der gesamten Arbeitszeit ausmacht". Diese Darlegungen im Schreiben vom 19. März 2002 deckten sich mit den von ihm ermittelten Abläufen und Anforderungen. Diesen Anforderungen sei der Kläger nicht gewachsen.

Die Beklagte hat daraufhin beantragt, eine weitere berufskundliche Auskunft einzuholen. Sie hat erneut die bereits vom Sachverständigen Dr. L ausgewerteten Schreiben des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e. V. übersandt.

Mit Schriftsatz vom 27. Juli 22006 eingegangen am 11. August 2006 hat die Beklagte beantragt, Beweis durch "Anhörung" des Gesamtverbandes der metallindustriellen Arbeitgeberverbände zu erheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und de beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in Bezug auf die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit begründet, im Übrigen unbegründet.

Über die Berufung konnte gemäß § 155 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatter entschieden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben.

Das Sozialgericht hat die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen und der Bescheid vom 20. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. September 2001 verletzt den Kläger in seinen Rechten, da ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit zusteht.

Als Anspruchsgrundlagen kommen auch weiterhin die §§ 43 und 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der Fassung des vor dem am 01. August 2001 in Kraft getretenen Gesetztes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM Reformgsetz) vom 20. Dezember 2000 in Betracht.

Nach § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall, denn der maßgebende Antrag wurde bereits im März 2000 gestellt.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind und weitere - beitragsbezogene - Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 SGB VI).

Der Kläger ist hiernach berufsunfähig. Er kann weder den erlernten Beruf als Gas- und Wasserinstallateur noch die von der Beklagten benannten Verweisungsberufe ausüben.

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (Bundessozialgericht - BSG - SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130).

Der Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs ist hiernach maßgeblicher Beruf des Klägers. In diesem hat er bis zu seiner Erkrankung sein gesamtes Berufsleben verbracht. Danach hat er nur noch kurzfristig in verschiedenen Tätigkeiten Arbeitsversuche unternommen, die seinem Berufsbild jedoch nicht das Gepräge dergestalt gegeben haben, dass eine Lösung vom bisherigen Beruf angenommen werden kann, sie mithin endgültig ist (BSG SozR 2000 § 1246 Nr. 148).

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI können Versicherten grundsätzlich solche Tätigkeiten zugemutet werden, die in ihrer Wertigkeit dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 50 m. w. N.). Nach dem vom BSG zur Bestimmung der Wertigkeit eines Berufes entwickelten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe in vier Gruppen eingeteilt, nämlich die des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion beziehungsweise des besonders qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters (Einarbeitung beziehungsweise Einweisung von weniger als drei Monaten). Im Rahmen dieses Mehrstufenschemas dürfen Versicherte, ausgehend von einer hiernach erfolgten Einstufung ihres bisherigen Berufes, nur auf die jeweils nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden. Die Stufe des angelernten Arbeiters wird, da es sich um vielschichtige und inhomogene Gruppe handelt, in einen oberen Bereich (mit einer Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten bis zu zwei Jahren) und einen unteren Bereich (mit einer Anlernzeit von drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt (BSG SozR 3 2200 § 1246 Nr. 45).

Davon ausgehend ist der Ausgangsberuf des Klägers in die Gruppe de Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren) einzuordnen. Dass der Kläger diese Tätigkeit, die mit ständigem Heben und Bücken verbunden ist, die er auch mittelschwer bis schwer belastet nicht mehr verrichten kann, ergibt sich aus den beigezogenen berufskundlichen Unterlagen und ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die Beklagte hat jedoch auch keinen zumutbaren Verweisungsberuf benannt. Die Beklagte hat eine Verweisungstätigkeit grundsätzlich konkret zu benennen, wobei die einzige Ausnahme die Fallgruppe bildet, in der dem Versicherten ungelernte Tätigkeiten mit einer Einarbeitungs- oder Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten zumutbar sind und die Erwerbsfähigkeit nicht durch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen oder durch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung eingeschränkt wird (BSG SoozR 3 2200 § 1246 Nr. 50). Diese Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ergibt sich aus der verwaltungsverfahrensrechtlichen Begründungspflicht des Versicherungsträgers und soll den Versicherten in die Lage versetzen, die Einwendung des Versicherungsträgers, er könne einen entsprechenden Vergleichsberuf verrichten, zu überprüfen (BSG SozR 3 2600 § 43 Nr. 13).

Tatsacheninstanzen haben eine Amtsermittlungspflicht insoweit nur, wenn sich konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines fachlich und gesundheitlich zumutbaren Vergleichsberufs aufdrängen (BSG vom 05. April 2001 B 13 RJ 23/00 R).

