Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 RA 5358/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 RA 12/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.
Der Kläger ist am 1942 geboren. Er absolvierte nach seinen Angaben zunächst eine Bäckerlehre, die er nicht abschloss (17. April 1957 bis 2. März 1959). Nach anderen Angaben hat er von 1958 bis 1960 eine Ausbildung zum Bootsmann erhalten und mit dem Bootsmannbrief abgeschlossen. Er war dann bis 1972 als Lagerarbeiter, Beifahrer, Decksmann, Heizer und Kellner beschäftigt und in (DDR-)Haft. Nach anderen Angaben war er bis 1974 bei wechselnden Arbeitgebern in der Binnenschifffahrt Matrose oder Bootsmann. Anschließend war er bis 1980 Kostenrechner. Während dieser Zeit machte er einen Abschluss als Wirtschaftskaufmann (5. März 1975). Von 1981 bis 1989 war er Leiter der Kostenrechnung. Zuletzt war er vom 1. Februar 1989 bis 30. April 1997 Bilanzbuchhalter und Lagerleiter bei der M A GmbH. Er war aber bereits seit dem 03. September 1996 arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis endete durch krankheitsbedingte Kündigung.
Im September 1997 stellte er einen Rentenantrag und machte geltend, er könne seit August 1997 wegen funktioneller Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Bandscheibenprolaps mit Radikulärsyndrom S1 keine Arbeit mehr verrichten.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22. Januar 1998/Widerspruchbescheid vom 02. Juni 1998 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei im bisherigen Berufsbereich noch vollschichtig erwerbsfähig. Dieser Entscheidung lag insbesondere ein Entlassungsbericht des Zentrums für ambulante Rehabilitation – ZaR – vom 1. September 1997 zugrunde, aus dem hervorging, dass der Kläger am 20. August 1997 als arbeitsfähig im letzten Beruf entlassen worden war, sowie Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. S vom 17. Dezember 1997 und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 24. März 1998. Dr. S hatte ausgeführt, zumutbar sei eine leichte Bürotätigkeit im Wechsel der Haltungsarten unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen, Bücken, Überkopfarbeit und einseitiger Körperhaltung. Bei rückengerechter Ausstattung des Arbeitsplatzes sei vollschichtige Arbeit möglich. Dr. L sah keine weitergehenden Leistungseinschränkungen.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 04. Juni 1998 abgesandt. Er wurde nicht angefochten.
Am 23. Juli 1998 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag und machte geltend, die medizinischen Aspekte seien von Dr. L nicht ausreichend gewürdigt worden. Der aktuelle Gesundheitszustand, den man von Dr. H erfragen könne, habe sich weiterhin verschlechtert.
Nach Einholung eines Befundberichts der Fachärztin für Orthopädie Dr. H vom 26. August 1998, in dem diese mitgeteilt hatte, in den letzten zwölf Monaten habe sich keine Befundänderung ergeben, wurde die Rücknahme der Bescheide vom 22. Januar und 02. Juni 1998 mit Bescheid vom 08. September 1998 mit der Begründung abgelehnt, es habe sich nicht ergeben, dass diese Bescheide unrichtig gewesen seien. Die Auswertung des Befundberichtes durch den Beratungsärztlichen Dienst habe ergeben, dass keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten sei.
Der Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, die Beklagte habe seinen Gesundheitszustand unzureichend ermittelt, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09. Dezember 1998 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben (eingegangen am 28. Dezember 1998) und sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Dazu hat er einen Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 03. Februar 1997 eingereicht, nach dem bei ihm ein Grad der Behinderung – GdB – von 30 festgestellt worden ist.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – MDK – vom 01. April 1997 beigezogen, in dem zur Vermeidung von Erwerbsunfähigkeit die Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen empfohlen wurde. Ferner hat es einen Befundbericht von Dr. Hvom 24. März 1999 eingeholt.
