Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 5120/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 32/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf höhere Altersrente für Bezugszeiten vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 im Wege des Überprüfungsverfahrens.
Der am 1928 geborene Kläger war während seiner Beschäftigung in der Nationalen Volksarmee (NVA) vom 13. August 1949 bis 31. August 1968 Mitglied des Sonderversorgungssystems der NVA (Sonderversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 2 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG –). Nach abgeschlossener Hochschulausbildung war der Kläger seit 1. August 1972 im M der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) beschäftigt und wurde ab diesem Zeitpunkt in die Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates einbezogen (Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG). Ab 1978 arbeitete der Kläger im Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung der DDR. Die Mitgliedschaft im Zusatzversorgungssystem bestand bis 30. Juni 1990.
Die Beklagte erkannte dem Kläger durch Rentenbescheid vom 25. Oktober 1993 das Recht auf eine Regelaltersrente ab 1. Januar 1994 mit einem monatlichen Wert von DM zu. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er die Anerkennung weiterer Beitragszeiten vom 1. April 1943 bis 28. Februar 1945 und vom 1. Oktober 1945 bis 12. August 1949 geltend gemacht hatte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 16. März 1994). Nachdem die Beteiligten das sich anschließende Klageverfahren (S , Sozialgericht Berlin) durch Vergleich erledigt hatten, stellte die Beklagte die Regelaltersrente unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten mit Rentenbescheid vom 7. März 1996 von Beginn an neu fest (monatlicher Wert ab 1. Januar 1994: DM). Eine weitere Neufeststellung erfolgte nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom 11. November 1996 (BGBl. I S. 1674) zum 1. Januar 1997 für Bezugszeiten ab diesem Zeitpunkt mit Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 (monatlicher Wert ab 1. September 1997: DM). Die Beklagte legte dabei die vom Zusatzversorgungsträger durch bindenden Bescheid vom 18. April 1997 und die vom Sonderversorgungsträger durch – ebenfalls bindenden – Bescheid vom 10. April 1997 festgestellten Daten zu Grunde, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze nicht mehr vorlagen. Den Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 wies die Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1997 zurück.
Im Juni 1999 wandte sich der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 1999 – 1 BvL 22/95 – (BVerfGE 100, 59 ff. = SozR 3-8570 § 6 Nr. 3) an die Beklagte. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 15. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2002 eine Neufeststellung der Rente für Bezugszeiträume vor dem 1. Januar 1997 ab, weil sowohl der Rentenbescheid als auch die Überführungsbescheide am 28. April 1999 bestandskräftig gewesen seien.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Januar 2004). Es hat ausgeführt, die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe für den Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 keinen Anspruch auf höhere Rente nach Maßgabe des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1939). § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des AAÜG-ÄndG trete nur für solche Personen bereits mit Wirkung vom 1. Juli 1993 in Kraft, für die am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend gewesen sei (Hinweis auf Art. 13 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 des 2. AAÜG-ÄndG). Darüber hinaus sei es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ausreichend, wenn zu diesem Zeitpunkt ein Rentenbescheid noch nicht bestandskräftig gewesen sei. Beides sei beim Kläger nicht der Fall. Alle ergangenen Renten- und Überführungsbescheide seien zum maßgeblichen Zeitpunkt bindend geworden.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein letztlich auf Gewährung höherer Rente bereits ab dem 1. Januar 1994 gerichtetes Begehren weiter. Er trägt im Wesentlichen vor: Die Verweigerung höherer Rente für Bezugszeiten vor dem 1. Januar 1997 verstoße gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen die die dadurch gewährleistete Unantastbarkeit des persönlichen Eigentums.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,
