Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 62 AL 4852/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 98/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2004 aufgehoben, der Bescheid der Beklagten vom 14. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2003 geändert und die Beklagte verurteilt, weiteres Insolvenzgeld aus dem Gegenwert in Euro von 4696,77 DM brutto für den Zeitraum 06. bis 31. Oktober 2001 zu zahlen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Insolvenzgeld. Der Kläger ist 1949 geboren worden. Er war bei der insolvent gewordenen L AG als Organisations- und Qualitätsmanager beschäftigt. Wegen ausgefallenen Arbeitsentgelts erhielt der Kläger Insolvenzgeld für die letzten drei Monate dieses Arbeitsverhältnisses. Am 1. Oktober 2001 nahm er bei der L GmbH in Gründung (im Folgenden: L) ein gleichartiges neues Beschäftigungsverhältnis auf. Als monatliches Bruttoarbeitsentgelt wurden 5.600,00DM vereinbart, ferner ein 13. Monatsgehalt (Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 2001). Mit Schreiben vom 1. Oktober 2001 versprach die Ldem Kläger ferner "auf Basis des Wissens um die schwierige private finanzielle Situation und als Ansporn zur Erfüllung der vor Ihnen liegenden Aufgaben" eine "Prämie" in Höhe von 3.901,37DM. Dem Kläger wurden von Seiten der L in der Folge im Oktober 2001 einmal 3.901,37DM sowie einmal 1.000,00 DM jeweils in bar ausgezahlt. Weitere Gehälter zahlte der Arbeitgeber nicht, der Kläger beendete das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung zum 5. Januar 2002. Am 28. März 2002 erhob er vor dem Arbeitsgericht Berlin Klage (Aktenzeichen ) und machte Arbeitslohn für die Monate Oktober 2001 bis Januar 2002 sowie ein anteiliges 13. Monatsgehalt, insgesamt 9767,31 Euro brutto, abzüglich erhaltener 511,29 Euro (=1000,00 DM) netto geltend. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 3. Mai 2002, in dem sich die Lsowie deren Gründungsgesellschafter Dr. K gesamtschuldnerisch verpflichteten, den mit der Klage geltend gemachten Betrag zuzüglich Zinsen in zwei, am 30. Mai und 30. Juni 2002 fälligen, Raten zu zahlen. Vollstreckungsbemühungen des Klägers blieben erfolglos, der Obergerichtsvollzieher B K teilte ihm mit Schreiben vom 6. November 2002 mit, dass Dr. K die Voraussetzungen für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfüllt habe. Über das Vermögen des Dr. K wurde dann im September 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 28. Februar 2003 beantragte der Kläger Insolvenzgeld und machte ausgefallenes Arbeitsentgelt für den Zeitraum 1. Oktober 2001 bis 5. Januar 2002 geltend. Zu seinem Antrag reichte er Verdienstbescheinigungen der L ein. Die Beklagte, die von einem Insolvenztag am 1. April 2002 (vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit) ausging und den Antrag des Klägers als rechtzeitig ansah, weil dieser vortrug, erst am 6. August 2003 auf Grund eines Schreibens des Arbeitsamtes von der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit erfahren zu haben, gewährte dem Kläger durch Bescheid vom 14. August 2003 für die Zeit vom 1. November 2001 bis zum 5. Januar 2001 Insolvenzgeld in Höhe von 4.144,36 Euro. Das Nettoentgelt für den Monat Oktober 2001 habe der Kläger nach eigenen Angaben in voller Höhe erhalten, so dass Zahlungen für diesen Monat ausgeschlossen seien. Für den Monat November 2001 seien 1000,00 DM netto anzurechnen gewesen. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er das Oktobergehalt nicht erhalten habe, sondern vielmehr lediglich die Antrittsprämie. Die 1000,00 DM seien eine Vorauszahlung auf das Oktober- und nicht auf das Novembergehalt gewesen. Ferner bat der Kläger um Prüfung, ob das 13. Monatsgehalt richtig berücksichtigt sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 17. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Zahlung von 3.901,37 DM erfülle den Anspruch auf Arbeitsentgelt für Oktober 2001. Das ergebe sich bereits aus der vom Kläger vorgelegten Verdienstbescheinigung, in der die Zahlung als "Abschlag" bezeichnet werde. Dem entsprechend seien die weiteren gezahlten 1.000,00 DM als Abschlag auf das Novembergehalt anzusehen. Für das Jahr 2001 sei eine Sonderzahlung von 1.400,00 DM brutto berücksichtigt und dem Abrechnungsmonat November 2001 zugeordnet worden. Mit seiner Klage hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Aus den von ihm eingereichten Verdienstabrechnungen ergebe sich gerade nichts für die von der Beklagten vorgenommene Berechnung. Denn sowohl die Zahlung von 3.901,37 DM als auch die von 1.000,00 DM seien auf dem Beleg für Oktober 2001 ausgewiesen, die Sonderzahlung erscheine mit einem Bruttobetrag von 4.188,00 DM. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 22. September 2004 abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob der Kläger die Antragsfrist für das Insolvenzgeld eingehalten habe. Jedenfalls stehe ihm kein höherer Anspruch zu. Im Besonderen ergebe eine verständige Würdigung des Sachverhaltes, dass der Kläger sein Arbeitsentgelt für Oktober 2001 vollständig erhalten habe. Für die Zahlung einer Prämie habe es keinen Rechtsgrund gegeben. Der Arbeitgeber habe sich von Anfang an in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befunden. Er habe keinen Grund gehabt Leistungen zu zahlen, zu denen er nicht verpflichtet gewesen sei. Mit der Zahlung vor der vereinbarten Fälligkeit habe er den Kläger lediglich dazu bewegen wollen, die Arbeit aufzunehmen. Die Prämie bestehe darin, dass die Zahlung vor Fälligkeit erfolgt sei. Eine andere Beurteilung könne sich auch nicht aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich ergeben, der erst nach dem Insolvenzereignis abgeschlossen worden sei. Die rechnerisch nicht plausible Vereinbarung sei nichtig, weil sie gegen die guten Sitten verstoße. Da der Kläger das Arbeitsentgelt für Oktober 2001 vollständig erhalten habe, sei die Abschlagszahlung von 1.000,00 DM auf das Arbeitsentgelt für November 2001 anzurechnen gewesen. Mit der Berufung hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Hintergrund der Prämienzahlung sei es gewesen, die Mitarbeiter der insolventen L AG nicht in alle Winde zu zerstreuen, sondern den Nachfolgeunternehmen das Know How zu erhalten. Die Prämie sei auch rechnerisch nachzuvollziehen, da sie genau ein Nettogehalt betragen habe. Zu berücksichtigen sei ferner, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht nur das Unternehmen, sondern auch sein einziger Gesellschafter persönlich verklagt worden sei. Es gebe keinen Grund dafür, dass dieser Zahlungen zugestimmt habe, zu denen er nicht verpflichtet gewesen sei. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 14. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, weiteres Insolvenzgeld aus dem Gegenwert von 4.696,77 DM brutto für Oktober 2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Kläger habe bereits infolge der Insolvenz der LAG, bei der er am 30. September 2001 ausgeschieden sei, Insolvenzgeld erhalten. Bei Abschluss der Vereinbarung über die "Antrittsprämie" sei daher sowohl dem Kläger als auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, dass der Arbeitgeber über keinerlei Gelder verfügt habe. Da bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung festgestanden habe, dass der Arbeitgeber keine Lohnzahlungen leisten könne, sei die Vereinbarung allein darauf angelegt, die Zahlungen den Umlageverpflichteten für das Insolvenzgeld aufzuerlegen und daher sittenwidrig gewesen. Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten (Betriebsakte und Insolvenzgeldakte für den Kläger) sowie die Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Berlin lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf weiteres Insolvenzgeld im beantragten Umfang. Gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Insolvenzgeld wird gemäß § 185 Abs. 1 SGB III in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das Arbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird. Das Insolvenzgeld ist gemäß § 324 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Hat der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so wird Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird (so genannte Nachfrist). Der Antrag auf Insolvenzgeld ist rechtzeitig gestellt. Zwar lief die Antragsfrist von zwei Monaten am 1. Juni 2002 ab, weil die Beklagte das Insolvenzereignis zutreffend auf den 1. April 2002 – den Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit, wenn ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (§ 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III) – bestimmt hat. Dem Kläger ist jedoch die gesetzliche Nachfrist einzuräumen, da keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass er die Ausschlussfrist schuldhaft versäumt hat. Der Insolvenzgeldzeitraum nach § 183 Abs. 1 Satz 1 letzter Teilsatz SGB III umfasst im vorliegenden Fall die Zeit vom 6. Oktober 2001 bis zum 5. Januar 2002 (§ 26 Abs. 1 SGB X i. V. mit § 188 Abs. 2 BGB). In den Insolvenzgeldzeitraum fällt ein noch nicht befriedigter Anspruch auf arbeitsvertraglich geschuldetes Entgelt für die Zeit vom 5. bis zum 31. Oktober 2001 in Höhe von 4.696,77 DM brutto (2.401,42 Euro; anteilig aus 5.600,00 DM für den vollen Monat). Dieser Anspruch bestünde nur dann nicht, wenn er untergegangen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 2001 rechtswirksam zustande gekommen ist. Die hieraus sich ergebende Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des vereinbarten Entgelts ist nicht erfüllt worden (§ 362 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -). Die