L 17 R 1472/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 R 945/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 R 1472/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2005 wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt eine Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit.

Der Kläger ist am 1944 geboren. Aus seinen Angaben und dem vorliegenden Versicherungsverlauf ergibt sich folgendes Berufsleben:

01.09.63 – 14.04.65 Kochlehrling 15.04.65 – 19.08.65 Koch 01.09.65 – 06.03.70 Handelshochschule Leipzig mit Abschluss als Diplomwirtschaftler 01.04.70 – 15.01.71 Restaurantleiter 08.02.71 – 30.04.82 wissenschaftlicher Mitarbeiter für Statistik 01.01.83 – 30.04.90 stellvertretender Direktor / Gastwirt 01.05.90 – 12.01.93 Gastwirt (Pflichtbeiträge) 01.02.93 – 30.09.94 Gastwirt (freiwillige Beiträge) 10.10.94 – 31.03.96 Küchenhelfer im Deutschen Theater (Pflichtbeiträge) 01.04.96 – 31.10.96 arbeitslos 01.11.96 – 08.04.04 Versicherungsvermittler (freiwillige Beiträge).

Am 30. August 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Altersrente. Die Beklagte prüfte zunächst intern, ob für den bei Antragstellung 59jährigen Kläger eine Altersrente in Betracht kam. Nachdem sie festgestellt hatte, dass der Kläger die Voraussetzungen einer Altersrente nicht erfüllte, fragte sie bei ihm an, ob er auch eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragen wolle. Der Kläger bejahte diese Frage und machte geltend, er leide unter Bluthochdruck und Kreislaufstörungen. Er könne nur noch vier Stunden täglich leichte Tätigkeiten verrichten.

Dazu lagen ein Arztbrief der Dialysepraxis M vom 4. Januar 1996, ein Echokardiographiebefund vom 23. Dezember 1999 und ein Ergometriebefund vom 23. Dezember 1999 vor.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Facharzt für Innere Medizin K. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 18. Oktober 2004 die Diagnosen:

• Hypertensive Herzkrankheit, • Hypercholesterinämie, • Übergewicht.

Damit könne der Kläger noch vollschichtig leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Stressbelastung und ohne ständigen Zeitdruck verrichten. Er solle nicht in Nachtschicht und nicht mit häufig wechselnden Arbeitszeiten arbeiten. Darauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Oktober 2004 den Antrag auf Altersrente und den Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsminderung ab.

Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und machte unter anderem geltend, seine wesentliche Erkrankung, der Bluthochdruck, sei nicht beachtet worden.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2005 zurück.

Der Kläger hat dagegen am 22. Februar 2005 zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mit der Begründung Klage erhoben, er sei mit der Beurteilung seines Gesundheitszustandes nicht einverstanden.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin H vom 27. April 2005 eingeholt (letzte Behandlung am 14. Dezember 2004). In diesem hat die Ärztin ausgeführt, der Kläger sei wegen Konzentrationsminderung und Antriebsminderung nicht mehr in der Lage, mehr als zwei bis drei Stunden täglich zu arbeiten.

Der Kläger trat dieser Beurteilung seiner behandelnden Ärztin entgegen und führte aus, dass er während seiner gesamten ärztlichen Behandlung auf Bluthochdruck seit November 1995 nie wegen depressiver Störungen oder Ähnlichem behandelt worden sei. Weder im gesamten Behandlungszeitraum noch bei dem einzigen im Jahre 2004 stattgefundenen ärztlichen Termin habe die Ärztin ihm gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass er einen derartigen Eindruck hinterlasse. Sie habe im Gegenteil bei dem Behandlungstermin am 26. August 2004, also unmittelbar vor dem Rentenantrag, geäußert, dass sie aus ärztlicher Sicht einen derartigen Antrag nicht befürworten könne.

Mit Urteil vom 23. August 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich im Wesentlichen auf das Gutachachten von Dr. K gestützt. Der von der behandelnden Ärztin H eingeholte Befundbericht besage nichts anderes. Für die dort mitgeteilten psychischen Erkrankungen gebe es keine Anhaltspunkte. Die mitgeteilten körperlichen Befunde rechtfertigten nicht die Annahme, dass der Kläger nicht mehr täglich sechs Stunden leichte körperliche Arbeiten verrichten könne.

