L 19 B 387/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 2243/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 387/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller macht Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Monate März bis Mai 2006 in voller Höhe geltend.

Der Antragsgegner hat mit dem 1983 geborenen Antragsteller am 23. August 2005 eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Darin verpflichtete sich der Antragsteller u.a., alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken. Des Weiteren enthält die Vereinbarung die Verpflichtung des Antragstellers, monatlich einen Nachweis der Eigenbemühungen laut Liste zu erbringen. Ferner wird in der Vereinbarung darauf verwiesen, dass im Falle einer Pflichtverletzung seitens des Antragstellers die gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsfolgen eintreten.

Mit Änderungsbescheid vom 14. Dezember 2005 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis zum 30. April 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 484,69 Euro monatlich, da ab dem 1. Februar 2006 die Miete direkt an die Vermieterin überwiesen wurde.

Der Antragsgegner hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 nach § 24 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) unter Übermittlung eines Fragebogens an. Darin wies er darauf hin, dass der Antragsteller seiner Pflicht, monatliche Eigenbemühungen nachzuweisen, nicht nachgekommen sei und eine Absenkung oder der Wegfall der Leistungen eintrete, wenn er der gesetzlichen Verpflichtung ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen sei.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2006 hob der Antragsgegner die Bewilligung gemäß § 48 Abs. 1 SGB X für den Zeitraum 1. März 2006 bis 31. Mai 2006 auf mit der Begründung, der Antragsteller habe sich trotz der Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Maße Eigenbemühungen nachzuweisen. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 21. Februar 2006 Widerspruch ein. Dieser wurde durch Widerspruchsbescheid vom 2. März 2006 als ungegründet zurückgewiesen. Der Antragsteller hat gegen den Bescheid vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2006 keine Klage erhoben.

Der Antragsgegner entschied am 2. März 2006 über einen Antrag des Antragstellers vom selben Tag und gewährte dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Mai 2006 in Höhe von 191,69 Euro.

Der Antragsgegner schloss mit dem Antragsteller am 5./.18. April 2006 eine weitere Eingliederungsvereinbarung. Der Antragsteller begann am 18. April 2006 eine Umschulung zum Verkäufer.

Am 13. März 2006 beantragte der Antragssteller den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Monate März 2006 bis Mai 2006 in voller Höhe zu gewähren.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 4. Mai 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat ausgeführt, dass der Widerspruchsbescheid vom 2. März 2006 bestandskräftig geworden und somit bestandskräftig geregelt worden sei, dass dem Antragsteller für die Monate März und April 2006, die von dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid erfasst würden, keine Regelleistungen zustünden. Die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes könne mit einer einstweiligen Anordnung nicht durchbrochen werden. Soweit der Antragsteller eine Fortzahlung der Leistungen begehre, habe dieser die für eine einstweilige Anordnung erforderlichen ihm drohenden wesentlichen Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller habe weder konkret die dringende Erforderlichkeit der Zahlungen dargelegt noch ergebe sich nach Aktenlage eine existenzbedrohende Notsituation. Der Antragsteller habe noch eine Nebentätigkeit ausgeübt und befinde sich seit dem 18. April 2006 in einer Ausbildung.

Gegen diesen dem Antragsteller am 10. Mai 2006 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 15. Mai 2006 eingegangene als Einspruch bezeichnete Beschwerde.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass er aus Unkenntnis kein Rechtsmittel gegen den Widerspruchsbescheid vom 2. März 2006 eingelegt habe. Die Nebentätigkeit habe er bis zum 31. Dezember 2005 ausgeübt und in den Monaten März und April 2006 daraus keine Einkünfte mehr erzielt. Von dem Antragsgegner seien ihm keine Ausbildungs- oder Arbeitsstellen für Bewerbungen genannt worden. Ihm sei zugesagt worden, dass die Sperre aufgehoben würde, wenn er die von ihm selbst gesuchte Ausbildung beginne. Er habe kein Geld für Unterrichtsmaterialien, Essen und Fahrkarten.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2006 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Monate März bis Mai 2006 in voller Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, da sie form- und fristgerecht erhoben wurde. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag auf einstweilige Anordnung vom 13. März 2006 die Zahlung ungekürzter Leistungen im Zeitraum 1. März 2006 bis 31. Mai 2006. In der Sache wendet er sich gegen den Bescheid vom 13. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2006, der die Beschränkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Leistungen nach § 22 SGB II zum Inhalt hat.

Da nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 SGB II Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann der Antragsteller bei dem Gericht der Hauptsache bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG) beantragen und dies bei zeitweilig bereits vollzogener Absenkung verbinden mit dem Antrag, die Aufhebung der Vollziehung durch Auszahlung der absenkungsbedingt einbehaltenen Leistung anzuordnen. Der Antrag des Antragstellers ist unter Berücksichtigung seines sich aus der Begründung ergebenden Begehrens in diesem Sinne zu verstehen.

