Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AL 6894/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 68/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rückforderung von Insolvenzgeld.
Der 1961 geborene Kläger stand seit dem 1. September 1991 in einem Beschäftigungsverhältnis als Buffetier bei der Sstraße GmbH (Arbeitgeber) mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.500,- DM. Am 6. Mai 2002 beantragte der Geschäftsführer des Arbeitgebers die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht Charlottenburg lehnte mit Beschluss vom 25. November 2002, welcher dem Arbeitgeber am 10. Januar 2003 zugestellt wurde, die Eröffnung mangels Masse ab.
Bereits mit Schreiben vom 7. Mai 2002 hatte der Geschäftsführer des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß zum 30. Juni 2002 unter Hinweis auf das beantragte Insolvenzverfahren gekündigt und ihn ab dem 13. Mai 2002 von der Arbeitsleistung freigestellt, da der Geschäftsbetrieb an diesem Tag eingestellt werde. Der Kläger erhob am 28. Mai 2002 Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Berlin stellte durch (Versäumnis )Urteil vom 22. November 2002 fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 7. Mai 2002 beendet werde, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbestehe.
Am 7. Mai 2002 hatte der Kläger bei der Beklagten Insolvenzgeld beantragt und angegeben, dass am 6. Mai 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2002 habe er keine Klage erhoben und beabsichtige dies auch nicht. Das Arbeitsentgelt für April 2002 sei abgerechnet (1.278,23 Euro brutto entsprechend 923,10 Euro netto), aber nicht ausgezahlt worden.
Am 29. August 2002 beantragte der Kläger einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld, den ihm die Beklagte durch Bescheid vom 2. September 2002 in Höhe von 923,10 Euro unter Bezugnahme auf § 186 des Sozialgesetzbuchs, Drittes Buch (SGB III) gewährte. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass der Vorschuss auf das zu zahlende Insolvenzgeld angerechnet werde; der Betrag sei zu erstatten, wenn ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht oder in geringerer Höhe zuerkannt werde. Im Dezember 2002 beantragte der Kläger, dem die Beklagte durch Bescheid vom 21. Juni 2002 Arbeitslosengeld ab 13. Mai 2002 in Höhe von täglich 19,50 Euro bewilligt hatte, einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld für die Monate Mai und Juni, den ihm die Beklagte durch Bescheid vom 7. Januar 2003 in Höhe von 330,- Euro für Juni und durch Bescheid vom 13. Januar 2003 in Höhe von 300,- Euro für Mai 2002 gewährte. Die Bewilligung erfolgte beide Male unter Hinweis auf § 42 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch (SGB I). In den Bescheiden war ausgeführt, dass der Vorschuss auf zustehendes Insolvenzgeld angerechnet werde und der Betrag zu erstatten sei, wenn ein Anspruch nicht oder in geringerer Höhe zuerkannt werde.
Im Februar 2003 ging bei der Beklagten eine vom Arbeitgeber ausgefüllte Insolvenzgeldbescheinigung ein, welche als Insolvenzereignis den Tag der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse (25. November 2002) und offene Lohnansprüche vom 25. August 2002 bis 24. November 2002 auswies. Das Arbeitsverhältnis bestehe entsprechend dem Urteil des Arbeitsgerichts unverändert fort. Die Beklagte errechnete, dass dem Kläger für die Zeit vom 25. August 2002 bis 24. November 2002 Insolvenzgeld in Höhe von 2.745, 45 Euro zustand, zog davon das für dieselbe Zeit erbrachte Arbeitslosengeld mit einem Betrag von 1.794,- Euro und die ausgezahlten Vorschüsse für Insolvenzgeld in Höhe von 1.553,10 Euro ab. Den Differenzbetrag von 601,65 Euro forderte sie durch Bescheid vom 13. März 2003 von dem Kläger zurück. Sie wies darauf hin, dass nach § 186 Satz 4 SGB III Vorschüsse anzurechnen bzw. zu erstatten seien. Auf den Anspruch auf Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 25. August 2002 bis 24. November 2002 seien das gezahlte Arbeitslosengeld und die gewährten Vorschüsse anzurechnen. Letztere seien nur gezahlt worden, weil der Kläger nicht mitgeteilt habe, dass er gegen die Kündigung zum 30. Juni 2002 vor dem Arbeitsgericht Klage erhoben habe.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, dass sein Arbeitsverhältnis tatsächlich bereits am 12. Mai 2002 geendigt habe. Sein Arbeitgeber sei schon im Mai überschuldet und zahlungsunfähig gewesen. Deswegen sei Insolvenzgeld nach § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III zu gewähren. Die erhobene Kündigungsschutzklage könne daran nichts ändern. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13. November 2003, zugestellt am 20. November 2003). Rechtsgrundlage für den Bescheid sei § 186 Abs. 2 Satz 4 SGB III. Insolvenzereignis sei die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewesen, Insolvenzgeldzeitraum daher die Zeit vom 25. August 2002 bis 24. November 2002. Für diesen Zeitraum, in dem der Kläger bereits Arbeitslosengeld bezogen habe, stehe Insolvenzgeld in Höhe von 2.745,45 Euro zu. Der Kläger habe zu Unrecht Vorschüsse auf das Insolvenzgeld erhalten, da er die Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht angezeigt habe. Dessen ungeachtet überstiegen die Vorschüsse den Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld nach Abzug des Arbeitslosengeldes.
