L 7 KA 77/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 1 KA 109/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 77/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. April 2002 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Honorierung psychotherapeutischer Leistungen für die Quartale I/99 und III/99.

Die Klägerin, die Diplompsychologin ist, nahm zumindest in den hier streitbefangenen Quartalen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt an der Erbringung psychotherapeutischer Leistungen im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung teil.

Mit Bescheid vom 5. August 1999 setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin für das Quartal I/99 auf 23.429,24 DM fest und honorierte die von der Klägerin für insgesamt 62 Behandlungsfälle angeforderten 416.583 Punkte mit Punktwerten von 4,20 DPf im Bereich der Primärkassen und von 6,00 DPf im Bereich der Ersatzkassen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend: Der abgerechnete Punktwert sei erheblich zu niedrig. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen für die Zeit bis Ende 1998 sei er mit 10,00 DPf in Ansatz zu bringen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2000 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die von der Klägerin genannte Rechtsprechung des BSG beziehe sich ausdrücklich nicht auf die Vergütung ab dem Quartal I/99. Der Honorarbescheid halte sich nicht nur an die Vorgaben des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä), sondern vor allem auch an diejenigen ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM), der seinerseits den Vorgaben des Art. 11 des Einführungsgesetzes zum Psychotherapeutengesetz (EinfG-PsychThG) entspreche. Nachvergütungen in Höhe von 2.409,58 DM bzw. 2.792,40 DM erfolgten mit Bescheiden vom 31. Januar 2001 und vom 24. Januar 2002.

Für das weiterhin streitbefangene Quartal III/99 setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin für die von ihr geltend gemachten 63 Behandlungsfälle unter Zugrundelegung von 405.767 Punkten und eines Punktwertes von 3,20 DPf im Primärkassenbereich und eines Punktwerts von 6,00 DPf im Ersatzkassenbereich mit Bescheid vom 7. Februar 2000 auf 19.794,54 DM fest, wogegen die Klägerin wiederum unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG zu der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen für die Zeit bis Ende 1998 Widerspruch erhob. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens vergütete die Beklagte mit Bescheiden vom 21. März 2000 und 31. Januar 2001 Beträge in Höhe von 118,40 DM bzw. 2.188,08 DM nach. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2001 wiederum unter Hinweis auf die Bestimmungen des EBM-Ä und ihres HVM zurück und vergütete schließlich mit Bescheid vom 24. Januar 2002 nochmals einen Betrag in Höhe von 2.338,90 DM nach.

Nach Verbindung der die Honorierung der psychotherapeutischen Leistungen der Klägerin in den Quartalen III/98, IV/98, I/99 und III/99 betreffenden Klageverfahren (Quartal III/98: S 1 KA 109/00; Quartal IV/98: S 1 KA 149/00; Quartal I/99: S 1 KA 222/00 und Quartal III/99: S 1 KA 86/01) unter dem Aktenzeichen S 1 KA 109/00 hat das Sozialgericht Potsdam die von der Klägerin angefochtenen Honorarbescheide in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide für die Quartale III/98 und IV/98 aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, die Vergütungsansprüche der Klägerin für die von ihr in den vorgenannten Quartalen erbrachten Leistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die auf eine höhere Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen für die Quartale I/99 und III/99 gerichteten Klagen hat es abgewiesen und zur Begründung dieser Abweisung im Wesentlichen ausgeführt: Die Vergütungsansprüche für die Quartale I/99 und III/99 seien nach dem HVM der Beklagten richtig berechnet worden. § 5 Abs. 7 HVM entspreche den rechtlichen Vorgaben des Art. 11 EinfG-PsychThG. Danach habe im Jahre 1999 ein gesetzliches Budget gegolten, das keinen Raum für eine Punktwertstützung gelassen habe. Die Verpflichtung nach Art. 11 Abs. 2 EinfG-PsychThG, geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der Punktwertdifferenz zu treffen, obliege den Vertragspartnern des Gesamtvertrages und nicht der Beklagten allein. Einzelne Verträge seien auch schon zustande gekommen.