Sodann hat es den Facharzt für Orthopädie Dr. H mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 10. Juli 1999 erstellte. Er stellte
• ein Lendenwirbelsäulensyndrom, • ein Halswirbelsäulensyndrom und • ein psychosomatisches Krankheitsbild
fest. Damit könne der Kläger noch körperlich leichte Arbeiten sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten. Er solle nicht unter Einfluss von Hitze, Kälte, Staub und Feuchtigkeit oder Zugluft arbeiten. Die Arbeit solle überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit gelegentlichen Haltungswechsels verrichtet werden. Er dürfe keiner einseitigen Belastung ausgesetzt werden und solle keine Lasten von über fünf Kilogramm heben und tragen. Auch Arbeit auf Leitern und Gerüsten sei ausgeschlossen. Möglich seien Arbeiten unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen oder im Schichtdienst. Die Fingergeschicklichkeit sei nicht eingeschränkt.
Der Kläger ist diesem Gutachten entgegengetreten und hat insbesondere auch auf die anders lautende Beurteilung durch den ärztlichen Dienst des Arbeitsamtes verwiesen. Darauf hat das Sozialgericht die Akten des Arbeitsamtes B N beigezogen. In dem darin befindlichen nach Aktenlage erstellten Gutachten der Ärztin K vom 14. Mai 1998 heißt es, der Kläger sei vollschichtig leistungsfähig für leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung. Für die Tätigkeit im Lagerbereich bestehe ein aufgehobenes Leistungsvermögen.
In der Zeit vom 14. März 2000 bis 14. April 2000 ist eine Rehabilitationsmaßnahme in der E Klinik – Klinik für Psychosomatische und Verhaltensmedizin – durchgeführt worden. Im Entlassungsbericht vom 17. Mai 2000 wurden die Diagnosen "chronische somatoforme Schmerzstörung" und "Lumbalsyndrom" gestellt. Die Ärzte kamen zu dem Schluss, der Kläger könne noch vollschichtig im bisherigen Beruf als Buchhalter arbeiten. Er könne leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig verrichten.
Im Verlauf des Verfahrens gelangten weitere Unterlagen zu den Gerichtsakten, und zwar
• eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom 11. Juli 2000, • ein Röntgenbefund des Thorax vom 08. August 2000, • ein Bescheid des Versorgungsamtes B vom 28. November 2000, mit dem dem Kläger ein GdB von 50 zuerkannt worden war, • ein Gutachten des MDK vom 23. November 2000 (Aufgrund der Vorgeschichten und der Diagnosenvielfalt, der sehr unsicheren Prognose, der Dauer der bisherigen Arbeitsunfähigkeit und weiterhin nicht abschätzbaren Arbeitsunfähigkeitsdauer sollte der Versicherte in Anbetracht der weiter bestehenden Krankheitssituation in seinem erlernten Beruf und auch in anderen Tätigkeiten auf Dauer als arbeitsunfähig anzusehen sein. Nach wie vor ist eine Verweisbarkeit des langzeit-arbeitslosen Versicherten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben.), • ein Befundbericht der Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin Dr. N vom 18. April 2001, • ein Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H vom 27. April 2001 • ein Arztbrief der Ärztin für Orthopädie Dr. S vom 03. Mai 2001, • ein Befundbericht der Diplom-Psychologin U vom 03. September 2001 (zwei Behandlungen am 03. und 17. August 2001).
Das Sozialgericht hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B zum Sachverständigen bestellt. In seinem Gutachten vom 22. Februar 2002 mit einer Ergänzung vom 26. Juni 2002 (Eingangsdatum) stellte er auf seinem Fachgebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD 10 F 45.4) und eine Dysthymia (ICD 10 F 34.1) fest. Er führte aus, der Kläger könne ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, täglich keine körperlichen Arbeiten mehr verrichten. Die festgestellten Leiden beschränkten ihn bei der Ausübung schwieriger geistiger Arbeiten. Es bestehe eine gewisse, vorwiegend im Subjektiven liegende Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit. Sie wirkten sich hingegen nicht besonders auf Hör- und Sehvermögen, Reaktionsvermögen, Lese- und Schreibgewandtheit, Auffassungsgabe, Lern- und Merkfähigkeit, Gedächtnis, Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit, Kontaktfähigkeit, Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit aus. Das hierdurch verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens acht Stunden täglich aus.
Während des Verfahrens ist dem Kläger seit dem 01. August 2002 Altersrente gewährt worden.
