L 22 R 25/05*17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 879/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 25/05*17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach Vollendung des 60. Lebensjahres, insbesondere darum, ob der Kläger die Wartezeit für diese Rente erfüllt.

Der am 1944 geborene Kläger ist nach seinen Angaben von 1956 bis 1973 bei der D B beschäftigt gewesen. Von 1958 bis 1961 habe er jeweils acht Stunden wöchentlich als Postschaffneranwärter eine kaufmännische Berufsschule besucht und ein Abgangszeugnis erhalten. Zuletzt sei er bei der D B im mittleren Dienst beschäftigt gewesen. Von 1973 bis 1974 habe er als Versicherungskaufmann gearbeitet, von 1977 bis 1981 als Kraftfahrer mit Inkassotätigkeit. In der Zeit von 1981 bis 1983 habe er selbständig als Bezirksleiter gearbeitet. Von 1983 bis 1984 sei er als Verkaufsfahrer beim Großmarkt tätig gewesen. Seine letzte Beschäftigung habe er von 1985 bis 1988 als Güteprüfer ausgeübt. Im Anschluss hieran bezog er wegen einer am 16. August 1988 begonnenen Arbeitsunfähigkeit vom 17. August 1988 bis 25. Februar 1989 Krankengeld, dann Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II. Derzeit bezieht er auch eine Witwerrente, die ab 1. Juli 2005 316,92 Euro betrug.

Einen am 30. November 1990 gestellten Antrag auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte nach Einholung eines internistischen Fachgutachtens der Ärztin für Innere Medizin Dr. G von November 1991 mit Bescheid vom 18. November 1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1992 mit der Begründung ab, der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig auszuüben. Nach seinem beruflichen Werdegang seien ihm alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar.

Am 20. November 1995 stellte der Kläger einen zweiten Antrag auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch ihre ärztliche Abteilung (Gutachten vom 28. Februar 1996 durch die Ärztin für Allgemeinmedizin A), die ein Heilverfahren befürwortete. In der Zeit vom 16. April 1996 bis 14. Mai 1996 befand sich der Kläger sodann in der S Kurklinik Bad N. Im Reha-Entlassungsbericht vom 14. Mai 1996 wurde ausgeführt, der Kläger sei lediglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten vollschichtig leistungsfähig. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Güteprüfer entspreche diesem Leistungsprofil, so dass der Kläger arbeitsfähig entlassen werde.

Mit Bescheid vom 14. März 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1998 wurde auch dieser Rentenantrag des Klägers abgelehnt, da in den letzten fünf Jahren (20. November 1990 bis 19. November 1995) drei Jahre Pflichtbeitragszeiten nicht vorhanden seien. Es sei kein Kalendermonat mit entsprechenden Beiträgen belegt. Auch die Voraussetzungen nach §§ 43 Abs. 3, 240 Abs. 1, 241 Abs. 1, 53, 245 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) - Verlängerung des Fünfjahreszeitraumes oder vorzeitige Erfüllung der allgemeinen Wartezeit - lägen nicht vor. Das Sozialgericht hat die hiergegen eingelegte Klage nach weiteren medizinischen Ermittlungen (Einholung von Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzten; orthopädisches Gutachten vom 24. Februar 1999) mit Urteil vom 15. Juni 1999 abgewiesen. Nach den medizinischen Ermittlungen sei der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig. Er könne mit seinem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Es lägen aber auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer derartigen Rente nicht vor. Ausgehend von dem von der Beklagten am 15. Juli 1999 erstellten Versicherungsverlauf lägen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 43 Abs. 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI nur vor, wenn der Leistungsfall bis zum 31. März 1991 eingetreten sei. Dies habe von der Kammer nicht festgestellt werden können.