das Urteil des SG Berlin vom 21. Januar 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 zu ändern und einen höheren Wert seines Rechts auf Regelaltersrente ohne Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 festzustellen und entsprechend höhere Beträge nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Eine Neufeststellung der Rente des Klägers für die Zeit vor dem 1. Januar 1997 sei nicht zulässig, weil sämtliche Überführungsbescheide der Versorgungsträger und der Bescheid über die Bewilligung der Altersrente am 28. April 1999 bereits bestandskräftig gewesen seien.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des SG Berlin – S – , die Rentenakte der Beklagten, die Akte der Wehrbereichsverwaltung und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Verfahrens ist (nur) das Begehren des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2002 zu verpflichten, die bindende Ablehnung einer Neufeststellung seiner Regelaltersrente für Bezugszeiten vor dem 1. Januar 1997 im Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 zurückzunehmen und die Beklagte zu verurteilen, einen höheren Wert seines Rechts auf Regelaltersrente ohne Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze schon für Bezugszeiten vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 festzustellen und entsprechend höhere Beträge nachzuzahlen. Der Kläger verfolgt dieses Begehren in zulässiger Weise in einer Kombination von zulässiger Anfechtungs-, Verpflichtungs- und (unechter) Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Ausweislich des Überprüfungsbescheides vom 15. Februar 2002 ist zwar der Bescheid vom 18. April 1997 (= Überführungsbescheid) überprüft worden. Aus der Formulierung, dass die "Rente in zutreffender Höhe festgestellt worden (ist)", ergibt sich aber, dass gleichzeitig die – bindend festgestellte – Rentenhöhe überprüft worden ist. Auch nach dem Inhalt des Widerspruchsbescheides steht fest, dass die Beklagte das Begehren des Klägers ("Neuberechnung der Regelaltersrente ... für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996") von Anfang an richtig erfasst und dieses nochmals überprüft hat.
Die Klagen sind unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf – teilweise – Rücknahme des bindenden Rentenbescheides nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und auf Neufeststellung seines Rechts auf Regelaltersrente ohne Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze schon für Bezugszeiten vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Betroffene insoweit einen Anspruch gegen den Träger auf Rücknahme des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann indes dahinstehen. Der vom Kläger erhobene Rücknahmeanspruch aus § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X scheitert ungeachtet dessen, ob überhaupt von einer Anwendungskonkurrenz zu § 79 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) auszugehen ist (siehe dazu: BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R = SozR 3-8570 § 8 Nr. 7, S. 42 ff.), an der vom BVerfG getroffenen Rechtsfolgenanordung in der Entscheidung vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 59 ff. = SozR 3-8570 § 6 Nr. 3). Darin ist ausdrücklich angeordnet, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftige Bescheide unberührt bleiben, d. h. von Verfassungs wegen nicht zu korrigieren sind. Das BVerfG hat § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes nur für seit dem 1. Juli 1993 mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar, nicht hingegen für nichtig erklärt. Durch die getroffene Rechtsfolgenanordnung hat das BVerfG der rückwirkenden Aufhebung von Verwaltungsakten für die Vergangenheit eine für die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt nicht übersteigbare Grenze gezogen; dies schließt die Anwendbarkeit des § 44 SGB X aus (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R, a. a. O.). Leistungsansprüche für das Jahr 1994 würden im Übrigen wegen § 44 Abs. 4 SGB X selbst bei Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 SGB X nicht bestehen.
Die übrigen gesetzlichen Regelungen bieten für das Begehren des Klägers gleichfalls keine Grundlage. Eine besondere Regelung hat der Gesetzgeber zwar mit Art. 13 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 des 2. AAÜG-ÄndG geschaffen. Danach treten § 6 Abs. 2 und 3 sowie Anlage 4 und 5 des AAÜG in der Fassung des AAÜG-ÄndG mit Wirkung vom 1. Juli 1993 für Personen in Kraft, für die am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend war. Die Voraussetzungen dieser Norm sind aber nicht erfüllt. Denn alle den Kläger betreffenden Überführungsbescheide waren am 28. April 1999 bindend. Dies gilt sowohl für die Bescheide des Sonderversorgungsträgers vom 10. Dezember 1996 und vom 10. April 1997 als auch für den Überführungsbescheid des Zusatzversorgungsträgers vom 18. April 1997. Insoweit erhebt der Kläger auch keine Einwände.
Auch das Urteil des BSG vom 14. Mai 2003 – B 4 RA 65/02 R = SozR 4-8570 § 6 Nr. 1 vermag dem Begehren des Klägers nicht zum Erfolg zu verhelfen. Danach dürfen weder der Rentenversicherungsträger noch ein Gericht die in Rede stehende verfassungswidrige besondere Beitragsbemessungsgrenze anwenden, wenn am 28. April 1999 eine Rentenhöchstwertfestsetzung für Bezugszeiten zwischen dem 1. Juli 1993 und dem 31. Dezember 1996 in einem Erstfeststellungsverfahren noch nicht ergangen oder noch nicht unanfechtbar geworden war. Der Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 war indes am 28. April 1999 bereits gemäß § 77 SGG bindend.
Der Kläger kann sein Begehren schließlich nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X stützen. Denn das BVerfG hat mit der getroffenen Rechtsfolgenanweisung die Aufhebung bestandskräftiger und aufgrund der Verfassungswidrigkeit rechtswidriger Verwaltungsakte – nur – ab Bekanntgabe der Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft (gerechnet ab 28. April 1999) zugelassen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R = SozR 3-8570 § 8 Nr. 7). Eine Änderung des Rentenwerts mit Wirkung für die streitbefangenen Bezugszeiträume vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 ist damit ausgeschlossen.
Dieses Ergebnis steht entgegen der Auffassung des Klägers gerade mit höherrangigem Recht im Einklang. Das hat das BVerfG in der Entscheidung vom 28. April 1999 (a. a. O.) geklärt, indem es entschieden hat, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe seiner Entscheidung bereits bestandskräftige Bescheide unberührt bleiben, d. h. von Verfassungs wegen nicht zu korrigieren sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf höhere Altersrente für Bezugszeiten vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 im Wege des Überprüfungsverfahrens.
Der am 1928 geborene Kläger war während seiner Beschäftigung in der Nationalen Volksarmee (NVA) vom 13. August 1949 bis 31. August 1968 Mitglied des Sonderversorgungssystems der NVA (Sonderversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 2 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG –). Nach abgeschlossener Hochschulausbildung war der Kläger seit 1. August 1972 im M der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) beschäftigt und wurde ab diesem Zeitpunkt in die Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates einbezogen (Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG). Ab 1978 arbeitete der Kläger im Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung der DDR. Die Mitgliedschaft im Zusatzversorgungssystem bestand bis 30. Juni 1990.
Die Beklagte erkannte dem Kläger durch Rentenbescheid vom 25. Oktober 1993 das Recht auf eine Regelaltersrente ab 1. Januar 1994 mit einem monatlichen Wert von DM zu. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er die Anerkennung weiterer Beitragszeiten vom 1. April 1943 bis 28. Februar 1945 und vom 1. Oktober 1945 bis 12. August 1949 geltend gemacht hatte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 16. März 1994). Nachdem die Beteiligten das sich anschließende Klageverfahren (S , Sozialgericht Berlin) durch Vergleich erledigt hatten, stellte die Beklagte die Regelaltersrente unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten mit Rentenbescheid vom 7. März 1996 von Beginn an neu fest (monatlicher Wert ab 1. Januar 1994: DM). Eine weitere Neufeststellung erfolgte nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom 11. November 1996 (BGBl. I S. 1674) zum 1. Januar 1997 für Bezugszeiten ab diesem Zeitpunkt mit Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 (monatlicher Wert ab 1. September 1997: DM). Die Beklagte legte dabei die vom Zusatzversorgungsträger durch bindenden Bescheid vom 18. April 1997 und die vom Sonderversorgungsträger durch – ebenfalls bindenden – Bescheid vom 10. April 1997 festgestellten Daten zu Grunde, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze nicht mehr vorlagen. Den Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 wies die Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1997 zurück.
Im Juni 1999 wandte sich der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 1999 – 1 BvL 22/95 – (BVerfGE 100, 59 ff. = SozR 3-8570 § 6 Nr. 3) an die Beklagte. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 15. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2002 eine Neufeststellung der Rente für Bezugszeiträume vor dem 1. Januar 1997 ab, weil sowohl der Rentenbescheid als auch die Überführungsbescheide am 28. April 1999 bestandskräftig gewesen seien.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Januar 2004). Es hat ausgeführt, die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe für den Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 keinen Anspruch auf höhere Rente nach Maßgabe des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1939). § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des AAÜG-ÄndG trete nur für solche Personen bereits mit Wirkung vom 1. Juli 1993 in Kraft, für die am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend gewesen sei (Hinweis auf Art. 13 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 des 2. AAÜG-ÄndG). Darüber hinaus sei es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ausreichend, wenn zu diesem Zeitpunkt ein Rentenbescheid noch nicht bestandskräftig gewesen sei. Beides sei beim Kläger nicht der Fall. Alle ergangenen Renten- und Überführungsbescheide seien zum maßgeblichen Zeitpunkt bindend geworden.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein letztlich auf Gewährung höherer Rente bereits ab dem 1. Januar 1994 gerichtetes Begehren weiter. Er trägt im Wesentlichen vor: Die Verweigerung höherer Rente für Bezugszeiten vor dem 1. Januar 1997 verstoße gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen die die dadurch gewährleistete Unantastbarkeit des persönlichen Eigentums.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,
das Urteil des SG Berlin vom 21. Januar 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 zu ändern und einen höheren Wert seines Rechts auf Regelaltersrente ohne Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 festzustellen und entsprechend höhere Beträge nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Eine Neufeststellung der Rente des Klägers für die Zeit vor dem 1. Januar 1997 sei nicht zulässig, weil sämtliche Überführungsbescheide der Versorgungsträger und der Bescheid über die Bewilligung der Altersrente am 28. April 1999 bereits bestandskräftig gewesen seien.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des SG Berlin – S – , die Rentenakte der Beklagten, die Akte der Wehrbereichsverwaltung und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Verfahrens ist (nur) das Begehren des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2002 zu verpflichten, die bindende Ablehnung einer Neufeststellung seiner Regelaltersrente für Bezugszeiten vor dem 1. Januar 1997 im Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 zurückzunehmen und die Beklagte zu verurteilen, einen höheren Wert seines Rechts auf Regelaltersrente ohne Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze schon für Bezugszeiten vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 festzustellen und entsprechend höhere Beträge nachzuzahlen. Der Kläger verfolgt dieses Begehren in zulässiger Weise in einer Kombination von zulässiger Anfechtungs-, Verpflichtungs- und (unechter) Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Ausweislich des Überprüfungsbescheides vom 15. Februar 2002 ist zwar der Bescheid vom 18. April 1997 (= Überführungsbescheid) überprüft worden. Aus der Formulierung, dass die "Rente in zutreffender Höhe festgestellt worden (ist)", ergibt sich aber, dass gleichzeitig die – bindend festgestellte – Rentenhöhe überprüft worden ist. Auch nach dem Inhalt des Widerspruchsbescheides steht fest, dass die Beklagte das Begehren des Klägers ("Neuberechnung der Regelaltersrente ... für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996") von Anfang an richtig erfasst und dieses nochmals überprüft hat.
Die Klagen sind unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf – teilweise – Rücknahme des bindenden Rentenbescheides nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und auf Neufeststellung seines Rechts auf Regelaltersrente ohne Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze schon für Bezugszeiten vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Betroffene insoweit einen Anspruch gegen den Träger auf Rücknahme des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann indes dahinstehen. Der vom Kläger erhobene Rücknahmeanspruch aus § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X scheitert ungeachtet dessen, ob überhaupt von einer Anwendungskonkurrenz zu § 79 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) auszugehen ist (siehe dazu: BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R = SozR 3-8570 § 8 Nr. 7, S. 42 ff.), an der vom BVerfG getroffenen Rechtsfolgenanordung in der Entscheidung vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 59 ff. = SozR 3-8570 § 6 Nr. 3). Darin ist ausdrücklich angeordnet, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftige Bescheide unberührt bleiben, d. h. von Verfassungs wegen nicht zu korrigieren sind. Das BVerfG hat § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes nur für seit dem 1. Juli 1993 mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar, nicht hingegen für nichtig erklärt. Durch die getroffene Rechtsfolgenanordnung hat das BVerfG der rückwirkenden Aufhebung von Verwaltungsakten für die Vergangenheit eine für die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt nicht übersteigbare Grenze gezogen; dies schließt die Anwendbarkeit des § 44 SGB X aus (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R, a. a. O.). Leistungsansprüche für das Jahr 1994 würden im Übrigen wegen § 44 Abs. 4 SGB X selbst bei Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 SGB X nicht bestehen.
Die übrigen gesetzlichen Regelungen bieten für das Begehren des Klägers gleichfalls keine Grundlage. Eine besondere Regelung hat der Gesetzgeber zwar mit Art. 13 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 des 2. AAÜG-ÄndG geschaffen. Danach treten § 6 Abs. 2 und 3 sowie Anlage 4 und 5 des AAÜG in der Fassung des AAÜG-ÄndG mit Wirkung vom 1. Juli 1993 für Personen in Kraft, für die am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend war. Die Voraussetzungen dieser Norm sind aber nicht erfüllt. Denn alle den Kläger betreffenden Überführungsbescheide waren am 28. April 1999 bindend. Dies gilt sowohl für die Bescheide des Sonderversorgungsträgers vom 10. Dezember 1996 und vom 10. April 1997 als auch für den Überführungsbescheid des Zusatzversorgungsträgers vom 18. April 1997. Insoweit erhebt der Kläger auch keine Einwände.
Auch das Urteil des BSG vom 14. Mai 2003 – B 4 RA 65/02 R = SozR 4-8570 § 6 Nr. 1 vermag dem Begehren des Klägers nicht zum Erfolg zu verhelfen. Danach dürfen weder der Rentenversicherungsträger noch ein Gericht die in Rede stehende verfassungswidrige besondere Beitragsbemessungsgrenze anwenden, wenn am 28. April 1999 eine Rentenhöchstwertfestsetzung für Bezugszeiten zwischen dem 1. Juli 1993 und dem 31. Dezember 1996 in einem Erstfeststellungsverfahren noch nicht ergangen oder noch nicht unanfechtbar geworden war. Der Rentenbescheid vom 30. Juli 1997 war indes am 28. April 1999 bereits gemäß § 77 SGG bindend.
Der Kläger kann sein Begehren schließlich nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X stützen. Denn das BVerfG hat mit der getroffenen Rechtsfolgenanweisung die Aufhebung bestandskräftiger und aufgrund der Verfassungswidrigkeit rechtswidriger Verwaltungsakte – nur – ab Bekanntgabe der Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft (gerechnet ab 28. April 1999) zugelassen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R = SozR 3-8570 § 8 Nr. 7). Eine Änderung des Rentenwerts mit Wirkung für die streitbefangenen Bezugszeiträume vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996 ist damit ausgeschlossen.
Dieses Ergebnis steht entgegen der Auffassung des Klägers gerade mit höherrangigem Recht im Einklang. Das hat das BVerfG in der Entscheidung vom 28. April 1999 (a. a. O.) geklärt, indem es entschieden hat, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe seiner Entscheidung bereits bestandskräftige Bescheide unberührt bleiben, d. h. von Verfassungs wegen nicht zu korrigieren sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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