Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 31 RJ 2047/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 RJ 67/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. August 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am 1954 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt und bis 1988 ungelernte Arbeiten verrichtet hat - danach war sie nach eigenen Angaben beschäftigungslos oder erkrankt -, stellte am 18. Dezember 1998 einen Rentenantrag und machte dazu unter Vorlage medizinischer Unterlagen geltend, sie halte sich seit 1973 für berufs- bzw. erwerbsunfähig. Die Beklagte stellte intern fest, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantrage Rentenart zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr, sondern nur bis 01. Mai 1996 erfüllt gewesen seien.
Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin von der Ärztin und Sozialmedizinerin Dr. W untersucht. In ihrem Gutachten vom 19. Mai 1999 gab sie an, die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten vollschichtig verrichten. Zur weiteren Beurteilung des Leistungsvermögens hatte sie ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten für erforderlich gehalten, das vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K am 15. Juni 1999 erstattet wurde. Er hielt die Klägerin für fähig, körperlich leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie unter Vermeidung von Leiter- und Gerüstarbeit zu verrichten.
Mit Bescheid vom 09. Juli 1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung der Entscheidung aus, es seien ausgehend von der Antragstellung nicht genügend zeitnahe Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Im verlängerten Zeitraum vom 01. Februar 1988 bis 17. Dezember 1998 seien nur 5 Kalendermonate mit Beiträgen belegt. Auch nach sonstigen Vorschriften seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach den getroffenen medizinischen Feststellungen bestehe zudem auch weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit. Den gegen diese Entscheidung gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Widerspruchstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 03. August 1999 (der Klägerin zugestellt am 25. August 1999) zurück.
Mit der dagegen gerichteten und beim Sozialgericht am 23. September 1999 eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei aufgrund ihrer orthopädischen Leiden und wegen schwerer Depressionen nicht mehr in der Lage, eine Berufstätigkeit auszuüben. Ihre Beschwerden seien auf einen schweren Autounfall, den sie in der Türkei 1973 erlitten habe, zurückzuführen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt vom Arzt für Nerven- und Gemütskrankheiten S vom 04. April 2000, von den Fachärzten für Orthopädie Dres. Z und T vom 30. März 2000, von den Fachärzten für Innere Medizin Dres. R und B vom 07. April 2000, vom Augenarzt P vom 17. April 2000, von der Ärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dipl. med. U vom 03. Mai 2000, vom Arzt für Augenheilkunde – Psychotherapie – Dr. L vom 11. April 2001 sowie von den Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie Dres. K und van H vom 06. April 2001. Zudem hat das Sozialgericht vom Arzt Dr. K ein orthopädisches und vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten eingeholt. Dr. K stellte in seinem Gutachten vom 19. Dezember 2000 den orthopädischen Beschwerdekreis betreffend die Diagnosen
posttraumatisches Zervikalsyndrom mit Kopfschmerzen und rezidivierenden Schwindelattacken,
Meniskopathie linkes Kniegelenk,
Knick-Senk-Spreizfuß beidseits,
Tennisellenbogen links,
anamnestischer Hinweis auf das Vorliegen eines lumbalen Schmerzsyndroms – aktuell im Zusammenhang mit der Gutachtenerstellung und klinischer Untersuchung ohne Krankheitswert und ohne klinische Hinweiszeichen
und gab zum Leistungsvermögen der Klägerin an, sie könne noch leichte körperliche Arbeiten ohne dauernden Einfluss extremer Umgebungsbedingungen vollschichtig – mindestens 8 Stunden täglich – verrichten. Arbeiten mit häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie auf Leitern und Gerüsten sollten nicht erfolgen. Ein Wechsel von stehender, gehender oder sitzender Beschäftigung solle ermöglicht werden. Ständige einseitige körperliche Belastungen seien ebenso wie Arbeiten unter Zeitdruck, in einem festgelegten Arbeitsrhythmus oder an laufenden Maschinen zu vermeiden. Aus orthopädischer Sicht bestünden keine Einwände gegen Wechsel- oder Nachtschichttätigkeiten. Die Fingergeschicklichkeit sei generell gegeben, die Belastbarkeit der Arme, Hände und Beine sei nicht wesentlich eingeschränkt. Die üblichen Arbeitspausen seien ausreichend und die Wegefähigkeit der Klägerin nicht eingeschränkt.
