L 8 RA 13/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 7389/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 13/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Der 1944 geborene Kläger begehrt die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG) sowie die Feststellung der in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.

Dem Kläger wurde nach bestandener Diplom-Hauptprüfung für Physiker von der H-Universität zu B mit Urkunde vom 30. September 1968 der akademische Grad "Diplom-Physiker" verliehen. Vom 1. Oktober 1968 bis 31. Dezember 1981 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau, ab 1. Januar 1982 als stellvertretender Abteilungsleiter beim VEB Kraftwerksanlagenbau B und vom 1. Januar 1987 als Gruppen-Leiter beim VEB B-B, Stammbetrieb des Kombinats Kraftwerksanlagenbau (später Kraftwerks- und Abau AG B-M) über den 30. Juni 1990 hinaus beschäftigt. Der Kläger entrichtete ab 1. Dezember 1981 Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bis zum Doppelten des in der Pflichtversicherung versicherten Entgeltes. In ein Zusatzversorgungssystem war der Kläger während seines Berufslebens in der DDR nicht einbezogen gewesen; auch war ihm keine Versorgungszusage erteilt oder einzelvertraglich zugesichert worden.

Den Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Mai 2001 ab. Die Zeit der Beschäftigung vom 1. Oktober 1968 bis 30. Juni 1990 könne nicht als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 (zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) der Anlage 1 zum AAÜG festgestellt werden, da die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Eine positive Versorgungszusage habe zu Zeiten der DDR nicht bestanden. Der Kläger habe als Diplom-Physiker aber auch nicht zu dem von der Versorgungsordnung erfassten Personenkreis gehört.

Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser ausführte, dass das Ziel seiner Beschäftigung im Kombinat Kraftwerksanlagenbau von Anfang an die Durchführung ingenieurmäßiger Arbeiten bei der Inbetriebsetzung von Kraftwerken auf den Baustellen des Kraftwerkanlagenbaus und die Berufsbezeichnung dafür Inbetriebsetzungsingenieur gewesen sei, blieb erfolglos. Zur Begründung führte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 21. November 2002 unter Hinweis auf mehrere Entscheidungen des Bundessozialgerichts aus, dass der Kläger am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 des AAÜG besessen habe, denn als Diplom-Physiker habe er nicht zu dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten gehört, die auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage bereits einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten.

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt und weiterhin die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur Altersversorgung der technischen Intelligenz beansprucht.

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die gewährte Feststellung, weil das AAÜG auf ihn nicht anwendbar sei. Nach § 1 Abs. 1 AAÜG gelte das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden seien. Daran fehle es jedoch, denn der Kläger habe am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft gehabt. Denn weder sei ihm eine Versorgungszusage erteilt worden noch habe er aufgrund einer Einzelentscheidung zum Kreis der Versorgungsberechtigten gehört. Er sei auch nicht den Einbezogenen auf Grund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG gleichzustellen, weil er bundesrechtlich betrachtet am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt habe. Nach der vom BSG angeordneten ausdehnenden Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG bestehe bei Nicht-Einbezogenen eine Versorgungsanwartschaft auch dann, wenn jemand auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen fiktiven "Anspruch auf Versorgungszusage" rückschauend nach den zu Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger hinsichtlich des allein hier in Betracht kommenden Versorgungssystems der technischen Intelligenz nicht vor. Nach den Regelungen dieses Versorgungssystems, nämlich der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I, Seite 844, - VO – AVItech) in Verbindung mit der 2. Durchführungsbestimmung zur AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. I, Seite 487, - 2. DB) erfülle er nicht die danach erforderliche persönliche Voraussetzung, zur Führung des Titels "Ingenieur" berechtigt gewesen zu sein. Dazu reiche es nicht, dass er von seinem Arbeitgeber als Leitingenieur für Reaktorinbetriebsetzung eingesetzt worden sei. Die Führung des Titels "Ingenieur" setze gemäß Verordnung über die Führung der Berufszeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (GBl. II, Seite 278) – neben der qualifizierten Ausbildung – voraus, dass das Recht zur Führung des Titels durch einen besonderen Staatsakt verliehen worden sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 18/01 R – in SozR 3-8570 § 1 Nr. 8).

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewandt, mit der er weiterhin die begehrte Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech für die Zeit vom 1. Oktober 1968 bis 30. Juni 1990 beansprucht und dazu erneut auf seine ingenieurmäßige Arbeit verweist. Schließlich sei er aufgrund seiner nach der Schulausbildung erworbenen Facharbeiterqualifikation auch als ein Techniker i. S. d. Versorgungsordnung anzusehen und daher in das System einzubeziehen gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. Oktober 1968 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung die der Sach- und Rechtslage entspreche. Die begehrte Feststellung von Zeiten nach dem AAÜG sei nur möglich, wenn am 30. Juni 1990 eine obligatorische Einbeziehungsanwartschaft feststellbar sei. Dies erfordere bei einer nachträglichen Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz, dass die persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen des Zusatzversorgungssystems (Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) am 30. Juni 1990 erfüllt gewesen seien. Die begehrte Feststellung scheitere hier am Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen. Auch wenn der Kläger als Diplom-Physiker in der Berufspraxis Tätigkeiten wie ein Ingenieur ausgeübt haben mag, sei er nicht berechtigt gewesen, den Titel "Ingenieur" zu tragen. Der Kläger sei auch nicht berechtigt gewesen, den Titel "Techniker" zu führen. Einen Titel erwerbe man durch Ablegung einer zu dem entsprechenden Abschluss führenden Prüfung und durch Verleihung in einem besonderen Staatsakt. Als Techniker sei danach nur anzusehen, wer im Besitz eines Abschlusszeugnisses mit entsprechender Berufsbezeichnung einer anerkannten Fachschule der DDR sei. Ein Facharbeiterabschluss genüge diesen Anforderungen nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, da sich die Beteiligten mit diesem Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat für die streitigen Zeiten keinen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech und der während dieser Zeit erzielten Entgelte. Das AAÜG ist auf den Kläger nicht anwendbar (§ 1 Abs. 1 AAÜG).

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat der zuständige Versorgungsträger gleich einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistung aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und diese dem für die Feststellung der Leistung zuständigen Rentenversicherungsträger mitzuteilen. Nach § 8 Abs. 3 S. 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben. Eine solche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger besteht vorliegend nicht.

Zwar war dem Kläger zu keinem Zeitpunkt in der DDR durch eine Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelentscheidung, Einzelvertrag) bei Eintritt des Versorgungsfalles die Gewährung von Leistungen aus einem Zusatzversorgungssystem zuerkannt worden. Doch sind die Vorschriften des AAÜG auf ihn auch anzuwenden, wenn ihm aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR, d. h. nach den insoweit vom Einigungsvertrag noch partiell übernommenen Regelungen der Versorgungssysteme, wären diese unter Beachtung des Gleichheitsgebotes umgesetzt worden, eine Anwartschaft auf eine Versorgung am 30. Juni 1990 hätte eingeräumt werden müssen, er also, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 1. Juli 1990 im (jetzt) rechtsstaatlichen Umfeld Leistungen aus dem Versorgungssystem hätte beanspruchen können. Dies wäre der Fall gewesen, wenn er nach den Regelungen des Versorgungssystems "obligatorisch" im Sinne einer "gebundenen Verwaltung" – ohne Ermessensspielraum des Versorgungsträgers – in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätte einbezogen werden müssen, weil die abstrakt – generellen Voraussetzungen hierfür insoweit am 30. Juni 1990 erfüllt waren. Daran fehlt es jedoch.

Der Kläger hatte aus bundesrechtlicher Sicht eine Versorgungsanwartschaft zur AVItech im dargelegten Sinne nicht erworben. Nach den diesbezüglichen Versorgungsregelungen war neben einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktions- oder gleichgestellten Betrieb eine Zugehörigkeit zu dem in § 1 Abs. 1 der 2. DB näher umschriebenen Personenkreis erforderlich. Als Diplom-Physiker gehörte er zweifelsfrei nicht dazu. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass der Kläger nach seinem Vorbringen und ausweislich der dazu vorgelegten Unterlagen als "Inbetriebsetzungsingenieur" ingenieurmäßige Arbeiten geleistet hat. Der Kläger verkennt bei dieser Argumentation, dass als Angehörige der technischen Intelligenz im Sinne der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz unter anderem Ingenieure nur dann galten, wenn sie aufgrund eines staatlichen Zuerkennungsaktes in der DDR berechtigt waren, diese Berufsbezeichnung zu führen; allein durch Ausübung einer ingenieurtechnischen Tätigkeit wurde die persönliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in dieses Zusatzversorgungssystem nicht erfüllt (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 8; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen: Beschluss vom 4. August 2004 – 1 BVR 1557/01). Ob der Kläger möglicherweise auf Grund einer Ermessensentscheidung in das Versorgungssystem hätte einbezogen werden können, bedarf keiner Entscheidung, weil eine derartige Ermessensentscheidung bundesrechtlich nicht – rückschauend – ersetzt werden kann (BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 21/02 R – in SozR 3-8570 § 1 Nr. 9). Soweit der Kläger schließlich im Berufungsverfahren auf sein erworbenes Facharbeiterzeugnis (Fachschulreife) vom 29. August 1963 zum Beruf des Profil- und Blechwalzers verweist, vermag dies ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung führen. Durch diese Qualifikation zum Facharbeiter wird er nicht dem von der AVItech erfassten Personenkreis zugehörig. Ob der Kläger damit, wie er mit seinem Vorbringen geltend macht, unter Einbeziehung seiner höheren Schulbildung das Qualifikationsniveau eines Technikers erreichte, kann dahinstehen, da er keinen entsprechenden Abschluss als Techniker nachweisen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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