Mit der Klage vom 22. Dezember 2003 (einem Montag) begehrt der Kläger die Aufhebung des Rückforderungsbescheides. Vor dem Sozialgericht hat er vorgetragen, dass sich der Insolvenzzeitraum nach der Betriebseinstellung bestimme. Bei europarechtskonformer Auslegung komme es jedenfalls auf den Tag des Insolvenzantrages an. Insolvenzgeld sei für die letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis zu leisten, so dass Anspruch auf ausgefallenes Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. April 2002 bis 5. Mai 2002 bestehe und auf nicht gezahlte Überstundenvergütungen für die Zeit vom 5. Februar 2002 bis 5. Mai 2002. Der Zeitraum, für den Insolvenzgeld zu zahlen sei, hänge nicht von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage ab. Ein Arbeitnehmer könne nicht deswegen Ansprüche gegen die Arbeitsverwaltung verlieren, weil er mit seinem Arbeitgeber um den Bestand des Arbeitsverhältnisses ringe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 15. Juni 2004 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass jedenfalls auch die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide nach § 45 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 SGB III erfüllt wären. Der Kläger habe unvollständige Angaben gemacht, da er bei Antragstellung nicht angegeben habe, dass er noch Kündigungsschutzklage erheben werde. Das Insolvenzereignis bestimme sich nicht nach der Einstellung der Betriebstätigkeit, weil zu diesem Zeitpunkt bereits ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegen habe. Insolvenzgeld sei für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses und nicht des Beschäftigungsverhältnisses zu gewähren.
Gegen das ihm am 12. August 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. September 2004 (einem Montag) eingegangene Berufung des Klägers. Bei europarechtskonformer Auslegung des § 183 SGB III (Hinweis auf Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH], NJW 2003, 2371ff) komme es auf den Tag der Antragstellung im Insolvenzverfahren an. Insolvenzgeld sei auch zu leisten, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum Insolvenzereignis rechtlich noch fortbestehe, selbst wenn tatsächlich keine Beschäftigung mehr erfolge. Die berechnete Überzahlung sei nicht nachvollziehbar, weil bei der Berechnung des Insolvenzgeldes die Vergütungen für Überstunden nicht berücksichtigt worden seien. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien nicht gegeben, weil sich der Kläger erst nach Beantragung des Insolvenzgeldes aufgrund einer anwaltlichen Beratung zur Erhebung der Kündigungsschutzklage entschlossen habe.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt, wie sich aus seinem schriftlichen Vorbringen ergibt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Das vom Kläger zitierte Urteil des EuGH habe keine Konsequenzen, da die Richtlinie 80/987/EWG durch die Richtlinie 2002/74/EG geändert worden sei und nunmehr die Mitgliedsstaaten die Wahl hätten, welcher Zeitpunkt den Referenzzeitraum festlege.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Vorgelegen haben auch die den Kläger betreffende Akte der Beklagten, die Akte des Amtsgerichts Charlottenburg über das Insolvenzverfahren sowie die des Arbeitsgerichts Berlin zum Kündigungsrechtsstreit, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Mit Recht fordert die Beklagte von dem Kläger die Rückzahlung von 601,65 Euro.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung ist – entgegen dem Sozialgericht - nicht § 45 SGB X iVm § 50 SGB X, sondern § 186 Abs. 3 Satz 2 SGB III bzw. § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I. Eine Rückforderung nach § 50 SGB X setzt nämlich die Aufhebung des Bewilligungsbescheides voraus, der Grundlage der Leistung gewesen ist. Es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass die Beklagte die vorschussweise Bewilligung von Insolvenzgeld, die Gegenstand der Bescheide vom 2. September 2002, 7. Januar 2003 und 13. Januar 2003 gewesen ist, wieder aufgehoben hat. Der schlichte Hinweis, dass die Bewilligung rechtswidrig gewesen sei, reicht dafür nicht aus. Die Beklagte hat die Bewilligungsbescheide weder ausdrücklich aufgehoben noch im Zusammenhang mit der Rückforderung auf die Aufhebungsvorschriften Bezug genommen oder sie in der Sache geprüft.
Es kann dahingestellt bleiben, ob vor der abschließenden Festsetzung des Insolvenzgeldes wegen der Unterschreitung des vorschussweise gewährten Betrags eine Anhörung nach § 42 Abs. 1 SGB X durchzuführen gewesen wäre. Ein Mangel der Anhörung wäre nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 iVm Abs. 2 SGB X dadurch geheilt, dass dem Kläger durch die in dem Bescheid vom 13. März 2003 enthaltene Begründung Gelegenheit gegeben wurde, sich im Widerspruchsverfahren zu den aus der Sicht der Beklagten entscheidungserheblichen Gesichtspunkten zu äußern.