Die Beklagte hat den Verweisungsberuf des Telefonisten benannt, bei dem es sich um eine Tätigkeit mit einer Einarbeitungszeit unter drei Monaten handelt und der demgemäß außer Betracht bleibt. Die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters ist in der Regel ebenfalls eine einfache Tätigkeit, die einem Facharbeiter nicht zumutbar ist und darüber hinaus nach der vom Sozialgericht beigezogenen Auskunft regelmäßig auch mit dem Heben und Tragen von Paketen von bis u 18 kg verbunden, somit dem Kläger nicht zumutbar. Zu der benannten Tätigkeit des Montierers hat der Sachverständige L überzeugend dargelegt, dass es diesen Beruf in zwei Ausübungsformen gibt, wovon die eine dem Kläger sozial unzumutbar ist und die andere nicht in einer Ausbildungszeit von bis zu drei Monaten erlernt werden kann.

Der Sachverständige hat anhand der entsprechenden Tarifwerke dargelegt, dass es den Montierer als ungelernten Arbeiter gibt, der in wenigen Tagen eingearbeitet werden kann und dass der Kläger diese Arbeit verrichten könne. Eine solche Tätigkeit jedoch ist ihm nach dem dargelegten Mehrstufenschema des BSG wiederum nicht zumutbar. Darüber hinaus gibt es den Kleinteilemontierer in der Form, dass kompliziertere Montagen ausgehend von einer eingebrachten Qualifikation durchgeführt werden, wobei die Einarbeitungszeit bis zu sechs Monaten beträgt. Da der Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs jedoch, wie der Sachverständige dargelegt hat, insoweit keine Ausbildungsinhalte hat, die insoweit verwertbar sind, könne der Kläger diese Tätigkeit vollwertig erst nach einer über dreimonatigen Ausbildung ausüben.

Auch die Tätigkeit des Hochregalarbeiters ist dem Kläger nicht zuzumuten, da es sich dabei um eine Tätigkeit handelt, bei der mehr als leichte körperliche Anforderungen anfallen. Das Parteivorbringen der Beklagten, es gebe diesen Beruf in der Ausübungsform in nennenswerter Anzahl, dass keine körperlichen Arbeiten verrichtet werden, die über "leicht" hinausgehen, sieht der Senat durch die Ermittlungen des Sachverständigen L, der sich mit den von der Beklagten eingereichten Unterlagen intensiv auseinandergesetzt und diese durch Rücksprachen überprüft hat, als widerlegt an. In Wirklichkeit hat sich nämlich, wie der Sachverständige L überzeugend darlegt, ergeben, dass die Tätigkeiten des Hochregalarbeiters mit körperlicher Arbeit verbunden sind, die über ein leichtes Maß hinausgehen und dass in Deutschland so genannte vollautomatische Hochregalanlagen in einer Anzahl von unter zehn vorhanden sind. Der Senat misst insoweit dem Sachverständigen eine höhere Beweiskraft bei als dem Parteivorbringen der Beklagten selbst, zumal der Sachverständige sich mit diesem intensiv auseinandergesetzt hat.

Bei dieser Sachlage bestand auch keine Veranlassung, einen weiteren berufskundlichen Beweis, insbesondere durch Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit, zu erheben, zumal der Sachverständige L selbst Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit im Land Schleswig-Holstein ist und dort seit vielen Jahren als Berufsberater tätig ist der Sozialgerichtsbarkeit im Lande Brandenburg aufgrund dieser Qualifikation zur Verfügung steht.

Auch zu einer weiteren Beweiserhebung wegen des Schriftsatzes der Beklagten vom 27. Juli 2006 sah der Senat sich nicht genötigt. Zum einen stellt dieses Schreiben keinen Beweisantrag, sondern lediglich eine Anregung zu weiteren Ermittlungen dar. Als Beweismittel, die ein Beweisantrag enthalten muss, kommen hier Zeugen in Betracht, nicht hingegen ein e. V. Das Gericht müsste hier zunächst Zeugen ermitteln. Auch hat der Vertreter der Beklagten nach Erörterung dieser Problematik den "Beweisantrag" in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt (vgl. BSG, SGb 00, 269). Darüber hinaus sind die Unterlagen des Verbandes dem Sachverständigen Langhoff zugeleitet gewesen und dieser hat sie seinen weiteren Darlegungen zugrunde gelegt.

Da die Beklagte einen anderen Verweisungsberuf jedoch nicht benannt hat und die vorgenommene Verweisung mit der Folge unzulässig ist, dass Berufsunfähigkeit vorliegt (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 150), war die Beklagte entsprechend antragsgemäß zu verurteilen.

Dem Kläger ist jedoch keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 SGB VI zu gewähren.

Nach § 44 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.

Mit dem von den medizinischen Sachverständigen überzeugend dargelegten vollschichtigen Leistungsvermögen liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Dementsprechend hat auch der Sachverständige Langhoff dargelegt, dass der Kläger mit einfachsten Montierarbeiten ebenso betraut werden kann wie mit der Tätigkeit eines Versandfertigmachers.

Insoweit muss die Berufung daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved