L 10 B 379/06 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 12227/05 PKH
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 379/06 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Aktivrubrum war für die Belange des vorliegenden Prozeßkostenhilfeverfahrens nicht zu berichtigen. Ausgehend von dem Umstand, dass Ansprüche auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht der Bedarfsgemeinschaft, sondern jedem einzelnen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zustehen und daher im Klageverfahren auch von jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geltend zu machen sind (vgl. Urteil des Senats vom 09. Mai 2006, L 10 AS 1093/05, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) wird im Klageverfahren sodann aufzuklären und anhand der Klageanträge auszulegen sein, ob die Klägerin nur eigene Ansprüche oder darüber hinaus auch Ansprüche weiterer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geltend macht.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 2 Satz 1 1. Alt Zivilprozessordnung (ZPO) ist Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies verlangt nicht, dass der Prozesserfolg gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist, vielmehr genügt eine "reale Chance zum Obsiegen". Die Prozesskostenhilfe darf allerdings bei einer "nur entfernten Erfolgschance" verweigert werden. Insbesondere gilt, dass die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein kann, wenn die Rechtsfrage anlässlich der gesetzlichen Regelungen oder im Hinblick auf die in bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellten Auslegungshilfen ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) E 81, 347 (359)). Diese Anforderung an die Gewährung von Prozesskostenhilfe stehen im Einklang mit Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Rechtsstaatsprinzip, der eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung von Rechtsschutz gebietet, denn der Unbemittelte braucht nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Prozessaussicht vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO bietet.

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 20. Februar 2006, eingegangen beim Sozialgericht (SG) Berlin am 21. Februar 2006, höheres Arbeitslosengeld II nur noch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung einer höheren Regelleistung begehrt, ist bereits fraglich, ob die Klage zulässig ist. Sollte es sich um einen Fall gewillkürter Klageänderung handeln, was dann der Fall wäre, wenn sie damit einen neuen prozessualen Anspruch erhoben hätte (Streitgegenstand; dazu: Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-2200 § 1303 Nr 4 S 7; BSG SozR 3-1500 § 96 Nr 9 S 18) und sollte die Beklagte sich hierauf in ihrem Schriftsatz vom 15. Februar 2006 eingelassen haben (§ 99 Abs 1 und 2 SGG), dürfte das SG über die so geänderte Klage wohl in der Sache nicht entscheiden, weil auch eine zulässige Klageänderung das Gericht nicht davon entbindet, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen, da für diese sämtliche Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen müssen, also bei der hier erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auch die Einhaltung der Klagefrist; die Klagefrist war aber bereits einen Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember 2005 abgelaufen (§ 87 Abs 1 und 2 SGG). Damit könnte die Klägerin ihr zuvor skizziertes Begehren nur noch dann zulässigerweise verfolgen, sofern der Bescheid vom 20. Januar 2006 den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember 2005 gemäß § 96 Abs 1 SGG geändert bzw ersetzt hätte (Fall der gesetzlichen Klageänderung). Dies ist deshalb fraglich, weil, sofern ein teilbarer Verwaltungsakt nur hinsichtlich seines nicht streitbefangenen Teiles durch einen später ergangenen weiteren Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird, für eine Einbeziehung dieses später ergangenen Verwaltungsaktes nach § 96 Abs 1 SGG in ein den ursprünglichen Verwaltungsakt betreffendes gerichtliches Verfahren grundsätzlich kein Raum sein dürfte (vgl BSG SozR 3-1500 § 96 Nr 9).

Die Frage der Zulässigkeit der Klage kann jedoch offen bleiben, da sie in der Sache jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Denn die Höhe der Regelleistung ist nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bestimmt. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung derselben in § 20 Abs 2 SGB II seiner Verpflichtung aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1und 3 GG zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein des Hilfebedürftigen nachgekommen ist; insoweit wird auf das bereits zitierte Urteil des Senats vom 09. Mai 2006 Bezug genommen.

Nicht nur der Senat sondern auch kein anderes Gericht hat bisher die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung in Frage gestellt.

Eine andere Beurteilung der Erfolgsaussicht ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Senat gegen seine bereits zitierte Entscheidung die Revision zum Bundessozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Denn unter grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist etwas anderes zu verstehen als unter hinreichende Erfolgsaussicht, da eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung keine Aussage darüber enthält, ob das Rechtsmittel erfolgreich sein wird, sondern nur besagt, dass ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage besteht (vgl Bundesfinanzhof (BFH)/NV 2002, 662 ff).

Diese Entscheidung ist nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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