Nach den §§ 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I, 186 Abs. 3 Satz 2 SGB III sind gezahlte Vorschüsse zu erstatten, wenn sie das zustehende Insolvenzgeld übersteigen. Für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften kommt es nicht darauf an, ob die Vorschüsse ursprünglich zu Recht bewilligt worden sind. Eine unrechtmäßige Bewilligung von Vorschüssen kann keine weitergehende Bindungswirkung auslösen als eine rechtmäßige. Zwar sind die in § 45 SGB X geregelten Voraussetzungen für die Rücknahme sich als (ursprünglich) rechtswidrig erweisender begünstigender Verwaltungsakte enger gefasst als in den §§ 42 Abs. 2 SGB I, 186 Abs. 3 Satz 2 SGB III, weil nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X zusätzlich Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Vertrauenstatbestand beim Empfang von Vorschüssen ist indessen auch bei rechtswidriger Bewilligung allein der Vorschussbescheid. Wesen eines Vorschussbescheides ist aber, Leistungen nur unter dem Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung zu gewähren (Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 16. Juni 1999 – B 9 V 13/98 R – = SozR 3-1200 § 42 Nr. 8). Das Behaltendürfen der Leistungen setzt demnach voraus, dass sie sich im vollen Umfang als rechtmäßig erweisen. Die vorschussweise Gewährung ist deswegen nicht geeignet, berechtigtes Vertrauen in Bezug auf das endgültige Verbleiben der Leistungen hervorzurufen. Weil sich diese Einschränkung aus der vorschussweisen Gewährung als solcher ergibt, ist sie nicht davon abhängig, ob mit Recht ein Vorschuss gewährt wurde. Die Beklagte hat dem Kläger Vorschüsse auf Insolvenzgeld in ihren Bescheiden vom 2. September 2002, 7. Januar 2003 und 13. Januar 2003 jeweils unter Hinweis darauf gewährt, dass der Vorschuss auf das zu zahlende Insolvenzgeld angerechnet werde und der Betrag zu erstatten sei, wenn ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht oder in geringerer Höhe zuerkannt werde. Danach ergibt sich ein Rückerstattungsanspruch bereits dann, wenn die gezahlten Vorschüsse den Betrag des dem Kläger bei der endgültigen Berechnung zustehenden Insolvenzgeldes übersteigen.
Der Kläger hat – unter Berücksichtigung des ihm gezahlten Arbeitslosengeldes - Anspruch auf Insolvenzgeld in Höhe von 951,45 Euro. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Maßgebendes Insolvenzereignis für den Kläger ist nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die Abweisung des vom Arbeitgeber selbst gestellten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse durch das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 25. November 2002. Maßgebend ist das Datum der richterlichen Unterschrift, weil der Beschluss seit diesem Zeitpunkt rechtlich existent war. Es kommt nicht darauf an, wann der Beschluss zugestellt worden ist oder wann die betroffenen Arbeitnehmer Kenntnis von ihm erlangt haben (BSG, Urt. v. 30. April 1996 – 10 RAr 8/94 - ).
Ein Rückgriff auf den Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit entsprechend § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ist deswegen ausgeschlossen, weil dieser Tatbestand voraussetzt, dass kein Insolvenzantrag gestellt worden ist. Vorliegend ist jedoch am 6. Mai 2002 ein Insolvenzantrag gestellt worden, der auch nicht wieder zurückgenommen worden ist. Der 6. Mai 2002 liegt vor dem Zeitpunkt der Einstellung der Betriebstätigkeit, der vom Arbeitgeber mit dem 13. Mai 2002 angegeben wird. Es ist nicht nachgewiesen, dass tatsächlich die Betriebstätigkeit bereits vor diesem Zeitpunkt eingestellt wurde. Zwar hat der vom Amtsgericht Charlottenburg im Rahmen des Insolvenzverfahrens beauftragte Sachverständige in seinem Gutachten vom 21. November 2001 ausgeführt, dass der Geschäftsbetrieb seit dem 5. Mai 2002 eingestellt war. Das stimmt aber nicht mit den Angaben des Arbeitgebers gegenüber dem Insolvenzgericht überein. Der Kläger selbst hat schon vor dem Arbeitsgericht vortragen lassen, dass er bis zum 12. Mai 2002 noch im Spätdienst beschäftigt gewesen sei und Überstunden geleistet habe. Vor dem Sozialgericht hat er nochmals bestätigen lassen, dass noch am 12. Mai 2002 Gäste bedient wurden. Deswegen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Betrieb erst nach dem Tag eingestellt wurde, an dem ein Insolvenzantrag gestellt worden war. Ansprüche auf Insolvenzgeld können für den Kläger dann nur für die letzten dem 25. November 2002 vorangehenden drei Monate bestehen, in denen er noch Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte (Insolvenzgeldzeitraum).
Freilich weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass sich nach der Rechtsprechung des EuGH aus der Richtlinie 80/987/EWG ergibt, dass Insolvenzgeldzeitraum jedenfalls auch die letzten drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrags sind (EuGH, Urt. v.15. Mai 2003 – C-160/01 - = NJW 2003, 2371). Danach könnte er Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem 5. Mai 2002 vorausgehenden drei Monate haben. Gegen eine solche Festlegung des Insolvenzgeldzeitraumes spricht zwar nicht die von der Beklagten in Bezug genommene Änderung der Richtlinie 80/987/EWG durch die Richtlinie 2002/74/EG vom 23. September 2002, weil letztere nach ihrem Art. 3 erst mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und damit nach dem Insolvenzantrag vom 5. Mai 2002 - wirksam geworden ist. Der insoweit eindeutige Wortlaut des § 183 SGB III lässt aber keine richtlinienkonforme Auslegung des Inhalts zu, dass neben den drei in der Vorschrift aufgezählten Insolvenzereignissen als viertes unbenanntes Ereignis der Zeitpunkt der Stellung eines Insolvenzantrages tritt. Der richtlinienwidrige Inhalt der Vorschrift kann daher nur zu Staatshaftungsansprüchen führen, über die nicht in einem Verfahren zu entscheiden ist, dass gegen die Beklagte wegen Ansprüche auf Insolvenzgeld geführt wird (BSG, Urt. v. 18.12.2003 – B 11 AL 27/03 -; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. vom 27. September 2005 – L 4 AL 15/03 -)
Der Kläger hatte in den drei dem 25. November 2002 vorausgehenden Monaten (25. August 2002 bis 24. November 2002) noch Anspruch auf Arbeitsentgelt. Denn sein Arbeitsverhältnis bestand auf der Grundlage des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 22 November 2002 unverändert fort. Unerheblich ist, dass tatsächlich keine Arbeitsleistung mehr erbracht worden ist. § 183 Abs. 1 SGB III setzt nur voraus, dass Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. Die Vorschrift verlangt dagegen nicht, dass sich der Entgeltanspruch aus einer laufenden Beschäftigung ergibt. Erfasst werden daher auch die Fälle, in denen der Lohnanspruch nach § 615 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erhalten bleibt, weil sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befindet (Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 183 Rdnr. 66). So liegt es auch für den Kläger, der seinen Lohnanspruch bis zum 24. November 2002 (und darüber hinaus) behalten hat. Sein Arbeitgeber ist entsprechend § 293 BGB in Annahmeverzug geraten, weil er den Kläger trotz dessen (erfolgreicher) Kündigungsschutzklage nicht weiter beschäftigt hat.
