L 9 KR 55/99 W01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 443/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 55/99 W01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 1999 und die Bescheide der Beklagten vom 27. Juni 1996 sowie vom 21. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1997 aufgehoben. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für den gesamten Rechtsstreit zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen Bescheide, mit denen die Beklagte unter gleichzeitiger Aufhebung entsprechender Bewilligungsentscheidungen von ihm Krankengeld in Höhe von 15.477,09 DM für die Zeit vom 16. bis zum 21. Dezember 1995, 30. Dezember 1995 bis zum 8. Januar 1996 und vom 9. Februar bis zum 11. Juni 1996 zurückfordert.

Der 1964 geborene Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 9. Dezember 1994 für seinen Arbeitgeber Dr. H als Vorarbeiter/Bau beschäftigt und wurde bei der Sanierung von Altbauten eingesetzt. Nachdem er – bedingt durch einen im Sommer 1995 erlittenen Sportunfall – wegen orthopädischer Leiden bereits bis zum 8. Dezember 1995 arbeitsunfähig gewesen war, stellte der Arzt Z für die Zeit vom 14. bis zum 21. Dezember 1995 erneut das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit wegen Restbeschwerden nach OSG-Bandläsion fest. Für die Zeit vom 29. Dezember 1995 bis zum 24. Juni 1996 bescheinigte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit, weil bei dem Kläger eine Konfliktsituation mit depressiver Entwicklung bestehe. Aufgrund dieser Bescheinigungen gewährte die Beklagte dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 9. Februar bis zum 11. Juni 1996 in Höhe von insgesamt 13.742,08 DM netto. Hierbei ging sie davon aus, dass der Kläger für die davor liegenden Zeiträume Entgeltfortzahlungen von seinem Arbeitgeber erhalten hätte, was jedoch nicht den Tatsachen entsprach.

Nachdem der Kläger am 4. April 1996 einen Untersuchungstermin bei dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung e. V. (MDK) nicht wahrgenommen hatte, lud die Beklagte den Kläger erneut zu einer sozialmedizinischen Begutachtung beim MDK ein. Im Rahmen der am 24. April 1996 durchgeführten Untersuchung stellte der für den MDK tätige Facharzt für Chirurgie K fest, dass der Kläger einen ausgeprägt depressiven Eindruck mache, und empfahl, ihn nochmals in der Facharztzentrale – Abteilung Neurologie – begutachten zu lassen. Noch bevor sich der Kläger dort vorstellen konnte, wurde die Beklagte von dem Steuerberaterbüro des Arbeitgebers telefonisch davon unterrichtet, dass das Beschäftigungsverhältnis schon seit dem 8. Dezember 1995 nicht mehr bestehe. Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung von Krankengeld über den 11. Juni 1996 hinaus ein und hob mit ihrem Bescheid vom 27. Juni 1996 die früheren Bescheide über die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit vom 9. Februar bis zum 11. Juni 1996 auf. Zugleich teilte sie dem Kläger mit, dass er mit Rücksicht auf die Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 8. Dezember 1995 Krankengeld allein für die Zeit vom 30. Dezember 1995 bis zum 8. Januar 1996 im Rahmen des nachgehenden Versicherungsschutzes in Höhe von 1.127,18 DM netto beanspruchen könne, und forderte die sich hiernach ergebende Überzahlung in Höhe von 12.614,90 DM zurück.

Im Laufe des sich hieran anschließenden Widerspruchsverfahrens überreichte der Kläger eine Arbeitsbescheinigung vom 15. Juli 1996, auf der sich die Unterschrift von Dr. H befindet. Diese Unterschrift wurde im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (Az: 51 Js 703/98) kriminaltechnisch auf ihre Echtheit untersucht und im Ergebnis als mit hoher Wahrscheinlichkeit von Dr. H stammend beurteilt. In der Arbeitsbescheinigung heißt es, der Kläger sei in der Zeit vom 15. November 1994 bis zum 30. Juni 1996 im Unternehmen von Dr. H beschäftigt gewesen.