Auf die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte für den Zeitraum von 1988 bis 1991 eingeholt. Nur einer der befragten Ärzte konnte zu diesem Zeitraum Angaben machen, da sich der Kläger nur in der Praxis Dr. N (Nachfolger Dr. Z) im nachgefragten Zeitraum vorgestellt hatte (März bis August 1988 wegen eines Ekzems an der linken Hand sowie des linken Fußes). Vom 18. bis 22. Juli 1988 sei der Kläger deshalb arbeitsunfähig geschrieben worden. Das Ekzem habe sich dann bis August 1988 gebessert. Eine Befundanforderung bei Dr. B - Praxisnachfolger Dr. D- blieb erfolglos. Mit Schreiben des LSG vom 26. Juni 2001 wurde dem Kläger die Sach- und Rechtslage erläutert und auf die Aussichtslosigkeit des Verfahrens hingewiesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. November 2001 erklärte der Kläger, er habe nach seiner Erinnerung nach der Aussteuerung während des anschließenden Sozialhilfebezugs jeweils Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beim Sozialamt eingereicht. Er sei dort auch vom Amtsarzt untersucht worden. Wegen seiner fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit nach Februar 1989 sei er vom Sozialamt auch nicht zu Arbeitseinsätzen herangezogen worden. Er beantrage daher bei der Beklagten die Vormerkung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit für die Zeit ab 26. Februar 1989. Die dem LSG vorliegenden Akten des Sozialamtes bitte er zur Auswertung der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Er sehe den Rechtsstreit als erledigt an.

Die Beklagte führte zunächst weitere Ermittlungen durch (Anforderung des Bandes I vom Sozialamt, Nachfrage bei der B Ersatzkasse und der AOK B nach Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 26. Februar 1989, Anfrage beim Arbeitsamt Nord zu Zeiten der Arbeitslosigkeit ab April 1997). Mit Bescheid vom 29. Januar 2002 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, Anrechnungszeiten könnten ab 26. Februar 1989 nicht anerkannt werden, weil während dieser Zeit weder Barleistungen (z. B. Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld) bezogen noch für die Anrechnung erforderliche Beiträge gezahlt worden seien.

Am 19. Februar 2004 beantragte der Kläger die hier streitige Altersrente nach Vollendung des 60. Lebensjahres für schwerbehinderte Menschen. Hierzu gab er an, er halte sich seit 1990 für erwerbsgemindert aus den der Beklagten bereits bekannten Gründen. Hinzugekommen sei Alterszucker sowie eine seelische Erkrankung.

Mit Bescheid vom 5. März 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, die erforderliche Wartezeit von 35 Jahren (420 Kalendermonate) nach § 236 a SGB VI sei nicht erfüllt. Für den Kläger sei lediglich eine anrechenbare Zeit von 369 Kalendermonaten festgestellt worden. Zeiten der Pflegetätigkeit für die Ehefrau des Klägers seien ihr vom zuständigen Leistungsträger nicht gemeldet worden.

Hiergegen erhob der Kläger am 14. Mai 2004 Klage. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Wartezeit erfüllt. Dem Sozialamt hätten seit 1989 Krankmeldungen vorgelegen. Einreichen könne er allerdings nur ärztliche Bescheinigungen für die Zeit vom 31. Januar 1993 bis 3. Mai 1995 von Dr. B und Dr. N, die er vom Sozialamt erhalten habe. Band I, in dem die Bescheinigungen für die Zeit davor aufbewahrt worden seien, sei vernichtet worden. Ausweislich des beigefügten Schreibens vom 12. November 1990 habe das Sozialamt ihn aufgefordert, einen Rentenantrag wegen Erwerbsunfähigkeit zu stellen. Die Zeiten seien nach § 58 SGB VI anzurechnen. Ab 1996 bis Ende 2000 habe er seine (am 2000 verstorbene) Ehefrau gepflegt. Für eine andere Pflegetätigkeit sei nur der Zeitraum vom 1. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2002 berücksichtigt worden (gemeint ist offenbar die Pflege der Frau R S - Schreiben der Bundesknappschaft vom 27. Juli 2005 -).