Mit Urteil vom 19. Dezember 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger sei nicht berufsunfähig. Er sei gelernter Kaufmann und in seinem letzten Beschäftigungsverhältnis als Bilanzbuchhalter und als Lagerleiter eingesetzt worden. Als Lagerleiter habe er auch körperliche Arbeiten verrichten müssen. Diese Arbeit könne er nicht mehr verrichten. Er könne aber noch als Buchhalter arbeiten. Dabei handele es sich um eine überwiegend sitzende Tätigkeit, deren Anforderungen im geistigen Bereich lägen. Es bestehe die Möglichkeit, gelegentlich aufzustehen und umherzugehen. Im Übrigen bestehe erst recht Leistungsfähigkeit für einen bei kaufmännischer Ausbildung zumutbaren Verweisungsberuf, zum Beispiel als Registrator bei Behörden. Es bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, denn diese Rentenart würde noch weitergehende gesundheitliche Einschränkungen voraussetzen. Das Sozialgericht hat sich zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit insbesondere auf die Gutachten von Dr. B und Dr. H sowie auf den Entlassungsbericht der E Klinik gestützt.
Gegen das dem Kläger am 25. Januar 2003 zugestellte Urteil richtet sich seine am 25. Februar 2003 eingegangene Berufung. Er ist der Auffassung, er könne keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Die Gutachter seien der Auffassung, dass er keine körperlichen Arbeiten und keine schwierigen geistigen Arbeiten mehr verrichten könne. Es liege auch eine Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit vor. Mit diesen Einschränkungen könne er nicht mehr als Buchhalter arbeiten. Er könne auch den vom Sozialgericht beispielhaft genannten Verweisungsberuf als Registrator bei Behörden nicht ausüben. Auch dafür sei eine konzentrierte Arbeit von Nöten, zu der er nicht mehr in der Lage sei.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. B vom 09. August 2003 eingeholt, in der dieser bekräftigte, der Kläger könne noch acht Stunden täglich leichte und mittelschwere geistige Arbeiten verrichten.
Der Senat hat Befundberichte von Dr. N vom 26. August 2003 (letzte Behandlung am 12. September 2001) und von der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H vom 01. Oktober 2003 (letzte Behandlung am 03. April 2003) eingeholt. Sie fügte folgende – bisher nicht vorliegende – Unterlagen bei:
• ein MDK- Gutachten (unvollständig) vom 07. Dezember 2001, später auf Anforderung des Gerichts vollständig übersandt, • Arztbriefe der Charité vom 17. Dezember 2001 und vom 17. Januar 2002 sowie • einen Computertomografie-Befund der Wirbelsäule vom 20. Februar 2002.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – wurde die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie G mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das sie am 26. Oktober 2004 erstellte. Sie diagnostizierte auf ihrem Fachgebiet eine somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymie und eine Anpassungsstörung. Sie kam zu dem Schluss, der Kläger könne noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit bestünden nicht. Die Konzentrationsfähigkeit könne zeitweilig beeinträchtigt sein. Die Einschränkungen bestünden unverändert seit 1997.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 08. September 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Dezember 1998 aufzuheben und diese zu verurteilen, den Bescheid vom 22. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 02. Juni 1998 zurückzunehmen und ihm seit dem 01. September 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Akten des Sozialgerichts Berlin – S 5 RA 5358/98 -37 – und die Akten der Beklag¬ten – – haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewe¬sen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2002 ist im Ergebnis zutreffend.
Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 08. September 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Dezember 1998. Mit diesem hat die Beklagte ausdrücklich nur darüber entschieden, ob der Bescheid vom 22. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 02. Juni 1998 zurückzunehmen war. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides hängt mithin auch nur davon ab, ob der Kläger am 02. Juni 1998 einen Rentenanspruch hatte. Spätere Veränderungen sind hierfür ohne Bedeutung (siehe hierzu unter I).
Ob die Beklagte mit dem Bescheid vom 08. September 1998 darüber hinaus auch über einen neuen, auf die Verschlechterung des Gesundheitszustandes gestützten Rentenantrag entschieden hat, mit der Folge, dass auch spätere Veränderungen zu berücksichtigen sind, kann hier offen bleiben, denn ein entsprechender Anspruch ist auch später nicht entstanden (II).
I. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X – ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Dies ist jedoch nicht der Fall, denn dem Kläger stand bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 02. Juni 1998 kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit zu.