Die Beklagte trat daraufhin in weitere Ermittlungen ein. In deren Folge wurde sie durch das Steuerberaterbüro des Arbeitgebers zunächst telefonisch sowie mit einer sog. Verdienstbescheinigung zur Berechnung von Krankengeld später auch schriftlich darüber informiert, dass das Beschäftigungsverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers vom 15. Oktober 1995 bereits zum 15. November 1995 aufgelöst worden sei. Dieser Mitteilung entsprechend wurde der Kläger im August 1996 rückwirkend zum 15. November 1995 bei der Beklagten abgemeldet. Die Beklagte, die mit ihren Bescheiden vom 16. August 1996 zwischenzeitlich festgestellt hatte, dass die aus den Arbeitsunfähigkeitsfällen vom 14. und 29. Dezember 1995 resultierenden Krankengeldansprüche des Klägers mit dem 8. Januar 1996 enden würden, erließ daraufhin unter dem 21. August 1996 einen neuen Bescheid. Mit diesem Bescheid erklärte sie den Bescheid vom 27. Juni 1996 für hinfällig und teilte dem Kläger unter erneuter Aufhebung der Bescheide über die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit vom 9. Februar bis zum 11. Juni 1996 mit, dass ihm Krankengeld nur vom 15. bis zum 21. Dezember 1995 in Höhe von 760,76 DM netto und vom 30. Dezember 1995 bis zum 8. Januar 1996 in Höhe von 1.083,84 DM netto zustehe; die sich hiernach ergebende Überzahlung in Höhe von 11.897,48 DM sei von ihm zu erstatten.

Mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1997 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers schließlich als unbegründet zurück und teilte mit: Da das Beschäftigungsverhältnis zum 15. November 1995 beendet worden sei, stehe dem Kläger im Wege des nachgehenden Versicherungsschutzes nur für den 15. Dezember 1995 Krankengeld zu. Für die restliche Zeit vom 16. bis zum 21. Dezember 1995 und vom 30. Dezember 1995 bis zum 11. Juni 1996 sei das Krankengeld zu Unrecht gewährt worden. Die insoweit zugrunde liegenden Bewilligungs-bescheide könnten keinen Bestand haben, weil sich der Kläger weder auf Vertrauensschutz noch auf Ermessensgesichtspunkte berufen könne, die gegen eine Aufhebung dieser Bescheide sprechen würden. Der hiernach überzahlte Betrag in Höhe von 15.477,09 DM netto sei von ihm zu erstatten.

Mit seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht: Wie sich insbesondere aus der Arbeitsbescheinigung vom 15. Juli 1996 ergebe, sei er vom 15. November 1994 bis zum 30. Juni 1996 "offiziell" bei Dr. H beschäftigt gewesen. In der Zeit davor und danach habe er für diesen hingegen "inoffiziell" (schwarz) gearbeitet. Auch während der hier strittigen Krankheitszeiten habe er – ohne hierfür ein Entgelt erhalten zu haben – für Dr. H tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht, die etwa 70 bis 80 % seiner sonstigen Arbeitsleistungen ausgemacht hätten. Er habe sich seinerzeit krankschreiben lassen müssen, damit sein Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge hätte sparen können.

Das Sozialgericht hat Dr. H, dessen Steuerberater S sowie C K, einen Arbeitskollegen des Klägers, als Zeugen vernommen. Des Weiteren hat es ein Schreiben des nicht zum Verhandlungstermin erschienenen Zeugen Ü K, eines weiteren Arbeitskollegen des Klägers, vom 22. Februar 1999 zu den Akten genommen und den Kläger persönlich angehört.

Mit Urteil vom 26. März 1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien im Ergebnis rechtmäßig. Die Krankengeldbewilligungsbescheide hätten für die Zeit ab dem 16. Dezember 1995 aufgehoben werden dürfen. Denn der Kläger habe in dieser Zeit keinen Anspruch auf Krankengeld gehabt. Nach einer Gesamtwürdigung der vorhandenen Unterlagen, der Zeugenaussagen und der eigenen Einlassung des Klägers lasse sich zwar nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass das Beschäftigungsverhältnis bereits zum 15. November 1995 beendet worden sei. Der Kläger sei jedoch im streitigen Zeitraum nicht arbeitsunfähig gewesen. Nach seinem eigenen Vortrag, der durch den Zeugen C K bestätigt worden sei, habe er nämlich in dem gesamten Zeitraum zu 70 bis 80 % tatsächlich gearbeitet. Dass dies auf Kosten seiner Gesundheit geschehen sein könnte, lasse sich nicht feststellen. Dies folge insbesondere nicht aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Arztes Dr. G, weil sie nur Indizien für die Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten darstellten, an die weder die Beklagte noch das Gericht gebunden seien. Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte könne sich der Kläger nicht berufen. Ermessenfehler seien der Beklagten nicht unterlaufen und auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide lägen vor. Der Anspruch auf Erstattung der überzahlten Krankengeld-leistungen greife damit durch.