Gegen das dem Kläger am 09. September 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine am 19. September 2005 eingegangene Berufung. Der Kläger trägt vor, aus dem medizinischen Gutachten vom 18. Oktober 2004 gehe nicht überzeugend hervor, warum er in seiner Tätigkeit als Versicherungsvermittler nicht mehr arbeiten könne, aber andererseits eine volle Erwerbsfähigkeit angenommen werde. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass das Sozialgericht aus seinem beruflichen Werdegang eine besondere Befähigung zu praktischer Arbeit herauslese. Er habe siebeneinhalb Jahre als Versicherungsvermittler und nur vier Jahre als Gastwirt gearbeitet. Reine körperliche Arbeiten habe er innerhalb seines Berufslebens nur anderthalb Jahre in der Kochlehre und anderthalb Jahre als Küchenhelfer verrichtet. Diese Tätigkeit habe er dann auch aus gesundheitlichen Gründen beenden müssen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2005 aufzuheben und ihm seit dem 1. August 2004 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser, Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten – – und die Akten des Sozialgerichts Berlin – S 26 R 945/05 – haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – kann das Landessozialgericht, außer, wenn das Sozialgericht einen Gerichtsbescheid erlassen hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Möglichkeit, durch Beschluss zu entscheiden, besteht auch, wenn einer der Beteiligten diesem Vorgehen widerspricht, wie es der Kläger im vorliegenden Fall getan hat. § 153 Abs. 4 SGG, der es dem Landessozialgericht ermöglicht, auch ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, wurde durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 eingeführt. Er sollte zur Entlastung der Landessozialgerichte beitragen. Der Sinn war es, dem Landessozialgericht die Möglichkeit zu geben, eindeutig aussichtslose Berufungen rasch und ohne unangemessenen Verfahrensaufwand zu bearbeiten. Eine entsprechende Regelung in der Verfahrensordnung der Verwaltungsgerichte hatte sich bereits bewährt (Bundestagsdrucksache 12/1217 Seite 52). Im vorliegenden Fall ist kein Grund ersichtlich, der eine mündliche Verhandlung vor dem Landessozialgericht erforderlich macht. Der Kläger hatte Gelegenheit, seine Rechtsansicht vor dem Sozialgericht und in einem fünfzigminütigem intensiven Rechtsgespräch in einem Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht zu vertreten. Er ist durchaus auch in der Lage, seine Argumente schriftlich vorzutragen. Bei dieser Sachlage kommt der Entlastung der Landessozialgerichte ein höheres Gewicht zu als dem Wunsch des Klägers, eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen. Auf den persönlichen Eindruck vom Kläger kommt es im vorliegenden Fall für die Entscheidung nicht an, so dass nicht erforderlich ist, dass der gesamte Senat einen solchen gewinnen kann.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 23. August 2005 ist im Wesentlichen zutreffend.

Hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht erstmals geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, war bereits die Klage unzulässig. Der Kläger hat bei der Klageerhebung ausdrücklich nur eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verlangt. Soweit eine Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt worden ist, ist der Bescheid deshalb bindend geworden und konnte später nicht mehr angefochten werden.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch ist § 43 SGB VI. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht, weil er noch vollschichtig arbeiten kann. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens stützt sich der Senat auf das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin K vom Oktober 2004. Dieser Arzt hat den Kläger untersucht und die vorliegenden – aus den Jahren 1996 und 1999 stammenden – Unterlagen ausgewertet. Er nahm ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne ständige Stressbelastung und ohne ständigen Zeitdruck an.