Zur Höhe des während des Annahmeverzugs fortbestehenden Anspruchs auf Arbeitsentgelt bestimmt § 615 BGB, dass maßgebend die vereinbarte Vergütung bleibt. Danach ist für den Kläger von dem vereinbarten Bruttolohn von 2.500 DM entsprechend 1.278,23 Euro auszugehen. Der Lohnanspruch erhöht sich nicht wegen ausgefallener Überstunden. Aus § 615 BGB folgt nämlich nur dann ein Anspruch auf Überstundenvergütung, wenn davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer ohne den Annahmeverzug tatsächlich weitere Überstunden geleistet hätte (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 18. September 2001 – 9 AZR 307/00 – = AP Nr. 37 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung). Das ist hier schon deswegen nicht der Fall, weil der Arbeitgeber des Klägers seinen Betrieb eingestellt hatte. Ausgeschlossen ist aber auch eine Veränderung im Wege einer Minderung der vereinbarten Vergütung durch anderweitig erzielten Lohn (§ 615 Satz 2 BGB), da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger für denselben Zeitraum gegen einen anderen Arbeitgeber Lohnansprüche erworben hat oder hätte erwerben können.
Auszugehen ist danach von dem Bruttoentgelt von 2.500,- DM = 1.278,23 Euro, das nach § 185 SGB III um die gesetzlichen Abzüge für Steuer und Sozialversicherung zu mindern ist. Von den auf den Zeitraum vom 25. bis 31. August 2002 entfallenden 290,51 Euro verbleiben so 211,64 Euro, aus den 1.278,23 Euro für September und Oktober 2002 errechnen sich jeweils 923,10 Euro und von den auf die Zeit vom 1. bis 24. November 2002 entfallenden 929,60 DM verbleiben 687,79 Euro, so dass insgesamt ein Anspruch auf Insolvenzgeld in Höhe von 2.745,45 Euro entstanden ist.
Dieser Anspruch auf Insolvenzgeld ist aber infolge der Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13. Mai 2002 bis 24. November 2002 teilweise durch Konfusion erloschen. Die Zahlung des Arbeitslosengeldes führte entsprechend § 115 SGB X dazu, dass die Beklagte in entsprechender Höhe die auf dieselben Zeiträume entfallenden Ansprüche des Klägers auf Insolvenzgeld erwarb. Zwar regelt § 115 SGB X seinem Wortlaut nach nur den Übergang der Ansprüche des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Arbeitsentgelt, wenn der Arbeitgeber den Lohnanspruch nicht erfüllt und ein Leistungsträger deswegen Sozialleistungen erbringt. Insoweit geht die Vorschrift hier ins Leere, weil die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt nach § 187 SGB III schon mit der Beantragung des Insolvenzgeldes auf die Beklagte übergegangen waren. § 188 SGB III zeigt jedoch, dass nach gestelltem Antrag auf Insolvenzgeld für den Arbeitnehmer an die Stelle des Arbeitsentgeltes das Insolvenzgeld tritt. Verfügungen, die er in Bezug auf das Arbeitsentgelt vorgenommen hat, wirken für das Insolvenzgeld fort. Dies rechtfertigt es, den in § 115 SGB X für Arbeitsentgelt angeordneten Anspruchsübergang auch auf das Insolvenzgeld zu erstrecken, zumal ansonsten der Eintritt ungereimter Ergebnisse droht (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 183 Rdnr. 110). Durch den Übergang der Ansprüche auf Insolvenzgeld auf die Beklagte kam es zur Vereinigung der Stellung von Schuldner und Gläubiger in einer Person (Konfusion), was den Untergang der Ansprüche bewirkte. Die Beklagte hat an den Kläger ab dem 13. Mai 2002 bis zum 24. November 2002 Arbeitslosengeld in Höhe von 19,50 Euro täglich gewährt. Für 92 Kalendertage sind so insgesamt 1.794,- Euro gezahlt worden, die von den 2.745,45 Euro abzuziehen sind, die sich rechnerisch als Insolvenzgeld ergeben. Danach verbleibt ein Anspruch in Höhe von 951,45 Euro.
Tatsächlich erhalten hat der Kläger Insolvenzgeld in Höhe von 1.553,10 Euro, so dass es zu einer Überzahlung in Höhe von 601,65 Euro gekommen ist. Zu vernachlässigen ist dabei, dass die Vorschüsse nach der ursprünglichen Vorstellung der Beklagten für den Zeitraum von April bis Juni 2002 gewährt wurden, obwohl der Insolvenzgeldzeitraum tatsächlich von August bis November 2002 lag. Die Identität der Ansprüche folgt daraus, dass die Vorschüsse aus Anlass derselben Insolvenz gewährt wurden.
Nach alledem hat der Kläger die Überzahlung zu erstatten, weswegen seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist die Rückforderung von Insolvenzgeld.