Gegen dieses ihm am 7. Juni 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. Juni 1999 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe er während der streitigen Zeiträume Anspruch auf Krankengeld gehabt. Denn er habe nicht nur in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, sondern sei auch arbeitsunfähig gewesen, was sich aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergebe. Etwaige Zweifel an deren Richtigkeit seien durch eine Vernehmung des behandelnden Arztes Dr. G und des für den MDK tätigen Arztes K als Zeugen zu klären, deren Vernehmung er hilfsweise beantrage.

Das Landessozialgericht hat die Berufung mit seinem Urteil vom 11. Oktober 2000 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es sei zwar nicht feststellbar, dass die Beschäftigung tatsächlich nur bis zum 15. November 1995 gedauert habe. Ein Krankengeldanspruch habe aber deswegen nicht bestanden, weil der Kläger nicht arbeitsunfähig gewesen sei. Die gegenteilige ärztliche Beurteilung, die zur Krankschreibung geführt habe, sei durch die tatsächliche Arbeitsleistung über einen Zeitraum von annähernd einem halben Jahr widerlegt. Einer Vernehmung der Ärzte Dr. G und K bedürfe es nicht.

Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht die Revision zugelassen und das Urteil des Landessozialgerichts im anschließenden Revisionsverfahren mit seinem Urteil vom 9. Oktober 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Ver-handlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, weil die Ärzte Dr. G und K hätten vernommen werden müssen.

Nach Durchführung der vom Bundessozialgericht für erforderlich gehaltenen Vernehmung der vorgenannten Ärzte als Zeugen in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 7. Juni 2006 zum Bestehen von Arbeitsunfähigkeit in der Zeit von Dezember 1995 bis Juni 1996 beantragt der Kläger,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 1999 und die Bescheide der Beklagten vom 27. Juni 1996 und 21. August 1996 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 1. Juli 1997 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift über die Sitzung des Senats vom 7. Juni 2006, die Akte des Bundessozialgerichts B 1 KR 12/01 R, die Akte der Staatsanwaltschaft I bei dem Landgericht Berlin 51 Js 703/98 sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 26. März 1999 ist unzutreffend. Die Bescheide der Beklagten vom 27. Juni 1996 und 21. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1997, von denen der Bescheid vom 21. August 1996 die Feststellungsbescheide vom 16. August 1996 ersetzt, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die vorgenannten Bescheide, mit denen die Beklagte bei sachgerechter Auslegung insbesondere des Widerspruchsbescheides unter gleichzeitiger Aufhebung von insoweit zugrunde liegenden Bewilligungsentscheidungen Krankengeld in Höhe von insgesamt 15.477,09 DM für die Zeit vom 16. bis zum 21. Dezember 1995, 30. Dezember 1995 bis zum 8. Januar 1996 und vom 9. Februar bis zum 11. Juni 1996 zurückfordert, sind die §§ 45, 50 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Hiernach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit er sich als rechtswidrig erweist (vgl. § 45 Abs. 1 SGB X). Bereits erbrachte Leistungen sind zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist (vgl. § 50 Abs. 1 SGB X).

Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte hat dem Kläger zwar für die drei streitigen Zeiträume Krankengeld in Höhe von insgesamt 15.477,09 DM netto durch Verwaltungsakt gewährt. Denn für die Zeit vom 9. Februar bis zum 11. Juni 1996 ist zumindest in der Auszahlung des Krankengeldes der Erlass eines Bescheides im Sinne des § 31 SGB X zu sehen, mit dem die Beklagte dem Kläger Krankengeld in Höhe von 13.742,08 DM netto bewilligt hat. Ferner liegt für die beiden weiteren Zeiträume – unabhängig davon, ob der Kläger das Krankengeld insoweit überhaupt erhalten hat – die Bewilligungsentscheidung in den Bescheiden vom 27. Juni 1996 und 21. August 1996, weil die Beklagte mit diesen Rücknahme- und Rückforderungsbescheiden dem Kläger zugleich einen Anspruch auf Krankengeld für diese Zeiträume sowie den 15. Dezember 1995 in Höhe von zusammen 1.844,60 DM netto zuerkannt hat. Nach den Gesamtumständen des Falles lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die vorgenannten Bewilligungsbescheide für die streitigen Zeiträume rechtswidrig sind.

Rechtswidrig könnten die Bewilligungsbescheide im vorliegenden Fall nur dann sein, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Krankengeld für die streitigen Zeiträume nicht vorgelegen hätten. Dies wiederum wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger entweder mit Ablauf des 15. November 1995 nicht mehr bei Dr. H abhängig beschäftigt gewesen sein sollte, weil er dann nach § 19 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) nur noch bis zum 15. Dezember 1995 einschließlich nachgehenden Versicherungsschutz hätte in Anspruch nehmen können, oder wenn er während der streitigen Zeiträume nicht arbeitsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V gewesen sein sollte. Beides ist hier nicht ersichtlich.