Von Dr. B wurden in seinem Gutachten vom 06. Juni 2001 die Diagnosen
anhaltende somatoforme Störung bei depressiver Neurose,
phobischer Schwankschwindel bei Erregungsminderung des linken Gleichgewichtsorgans,
degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit anhaltenden muskulären Reizerscheinungen und Spannungskopfschmerzen,
chronische Kopfschmerzen bei Analgetikaabusus und
Schilddrüsenerkrankung
genannt. Auch er hielt die Klägerin für fähig, leichte körperliche Arbeiten überwiegend in geschlossenen Räumen im Wechsel der Haltungsarten oder überwiegend im Sitzen zu verrichten. Einseitige körperliche Belastungen, Akkord- und Fließbandtätigkeiten sowie solche an laufenden Maschinen seien nicht zumutbar. Nachtschichttätigkeiten solle die Klägerin nicht mehr ausüben. Ihr Leistungsvermögen reiche jedoch noch für Wechselschichten sowie Früh- und Spätschichten aus. Das Heben und Tragen von Lasten müsse auf 5 bis 10 Kilo beschränkt werden. Arbeiten, die eine Fingergeschicklichkeit voraussetzten, seien zumutbar. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule, Arme und Beine sei eingeschränkt und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr zumutbar. Die festgestellten Leiden wirkten sich nicht auf das Hör- und Sehvermögen sowie das Reaktionsvermögen und die Kontaktfähigkeit aus. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei erhalten. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von 8 Stunden täglich aus. Besondere Arbeitspausen benötige die Klägerin nicht und auch ihre Wegefähigkeit sei erhalten.
Auf einen Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – hat das Sozialgericht den Arzt für Neurologie und Psychiatrie R zum Sachverständigen ernannt. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 14. Mai 2002 hat er eine leichte dysthyme Störung bei der Klägerin diagnostiziert und zu ihrem Leistungsvermögen ausgeführt, sie könne, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, regelmäßig noch alle aus orthopädischer Sicht zumutbaren Tätigkeiten verrichten. In ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit sei die Klägerin nicht krankheitswertig beeinträchtigt. Insbesondere sei die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit nicht eingeschränkt. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden täglich aus. Die anders lautende Einschätzung zum Leistungsvermögen der behandelnden Ärzte sei nicht nachvollziehbar.
Mit Urteil vom 21. August 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung der Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Rente, weil sie weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Hinsichtlich der Einschätzung des Restleistungsvermögens der Klägerin ist das Sozialgericht den Beurteilungen des Sachverständigen Dr. K, Dr. B und R gefolgt. Deren Feststellungen deckten sich im Wesentlichen mit den Beurteilungen der von der Beklagten beauftragten Gutachter. Gegenüber den gutachterlichen Feststellungen seien die anders lautenden Beurteilungen des Leistungsvermögens durch die behandelnden Ärzte nicht überzeugend.
Gegen das ihr am 04. Oktober 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 23. Oktober 2002 eingelegten Berufung. Zu deren Begründung macht sie geltend, wegen einer tiefen Persönlichkeitsstörung könne sie spätestens seit Mai 1996 keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Dazu hat die Klägerin Bescheinigungen von Dr. L vom 02. Dezember 2002 und von der praktischen Ärztin Dr. C vom 28. November 2002 sowie weitere Atteste der sie behandelnden Ärzte und eine Erklärung ihres Ehemannes zum Verfahren gereicht. Zudem trägt sie vor, es sei nicht zutreffend, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lediglich bis Mai 1996 vorlägen, denn sie sei durchgehend arbeitsuchend oder arbeitsunfähig gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. August 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 09. Juli 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03. August 1999 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr seit Dezember 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung auch unter Berücksichtigung der weiteren von der Klägerin zum Verfahren gereichten Unterlagen für zutreffend. Zudem macht sie geltend, die Klägerin habe letztmalig bei einem Eintritt des Versicherungsfalles am 30. September 1995 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt.
Der Senat hat einen Befundbericht der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. van H und B vom 01. Oktober 2003 eingeholt und auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein psychotherapeutisch-psychosomatisches Gutachten vom Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. W eingeholt. In dem am 03. Juni 2004 erstatteten Gutachten hat er die Diagnosen
Schwindel,
degenerative Wirbelsäulenveränderungen,
neurotische Depressionen,
Tinnitus linkes Ohr sowie
depressiv neurotische Erkrankung
genannt. Die Hauptleiden der Klägerin lägen zweifellos im psychischen Bereich. Im bisherigen Verlauf des gesamten Verfahrens sei die Bedeutung der Diagnose neurotische Depressionen nicht gewürdigt worden. Die Auswirkung dieser Erkrankung sei so gravierend, dass die Klägerin nicht mehr arbeitsfähig sei. Die dafür maßgeblichen Gründe hätten sich seit 1988 nicht mehr verändert. Die zugrunde liegende neurotisch depressive Erkrankung habe zu einer stabilen Verschlechterung geführt.