Rechtsgrundlage des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist im vorliegenden Fall, in dem der dem überprüften Bescheid zugrunde liegende Rentenantrag im September 1997 gestellt worden ist, § 44 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VI – in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1824). Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt, er hat auch ausgehend vom Datum des Rentenantrags ausreichend zeitnahe Pflichtbeiträge entrichtet.
Er ist aber nicht erwerbsunfähig.
Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Teilsatz 1 SGB VI in der hier anwendbaren Fassung des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes vom 23. Juni 1994 (BGBl I S. 1311) Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.
Das Leistungsvermögen des Klägers war zur Zeit des Widerspruchsbescheides vom 02. Juni 1998 im MDK-Gutachten vom 01. April 1997, im Entlassungsbericht vom 01. September 1997, in dem Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. S vom 17. Dezember 1997 und von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 24. März 1998 beurteilt worden. Das im Auftrag des Arbeitsamtes erstellte Gutachten vom 14. Mai 1998 wurde nach Aktenlage gefertigt und beruht daher auf den vorangegangenen Befunden. Nach sämtlichen Unterlagen hatte der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Bürotätigkeit im Wechsel der Haltungsarten unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen, Bücken, Überkopfarbeit und einseitiger Körperhaltung.
Die späteren Gutachten von Dr. H und Dr. B beziehen sich nur auf das Leistungsvermögen seit Juli 1998. Sie nehmen seitdem ein vollschichtiges Leistungsvermögen an. Dr. G bestätigt ein vollschichtiges Leistungsvermögen seit September 1997.
Bei einem Leistungsvermögen für vollschichtige Arbeit liegt regelmäßig keine Erwerbsunfähigkeit vor. Für eine Ausnahme von dieser Regel, z. B. eine schwere spezifische Einschränkung des Leistungsvermögens oder eine ungewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen liegt kein Anhaltspunkt vor.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Er hat zwar – wie ausgeführt – ausreichend zeitnahe Pflichtbeiträge entrichtet und die allgemeine Wartezeit erfüllt, er ist aber nicht berufsunfähig (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1824)).
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Aus¬bildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach de¬nen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätig¬keiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berück¬sich¬tigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992).
Bisheriger Beruf im Sinne des § 43 SGB VI ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (BSG, Urteil vom 16. November 2000 – B 13 RJ 79/99 R – SozR 3-2600 § 43 Nr. 23). Der Kläger war zuletzt von Februar 1989 bis April 1997 (arbeitsunfähig seit September 1996) Buchhalter und Lagerverwalter. Er musste dabei nach seinen Angaben auch Lagerarbeiten verrichten. Eine so gestaltete Arbeit als Lagerverwalter konnte er nicht mehr verrichten, weil er nur noch leicht körperlich arbeiten kann.
Er konnte aber durchaus noch als Buchhalter arbeiten. Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit handelt, die überwiegend im Sitzen ausgeführt wird und die einen gelegentlichen Haltungswechsel erlaubt.
Der Kläger war damit nicht berufsunfähig, weil er noch als Buchhalter arbeiten konnte.
II. Für die Beurteilung des Vorliegens einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend, wenn mit dem ablehnenden Bescheid über einen Rentenantrag – nicht über einen Überprüfungsantrag – entschieden worden ist. Selbst wenn man unterstellt, dass der Überprüfungsantrag vom Juli 1998 auch einen neuen Rentenantrag beinhaltete und mit dem Bescheid vom 08. September 1998 über diesen Antrag entschieden worden ist, ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf eine Rente.
Dr. H und Dr. B haben übereinstimmend bestätigt, dass der Kläger noch leichte Bürotätigkeiten verrichten kann. Die geistigen Anforderungen dürfen mittelschwer sein. Dr. B stellte nur "eine gewisse, vorwiegend im Subjektiven liegende Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit" fest. Er konnte die Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit nicht objektivieren. Auch Frau G teilt nur mit, die Konzentrationsfähigkeit könne zeitweilig beeinträchtigt sein. Eine objektive Feststellung darüber, inwieweit sie tatsächlich beeinträchtigt ist, findet sich nicht.
Es ist deshalb auch nach diesen Gutachten dem Kläger durchaus möglich, als Buchhalter zu arbeiten. Die von ihm geltend gemachte schwerwiegende Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit ist durch die Gutachten jedenfalls nicht nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund zur Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich ist.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.
Der Kläger ist am 1942 geboren. Er absolvierte nach seinen Angaben zunächst eine Bäckerlehre, die er nicht abschloss (17. April 1957 bis 2. März 1959). Nach anderen Angaben hat er von 1958 bis 1960 eine Ausbildung zum Bootsmann erhalten und mit dem Bootsmannbrief abgeschlossen. Er war dann bis 1972 als Lagerarbeiter, Beifahrer, Decksmann, Heizer und Kellner beschäftigt und in (DDR-)Haft. Nach anderen Angaben war er bis 1974 bei wechselnden Arbeitgebern in der Binnenschifffahrt Matrose oder Bootsmann. Anschließend war er bis 1980 Kostenrechner. Während dieser Zeit machte er einen Abschluss als Wirtschaftskaufmann (5. März 1975). Von 1981 bis 1989 war er Leiter der Kostenrechnung. Zuletzt war er vom 1. Februar 1989 bis 30. April 1997 Bilanzbuchhalter und Lagerleiter bei der M A GmbH. Er war aber bereits seit dem 03. September 1996 arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis endete durch krankheitsbedingte Kündigung.
Im September 1997 stellte er einen Rentenantrag und machte geltend, er könne seit August 1997 wegen funktioneller Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Bandscheibenprolaps mit Radikulärsyndrom S1 keine Arbeit mehr verrichten.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22. Januar 1998/Widerspruchbescheid vom 02. Juni 1998 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei im bisherigen Berufsbereich noch vollschichtig erwerbsfähig. Dieser Entscheidung lag insbesondere ein Entlassungsbericht des Zentrums für ambulante Rehabilitation – ZaR – vom 1. September 1997 zugrunde, aus dem hervorging, dass der Kläger am 20. August 1997 als arbeitsfähig im letzten Beruf entlassen worden war, sowie Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. S vom 17. Dezember 1997 und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 24. März 1998. Dr. S hatte ausgeführt, zumutbar sei eine leichte Bürotätigkeit im Wechsel der Haltungsarten unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen, Bücken, Überkopfarbeit und einseitiger Körperhaltung. Bei rückengerechter Ausstattung des Arbeitsplatzes sei vollschichtige Arbeit möglich. Dr. L sah keine weitergehenden Leistungseinschränkungen.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 04. Juni 1998 abgesandt. Er wurde nicht angefochten.
Am 23. Juli 1998 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag und machte geltend, die medizinischen Aspekte seien von Dr. L nicht ausreichend gewürdigt worden. Der aktuelle Gesundheitszustand, den man von Dr. H erfragen könne, habe sich weiterhin verschlechtert.
Nach Einholung eines Befundberichts der Fachärztin für Orthopädie Dr. H vom 26. August 1998, in dem diese mitgeteilt hatte, in den letzten zwölf Monaten habe sich keine Befundänderung ergeben, wurde die Rücknahme der Bescheide vom 22. Januar und 02. Juni 1998 mit Bescheid vom 08. September 1998 mit der Begründung abgelehnt, es habe sich nicht ergeben, dass diese Bescheide unrichtig gewesen seien. Die Auswertung des Befundberichtes durch den Beratungsärztlichen Dienst habe ergeben, dass keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten sei.
Der Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, die Beklagte habe seinen Gesundheitszustand unzureichend ermittelt, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09. Dezember 1998 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben (eingegangen am 28. Dezember 1998) und sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Dazu hat er einen Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 03. Februar 1997 eingereicht, nach dem bei ihm ein Grad der Behinderung – GdB – von 30 festgestellt worden ist.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – MDK – vom 01. April 1997 beigezogen, in dem zur Vermeidung von Erwerbsunfähigkeit die Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen empfohlen wurde. Ferner hat es einen Befundbericht von Dr. Hvom 24. März 1999 eingeholt.