Der 1961 geborene Kläger stand seit dem 1. September 1991 in einem Beschäftigungsverhältnis als Buffetier bei der Sstraße GmbH (Arbeitgeber) mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.500,- DM. Am 6. Mai 2002 beantragte der Geschäftsführer des Arbeitgebers die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht Charlottenburg lehnte mit Beschluss vom 25. November 2002, welcher dem Arbeitgeber am 10. Januar 2003 zugestellt wurde, die Eröffnung mangels Masse ab.
Bereits mit Schreiben vom 7. Mai 2002 hatte der Geschäftsführer des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß zum 30. Juni 2002 unter Hinweis auf das beantragte Insolvenzverfahren gekündigt und ihn ab dem 13. Mai 2002 von der Arbeitsleistung freigestellt, da der Geschäftsbetrieb an diesem Tag eingestellt werde. Der Kläger erhob am 28. Mai 2002 Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Berlin stellte durch (Versäumnis )Urteil vom 22. November 2002 fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 7. Mai 2002 beendet werde, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbestehe.
Am 7. Mai 2002 hatte der Kläger bei der Beklagten Insolvenzgeld beantragt und angegeben, dass am 6. Mai 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2002 habe er keine Klage erhoben und beabsichtige dies auch nicht. Das Arbeitsentgelt für April 2002 sei abgerechnet (1.278,23 Euro brutto entsprechend 923,10 Euro netto), aber nicht ausgezahlt worden.
Am 29. August 2002 beantragte der Kläger einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld, den ihm die Beklagte durch Bescheid vom 2. September 2002 in Höhe von 923,10 Euro unter Bezugnahme auf § 186 des Sozialgesetzbuchs, Drittes Buch (SGB III) gewährte. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass der Vorschuss auf das zu zahlende Insolvenzgeld angerechnet werde; der Betrag sei zu erstatten, wenn ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht oder in geringerer Höhe zuerkannt werde. Im Dezember 2002 beantragte der Kläger, dem die Beklagte durch Bescheid vom 21. Juni 2002 Arbeitslosengeld ab 13. Mai 2002 in Höhe von täglich 19,50 Euro bewilligt hatte, einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld für die Monate Mai und Juni, den ihm die Beklagte durch Bescheid vom 7. Januar 2003 in Höhe von 330,- Euro für Juni und durch Bescheid vom 13. Januar 2003 in Höhe von 300,- Euro für Mai 2002 gewährte. Die Bewilligung erfolgte beide Male unter Hinweis auf § 42 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch (SGB I). In den Bescheiden war ausgeführt, dass der Vorschuss auf zustehendes Insolvenzgeld angerechnet werde und der Betrag zu erstatten sei, wenn ein Anspruch nicht oder in geringerer Höhe zuerkannt werde.
Im Februar 2003 ging bei der Beklagten eine vom Arbeitgeber ausgefüllte Insolvenzgeldbescheinigung ein, welche als Insolvenzereignis den Tag der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse (25. November 2002) und offene Lohnansprüche vom 25. August 2002 bis 24. November 2002 auswies. Das Arbeitsverhältnis bestehe entsprechend dem Urteil des Arbeitsgerichts unverändert fort. Die Beklagte errechnete, dass dem Kläger für die Zeit vom 25. August 2002 bis 24. November 2002 Insolvenzgeld in Höhe von 2.745, 45 Euro zustand, zog davon das für dieselbe Zeit erbrachte Arbeitslosengeld mit einem Betrag von 1.794,- Euro und die ausgezahlten Vorschüsse für Insolvenzgeld in Höhe von 1.553,10 Euro ab. Den Differenzbetrag von 601,65 Euro forderte sie durch Bescheid vom 13. März 2003 von dem Kläger zurück. Sie wies darauf hin, dass nach § 186 Satz 4 SGB III Vorschüsse anzurechnen bzw. zu erstatten seien. Auf den Anspruch auf Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 25. August 2002 bis 24. November 2002 seien das gezahlte Arbeitslosengeld und die gewährten Vorschüsse anzurechnen. Letztere seien nur gezahlt worden, weil der Kläger nicht mitgeteilt habe, dass er gegen die Kündigung zum 30. Juni 2002 vor dem Arbeitsgericht Klage erhoben habe.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, dass sein Arbeitsverhältnis tatsächlich bereits am 12. Mai 2002 geendigt habe. Sein Arbeitgeber sei schon im Mai überschuldet und zahlungsunfähig gewesen. Deswegen sei Insolvenzgeld nach § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III zu gewähren. Die erhobene Kündigungsschutzklage könne daran nichts ändern. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13. November 2003, zugestellt am 20. November 2003). Rechtsgrundlage für den Bescheid sei § 186 Abs. 2 Satz 4 SGB III. Insolvenzereignis sei die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewesen, Insolvenzgeldzeitraum daher die Zeit vom 25. August 2002 bis 24. November 2002. Für diesen Zeitraum, in dem der Kläger bereits Arbeitslosengeld bezogen habe, stehe Insolvenzgeld in Höhe von 2.745,45 Euro zu. Der Kläger habe zu Unrecht Vorschüsse auf das Insolvenzgeld erhalten, da er die Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht angezeigt habe. Dessen ungeachtet überstiegen die Vorschüsse den Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld nach Abzug des Arbeitslosengeldes.