Nachdem die Beklagte diesem Gutachten mit der Begründung, es enthalte keine nachvollziehbare Leistungseinschätzung, entgegengetreten ist, hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B vom 31. Mai 2003 eingeholt. Er hat darin angegeben, es bestünde auch unter Berücksichtigung der nunmehr vorliegenden weiteren medizinischen Unterlagen keine Veranlassung, von der in seinem Gutachten genannten Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin abzuweichen. Zum Gutachten von Dr. W hat er ausgeführt, dieses verlasse in wesentlichen Teilen den Grundstandard sozialmedizinischer Gutachten jedweder Fachrichtung. Es enthalte weder Angaben zu aktuellen Beschwerden der Klägerin noch finde sich ein psychiatrischer, neurologischer oder körperlicher Befund. Zudem könne Dr. W nicht gefolgt werden, soweit er den Standpunkt vertrete, die Klägerin leide an einer Neurose, die unabänderlich sei. Die Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, die Fehlhaltung bei zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden, sei von diesem Gutachter "schlicht ausgeklammert" worden.
Die die Klägerin betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Prozessakten des Sozialgerichts Berlin zum Aktenzeichen S 31 RJ 2047/99 sowie Auszüge aus den Schwerbehindertenakten der Klägerin beim Versorgungsamt Berlin haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 21. August 2002 ist nicht zu beanstanden, denn die Klägerin hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch 6. Buch – SGB VI – in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Diese Rechtsnorm ist im vorliegenden Verfahren noch anwendbar, weil der Rentenantrag bereits 1998 gestellt wurde und auch die Leistungen seither begehrt werden (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich gleichfalls nicht aus der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Neufassung des § 43 SBG VI.
Nach § 44 Abs. 1 SGB VI a. F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Der Senat konnte dahingestellt bleiben lassen, ob die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung oder bis zur mündlichen Verhandlung noch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rentenart erfüllte, denn die beantragte Rente steht ihr bereits deshalb nicht zu, weil sie nicht erwerbsunfähig oder erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen ist. Nach der bis zum 31. März 1999 geltenden Fassung des § 44 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähig ist nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a. F. nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter besonderer Berücksichtigung der eingeholten Gutachten ist die Klägerin nicht erwerbsunfähig im Sinne der vorgenannten gesetzlichen Bestimmung, weil sie trotz ihrer Erkrankungen und Behinderungen über ein Leistungsvermögen verfügt, mit dem sie ohne auf Kosten der Gesundheit tätig zu sein jedenfalls noch körperlich leichte Arbeiten – mit gewissen weiteren qualitativen Einschränkungen – vollschichtig ausüben kann. Zur Bestimmung des Leistungsvermögens stützt sich der Senat auf die Feststellungen der Sachverständigen Dr. K und Dr. B. Beide Gutachter haben für leidensgerechte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes kein aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin festgestellt. Sie befinden sich damit nicht nur im Einklang mit den im Verwaltungsverfahren durch Dr. W und Dr. K erstellten Gutachten, sondern auch mit dem auf Antrag der Klägerin vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Reingeholten Gutachten vom 14. Mai 2002. Sämtliche genannten Gutachter sind zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin noch körperlich leichte Arbeiten mit den bereits im Tatbestand näher beschriebenen weiteren qualitativen Einschränkungen, die nicht so schwerwiegend sind, dass sie ihre Leistungsfähigkeit für beliebige Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Frage stellen, verrichten kann.
Den anders lautenden Beurteilungen durch die behandelnden Ärzte und den Sachverständigen Dr. W vermochte der Senat nicht zu folgen. Bereits das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Angaben der behandelnden Ärzte zum Leistungsvermögen eines Patienten regelmäßig ein geringeres Gewicht zukommt als den Feststellungen von zur Neutralität verpflichteten unabhängigen Gutachtern. Denn die behandelnden Ärzte sind in erster Linie dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet, während Ärzte, die zu Sachverständigen ernannt wurden, in einem Verfahren die Aufgabe haben, unabhängig und neutral zu Beweisfragen Antworten zu finden, die das Gericht aufgrund fehlender eigener medizinischer Sachkunde nicht geben kann. Die Sachverständigengutachten, auf die sich der Senat zur Entscheidungsfindung stützt, lassen auch keine Mängel erkennen, die einer Heranziehung entgegenstehen könnten. Die Gutachter haben nach eigener Untersuchung und Befragung der Klägerin sowie unter Berücksichtigung der vorhandenen Vorbefunde nachvollziehbar sowohl die Erkrankungen und Behinderungen als auch deren Auswirkungen auch die berufliche Leistungsfähigkeit beschrieben. Dr. B hat sich zudem in seiner ergänzenden neurologisch-psychiatrischen gutachterlichen Stellungnahme vom 31. Mai 2003 ausführlich mit den Angaben von Dr. Lauseinandergesetzt und für den Senat überzeugend beschrieben, warum dessen Einschätzung nicht gefolgt werden kann. Zudem ist bereits von der Beklagten in einer Stellungnahme der Dipl. Med. W vom 06. Mai 2003 ausgeführt worden, es sei Dr. L nicht gelungen, nachvollziehbar darzustellen, warum die von ihm genannten Erkrankungen zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen führten und deshalb eine Rente rechtfertigen könnten. Dieser Kritik schließt sich auch der Senat an.
Dem Gutachten von Dr. W ist der Senat nicht gefolgt, weil es nicht überzeugend begründet ist. Zu Recht haben sowohl die Beklagte (vgl. die Stellungnahme der Ärztin Wvom 22. Juli 2004) als auch Dr. B in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 31. Mai 2003 bemängelt, dass schon eine ausführliche psychische Befunderhebung mit konkreten Angaben zu Bewusstsein, Orientierung, Antrieb, Denkablauf, Stimmung und mnestischen Fähigkeiten unterblieben ist. Aktuell bestehende Beschwerden der Klägerin werden nicht genannt und es fehlen sowohl ein körperlicher wie auch neurologischer Befund. Es heißt lediglich, die Hauptleiden lägen zweifellos im psychischen Bereich und die Klägerin mache einen niedergeschlagenen Eindruck. Es finden sich aber keine Angaben zu Symptomkomplexen und zum Beschwerdeverlauf. Auch enthält das Gutachten keine brauchbaren Angaben dazu, in wieweit sich die vom Sachverständigen benannte schwere psychische Erkrankung auf den Alltag der Klägerin und ihre Fähigkeiten zur Bewältigung desselben auswirkt. Liegt ein vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen für berufliche Tätigkeiten jedweder Art vor, dann hat diese Erkrankung regelmäßig auch schwerwiegende Auswirkungen im privaten Bereich. Solche werden vom Gutacher jedoch nicht benannt und sind auch nicht erkennbar. Vom Sachverständigen R wurden beispielsweise keine sozialen Rückzugstendenzen beschrieben "im Übrigen, so Frau K., habe sie viel Besuch zu Hause, gehe auch mal raus um den Hund auszuführen". Er hat auch verdeutlicht, dass von der Klägerin widersprüchliche Angaben in Bezug auf ihr Verhältnis zu ihrem Ehemann gemacht wurden.
Zur Durchführung weiterer Ermittlungen sah sich der Senat nicht gedrängt. Es ist zuletzt noch von Dr. Winkler bestätigt worden, dass die Hauptleiden der Klägerin zweifellos im psychischen Bereich liegen. Schon deshalb bestand keine Veranlassung aufgrund der im Dezember 2004 erstellten medizinischen Unterlagen, die den orthopädischen Beschwerdekreis betreffen (Atteste der Fachärzte für Orthopädie Dres. Z und T vom 08. Dezember 2004 nebst Anlagen), in weitere Ermittlungen einzutreten. Eine Zunahme der Beschwerden in diesem Bereich ist von der Klägerin selber nicht geltend gemacht worden. Sie kann auch aus den genannten ärztlichen Unterlagen nicht entnommen werden. Denn darin heißt es, es habe trotz Behandlung keine wesentliche Linderung der Beschwerden erzielt werden können. Auch die allgemeine Formulierung, die Beschwerden wiesen eine fortschreitende Intensität mit Verschlimmerung auf, legt keine weiteren Ermittlungen nahe. Denn es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin aufgrund ihrer orthopädischen Leiden nunmehr selbst zu körperlich leichten Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten nicht mehr fähig sein könnte. Eine Zunahme der Beschwerden lässt sich auch nicht aus den vom Senat beigezogenen und ausgewerteten Schwerbehindertenakten entnehmen. Das Versorgungsamt hat wegen der genannten Unterlagen vom 08. Dezember 2004 einen Befundbericht von den Ärzten eingeholt und es anschließend abgelehnt, eine neue Feststellung nach dem Schwerbehindertenrecht zu treffen, weil eine Verschlimmerung des bestehenden Leidenszustandes nicht habe festgestellt werden können (Bescheid vom 01. März 2005).
Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung seit dem 1. Januar 2001 nach §§ 43, 240 SGB VI in der geltenden Fassung. Die Klägerin ist nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert, weil sie noch Arbeiten vollschichtig ausüben kann
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am 1954 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt und bis 1988 ungelernte Arbeiten verrichtet hat - danach war sie nach eigenen Angaben beschäftigungslos oder erkrankt -, stellte am 18. Dezember 1998 einen Rentenantrag und machte dazu unter Vorlage medizinischer Unterlagen geltend, sie halte sich seit 1973 für berufs- bzw. erwerbsunfähig. Die Beklagte stellte intern fest, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantrage Rentenart zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr, sondern nur bis 01. Mai 1996 erfüllt gewesen seien.
Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin von der Ärztin und Sozialmedizinerin Dr. W untersucht. In ihrem Gutachten vom 19. Mai 1999 gab sie an, die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten vollschichtig verrichten. Zur weiteren Beurteilung des Leistungsvermögens hatte sie ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten für erforderlich gehalten, das vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K am 15. Juni 1999 erstattet wurde. Er hielt die Klägerin für fähig, körperlich leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie unter Vermeidung von Leiter- und Gerüstarbeit zu verrichten.
Mit Bescheid vom 09. Juli 1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung der Entscheidung aus, es seien ausgehend von der Antragstellung nicht genügend zeitnahe Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Im verlängerten Zeitraum vom 01. Februar 1988 bis 17. Dezember 1998 seien nur 5 Kalendermonate mit Beiträgen belegt. Auch nach sonstigen Vorschriften seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach den getroffenen medizinischen Feststellungen bestehe zudem auch weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit. Den gegen diese Entscheidung gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Widerspruchstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 03. August 1999 (der Klägerin zugestellt am 25. August 1999) zurück.
Mit der dagegen gerichteten und beim Sozialgericht am 23. September 1999 eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei aufgrund ihrer orthopädischen Leiden und wegen schwerer Depressionen nicht mehr in der Lage, eine Berufstätigkeit auszuüben. Ihre Beschwerden seien auf einen schweren Autounfall, den sie in der Türkei 1973 erlitten habe, zurückzuführen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt vom Arzt für Nerven- und Gemütskrankheiten S vom 04. April 2000, von den Fachärzten für Orthopädie Dres. Z und T vom 30. März 2000, von den Fachärzten für Innere Medizin Dres. R und B vom 07. April 2000, vom Augenarzt P vom 17. April 2000, von der Ärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dipl. med. U vom 03. Mai 2000, vom Arzt für Augenheilkunde – Psychotherapie – Dr. L vom 11. April 2001 sowie von den Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie Dres. K und van H vom 06. April 2001. Zudem hat das Sozialgericht vom Arzt Dr. K ein orthopädisches und vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten eingeholt. Dr. K stellte in seinem Gutachten vom 19. Dezember 2000 den orthopädischen Beschwerdekreis betreffend die Diagnosen
posttraumatisches Zervikalsyndrom mit Kopfschmerzen und rezidivierenden Schwindelattacken,
Meniskopathie linkes Kniegelenk,
Knick-Senk-Spreizfuß beidseits,
Tennisellenbogen links,
anamnestischer Hinweis auf das Vorliegen eines lumbalen Schmerzsyndroms – aktuell im Zusammenhang mit der Gutachtenerstellung und klinischer Untersuchung ohne Krankheitswert und ohne klinische Hinweiszeichen
und gab zum Leistungsvermögen der Klägerin an, sie könne noch leichte körperliche Arbeiten ohne dauernden Einfluss extremer Umgebungsbedingungen vollschichtig – mindestens 8 Stunden täglich – verrichten. Arbeiten mit häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie auf Leitern und Gerüsten sollten nicht erfolgen. Ein Wechsel von stehender, gehender oder sitzender Beschäftigung solle ermöglicht werden. Ständige einseitige körperliche Belastungen seien ebenso wie Arbeiten unter Zeitdruck, in einem festgelegten Arbeitsrhythmus oder an laufenden Maschinen zu vermeiden. Aus orthopädischer Sicht bestünden keine Einwände gegen Wechsel- oder Nachtschichttätigkeiten. Die Fingergeschicklichkeit sei generell gegeben, die Belastbarkeit der Arme, Hände und Beine sei nicht wesentlich eingeschränkt. Die üblichen Arbeitspausen seien ausreichend und die Wegefähigkeit der Klägerin nicht eingeschränkt.