Sodann hat es den Facharzt für Orthopädie Dr. H mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 10. Juli 1999 erstellte. Er stellte
• ein Lendenwirbelsäulensyndrom, • ein Halswirbelsäulensyndrom und • ein psychosomatisches Krankheitsbild
fest. Damit könne der Kläger noch körperlich leichte Arbeiten sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten. Er solle nicht unter Einfluss von Hitze, Kälte, Staub und Feuchtigkeit oder Zugluft arbeiten. Die Arbeit solle überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit gelegentlichen Haltungswechsels verrichtet werden. Er dürfe keiner einseitigen Belastung ausgesetzt werden und solle keine Lasten von über fünf Kilogramm heben und tragen. Auch Arbeit auf Leitern und Gerüsten sei ausgeschlossen. Möglich seien Arbeiten unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen oder im Schichtdienst. Die Fingergeschicklichkeit sei nicht eingeschränkt.
Der Kläger ist diesem Gutachten entgegengetreten und hat insbesondere auch auf die anders lautende Beurteilung durch den ärztlichen Dienst des Arbeitsamtes verwiesen. Darauf hat das Sozialgericht die Akten des Arbeitsamtes B N beigezogen. In dem darin befindlichen nach Aktenlage erstellten Gutachten der Ärztin K vom 14. Mai 1998 heißt es, der Kläger sei vollschichtig leistungsfähig für leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung. Für die Tätigkeit im Lagerbereich bestehe ein aufgehobenes Leistungsvermögen.
In der Zeit vom 14. März 2000 bis 14. April 2000 ist eine Rehabilitationsmaßnahme in der E Klinik – Klinik für Psychosomatische und Verhaltensmedizin – durchgeführt worden. Im Entlassungsbericht vom 17. Mai 2000 wurden die Diagnosen "chronische somatoforme Schmerzstörung" und "Lumbalsyndrom" gestellt. Die Ärzte kamen zu dem Schluss, der Kläger könne noch vollschichtig im bisherigen Beruf als Buchhalter arbeiten. Er könne leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig verrichten.
Im Verlauf des Verfahrens gelangten weitere Unterlagen zu den Gerichtsakten, und zwar
• eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom 11. Juli 2000, • ein Röntgenbefund des Thorax vom 08. August 2000, • ein Bescheid des Versorgungsamtes B vom 28. November 2000, mit dem dem Kläger ein GdB von 50 zuerkannt worden war, • ein Gutachten des MDK vom 23. November 2000 (Aufgrund der Vorgeschichten und der Diagnosenvielfalt, der sehr unsicheren Prognose, der Dauer der bisherigen Arbeitsunfähigkeit und weiterhin nicht abschätzbaren Arbeitsunfähigkeitsdauer sollte der Versicherte in Anbetracht der weiter bestehenden Krankheitssituation in seinem erlernten Beruf und auch in anderen Tätigkeiten auf Dauer als arbeitsunfähig anzusehen sein. Nach wie vor ist eine Verweisbarkeit des langzeit-arbeitslosen Versicherten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben.), • ein Befundbericht der Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin Dr. N vom 18. April 2001, • ein Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H vom 27. April 2001 • ein Arztbrief der Ärztin für Orthopädie Dr. S vom 03. Mai 2001, • ein Befundbericht der Diplom-Psychologin U vom 03. September 2001 (zwei Behandlungen am 03. und 17. August 2001).
Das Sozialgericht hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B zum Sachverständigen bestellt. In seinem Gutachten vom 22. Februar 2002 mit einer Ergänzung vom 26. Juni 2002 (Eingangsdatum) stellte er auf seinem Fachgebiet eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD 10 F 45.4) und eine Dysthymia (ICD 10 F 34.1) fest. Er führte aus, der Kläger könne ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, täglich keine körperlichen Arbeiten mehr verrichten. Die festgestellten Leiden beschränkten ihn bei der Ausübung schwieriger geistiger Arbeiten. Es bestehe eine gewisse, vorwiegend im Subjektiven liegende Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit. Sie wirkten sich hingegen nicht besonders auf Hör- und Sehvermögen, Reaktionsvermögen, Lese- und Schreibgewandtheit, Auffassungsgabe, Lern- und Merkfähigkeit, Gedächtnis, Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit, Kontaktfähigkeit, Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit aus. Das hierdurch verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens acht Stunden täglich aus.
Während des Verfahrens ist dem Kläger seit dem 01. August 2002 Altersrente gewährt worden.