Unabhängig davon, ob das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei Dr. H mit dem 15. November 1995 beendet worden ist oder nicht, ist die Frage der Arbeitsunfähigkeit im vorliegenden Fall danach zu beurteilen, ob der Kläger während der hier streitigen Zeiträume gesundheitlich dazu in der Lage gewesen ist, die Arbeit eines Vorarbeiters/Bau (konkret bei Dr. H oder abstrakt ihrer Art nach) zu verrichten. Letzteres ist nach Auffassung des Senates zu verneinen. Hierbei folgt der Senat hinsichtlich des ersten Krankengeldbezugszeitraumes vom 16. bis zum 21. Dezember 1995 der Einschätzung des Arztes Z, der dem Kläger wegen Restbeschwerden nach OSG-Bandläsion das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 14. bis zum 21. Dezember 1995 bescheinigt hat. Dass diese Einschätzung fehlerhaft gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich, zumal der Kläger – bedingt durch einen im Sommer 1995 erlittenen Sportunfall – wegen orthopädischer Leiden bereits zuvor bis zum 8. Dezember 1995 arbeitsunfähig gewesen ist.

Hinsichtlich des zweiten und des dritten Krankengeldbezugzeitraumes vom 30. Dezember 1995 bis zum 8. Januar 1996 und vom 9. Februar bis zum 11. Juni 1996 ergibt sich die Einschätzung des klägerischen Leistungsvermögens zur Überzeugung des Senats demgegenüber nicht nur aus den seinerzeit von Dr. G ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, sondern vor allem aus den Aussagen dieses Arztes sowie den Aussagen des Arztes K im Rahmen ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung durch den Senat. Hierbei zwingen die Ausführungen des Zeugen K, der sich an die von ihm am 24. April 1996 für den MDK durchgeführte Begutachtung des Klägers nicht mehr erinnern konnte, zwar noch nicht zu dem Schluss, dass der Kläger während der vorgenannten Zeiträume arbeitsunfähig gewesen ist. Seine Ausführungen lassen jedoch – ebenso wie im Übrigen das Begutachtungsergebnis vom 24. April 1996 selbst – das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit zumindest als möglich erscheinen. Denn danach kann fest-gehalten werden, dass der Kläger am 24. April 1996 auf den Zeugen K so ausgeprägt depressiv gewirkt hat, dass dieser das Vorliegen von Arbeitsfähigkeit für nicht unwahrscheinlich gehal-ten und deshalb eine weitere Begutachtung durch die Facharztzentrale – Abteilung Neurologie – empfohlen hat. Dass der Kläger während der vorgenannten Zeiträume arbeitsunfähig gewesen ist, folgt für den Senat jedoch aus den Darlegungen des behandelnden Arztes Dr. G, der in seiner Zeugenaussage den damaligen Gesundheitszustand und die von ihm eingeleiteten Therapien im Einzelnen beschrieben hat. Danach ist der Kläger zu Beginn der Behandlung durch Dr. G am 29. Dezember 1995 sehr nervös und unruhig gewesen und hat unter Angstzuständen gelitten, die sich trotz kontinuierlicher Behandlung mit einem Beruhigungsmittel sowie einer alle 10 bis 14 Tage stattfindenden Gesprächstherapie über einen Zeitraum von einem Monat hinweg so gut wie gar nicht sowie danach nur langsam bessern ließen, ohne dass es bis zum Sommer 1996 zu einer völligen Behebung des Krankheitsbildes gekommen ist. Da diese Angstzustände nach der sich insgesamt als in sich stimmig und nachvollziehbar erweisenden Einschätzung des Zeugen Dr. G ihre Ursache gerade in der beruflichen Situation des Klägers bzw. seiner Arbeit hatten, und eine Fortsetzung der Arbeit ohne Behandlung seiner Auffassung nach zu einer Verschlechterung der psychischen Situation oder auch des körperlichen Zustandes hätte führen können, ist davon auszugehen, dass der Kläger infolge der von dem Zeugen diagnostizierten psychischen Erkrankung nicht bzw. nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, in der Lage gewesen ist, als Vorarbeiter/Bau zu arbeiten. Dem Umstand, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben während der Zeit seiner Krankschreibung zu 70 bis 80 % gearbeitet hat, kommt vor diesem Hintergrund im vorstehenden Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Die vorstehenden Ausführungen haben zur Folge, dass sich die Bescheide über die Bewilligung von Krankengeld jedenfalls nicht deshalb als rechtswidrig erweisen, weil der Kläger nicht arbeitsunfähig gewesen ist. Sie wären im Übrigen auch dann nicht als rechtswidrig zu beurteilen, wenn sich der Senat nicht davon hätte überzeugen können, dass der Kläger während der streitigen Zeiträume arbeitsunfähig gewesen ist. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ließe sich dann jedenfalls nicht feststellen, dass der Kläger nicht arbeitsunfähig gewesen ist. Den Nachteil hiervon hätte nach den Regeln der materiellen Beweislast die Beklagte zu tragen, weil sie bei der hier gegebenen Fallkonstellation, bei der es nicht um die Gewährung von Krankengeld, sondern die Rücknahme von Krankengeldbewilligungsbescheiden geht, aus der in Rede stehenden Tatsache eine für sie günstige Rechtsfolge herleiten will.