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. September 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die für die Erfüllung der Wartezeit zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung fehlenden 51 Kalendermonate könnten auch mit der vom Kläger geltend gemachten und im Konto bislang nicht gespeicherte Beitragszeit für Pflegetätigkeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Oktober 2003 im Umfang von zehn Monaten nicht erfüllt werden; es verbleibe eine Fehlzeit von 41 Kalendermonaten. Die vom Kläger geltend gemachte Zeit der Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf des Krankengeldbezuges im Februar 1989 sei nicht belegt worden. Ermittlungen der Beklagten seien insoweit erfolglos geblieben. Ungeachtet dessen ließe sich eine Arbeitsunfähigkeit in Anknüpfung an die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Güteprüfer, bei der es sich nach Auskunft des Arbeitgebers um eine mittelschwere Arbeit im Wechsel der Körperhaltung mit dem Bewegen von Lasten von 15 bis 20 Kilogramm gehandelt habe, höchstens bis zum Ablauf des Dreijahreszeitraums nach Beginn der krankheitsbedingten Unterbrechung der Beschäftigung begründen. Da die Beschäftigung am 30. Juli 1988 geendet habe, komme eine über den Krankengeldbezug hinausgehende Arbeitsunfähigkeit als Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI lediglich für die Zeit bis 30. Juli 1991 in Betracht (Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 25. Februar 2004 - B 5 RJ 30/02 R -). Auch unter Berücksichtigung dieses Zeitraumes könne die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt werden. Nach dem am 28. Oktober 1991 erstellten internistischen Fachgutachten von Dr. G habe der Kläger über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte und mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen verfügt. Dies stehe im Einklang mit den Einschätzungen, die anlässlich des Heilverfahrens vom 16. April bis 14. Mai 1996 im Entlassungsbericht getroffen worden seien. Da aus dem Gutachten von Dr. G und aus dem Heilverfahrensentlassungsbericht zumindest zeitweilig von einem vollschichtigen Leistungsvermögen und damit von einer Unterbrechung der geltend gemachten durchgängigen Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei, könne eine Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten, durch Dr. Bund Dr. N attestierten Arbeitsunfähigkeitszeiten von Januar 1993 bis Mai 1995 nicht erfolgen.

Gegen das dem Kläger am 11. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 6. Januar 2005 eingelegte Berufung. Zur Begründung trägt er vor, es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die er dem Bezirksamt W, Abteilung Sozialwesen, regelmäßig vorgelegt habe, nicht mehr auffindbar seien. Er habe keinen Einfluss darauf, dass weder das Amt, noch die Krankenkasse oder die Arztpraxis diese Bescheinigungen aufhebe. Es liege hier offensichtlich ein Verstoß gegen Aufbewahrungsfristen vor.

Ausweislich der vom Kläger überreichten Kopie seines Schwerbehindertenausweises ist er als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit 28. Juni 2004 anerkannt.

Dem Vorbringen des Klägers ist der Antrag zu entnehmen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 5. März 2004 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 10. Mai 2004 zu verurteilen, ihm Altersrente wegen Schwerbehinderung ab 1. Februar 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend.

Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Rentenauskunft vom 22. Juli 2005 hat sie weitere elf Monate (1. Januar 2003 bis 5. November 2003) Pflichtbeiträge für Pflegetätigkeit festgestellt und ausgeführt, die Wartezeit für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen, Berufsunfähige und Erwerbsunfähige betrage 35 Jahre; diese sei derzeit mit 380 Monaten nicht erfüllt; es fehlten noch 40 Monate.

Der Senat hat noch einmal erfolglos den Band I des Sozialamtes angefordert, hat eine Auskunft bei der Bundesknappschaft sowie einen Befundbericht beim Praxisnachfolger von Dr. B - Dr. D - eingeholt.

Die Verwaltungsakten der Beklagten (, Band I und II) sowie die Gerichtsakte zum Verfahren L 16 RJ 71/99 haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte entscheiden, obwohl der Kläger nicht zum Termin erschienen ist, denn er ist auf diese Möglichkeit in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung hingewiesen worden (§§ 110, 126 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 5. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2004 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, denn er erfüllt - auch unter Berücksichtigung weiterer elf Monate Pflichtbeiträge für Pflegetätigkeit - nicht die erforderliche Wartezeit von 420 Monaten.

Rechtsgrundlage für die beantragte Rente ist § 236 a SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (BGBl. I Seite 3443), wodurch eine vorzeitige Inanspruchnahme nach der hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen gleichlautenden Vorschrift des § 37 SGB VI, der jetzt diese Rente erst ab dem 63. Lebensjahr ohne Abschlag ermöglicht, nicht zu prüfen ist.

Nach § 236 a SGB VI haben Versicherte, die vor dem 1. Januar 1951 geboren sind, Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie

1. das 60. Lebensjahr vollendet haben, 2. bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderte Menschen (§ 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - SGB IX -)

anerkannt, berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht sind und

3. die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben.

Die Altersgrenze von 60 Jahren wird für Versicherte angehoben, die nach dem 31. Dezember 1940 geboren sind. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente ist möglich. Die Anhebung der Altersgrenze und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme bestimmen sich nach Anlage 22. Die Altersgrenze von 60 Jahren wird nicht aufgehoben für Versicherte, die

1. bis zum 16. November 1950 geboren sind und am 16. November 2000 schwerbehindert (§ 2 Abs. 2 SGB IX), berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht waren oder 2. vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei § 55 Abs. 2 nicht für Zeiten anzuwenden ist, in denen Versicherte wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe versicherungspflichtig waren.

Der Kläger, der vor dem 1. Januar 1951 geboren wurde, vollendete das 60. Lebensjahr am 21. Januar 2004. Die Anerkennung als Schwerbehinderter mit einem GdB von 50 (vgl. § 2 Abs. 2 SGB IX) liegt bei Beginn der Altersrente - hier wäre der frühestmögliche Zeitpunkt der 1. Februar 2004 - nicht vor. Eine Anerkennung erfolgte erst ab 28. Juni 2004. Ob ab 1. Februar 2004 Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorlag, wurde von der Beklagten nicht geprüft. Auf das Vorliegen der Schwerbehinderung, der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit kam es angesichts der nicht erfüllten Wartezeit jedoch nicht an.

Auf die erforderliche Wartezeit von 35 Jahren werden nach § 51 Abs. 3 SGB VI alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten angerechnet. Das sind Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und Berücksichtigungszeiten. Beitragsfreie Zeiten sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI).

Der Kläger macht für die Zeit ab 26. Februar 1989 im Wesentlichen Arbeitsunfähigkeits- also Anrechnungszeiten geltend. Hierzu ist in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 SGB VI, dessen Anwendbarkeit aus § 300 Abs. 1 SGB VI folgt (vgl. Urteil des BSG vom 13. August 1996 - 8 RKn 30/95 in SozR 3-2600 § 252 Nr. 7), geregelt:

Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben, wobei diese nur vorliegen, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit unterbrochen ist.

Der Unterbrechungstatbestand wäre vorliegend grundsätzlich erfüllt, wenn durchgehende Arbeitsunfähigkeit angenommen werden könnte. Zwar wurde die Beschäftigung des Klägers bereits am 30. Juli 1988 beendet. Die Arbeitsunfähigkeit begann nach einem Schreiben der Krankenkasse vom 15. Februar 1989 (Blatt 121 der Gerichtsakte L 16 RJ 71/99) am 16. August 1988. Vom 17. August 1988 bis 25. Februar 1989 bezog er dann nach diesem Schreiben Krankengeld, im Versicherungsverlauf als Pflichtbeitragszeit anerkannt. Die Anrechnungszeit muss sich jedoch weder unmittelbar an die Pflichtversicherung anschließen, noch muss eine versicherte Beschäftigung danach wieder aufgenommen worden sein. Ausreichend ist, wenn eine versicherte Tätigkeit nicht mehr aufgenommen wurde, grundsätzlich aber die Möglichkeit zur Aufnahme bestand. Der Versichert darf allerdings nicht gleichzeitig mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sein (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 1996 - 8 RKn 30/95 - in SozR 3-2600 § 58 Nr. 7 und Urteil vom 13. Dezember 2000 - B 5 RJ 18/99R - in SozR 3-2600 § 252 Nr. 3). Vorliegend liegt zwischen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit weniger als ein Monat. Die sich anschließende Zeit des Krankengeldbezuges belegt das weitere Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit (nach der Rechtsprechung des BSG ist für die Dauer des Bezuges von Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung ohne weitere Prüfung durch den Rentenversicherungsträger vom Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit auszugehen - vgl. Urteil vom 27. Februar 1990 - 5 RJ 67/88 - in SozSich 1991 Seite 319). Auch mit einer endgültigen Beendigung des Erwerbslebens ist rückschauend aus damaliger Sicht nicht zu rechnen gewesen, was sich aus den auf der Grundlage medizinischer Ermittlungen getroffenen ablehnenden Bescheiden des ersten Rentenverfahrens ergibt. Eine sich nach dem 25. Februar 1989 anschließende Zeit der Arbeitsunfähigkeit wäre danach grundsätzlich geeignet, eine Anrechnungszeit zu begründen.