Mit Urteil vom 19. Dezember 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger sei nicht berufsunfähig. Er sei gelernter Kaufmann und in seinem letzten Beschäftigungsverhältnis als Bilanzbuchhalter und als Lagerleiter eingesetzt worden. Als Lagerleiter habe er auch körperliche Arbeiten verrichten müssen. Diese Arbeit könne er nicht mehr verrichten. Er könne aber noch als Buchhalter arbeiten. Dabei handele es sich um eine überwiegend sitzende Tätigkeit, deren Anforderungen im geistigen Bereich lägen. Es bestehe die Möglichkeit, gelegentlich aufzustehen und umherzugehen. Im Übrigen bestehe erst recht Leistungsfähigkeit für einen bei kaufmännischer Ausbildung zumutbaren Verweisungsberuf, zum Beispiel als Registrator bei Behörden. Es bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, denn diese Rentenart würde noch weitergehende gesundheitliche Einschränkungen voraussetzen. Das Sozialgericht hat sich zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit insbesondere auf die Gutachten von Dr. B und Dr. H sowie auf den Entlassungsbericht der E Klinik gestützt.
Gegen das dem Kläger am 25. Januar 2003 zugestellte Urteil richtet sich seine am 25. Februar 2003 eingegangene Berufung. Er ist der Auffassung, er könne keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Die Gutachter seien der Auffassung, dass er keine körperlichen Arbeiten und keine schwierigen geistigen Arbeiten mehr verrichten könne. Es liege auch eine Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit vor. Mit diesen Einschränkungen könne er nicht mehr als Buchhalter arbeiten. Er könne auch den vom Sozialgericht beispielhaft genannten Verweisungsberuf als Registrator bei Behörden nicht ausüben. Auch dafür sei eine konzentrierte Arbeit von Nöten, zu der er nicht mehr in der Lage sei.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. B vom 09. August 2003 eingeholt, in der dieser bekräftigte, der Kläger könne noch acht Stunden täglich leichte und mittelschwere geistige Arbeiten verrichten.
Der Senat hat Befundberichte von Dr. N vom 26. August 2003 (letzte Behandlung am 12. September 2001) und von der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H vom 01. Oktober 2003 (letzte Behandlung am 03. April 2003) eingeholt. Sie fügte folgende – bisher nicht vorliegende – Unterlagen bei:
• ein MDK- Gutachten (unvollständig) vom 07. Dezember 2001, später auf Anforderung des Gerichts vollständig übersandt, • Arztbriefe der Charité vom 17. Dezember 2001 und vom 17. Januar 2002 sowie • einen Computertomografie-Befund der Wirbelsäule vom 20. Februar 2002.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – wurde die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie G mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das sie am 26. Oktober 2004 erstellte. Sie diagnostizierte auf ihrem Fachgebiet eine somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymie und eine Anpassungsstörung. Sie kam zu dem Schluss, der Kläger könne noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit bestünden nicht. Die Konzentrationsfähigkeit könne zeitweilig beeinträchtigt sein. Die Einschränkungen bestünden unverändert seit 1997.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 08. September 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Dezember 1998 aufzuheben und diese zu verurteilen, den Bescheid vom 22. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 02. Juni 1998 zurückzunehmen und ihm seit dem 01. September 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Akten des Sozialgerichts Berlin – S 5 RA 5358/98 -37 – und die Akten der Beklag¬ten – – haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewe¬sen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2002 ist im Ergebnis zutreffend.
Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 08. September 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Dezember 1998. Mit diesem hat die Beklagte ausdrücklich nur darüber entschieden, ob der Bescheid vom 22. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 02. Juni 1998 zurückzunehmen war. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides hängt mithin auch nur davon ab, ob der Kläger am 02. Juni 1998 einen Rentenanspruch hatte. Spätere Veränderungen sind hierfür ohne Bedeutung (siehe hierzu unter I).
Ob die Beklagte mit dem Bescheid vom 08. September 1998 darüber hinaus auch über einen neuen, auf die Verschlechterung des Gesundheitszustandes gestützten Rentenantrag entschieden hat, mit der Folge, dass auch spätere Veränderungen zu berücksichtigen sind, kann hier offen bleiben, denn ein entsprechender Anspruch ist auch später nicht entstanden (II).
I. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X – ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Dies ist jedoch nicht der Fall, denn dem Kläger stand bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 02. Juni 1998 kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit zu.