Die Bescheide über die Bewilligung von Krankengeld erweisen sich hier des Weiteren auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil der Kläger während der streitigen Zeiträume bei Dr. H nicht mehr beschäftigt gewesen ist. Denn nach den Gesamtumständen des Falles lässt sich nicht feststellen, ob es vorliegend an einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis fehlt. Die Aussagen des Steuerberaters S sowie des (vermeintlichen) Arbeitgebers Dr. H im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung durch das Sozialgericht sprechen zwar für sich genommen dafür, dass der Kläger nach dem 15. November 1995 nicht mehr für Dr. H gearbeitet hat. Denn beide Zeugen haben übereinstimmend von einer noch vor dem 15. November 1995 mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung berichtet, nach der das Ende des Beschäftigungsverhältnisses auf den 15. November 1995 festgelegt worden sein soll. Zudem hat Dr. H ausgesagt, dass der Kläger jedenfalls nach dem genannten Termin für ihn keine Arbeitsleistungen mehr erbracht habe. Die Aussage des Steuerberaters S erweist sich jedoch bei genauer Betrachtung im hier interessierenden Zusammenhang als unergiebig, weil sie sich letztlich nur auf Ereignisse bezieht, die zeitlich vor dem 15. November 1995 gelegen haben. Die Aussage von Dr. H unterliegt gravierenden Zweifeln, weil er ein erhebliches Interesse daran hat, für den Kläger keine Sozialversi-cherungsbeiträge nachentrichten zu müssen. Zudem sprechen gegen die Richtigkeit seiner Aussage die seinen Namenszug tragende Arbeitsbescheinigung vom 15. Juli 1996, nach der der Kläger in der Zeit vom 15. November 1994 bis zum 30. Juni 1996 in seinem Unternehmen beschäftigt gewesen ist, sowie die Angaben der Zeugen C und K, die sich mit den Angaben des Klägers selbst decken. Hiernach hat der Kläger auch in der Zeit vom 15. November 1995 bis Mitte 1996 tatsächlich Arbeitsleistungen für den Zeugen Dr. H erbracht, die nach seinen Bekundungen während der Krankheitszeiten einen Umfang von 70 bis 80 % seiner sonstigen Arbeitsleistungen erreicht haben sollen. Diese Angaben unterliegen indes ebenfalls erheblichen Bedenken, weil der Kläger hier um das Behaltendürfen des ihm für die streitigen Zeiträume gewährten Krankengeldes kämpft und die Zeugen C und K nach Aktenlage mit dem Kläger verwandt oder verschwägert sind bzw. zu diesem zumindest in einem engeren Verhältnis stehen. Dass die Arbeitsbescheinigung vom 15. Juli 1996 tatsächlich von Dr. H ausgestellt worden ist, hat sich nicht mit Sicherheit nachweisen lassen. Zudem erscheint es nicht ausgeschlossen, dass es sich bei ihr auch nur um eine bloße Gefälligkeitsbescheinigung handelt.

Bei dieser Beweislage vermochte sich der Senat über die Frage, ob der Kläger während der streitigen Zeiträume bei Dr. H abhängig beschäftigt gewesen ist oder nicht, weder in die eine noch in die andere Richtung Gewissheit zu verschaffen. Dementsprechend war von ihm zumindest hinsichtlich der Frage des Beschäftigungsverhältnisses eine Beweislastentscheidung zu treffen, die nach den Regeln der materiellen Beweislast zu Lasten der Beklagten ausfallen musste. Denn die Beklagte will bei der hier gegebenen Rücknahmekonstellation aus dem Fehlen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses eine für sie günstige Rechtsfolge herleiten.

Da nach allem die Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen keinen Bestand haben kann, ist auch für die Rückforderung/Erstattung angeblich überzahlten Krankengeldes kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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