Von Dr. B wurden in seinem Gutachten vom 06. Juni 2001 die Diagnosen
anhaltende somatoforme Störung bei depressiver Neurose,
phobischer Schwankschwindel bei Erregungsminderung des linken Gleichgewichtsorgans,
degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit anhaltenden muskulären Reizerscheinungen und Spannungskopfschmerzen,
chronische Kopfschmerzen bei Analgetikaabusus und
Schilddrüsenerkrankung
genannt. Auch er hielt die Klägerin für fähig, leichte körperliche Arbeiten überwiegend in geschlossenen Räumen im Wechsel der Haltungsarten oder überwiegend im Sitzen zu verrichten. Einseitige körperliche Belastungen, Akkord- und Fließbandtätigkeiten sowie solche an laufenden Maschinen seien nicht zumutbar. Nachtschichttätigkeiten solle die Klägerin nicht mehr ausüben. Ihr Leistungsvermögen reiche jedoch noch für Wechselschichten sowie Früh- und Spätschichten aus. Das Heben und Tragen von Lasten müsse auf 5 bis 10 Kilo beschränkt werden. Arbeiten, die eine Fingergeschicklichkeit voraussetzten, seien zumutbar. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule, Arme und Beine sei eingeschränkt und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr zumutbar. Die festgestellten Leiden wirkten sich nicht auf das Hör- und Sehvermögen sowie das Reaktionsvermögen und die Kontaktfähigkeit aus. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei erhalten. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von 8 Stunden täglich aus. Besondere Arbeitspausen benötige die Klägerin nicht und auch ihre Wegefähigkeit sei erhalten.
Auf einen Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – hat das Sozialgericht den Arzt für Neurologie und Psychiatrie R zum Sachverständigen ernannt. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 14. Mai 2002 hat er eine leichte dysthyme Störung bei der Klägerin diagnostiziert und zu ihrem Leistungsvermögen ausgeführt, sie könne, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, regelmäßig noch alle aus orthopädischer Sicht zumutbaren Tätigkeiten verrichten. In ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit sei die Klägerin nicht krankheitswertig beeinträchtigt. Insbesondere sei die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit nicht eingeschränkt. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden täglich aus. Die anders lautende Einschätzung zum Leistungsvermögen der behandelnden Ärzte sei nicht nachvollziehbar.
Mit Urteil vom 21. August 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung der Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Rente, weil sie weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Hinsichtlich der Einschätzung des Restleistungsvermögens der Klägerin ist das Sozialgericht den Beurteilungen des Sachverständigen Dr. K, Dr. B und R gefolgt. Deren Feststellungen deckten sich im Wesentlichen mit den Beurteilungen der von der Beklagten beauftragten Gutachter. Gegenüber den gutachterlichen Feststellungen seien die anders lautenden Beurteilungen des Leistungsvermögens durch die behandelnden Ärzte nicht überzeugend.
Gegen das ihr am 04. Oktober 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 23. Oktober 2002 eingelegten Berufung. Zu deren Begründung macht sie geltend, wegen einer tiefen Persönlichkeitsstörung könne sie spätestens seit Mai 1996 keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Dazu hat die Klägerin Bescheinigungen von Dr. L vom 02. Dezember 2002 und von der praktischen Ärztin Dr. C vom 28. November 2002 sowie weitere Atteste der sie behandelnden Ärzte und eine Erklärung ihres Ehemannes zum Verfahren gereicht. Zudem trägt sie vor, es sei nicht zutreffend, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lediglich bis Mai 1996 vorlägen, denn sie sei durchgehend arbeitsuchend oder arbeitsunfähig gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. August 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 09. Juli 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03. August 1999 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr seit Dezember 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung auch unter Berücksichtigung der weiteren von der Klägerin zum Verfahren gereichten Unterlagen für zutreffend. Zudem macht sie geltend, die Klägerin habe letztmalig bei einem Eintritt des Versicherungsfalles am 30. September 1995 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt.
Der Senat hat einen Befundbericht der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. van H und B vom 01. Oktober 2003 eingeholt und auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein psychotherapeutisch-psychosomatisches Gutachten vom Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. W eingeholt. In dem am 03. Juni 2004 erstatteten Gutachten hat er die Diagnosen
Schwindel,
degenerative Wirbelsäulenveränderungen,
neurotische Depressionen,
Tinnitus linkes Ohr sowie
depressiv neurotische Erkrankung
genannt. Die Hauptleiden der Klägerin lägen zweifellos im psychischen Bereich. Im bisherigen Verlauf des gesamten Verfahrens sei die Bedeutung der Diagnose neurotische Depressionen nicht gewürdigt worden. Die Auswirkung dieser Erkrankung sei so gravierend, dass die Klägerin nicht mehr arbeitsfähig sei. Die dafür maßgeblichen Gründe hätten sich seit 1988 nicht mehr verändert. Die zugrunde liegende neurotisch depressive Erkrankung habe zu einer stabilen Verschlechterung geführt.