Die Einwände, die der Kläger gegen dieses Gutachten erhoben hat, greifen nicht durch. Er hat insbesondere beanstandet, dass der Sachverständige seine wesentliche Erkrankung, den Bluthochdruck, nicht gesehen habe. Dieser hat aber eine Hyper-(hyper = über)tensive (Tension = Spannung, Dehnung) Herzkrankheit festgestellt. Damit ist die Bluthochdruckkrankheit des Klägers erfasst. Der Kläger hat ferner beanstandet, dass sich ihm nicht erschließe, warum er für seine vorangegangene Tätigkeit als Versicherungsvermittler nicht mehr erwerbsfähig sein solle, aber für leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden täglich. Auch dieser Einwand greift nicht durch. Der Kläger hat seine Tätigkeit als Versicherungsvermittler selbst als erheblich stressbelastet geschildert. Er hat angegeben, dass er Verantwortung für erhebliche Sachwerte hatte, dass er sich stark konzentrieren musste, dass er Publikumsverkehr hatte und dass es sich um eine Reisetätigkeit gehandelt hat. Damit hat er selbst mehrere objektive Stressfaktoren angegeben. Deshalb ist nachvollziehbar, dass der Arzt K diese Tätigkeit für den Kläger nicht mehr als geeignet angesehen hat.

Soweit der Kläger weiter darauf verweist, dass auch bei leichter Tätigkeit Stress anfallen könne und dass überdies Stress eine sehr subjektive Angelegenheit sei, ist darauf hinzuweisen, dass Leistungseinschränkungen nachgewiesen sein müssen. Wesentlich für die Zumutbarkeit eines Berufes sind deshalb zunächst nur die objektiven Stressfaktoren, subjektive Stressfaktoren spielen nur dann eine Rolle, wenn nachgewiesen ist, dass sie bei dem Versicherten auftreten. Es ließ sich jedoch nicht nachweisen, dass der Kläger bereits bei leichter körperlicher Arbeit ohne objektive Stressfaktoren Leistungseinschränkungen zeigt.

Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert.

Er ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 SGB VI. Für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist auf den bisherigen Beruf im Sinne des Gesetzes abzustellen. Dies ist nicht der letzte Beruf des Klägers als Versicherungsvermittler, denn in diesem Beruf war er nicht versicherungspflichtig tätig. Die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers war die eines Küchenhelfers. Er hat sich von keiner der vorangegangenen höherwertigen Tätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen gelöst.

Diesen Beruf kann der Kläger nicht mehr ausüben, weil als Küchenhelfer auch mittelschwere Lasten zu heben und zu tragen sind. Dies kann der Kläger aber nach dem Gutachten von Dr. K nicht mehr.

Ein Versicherter ist nicht schon dann berufsunfähig, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn er auch in keinem zumutbaren anderen Beruf tätig sein kann. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit sind von der Rechtsprechung des Bundssozialgerichts bzgl. der Arbeiterberufe verschiedene Berufsgruppen entwickelt worden. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Ausbildung überragende Bedeutung für die Qualität eines Berufes hat. Ausgehend von der am geringsten qualifizierten Tätigkeit gibt es die Gruppen mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters, des Arbeiters mit einer Ausbildung von bis zu zwei Jahren (angelernter Arbeiter) und des Arbeiters mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung. Der Kläger war zuletzt in einem Arbeiterberuf tätig. Grundsätzlich darf der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe im Verhältnis zu seinen bisherigen Beruf verwiesen werden, soweit sie ihn weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch hinsichtlich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern (ständige Rechtsprechung; vgl. BSG, Urteil vom 12. September 1991 – 5 RJ 94/90 – SozR 3 2200 § 1246 Nr. 17).

Der Kläger war in seinem letzten versicherungspflichtigen Beruf als ungelernter Arbeiter einzustufen. Er hat zwar eine qualifizierte Ausbildung und hat auch langjährig in einem qualifizierten Beruf gearbeitet, er hat aber aus Gründen, die nicht gesundheitlicher Art waren, diesen Beruf nicht mehr ausgeübt. Als ungelerntem Arbeiter sind dem Kläger alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar. Eine solche Arbeit kann der Kläger nach den ärztlichen Feststellungen noch vollschichtig ausüben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund für die Zulassung nicht ersichtlich ist.
Rechtskraft
Aus
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