Mit der Klage vom 22. Dezember 2003 (einem Montag) begehrt der Kläger die Aufhebung des Rückforderungsbescheides. Vor dem Sozialgericht hat er vorgetragen, dass sich der Insolvenzzeitraum nach der Betriebseinstellung bestimme. Bei europarechtskonformer Auslegung komme es jedenfalls auf den Tag des Insolvenzantrages an. Insolvenzgeld sei für die letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis zu leisten, so dass Anspruch auf ausgefallenes Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. April 2002 bis 5. Mai 2002 bestehe und auf nicht gezahlte Überstundenvergütungen für die Zeit vom 5. Februar 2002 bis 5. Mai 2002. Der Zeitraum, für den Insolvenzgeld zu zahlen sei, hänge nicht von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage ab. Ein Arbeitnehmer könne nicht deswegen Ansprüche gegen die Arbeitsverwaltung verlieren, weil er mit seinem Arbeitgeber um den Bestand des Arbeitsverhältnisses ringe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 15. Juni 2004 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass jedenfalls auch die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide nach § 45 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X) iVm § 330 SGB III erfüllt wären. Der Kläger habe unvollständige Angaben gemacht, da er bei Antragstellung nicht angegeben habe, dass er noch Kündigungsschutzklage erheben werde. Das Insolvenzereignis bestimme sich nicht nach der Einstellung der Betriebstätigkeit, weil zu diesem Zeitpunkt bereits ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegen habe. Insolvenzgeld sei für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses und nicht des Beschäftigungsverhältnisses zu gewähren.
Gegen das ihm am 12. August 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. September 2004 (einem Montag) eingegangene Berufung des Klägers. Bei europarechtskonformer Auslegung des § 183 SGB III (Hinweis auf Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH], NJW 2003, 2371ff) komme es auf den Tag der Antragstellung im Insolvenzverfahren an. Insolvenzgeld sei auch zu leisten, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum Insolvenzereignis rechtlich noch fortbestehe, selbst wenn tatsächlich keine Beschäftigung mehr erfolge. Die berechnete Überzahlung sei nicht nachvollziehbar, weil bei der Berechnung des Insolvenzgeldes die Vergütungen für Überstunden nicht berücksichtigt worden seien. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien nicht gegeben, weil sich der Kläger erst nach Beantragung des Insolvenzgeldes aufgrund einer anwaltlichen Beratung zur Erhebung der Kündigungsschutzklage entschlossen habe.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt, wie sich aus seinem schriftlichen Vorbringen ergibt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Das vom Kläger zitierte Urteil des EuGH habe keine Konsequenzen, da die Richtlinie 80/987/EWG durch die Richtlinie 2002/74/EG geändert worden sei und nunmehr die Mitgliedsstaaten die Wahl hätten, welcher Zeitpunkt den Referenzzeitraum festlege.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Vorgelegen haben auch die den Kläger betreffende Akte der Beklagten, die Akte des Amtsgerichts Charlottenburg über das Insolvenzverfahren sowie die des Arbeitsgerichts Berlin zum Kündigungsrechtsstreit, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Mit Recht fordert die Beklagte von dem Kläger die Rückzahlung von 601,65 Euro.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung ist – entgegen dem Sozialgericht - nicht § 45 SGB X iVm § 50 SGB X, sondern § 186 Abs. 3 Satz 2 SGB III bzw. § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I. Eine Rückforderung nach § 50 SGB X setzt nämlich die Aufhebung des Bewilligungsbescheides voraus, der Grundlage der Leistung gewesen ist. Es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass die Beklagte die vorschussweise Bewilligung von Insolvenzgeld, die Gegenstand der Bescheide vom 2. September 2002, 7. Januar 2003 und 13. Januar 2003 gewesen ist, wieder aufgehoben hat. Der schlichte Hinweis, dass die Bewilligung rechtswidrig gewesen sei, reicht dafür nicht aus. Die Beklagte hat die Bewilligungsbescheide weder ausdrücklich aufgehoben noch im Zusammenhang mit der Rückforderung auf die Aufhebungsvorschriften Bezug genommen oder sie in der Sache geprüft.
Es kann dahingestellt bleiben, ob vor der abschließenden Festsetzung des Insolvenzgeldes wegen der Unterschreitung des vorschussweise gewährten Betrags eine Anhörung nach § 42 Abs. 1 SGB X durchzuführen gewesen wäre. Ein Mangel der Anhörung wäre nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 iVm Abs. 2 SGB X dadurch geheilt, dass dem Kläger durch die in dem Bescheid vom 13. März 2003 enthaltene Begründung Gelegenheit gegeben wurde, sich im Widerspruchsverfahren zu den aus der Sicht der Beklagten entscheidungserheblichen Gesichtspunkten zu äußern.
Nach den §§ 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I, 186 Abs. 3 Satz 2 SGB III sind gezahlte Vorschüsse zu erstatten, wenn sie das zustehende Insolvenzgeld übersteigen. Für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften kommt es nicht darauf an, ob die Vorschüsse ursprünglich zu Recht bewilligt worden sind. Eine unrechtmäßige Bewilligung von Vorschüssen kann keine weitergehende Bindungswirkung auslösen als eine rechtmäßige. Zwar sind die in § 45 SGB X geregelten Voraussetzungen für die Rücknahme sich als (ursprünglich) rechtswidrig erweisender begünstigender Verwaltungsakte enger gefasst als in den §§ 42 Abs. 2 SGB I, 186 Abs. 3 Satz 2 SGB III, weil nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X zusätzlich Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Vertrauenstatbestand beim Empfang von Vorschüssen ist indessen auch bei rechtswidriger Bewilligung allein der Vorschussbescheid. Wesen eines Vorschussbescheides ist aber, Leistungen nur unter dem Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung zu gewähren (Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 16. Juni 1999 – B 9 V 13/98 R – = SozR 3-1200 § 42 Nr. 8). Das Behaltendürfen der Leistungen setzt demnach voraus, dass sie sich im vollen Umfang als rechtmäßig erweisen. Die vorschussweise Gewährung ist deswegen nicht geeignet, berechtigtes Vertrauen in Bezug auf das endgültige Verbleiben der Leistungen hervorzurufen. Weil sich diese Einschränkung aus der vorschussweisen Gewährung als solcher ergibt, ist sie nicht davon abhängig, ob mit Recht ein Vorschuss gewährt wurde. Die Beklagte hat dem Kläger Vorschüsse auf Insolvenzgeld in ihren Bescheiden vom 2. September 2002, 7. Januar 2003 und 13. Januar 2003 jeweils unter Hinweis darauf gewährt, dass der Vorschuss auf das zu zahlende Insolvenzgeld angerechnet werde und der Betrag zu erstatten sei, wenn ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht oder in geringerer Höhe zuerkannt werde. Danach ergibt sich ein Rückerstattungsanspruch bereits dann, wenn die gezahlten Vorschüsse den Betrag des dem Kläger bei der endgültigen Berechnung zustehenden Insolvenzgeldes übersteigen.
Der Kläger hat – unter Berücksichtigung des ihm gezahlten Arbeitslosengeldes - Anspruch auf Insolvenzgeld in Höhe von 951,45 Euro. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Maßgebendes Insolvenzereignis für den Kläger ist nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die Abweisung des vom Arbeitgeber selbst gestellten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse durch das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 25. November 2002. Maßgebend ist das Datum der richterlichen Unterschrift, weil der Beschluss seit diesem Zeitpunkt rechtlich existent war. Es kommt nicht darauf an, wann der Beschluss zugestellt worden ist oder wann die betroffenen Arbeitnehmer Kenntnis von ihm erlangt haben (BSG, Urt. v. 30. April 1996 – 10 RAr 8/94 - ).
Ein Rückgriff auf den Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit entsprechend § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ist deswegen ausgeschlossen, weil dieser Tatbestand voraussetzt, dass kein Insolvenzantrag gestellt worden ist. Vorliegend ist jedoch am 6. Mai 2002 ein Insolvenzantrag gestellt worden, der auch nicht wieder zurückgenommen worden ist. Der 6. Mai 2002 liegt vor dem Zeitpunkt der Einstellung der Betriebstätigkeit, der vom Arbeitgeber mit dem 13. Mai 2002 angegeben wird. Es ist nicht nachgewiesen, dass tatsächlich die Betriebstätigkeit bereits vor diesem Zeitpunkt eingestellt wurde. Zwar hat der vom Amtsgericht Charlottenburg im Rahmen des Insolvenzverfahrens beauftragte Sachverständige in seinem Gutachten vom 21. November 2001 ausgeführt, dass der Geschäftsbetrieb seit dem 5. Mai 2002 eingestellt war. Das stimmt aber nicht mit den Angaben des Arbeitgebers gegenüber dem Insolvenzgericht überein. Der Kläger selbst hat schon vor dem Arbeitsgericht vortragen lassen, dass er bis zum 12. Mai 2002 noch im Spätdienst beschäftigt gewesen sei und Überstunden geleistet habe. Vor dem Sozialgericht hat er nochmals bestätigen lassen, dass noch am 12. Mai 2002 Gäste bedient wurden. Deswegen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Betrieb erst nach dem Tag eingestellt wurde, an dem ein Insolvenzantrag gestellt worden war. Ansprüche auf Insolvenzgeld können für den Kläger dann nur für die letzten dem 25. November 2002 vorangehenden drei Monate bestehen, in denen er noch Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte (Insolvenzgeldzeitraum).
Freilich weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass sich nach der Rechtsprechung des EuGH aus der Richtlinie 80/987/EWG ergibt, dass Insolvenzgeldzeitraum jedenfalls auch die letzten drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrags sind (EuGH, Urt. v.15. Mai 2003 – C-160/01 - = NJW 2003, 2371). Danach könnte er Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem 5. Mai 2002 vorausgehenden drei Monate haben. Gegen eine solche Festlegung des Insolvenzgeldzeitraumes spricht zwar nicht die von der Beklagten in Bezug genommene Änderung der Richtlinie 80/987/EWG durch die Richtlinie 2002/74/EG vom 23. September 2002, weil letztere nach ihrem Art. 3 erst mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und damit nach dem Insolvenzantrag vom 5. Mai 2002 - wirksam geworden ist. Der insoweit eindeutige Wortlaut des § 183 SGB III lässt aber keine richtlinienkonforme Auslegung des Inhalts zu, dass neben den drei in der Vorschrift aufgezählten Insolvenzereignissen als viertes unbenanntes Ereignis der Zeitpunkt der Stellung eines Insolvenzantrages tritt. Der richtlinienwidrige Inhalt der Vorschrift kann daher nur zu Staatshaftungsansprüchen führen, über die nicht in einem Verfahren zu entscheiden ist, dass gegen die Beklagte wegen Ansprüche auf Insolvenzgeld geführt wird (BSG, Urt. v. 18.12.2003 – B 11 AL 27/03 -; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. vom 27. September 2005 – L 4 AL 15/03 -)
Der Kläger hatte in den drei dem 25. November 2002 vorausgehenden Monaten (25. August 2002 bis 24. November 2002) noch Anspruch auf Arbeitsentgelt. Denn sein Arbeitsverhältnis bestand auf der Grundlage des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 22 November 2002 unverändert fort. Unerheblich ist, dass tatsächlich keine Arbeitsleistung mehr erbracht worden ist. § 183 Abs. 1 SGB III setzt nur voraus, dass Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. Die Vorschrift verlangt dagegen nicht, dass sich der Entgeltanspruch aus einer laufenden Beschäftigung ergibt. Erfasst werden daher auch die Fälle, in denen der Lohnanspruch nach § 615 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erhalten bleibt, weil sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befindet (Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 183 Rdnr. 66). So liegt es auch für den Kläger, der seinen Lohnanspruch bis zum 24. November 2002 (und darüber hinaus) behalten hat. Sein Arbeitgeber ist entsprechend § 293 BGB in Annahmeverzug geraten, weil er den Kläger trotz dessen (erfolgreicher) Kündigungsschutzklage nicht weiter beschäftigt hat.