Die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit müssen jedoch nachgewiesen werden (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, Juni 2005, § 58 SGB VI Rdnr. 15 und Klattenhoff in Hauck/Noftz, 2005, SGB VI, K § 58 Rdnr. 10). Ein solcher Nachweis ist nach Ausschöpfung aller erkennbaren Ermittlungsmöglichkeiten vorliegend nicht gelungen. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast trägt der Kläger die Folgen der Nichterweislichkeit, da er sich auf das anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmal der Arbeitsunfähigkeit beruft (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 103 Rdnr. 19 a).

Für den Zeitraum vom 26. Februar 1989 bis Januar 1993 liegen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht vor. Die vom Sozialgericht zum Verfahren S 32 RJ 870/04 / L 16 RJ 879/04 eingeholten Befundberichte betreffen Zeiträume ab 1995. Das LSG hatte zwar Befundberichte für die Zeit von 1988 bis 1991 angefordert, von den fünf befragten Ärzten hatte nur der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. N - Praxisnachfolger Dr. Z - den Kläger von März bis August 1988 behandelt und hierbei eine sehr kurzfristige Arbeitsunfähigkeit vom 18. bis 22. Juli 1988, die noch in den Zeitraum des Bestehens seines letzten Beschäftigungsverhältnisses fiel, festgestellt. Auch die Ermittlungen der Beklagten, die jeweils nach Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 26. Februar 1989 bei der B Ersatzkasse und der AOK B nachfragte, waren ohne Erfolg. Schließlich hat auch der Senat versucht, Band I der Akte des Sozialamtes zu erhalten. Nur informatorisch wird darauf hingewiesen, dass nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 1b Angestelltenversicherungsgesetz) eine anrechnungsfähige Versicherungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit nur dann vorlag, wenn für diese Zeit auch eine Leistung aus der Sozialversicherung, insbesondere Krankengeld, bezogen wurde. Insofern bestand für das Sozialamt weder eine Meldepflicht, noch Veranlassung, eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufzubewahren. Eine Nachfrage beim Praxisnachfolger von Dr. B - Dr. D - ist zwar nunmehr beantwortet worden, für den hier streitigen Zeitraum existierten jedoch dort keinerlei Unterlagen mehr. Auch hier wird lediglich informatorisch darauf hingewiesen, dass die Aufbewahrungsfrist für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach der Berufsordnung der Ärzte ein Jahr, für Arztakten 10 Jahre beträgt. Angesichts eines streitigen Zeitraumes von 1989 bis 1993 waren diese Fristen spätestens 2003, also noch vor Antragstellung auf Rente für schwerbehinderte Menschen, verstrichen.

Die Aufforderung des Bezirksamtes zur Stellung eines Rentenantrages wegen Erwerbsunfähigkeit und die ärztliche Bescheinigung von Dr. B - ohne Datum - (Blatt 11 Gerichtsakte) wonach weiter Arbeitsunfähigkeit bis 31. Januar 1993 bestehe, legen zwar nahe, dass der Kläger damals arbeitsunfähig war. Damit wird jedoch nicht eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen.

Das anlässlich des ersten Rentenantrages wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit durch die Beklagte eingeholte Gutachten der Ärztin für Innere Medizin Dr. G (erstellt am 12. November 1991 aufgrund einer Untersuchung am 28. Oktober 1991), das zeitlich in den hier streitigen Zeitraum fällt, enthält andererseits keinerlei Hinweise auf eine bestehende Arbeitsunfähigkeit. Sie hatte die Diagnosen eines

• Clavi an beiden Fußsohlen, • Zustand nach Exzision eines Clavus rechts im März 1991, • Varicosis beidseits, • mäßige Gonarthrose rechts

gestellt. Zusammenfassend hat sie ausgeführt:

Der 47-jährige Kläger befinde sich in gutem Allgemein-, Ernährungs- und Körperzustand. Er sei vom Sozialamt aufgefordert worden, einen Rentenantrag zu stellen. Er beziehe seit einem Jahr Sozialhilfe. Im März 1991 sei eine infizierte Clavis im Bereich der rechten Fußsohle entfernt worden. Jetzt habe er wieder Schwielen beidseits. Ein früherer Alkoholabusus sei jetzt reduziert worden, die Leber sei am Rippenbogen palpabel. Es seien Varizen beidseits nachweisbar. Er klage über Schmerzen im rechten Kniegelenk und im Bereich der Lendenwirbelsäule; Funktionseinschränkungen seien nicht nachweisbar. Röntgenologisch sei im Bereich des rechten Kniegelenkes eine mäßige Gonarthrose feststellbar. Die Laborwerte lägen im Normbereich. Leichte und mittelschwere Arbeit erscheine vollschichtig zumutbar. Das Leistungsvermögen beurteilte sie sodann wie folgt:

Der Kläger könne noch vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ausführen. Vermieden werden müssten Knien und Hocken. Er könne in seinem Lehrberuf und der letzten Tätigkeit als Kaufmann, auf dem gehobenen allgemeinen und allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.