Nachdem die Beklagte diesem Gutachten mit der Begründung, es enthalte keine nachvollziehbare Leistungseinschätzung, entgegengetreten ist, hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B vom 31. Mai 2003 eingeholt. Er hat darin angegeben, es bestünde auch unter Berücksichtigung der nunmehr vorliegenden weiteren medizinischen Unterlagen keine Veranlassung, von der in seinem Gutachten genannten Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin abzuweichen. Zum Gutachten von Dr. W hat er ausgeführt, dieses verlasse in wesentlichen Teilen den Grundstandard sozialmedizinischer Gutachten jedweder Fachrichtung. Es enthalte weder Angaben zu aktuellen Beschwerden der Klägerin noch finde sich ein psychiatrischer, neurologischer oder körperlicher Befund. Zudem könne Dr. W nicht gefolgt werden, soweit er den Standpunkt vertrete, die Klägerin leide an einer Neurose, die unabänderlich sei. Die Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, die Fehlhaltung bei zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden, sei von diesem Gutachter "schlicht ausgeklammert" worden.
Die die Klägerin betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Prozessakten des Sozialgerichts Berlin zum Aktenzeichen S 31 RJ 2047/99 sowie Auszüge aus den Schwerbehindertenakten der Klägerin beim Versorgungsamt Berlin haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 21. August 2002 ist nicht zu beanstanden, denn die Klägerin hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch 6. Buch – SGB VI – in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Diese Rechtsnorm ist im vorliegenden Verfahren noch anwendbar, weil der Rentenantrag bereits 1998 gestellt wurde und auch die Leistungen seither begehrt werden (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich gleichfalls nicht aus der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Neufassung des § 43 SBG VI.
Nach § 44 Abs. 1 SGB VI a. F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Der Senat konnte dahingestellt bleiben lassen, ob die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung oder bis zur mündlichen Verhandlung noch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rentenart erfüllte, denn die beantragte Rente steht ihr bereits deshalb nicht zu, weil sie nicht erwerbsunfähig oder erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen ist. Nach der bis zum 31. März 1999 geltenden Fassung des § 44 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähig ist nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a. F. nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter besonderer Berücksichtigung der eingeholten Gutachten ist die Klägerin nicht erwerbsunfähig im Sinne der vorgenannten gesetzlichen Bestimmung, weil sie trotz ihrer Erkrankungen und Behinderungen über ein Leistungsvermögen verfügt, mit dem sie ohne auf Kosten der Gesundheit tätig zu sein jedenfalls noch körperlich leichte Arbeiten – mit gewissen weiteren qualitativen Einschränkungen – vollschichtig ausüben kann. Zur Bestimmung des Leistungsvermögens stützt sich der Senat auf die Feststellungen der Sachverständigen Dr. K und Dr. B. Beide Gutachter haben für leidensgerechte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes kein aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin festgestellt. Sie befinden sich damit nicht nur im Einklang mit den im Verwaltungsverfahren durch Dr. W und Dr. K erstellten Gutachten, sondern auch mit dem auf Antrag der Klägerin vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Reingeholten Gutachten vom 14. Mai 2002. Sämtliche genannten Gutachter sind zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin noch körperlich leichte Arbeiten mit den bereits im Tatbestand näher beschriebenen weiteren qualitativen Einschränkungen, die nicht so schwerwiegend sind, dass sie ihre Leistungsfähigkeit für beliebige Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Frage stellen, verrichten kann.
Den anders lautenden Beurteilungen durch die behandelnden Ärzte und den Sachverständigen Dr. W vermochte der Senat nicht zu folgen. Bereits das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Angaben der behandelnden Ärzte zum Leistungsvermögen eines Patienten regelmäßig ein geringeres Gewicht zukommt als den Feststellungen von zur Neutralität verpflichteten unabhängigen Gutachtern. Denn die behandelnden Ärzte sind in erster Linie dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet, während Ärzte, die zu Sachverständigen ernannt wurden, in einem Verfahren die Aufgabe haben, unabhängig und neutral zu Beweisfragen Antworten zu finden, die das Gericht aufgrund fehlender eigener medizinischer Sachkunde nicht geben kann. Die Sachverständigengutachten, auf die sich der Senat zur Entscheidungsfindung stützt, lassen auch keine Mängel erkennen, die einer Heranziehung entgegenstehen könnten. Die Gutachter haben nach eigener Untersuchung und Befragung der Klägerin sowie unter Berücksichtigung der vorhandenen Vorbefunde nachvollziehbar sowohl die Erkrankungen und Behinderungen als auch deren Auswirkungen auch die berufliche Leistungsfähigkeit beschrieben. Dr. B hat sich zudem in seiner ergänzenden neurologisch-psychiatrischen gutachterlichen Stellungnahme vom 31. Mai 2003 ausführlich mit den Angaben von Dr. Lauseinandergesetzt und für den Senat überzeugend beschrieben, warum dessen Einschätzung nicht gefolgt werden kann. Zudem ist bereits von der Beklagten in einer Stellungnahme der Dipl. Med. W vom 06. Mai 2003 ausgeführt worden, es sei Dr. L nicht gelungen, nachvollziehbar darzustellen, warum die von ihm genannten Erkrankungen zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen führten und deshalb eine Rente rechtfertigen könnten. Dieser Kritik schließt sich auch der Senat an.