Zur Höhe des während des Annahmeverzugs fortbestehenden Anspruchs auf Arbeitsentgelt bestimmt § 615 BGB, dass maßgebend die vereinbarte Vergütung bleibt. Danach ist für den Kläger von dem vereinbarten Bruttolohn von 2.500 DM entsprechend 1.278,23 Euro auszugehen. Der Lohnanspruch erhöht sich nicht wegen ausgefallener Überstunden. Aus § 615 BGB folgt nämlich nur dann ein Anspruch auf Überstundenvergütung, wenn davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer ohne den Annahmeverzug tatsächlich weitere Überstunden geleistet hätte (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 18. September 2001 – 9 AZR 307/00 – = AP Nr. 37 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung). Das ist hier schon deswegen nicht der Fall, weil der Arbeitgeber des Klägers seinen Betrieb eingestellt hatte. Ausgeschlossen ist aber auch eine Veränderung im Wege einer Minderung der vereinbarten Vergütung durch anderweitig erzielten Lohn (§ 615 Satz 2 BGB), da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger für denselben Zeitraum gegen einen anderen Arbeitgeber Lohnansprüche erworben hat oder hätte erwerben können.
Auszugehen ist danach von dem Bruttoentgelt von 2.500,- DM = 1.278,23 Euro, das nach § 185 SGB III um die gesetzlichen Abzüge für Steuer und Sozialversicherung zu mindern ist. Von den auf den Zeitraum vom 25. bis 31. August 2002 entfallenden 290,51 Euro verbleiben so 211,64 Euro, aus den 1.278,23 Euro für September und Oktober 2002 errechnen sich jeweils 923,10 Euro und von den auf die Zeit vom 1. bis 24. November 2002 entfallenden 929,60 DM verbleiben 687,79 Euro, so dass insgesamt ein Anspruch auf Insolvenzgeld in Höhe von 2.745,45 Euro entstanden ist.
Dieser Anspruch auf Insolvenzgeld ist aber infolge der Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13. Mai 2002 bis 24. November 2002 teilweise durch Konfusion erloschen. Die Zahlung des Arbeitslosengeldes führte entsprechend § 115 SGB X dazu, dass die Beklagte in entsprechender Höhe die auf dieselben Zeiträume entfallenden Ansprüche des Klägers auf Insolvenzgeld erwarb. Zwar regelt § 115 SGB X seinem Wortlaut nach nur den Übergang der Ansprüche des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Arbeitsentgelt, wenn der Arbeitgeber den Lohnanspruch nicht erfüllt und ein Leistungsträger deswegen Sozialleistungen erbringt. Insoweit geht die Vorschrift hier ins Leere, weil die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt nach § 187 SGB III schon mit der Beantragung des Insolvenzgeldes auf die Beklagte übergegangen waren. § 188 SGB III zeigt jedoch, dass nach gestelltem Antrag auf Insolvenzgeld für den Arbeitnehmer an die Stelle des Arbeitsentgeltes das Insolvenzgeld tritt. Verfügungen, die er in Bezug auf das Arbeitsentgelt vorgenommen hat, wirken für das Insolvenzgeld fort. Dies rechtfertigt es, den in § 115 SGB X für Arbeitsentgelt angeordneten Anspruchsübergang auch auf das Insolvenzgeld zu erstrecken, zumal ansonsten der Eintritt ungereimter Ergebnisse droht (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 183 Rdnr. 110). Durch den Übergang der Ansprüche auf Insolvenzgeld auf die Beklagte kam es zur Vereinigung der Stellung von Schuldner und Gläubiger in einer Person (Konfusion), was den Untergang der Ansprüche bewirkte. Die Beklagte hat an den Kläger ab dem 13. Mai 2002 bis zum 24. November 2002 Arbeitslosengeld in Höhe von 19,50 Euro täglich gewährt. Für 92 Kalendertage sind so insgesamt 1.794,- Euro gezahlt worden, die von den 2.745,45 Euro abzuziehen sind, die sich rechnerisch als Insolvenzgeld ergeben. Danach verbleibt ein Anspruch in Höhe von 951,45 Euro.
Tatsächlich erhalten hat der Kläger Insolvenzgeld in Höhe von 1.553,10 Euro, so dass es zu einer Überzahlung in Höhe von 601,65 Euro gekommen ist. Zu vernachlässigen ist dabei, dass die Vorschüsse nach der ursprünglichen Vorstellung der Beklagten für den Zeitraum von April bis Juni 2002 gewährt wurden, obwohl der Insolvenzgeldzeitraum tatsächlich von August bis November 2002 lag. Die Identität der Ansprüche folgt daraus, dass die Vorschüsse aus Anlass derselben Insolvenz gewährt wurden.
Nach alledem hat der Kläger die Überzahlung zu erstatten, weswegen seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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