Gegen dieses ihr am 1. Juli 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin bezüglich der hier allein streitbefangenen Quartale I/99 und III/99 am 16. Juli 2002 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt und zu deren Begründung ausgeführt: Die Vorschrift des Art. 11 EinfG-PsychThG
sei verfassungswidrig, auch wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seinem Beschluss vom 30. April 2003 (1 BvR 664/03) eine diesbezügliche Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen habe. Die Vorschrift sei unverhältnismäßig, weil sie keine Mindestvergütung garantiere, und verletze das aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) folgende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. April 2002 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2000 in der Fassung der Bescheide vom 31. Januar 2001 und 24. Januar 2002 sowie den Bescheid vom 7. Februar 2000 in der Fassung der Bescheide vom 21. März 2000 und 31. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2001 in der Fassung des Bescheides vom 24. Januar 2002 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin hinsichtlich ihrer Honoraransprüche für die Quartale I/99 und III/99 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und das angewendete Recht für verfassungskonform.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung war zurückzuweisen. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klagen bezüglich der hier allein streitbefangenen Quartale I/99 und III/99 abgewiesen, denn die insoweit angefochtenen Honorarbescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin, der kein höherer Honoraranspruch für die vorgenannten Quartale zusteht, nicht in ihren Rechten.

Die Beklagte hat die Honorierung der vertragspsychotherapeutischen Leistungen der Klägerin in den hier streitbefangenen Quartalen auf der Grundlage des EBM-Ä sowie vor allem ihres jeweils geltenden HVM vorgenommen. Verstöße gegen die Anwendung der darin enthaltenen Bestimmungen hat die Klägerin nicht geltend gemacht, sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin indessen rügt, ihre Leistungen seien mit zu niedrigen Punktwerten vergütet worden, weil das maßgebliche Honorarkontingent zu knapp bemessen gewesen sei, steht dem die Vorschrift des Art. 11 EinfG-PsychThG entgegen, die unter anderem in ihrem Absatz 1 eine Ausgabenobergrenze für die Honorierung psychotherapeutischer Leistungen und damit auch eine maximale Größe für das maßgebliche Honorarkontingent festlegte. Verstöße hinsichtlich der Umsetzung dieser Vorschrift durch die Beklagte hat die Klägerin nicht gerügt, sie sind auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist die Vorschrift auch verfassungsgemäß. Prüfungsmaßstab sind Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG, wobei insbesondere das Vorliegen einer Übergangsregelung zu beachten ist (BSG, Urteil vom 6. November 2002, B 6 KA 21/02 R, SozR 3-2500 § 85 Nr. 39).

Vergütungsregelungen stellen Berufsausübungsregelungen dar, die gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes möglich und dann rechtmäßig sind, wenn ihnen vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls zu Grunde liegen und sie auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen (BSG a. a. O.). Diesen Voraussetzungen entsprach die Regelung des Art. 11 EinfG-PsychThG, weil sie mit der Ausgabenobergrenze und einer Vergütungsuntergrenze eine vernünftige und ausgewogene Regelung darstellte. Außerdem war sie eine Übergangsregelung lediglich für ein Jahr, die der Vorbeugung gegen eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen im Zusammenhang mit der Neuordnung eines Berufsfeldes diente; gerade in einem solchen Falle steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BSG a. a. O. mit weiteren Nachweisen).

Darüber hinaus verstößt die Vorschrift auch nicht gegen das aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Absatz 1 GG folgende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Insbesondere war der Gesetzgeber nicht gehalten, die vom BSG in Auslegung des damals geltenden Rechts u. a. auch für das Jahr 1998 ausgesprochene Vergütung zu einem Mindestpunktwert von ca. 10 DPf für das Jahr 1999 fortzuschreiben. Zwar bindet das auf Verfassungsrecht beruhende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit auch den Gesetzgeber, allerdings nur insoweit, dass Gleiches entsprechend seiner Eigenart gleich behandelt werden muss (BSG a. a. O. mit weiteren Nachweisen). Hat indessen der Gesetzgeber aus sachlich gerechtfertigtem Grund für einen bestimmten Bereich übergangsweise eine Sonderregelung geschaffen, wie dies bei Art. 11 EinfG-PsychThG der Fall war, so ist insoweit kein gleicher und gleich zu behandelnder Sachverhalt gegeben (BSG a. a. O.). Die seinerzeit gegen das vorstehend zitierte Urteil des BSG vom 6. November 2002 eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG mit seinem Beschluss vom 30. April 2003 mit der Begründung nicht zur Entscheidung angenommen, dass der Beschwerde keine verfassungsrechtliche Bedeutung zukomme und für eine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten nichts ersichtlich sei (BVerfG, 1 BvR 664/03).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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