Rechtsgrundlage des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist im vorliegenden Fall, in dem der dem überprüften Bescheid zugrunde liegende Rentenantrag im September 1997 gestellt worden ist, § 44 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VI – in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1824). Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt, er hat auch ausgehend vom Datum des Rentenantrags ausreichend zeitnahe Pflichtbeiträge entrichtet.
Er ist aber nicht erwerbsunfähig.
Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Teilsatz 1 SGB VI in der hier anwendbaren Fassung des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes vom 23. Juni 1994 (BGBl I S. 1311) Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.
Das Leistungsvermögen des Klägers war zur Zeit des Widerspruchsbescheides vom 02. Juni 1998 im MDK-Gutachten vom 01. April 1997, im Entlassungsbericht vom 01. September 1997, in dem Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. S vom 17. Dezember 1997 und von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 24. März 1998 beurteilt worden. Das im Auftrag des Arbeitsamtes erstellte Gutachten vom 14. Mai 1998 wurde nach Aktenlage gefertigt und beruht daher auf den vorangegangenen Befunden. Nach sämtlichen Unterlagen hatte der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Bürotätigkeit im Wechsel der Haltungsarten unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen, Bücken, Überkopfarbeit und einseitiger Körperhaltung.
Die späteren Gutachten von Dr. H und Dr. B beziehen sich nur auf das Leistungsvermögen seit Juli 1998. Sie nehmen seitdem ein vollschichtiges Leistungsvermögen an. Dr. G bestätigt ein vollschichtiges Leistungsvermögen seit September 1997.
Bei einem Leistungsvermögen für vollschichtige Arbeit liegt regelmäßig keine Erwerbsunfähigkeit vor. Für eine Ausnahme von dieser Regel, z. B. eine schwere spezifische Einschränkung des Leistungsvermögens oder eine ungewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen liegt kein Anhaltspunkt vor.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Er hat zwar – wie ausgeführt – ausreichend zeitnahe Pflichtbeiträge entrichtet und die allgemeine Wartezeit erfüllt, er ist aber nicht berufsunfähig (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1824)).
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Aus¬bildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach de¬nen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätig¬keiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berück¬sich¬tigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992).
Bisheriger Beruf im Sinne des § 43 SGB VI ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (BSG, Urteil vom 16. November 2000 – B 13 RJ 79/99 R – SozR 3-2600 § 43 Nr. 23). Der Kläger war zuletzt von Februar 1989 bis April 1997 (arbeitsunfähig seit September 1996) Buchhalter und Lagerverwalter. Er musste dabei nach seinen Angaben auch Lagerarbeiten verrichten. Eine so gestaltete Arbeit als Lagerverwalter konnte er nicht mehr verrichten, weil er nur noch leicht körperlich arbeiten kann.
Er konnte aber durchaus noch als Buchhalter arbeiten. Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit handelt, die überwiegend im Sitzen ausgeführt wird und die einen gelegentlichen Haltungswechsel erlaubt.
Der Kläger war damit nicht berufsunfähig, weil er noch als Buchhalter arbeiten konnte.
II. Für die Beurteilung des Vorliegens einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend, wenn mit dem ablehnenden Bescheid über einen Rentenantrag – nicht über einen Überprüfungsantrag – entschieden worden ist. Selbst wenn man unterstellt, dass der Überprüfungsantrag vom Juli 1998 auch einen neuen Rentenantrag beinhaltete und mit dem Bescheid vom 08. September 1998 über diesen Antrag entschieden worden ist, ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf eine Rente.
Dr. H und Dr. B haben übereinstimmend bestätigt, dass der Kläger noch leichte Bürotätigkeiten verrichten kann. Die geistigen Anforderungen dürfen mittelschwer sein. Dr. B stellte nur "eine gewisse, vorwiegend im Subjektiven liegende Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit" fest. Er konnte die Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit nicht objektivieren. Auch Frau G teilt nur mit, die Konzentrationsfähigkeit könne zeitweilig beeinträchtigt sein. Eine objektive Feststellung darüber, inwieweit sie tatsächlich beeinträchtigt ist, findet sich nicht.
Es ist deshalb auch nach diesen Gutachten dem Kläger durchaus möglich, als Buchhalter zu arbeiten. Die von ihm geltend gemachte schwerwiegende Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit ist durch die Gutachten jedenfalls nicht nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund zur Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich ist.
Rechtskraft
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