Die Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte und mittelschwere Arbeiten widerlegt das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit jedenfalls für den Untersuchungszeitraum. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist wie im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen (vgl. BSG - GS - Beschluss vom 16. Dezember 1981 in SozR 2200 § 1259 Nr. 59). Danach ist ein Versicherter arbeitsunfähig, der infolge einer Krankheit seine zuletzt konkret ausgeübte oder eine ähnlich geartete Beschäftigung oder Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin ausüben kann, seinen Zustand zu verschlimmern (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2001 in SozR 3 - 2500 § 44 Nr. 9). Die zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Beschäftigung war die eines Güteprüfers. Hierbei handelte es sich nach der im Verfahren des LSG eingeholten Arbeitgeberauskunft (L 16 RJ 71/99) um eine mittelschwere Tätigkeit, die im ständigen Wechsel (gemeint ist offenbar ein Haltungswechsel) ausgeübt worden sei. Teilweise seien Lasten von 15 bis 20 Kilogramm bewegt worden. Besondere Kenntnisse seien nicht notwendig gewesen. Es habe sich um eine Anlerntätigkeit gehandelt, die nur besondere Sorgfalt erfordert habe.

Legt man das von Dr. G ermittelte Leistungsvermögen zugrunde, so war der Kläger in der Lage, diese Tätigkeiten auszuführen, so dass Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens nicht vorlag, jedenfalls aber erhebliche Zweifel am Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit bestehen, so dass der erforderliche Nachweis im Sinne einer vollen Überzeugung von beweiserheblichen Tatsachen (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 103 Rdnr. 6 a) nicht gelungen ist.

Auf die Frage, ob sich nach drei Jahren der Maßstab für die Prüfung, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, insoweit verändert, als nicht mehr auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit abzustellen ist, kommt es danach nicht an.

Zusammenfassend ergibt sich für den Zeitraum vom 26. Februar 1989 bis Januar 1993 kein Nachweis einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit. Für die sich anschließende Zeit von Februar 1993 bis Mai 1995 fehlt es an einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit seit Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und damit am Merkmal des Unterbrechungstatbestandes.

Auch aus § 252 SGB VI, der die Vorschrift des § 58 SGB VI ergänzt und im Wesentlichen die Funktion der Besitzstandswahrung und der Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtslage hat, ergeben sich keine weiteren Zeiten.

Nach § 252 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI sind Anrechnungszeiten auch Zeiten, für die ein anderer Leistungsträger in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1997 wegen des Bezuges von Sozialleistungen Pflichtbeiträge oder Beiträge für Anrechnungszeiten gezahlt hat.

Nach § 252 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI liegen Anrechnungszeiten unter anderem wegen Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1997 bei Versicherten, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren, nur vor, wenn für die Zeiten, längstens jedoch für 18 Monate, Beiträge nach mindestens 70 von 100, für die Zeit vom 1. Januar 1995 80 von 100 des zuletzt für einen vollen Kalendermonat versicherten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens gezahlt worden sind.

Vorliegend ist weder vorgetragen, noch erkennbar, dass in der Zeit vom 26. Februar 1989 bis 31. Dezember 1997 Beiträge entrichtet wurden. Soweit der Kläger sich im erstinstanzlichen Verfahren auch auf Pflegezeiten berufen hat, ist sein Vorbringen insoweit erfolgreich gewesen, als die Beklagte weitere 11 Monate Pflichtbeiträge für Pflegetätigkeit (1. Dezember 2002 bis 5. November 2003, vgl. Versicherungsverlauf vom 22. Juli 2005) anerkannt hat. Dies entspricht der Auskunft der Knappschaft (Schreiben vom 27. Juli 2005), dass bei Frau R S erst ab 2002 Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes bestanden habe. Im Berufungsverfahren hat er weitere Zeiten der Pflegetätigkeit nicht geltend gemacht. Die erforderliche Wartezeit von 420 Monaten ist damit nicht erfüllt.

Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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