Die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG liegen für den Leistungszeitraum 1. März 2006 bis 30. April 2006 nicht vor, denn insoweit ist ein Anordnungsgrund nicht gegeben.

Ein Anordnungsgrund liegt dann vor, wenn der Antragsteller bei einem Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache Gefahr laufen würde, seine Rechte nicht mehr realisieren zu können. Die einstweilige Anordnung soll verhindern, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann.

Vorliegend hat der Antragsteller gegen den Aufhebungsbescheid des Antragsgegners vom 13. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2006 keine Klage erhoben. Somit wurde für den Zeitraum März und April 2006, der Gegenstand des Bescheides vom 14. Dezember 2005 war, eine bindende Regelung getroffen. Eine Regelung für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens kann mangels eines solchen nicht ergehen. Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, aus Unkenntnis keine als Einspruch bezeichnete Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 2. März 2006 erhoben zu haben, war der Antragsteller auf die Möglichkeit und die Frist für eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid ausweislich des von ihm im vorliegenden Verfahren eingereichten Widerspruchsbescheids hingewiesen worden. Der innerhalb der Klagefrist beim Sozialgericht eingegangene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war nicht als gegen den streitgegenständlichen Bescheid gerichtete Anfechtungsklage zu verstehen, da weder dem Antrag noch der Begründung noch dem beigefügten Schreiben des Antragstellers zu entnehmen ist, dass der Antragsteller nicht nur eine einstweilige Anordnung für den Zeitraum März 2006 bis Mai 2006 anstrebt, sondern sich zugleich auch in der Hauptsache gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2006 wenden will.

Auch für den Leistungszeitraum Mai 2006 liegen die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht vor, da ein Anordnungsgrund nicht gegeben ist.

Nach dieser Norm sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -).

Zwar hat der Antragsgegner in dem Bescheid vom 13. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2006 die Leistung für den Monat Mai 2006 gekürzt, obwohl der Bewilligungsbescheid vom 2. November 2005 nur den Zeitraum November 2005 bis April 2006 umfasste. Zeitgleich erging aber am 2. März 2006 ein Bescheid des Antragsgegners, der den Monat Mai 2006 erfasst. Er entschied an diesem Tag über einen Antrag des Antragstellers vom selben Tag und gewährte dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Mai 2006 in Höhe von 191,69 Euro. Diesen Bescheid hat der Antragsteller nicht mit einem Widerspruch angegriffen, er wurde somit bestandskräftig. Dieser Bescheid war nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden, da er nicht den mit dem Widerspruch angefochtenen Verwaltungsakt geändert hat. Als Bewilligungsbescheid enthält er eine Regelung über eine Leistung für den Monat Mai 2006, die bislang nicht getroffen worden war.

Wird zu Gunsten des Antragstellers das Vorliegen eines Anordnungsgrundes bejaht, so steht dem Antragsteller kein Anordnungsanspruch zu. Der Antragsgegner hat zu Recht die Leistung gemäß § 31 Abs. 5 SGB II beschränkt.

Danach wird das Arbeitslosengeld II bei Erwerbsfähigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, unter den in den Absätzen 1 und 4 genannten Voraussetzungen auf die Leistung nach § 22 SGB II beschränkt. Der Antragsteller ist 1983 geboren und gehört zu diesem Personenkreis. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 b SGB II wird das Arbeitslosengeld II abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung weigert, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. In der Eingliederungsvereinbarung vom 23. August 2005 ist unter Punkt 1b die Pflicht des Antragstellers aufgeführt, den Nachweis der Eigenbemühungen laut Liste monatlich zu erbringen. Dieser Verpflichtung kam der Antragsteller nicht nach, denn er hat nicht dem Antragsgegner monatlich Eigenbemühungen nachgewiesen. Soweit der Antragsteller sich auf telefonische Nachfragen auf Stellenanzeigen als Eigenbemühungen beruft, kann dahinstehen, ob er solche Bemühungen unternommen hat, da er den Antragsgegner davon nicht in der vereinbarten Art und Weise unterrichtet hat. Die Anlage der Eingliederungsvereinbarung enthält auch die nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erforderliche Belehrung über die Rechtsfolgen. Auch war der Antragsteller mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 angehört worden unter Hinweis auf eine Verletzung der Pflicht zum Nachweis der Eigenbemühungen. Des Weiteren lagen auch noch im Monat Mai 2006 die Voraussetzungen für den Wegfall der Leistungen vor. Gemäß § 31 Abs. 6 SGB II treten Absenkung und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonates ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, ein; Absenkung und Wegfall dauern 3 Monate. Da mit Bescheid vom 13. Februar 2006 diese Feststellung erfolgte, begann der 3-Monatszeitraum am 1. März 2006 und dauerte im Monat Mai 2006 noch an.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved