L 8 RA 31/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 2989/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 31/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:
I.

Der Kläger begehrt die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem nach Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruch- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) in der Zeit vom 1. September 1975 bis 30. Juni 1990 sowie der in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Der 1952 geborene Kläger studierte in der Zeit von 1970 bis 1975 an der staatlichen Universität O Chemie; der erfolgreiche Abschluss wurde ihm durch Diplomurkunde vom 1. Juli 1975 bestätigt. Berufsbegleitend studierte der Kläger von 1979 bis 1984 an der M-L-Universität H und promovierte dort 1984 zum Doktor der Naturwissenschaften. Vom 1. September 1975 bis 31. März 1986 war er nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis bei dem Düngemittelkombinat VEB Stickstoffwerk P als Diplomchemiker tätig. Vom 1. April 1986 bis 30. Juni 1990 war er als Bereichs-/Abteilungsleiter Gewässerschutz beim Institut für W in B beschäftigt.

In ein Zusatzversorgungssystem war der Kläger zu Zeiten der DDR nicht einbezogen. Er hatte keine Versorgungszusage erhalten und es bestand auch kein einzelvertraglicher Anspruch auf eine derartige Zusage. Ab dem 1. Juli 1979 entrichtete der Kläger Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bis zum Doppelten des in der Pflichtversicherung versicherten Entgeltes.

Den im Rahmen der Kontenklärung gestellten Antrag des Klägers auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften der Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 2001 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass eine positive Versorgungszusage in der DDR nicht bestanden habe und die Beschäftigung als Diplomchemiker nicht unter den Anwendungsbereich der Versorgungsordnung der technischen Intelligenz falle.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Ausschließlichkeit der Anerkennung möglicher Zusatzversorgungsansprüche nur beim Führen der Titel Ingenieur oder Techniker nirgends abschließend festgestellt sei. Aufgrund seiner Tätigkeit bzw. Beschäftigung in den Produktionsbereichen eines Großbetriebes der chemischen Industrie würde eine solche formale Beschränkung eine Benachteiligung bzw. Nichtgleichstellung bei gleicher Tätigkeit bedeuten, zumal er dort nie als Diplomchemiker beschäftigt, sondern ausschließlich mit den Aufgaben eines Ingenieurs/Technikers betraut gewesen sei.

Die Beklagte bestätigte ihre Entscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2003 und führte dazu aus, dass die Qualifikation des Klägers als Diplomchemiker nicht der in der Versorgungsordnung geforderten Qualifikation entspreche und verwies dazu auf mehrere Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG).

Mit seiner zum Sozialgericht –SG- Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Unter Hinweis auf umfangreiche Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten trägt er dazu vor, dass durch die Nichtberücksichtigung der begehrten Zeiten als Zusatzversorgungszeiten ihm nur ein diskriminierend niedriges Alterseinkommen zugestanden werde.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. Februar 2004 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und der in dem Zeitraum vom 1. September 1975 bis 30. Juni 1990 tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte, weil das AAÜG auf ihn nicht anwendbar sei. Das AAÜG gelte nach seinem § 1 Abs. 1 für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden seien und damit bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 bereits bestanden hätten. Der Kläger habe aber weder einen Anspruch auf Versorgung noch eine Anwartschaft im Versorgungssystem AVItech gehabt. Er werde auch nicht bei verfassungskonformer ausdehnender Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG von der Vorschrift erfasst, weil er bundesrechtlich betrachtet am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt habe (Hinweis auf BSG Urteil vom 24. März 1998 – B 4 RA 27/97 R-, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R-). Denn er habe nach den insoweit maßgeblichen Regelungen der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben von 17. August 1950 (GBl I Seite 844) und der dazu ergangenen zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl I Seite 487) keinen Anspruch auf Einbeziehung in die AVitech gehabt, weil er nicht eine der in den genannten Bestimmungen genannte Berufsbezeichnung habe führen dürfen. Denn als Diplomchemiker habe er nicht ein Recht auf Führung des Titels "Ingenieur" gehabt (Hinweis auf den vom BSG ebenfalls abschlägig entschiedenen Fall einer "Diplomchemikerin" mit Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 18/01 R-). Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung liege nicht vor, weil es sich insofern nur um eine bereits vom DDR-Gesetzgeber aufgestellte und übernommene Regelung handele.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt, und ergänzend Ausführungen zur seines Erachtens ungenügenden Überleitung der Renten- und Versorgungsansprüche der Versicherten des Beitrittsgebiets in das bundesdeutsche Rentenrecht macht. Insofern seien vor einer Entscheidung noch weitere Ermittlungen zu führen. Schließlich sei im Hinblick auf ausstehende Entscheidungen des BVerfG das Ruhen des Verfahrens anzuordnen oder das Verfahren auszusetzen.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen in der Sache,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1975 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Einem Ruhen des Verfahrens werde nicht zugestimmt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe eine entsprechende Verfassungsbeschwerde eines Diplomchemikers nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 4. August 2004, - 1 BvR 1557/01), so dass die Notwendigkeit eines Ruhens nicht ersichtlich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

II. Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).

Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten nach dem AAÜG für die Zeit vom 1. September 1975 bis 30. Juni 1990 hat, da das AAÜG auf ihn nicht anwendbar ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG).

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat der zuständige Versorgungsträger gleich einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistung aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und diese dem für die Feststellung der Leistung zuständigen Rentenversicherungsträger mitzuteilen. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben, eine solche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger besteht vorliegend nicht.

Das SG hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger die Anwendbarkeit des AAÜG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 50/02 R-) und damit die Feststellung der begehrten Zugehörigkeitszeiten nur beanspruchen kann, wenn er zum Stichtag des 30. Juni 1990 (noch) von den Regelungen der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz erfasst worden ist, mithin zu diesem Zeitpunkt neben den sachlichen und betrieblichen auch die persönlichen Voraussetzungen der Regelungen des Versorgungssystems erfüllt. Selbst wenn man annähme, dass der Kläger – was vorliegend keiner abschließenden Entscheidung bedarf – in einem von den vorstehend genannten Vorschriften erfassten Betrieb beschäftigt war und auch entsprechend seinem Vortrag eine ingenieurtechnische Tätigkeit verrichtet hat, so berechtigt den Kläger die erworbene Qualifikation als Diplomchemiker nicht zur Führung des Titels "Ingenieur" oder eines anderen geforderten Titels. Dies hat das SG in dem angefochtenen Urteil richtig dargelegt, so dass der Senat darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen, mit dem der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt, gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine Versorgungszusage zur AVItech kann sich nur auf der Grundlage der Regelungen dieser Altersversorgung ergeben. Nach den bundesrechtskonform auszulegenden Regeln dieses Versorgungssystems bestand am 1. August 1991 aus bundesrechtlicher Sicht zum Stichtag 30. Juni 1990 kein Recht, das die Beklagte im Sinne einer gebundenen Verwaltung verpflichtet hätte, den Kläger durch Einzelfallregelung in ein Versorgungssystem einzubeziehen. Denn er war am Stichtag 30. Juni 1990 nach den bereits zitierten versorgungsrechtlichen Regelungen kein obligatorisch Versorgungsberechtigter, da er mit seiner Ausbildung zum Diplomchemiker nicht zu dem von der AVItech erfassten Personenkreis zählt. Denn auch wenn man entsprechend seinem Vorbringen annimmt, er habe eine ingenieurtechnische Tätigkeit verrichtet, so genügt das für eine Einbeziehung in das Versorgungssystem nicht. Der Arbeitnehmer musste auch berechtigt gewesen sein, die entsprechende Berufsbezeichnung zu führen (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 18/01 R- in SozR 3- 8570 § 1 Nr. 8). An einer solchen Berechtigung des Klägers fehlt es jedoch, wie bereits dargelegt.

Ein Verstoß des § 1 AAÜG in der Auslegung des BSG gegen Verfassungsrecht, im Besonderen gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, liegt nicht vor. Die Ungleichbehandlung ist bereits in den Versorgungsordnungen der DDR angelegt. Der Gesetzgeber des Einigungsvertrages war von Verfassungs wegen nicht gehalten, sie nachträglich zu korrigieren; auch der Stichtag 30. Juni 1990 ist nicht zu beanstanden, da er an den Tag des Inkrafttretens des Verbots der Neueinbeziehung in die Versorgungssysteme der DDR und damit an einen in der geschriebenen Rechtsordnung verankerten Zeitpunkt anknüpft (vgl. Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts in SozR 4- 8570 § 5 Nr. 4 und vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u.a. -, zitiert nach www.bundesverfassungsgericht.de).

An einer Entscheidung sah sich der Senat durch das umfängliche Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers nicht gehindert; ein Ruhen kam bereits mangels Zustimmung der Beklagten nicht in Betracht, und die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens sind ebenfalls nicht erkennbar. Die klägerischen Erwägungen mögen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens diskussionswürdig sein; für die Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beklagten sind sie jedoch unerheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen angesichts der höchstrichterlich geklärten Rechtslage nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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