Dem Gutachten von Dr. W ist der Senat nicht gefolgt, weil es nicht überzeugend begründet ist. Zu Recht haben sowohl die Beklagte (vgl. die Stellungnahme der Ärztin Wvom 22. Juli 2004) als auch Dr. B in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 31. Mai 2003 bemängelt, dass schon eine ausführliche psychische Befunderhebung mit konkreten Angaben zu Bewusstsein, Orientierung, Antrieb, Denkablauf, Stimmung und mnestischen Fähigkeiten unterblieben ist. Aktuell bestehende Beschwerden der Klägerin werden nicht genannt und es fehlen sowohl ein körperlicher wie auch neurologischer Befund. Es heißt lediglich, die Hauptleiden lägen zweifellos im psychischen Bereich und die Klägerin mache einen niedergeschlagenen Eindruck. Es finden sich aber keine Angaben zu Symptomkomplexen und zum Beschwerdeverlauf. Auch enthält das Gutachten keine brauchbaren Angaben dazu, in wieweit sich die vom Sachverständigen benannte schwere psychische Erkrankung auf den Alltag der Klägerin und ihre Fähigkeiten zur Bewältigung desselben auswirkt. Liegt ein vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen für berufliche Tätigkeiten jedweder Art vor, dann hat diese Erkrankung regelmäßig auch schwerwiegende Auswirkungen im privaten Bereich. Solche werden vom Gutacher jedoch nicht benannt und sind auch nicht erkennbar. Vom Sachverständigen R wurden beispielsweise keine sozialen Rückzugstendenzen beschrieben "im Übrigen, so Frau K., habe sie viel Besuch zu Hause, gehe auch mal raus um den Hund auszuführen". Er hat auch verdeutlicht, dass von der Klägerin widersprüchliche Angaben in Bezug auf ihr Verhältnis zu ihrem Ehemann gemacht wurden.
Zur Durchführung weiterer Ermittlungen sah sich der Senat nicht gedrängt. Es ist zuletzt noch von Dr. Winkler bestätigt worden, dass die Hauptleiden der Klägerin zweifellos im psychischen Bereich liegen. Schon deshalb bestand keine Veranlassung aufgrund der im Dezember 2004 erstellten medizinischen Unterlagen, die den orthopädischen Beschwerdekreis betreffen (Atteste der Fachärzte für Orthopädie Dres. Z und T vom 08. Dezember 2004 nebst Anlagen), in weitere Ermittlungen einzutreten. Eine Zunahme der Beschwerden in diesem Bereich ist von der Klägerin selber nicht geltend gemacht worden. Sie kann auch aus den genannten ärztlichen Unterlagen nicht entnommen werden. Denn darin heißt es, es habe trotz Behandlung keine wesentliche Linderung der Beschwerden erzielt werden können. Auch die allgemeine Formulierung, die Beschwerden wiesen eine fortschreitende Intensität mit Verschlimmerung auf, legt keine weiteren Ermittlungen nahe. Denn es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin aufgrund ihrer orthopädischen Leiden nunmehr selbst zu körperlich leichten Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten nicht mehr fähig sein könnte. Eine Zunahme der Beschwerden lässt sich auch nicht aus den vom Senat beigezogenen und ausgewerteten Schwerbehindertenakten entnehmen. Das Versorgungsamt hat wegen der genannten Unterlagen vom 08. Dezember 2004 einen Befundbericht von den Ärzten eingeholt und es anschließend abgelehnt, eine neue Feststellung nach dem Schwerbehindertenrecht zu treffen, weil eine Verschlimmerung des bestehenden Leidenszustandes nicht habe festgestellt werden können (Bescheid vom 01. März 2005).
Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung seit dem 1. Januar 2001 nach §§ 43, 240 SGB VI in der geltenden Fassung. Die Klägerin ist nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert, weil sie noch Arbeiten vollschichtig ausüben kann
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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