unstreitige Zahlung von 3.901,37 DM im Oktober 2001 hat nicht zur Erfüllung des Entgeltanspruchs geführt, denn sie ist zur Erfüllung der vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 1. Oktober 2001 ausgelobten Prämie gezahlt worden. Das Prämienversprechen vom 1. Oktober 2001 kann nicht gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend ausgelegt werden, dass lediglich das Monatsgehalt für Oktober 2001 bereits vor der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Fälligkeit (Monatsende) ausgezahlt werden sollte. Der Wortlaut des Schreibens des Arbeitgebers vom 1. Oktober 2001 gibt für solch eine Einschränkung nichts her und die Verdienstabrechnung des Arbeitgebers für Oktober 2001 belegt, dass eine zusätzliche Zahlung beabsichtigt war. Denn sie weist eindeutig eine "Sonderzahlung" neben dem regulären Gehalt aus. Der in der Verdienstbescheinigung ausgewiesene Nettozahlbetrag von 7.802,86 DM entspricht, Rundungsdifferenzen berücksichtigend, im Wesentlichen zwei Nettogehältern von jeweils 3.901,37 DM. Weil der Betrag von 3.901,37 DM vor der Fälligkeit des Gehalts für Oktober 2001 gezahlt worden war, besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Zahlung zur auch nur teilweisen Erfüllung des Gehaltsanspruchs gezahlt worden war. Angesichts dessen hätte diese tatsächliche Zahlung allenfalls dann zur Erfüllung des Gehaltsanspruchs führen können, wenn das Prämienversprechen nichtig war. Das ist aber nicht der Fall, weshalb die weitere Frage offen bleiben kann, auf welchem rechtlichen Weg die Erfüllung eingetreten wäre, da eine Leistung auf eine nicht bestehende Schuld nicht ohne Weiteres in eine Leistung auf eine bestehende Schuld umgedeutet werden kann. Die Nichtigkeit kann vorliegend allenfalls auf Grund des § 138 BGB eingetreten sein. Ob ein Rechtsgeschäft den guten Sitten zuwiderläuft, das heißt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender verstößt, beurteilt sich auf der Grundlage des aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakters des Rechtsgeschäfts (vgl. BGH LM § 138 BGB Nr. 1; BGHZ 86, 82, 88). Zum Anwendungsbereich des § 138 BGB rechnen auch Rechtsgeschäfte, die gegen wichtige, rechtlich geschützte Belange der Allgemeinheit verstoßen (vgl. Mayer-Maly/Armbrüster in Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 4. Aufl. 2001, § 138 Rz. 33 ff; Sack in Staudinger (1996), § 138 Rz. 359 ff; Heinrichs in Palandt, 63. Aufl. 2004, Rz. 4). Zur Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, sondern es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Der Kenntnis steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (BGH WM 1998, 513, 514; BGHZ 146, 298). Hinsichtlich der Realisierung des die Sittenwidrigkeit begründenden Tatbestandes ist ebenfalls keine sichere Kenntnis erforderlich (vgl. BGH LM § 138 BGB Nr. 32; zusammenfassend BSG, Urteil vom 18. März 2004 - B 11 AL 57/03 R). Es kann offen bleiben, ob das Prämienversprechen ein einseitiges Rechtsgeschäft des Arbeitgebers oder eine vom Kläger zumindest stillschweigend angenommene Vereinbarung darstellt. Denn weder im einen noch im anderen Fall war es nach Inhalt, Zweck und Beweggrund darauf angelegt, die Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers zu Lasten der Umlageverpflichteten zu regeln. Allein dass ein Rechtsgeschäft "ungewöhnlich" erscheint, indiziert noch nicht, dass es sittenwidrig ist. Die Vertragsfreiheit lässt grundsätzlich ein- und mehrseitige Rechtsgeschäfte beliebigen Inhalts zu. Es sind aber auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Zweck oder Beweggründe des Rechtsgeschäfts im Zusammenspiel mit seinem Inhalt die Annahme rechtfertigen könnten, dass Sittenwidrigkeit vorliegt. Dies ließe sich nur dann annehmen, wenn durch die Prämienvereinbarung ein Vorteil für die Arbeitnehmer in einem etwaigen Insolvenzgeldverfahren herbeigeführt werden sollte (indem durch die Sonderzahlung die regulären arbeitsvertraglichen Entgeltansprüche offen gehalten werden). Nach dem plausiblen Vortrag des Klägers ist solch eine Annahme aber nicht gerechtfertigt. Es ist überzeugend, wenn er ausführt, dass die Gründung der L einer im Wirtschaftsleben verbreiteten Übung entsprach, mit den Produkten und dem Know-How eines insolventen Unternehmens wieder am Wirtschaftsleben teilzunehmen, ohne mit dessen Verbindlichkeiten belastet zu sein. Überzeugend ist auch, wenn er auf den – auch aus den Massenmedien allgemein bekannten - Umstand verweist, dass sich die Gründung der L in der Blütezeit der so genannten "New Economy" vollzog, in der die so genannte "IT-Branche" gegenüber anderen Wirtschaftszweigen außergewöhnlich hohe Wachstumsraten verbuchen konnte. Wenn der Gründungsgesellschafter der L in diesem allgemeinen wirtschaftlichen Rahmen seine Geschäftsidee (auch) dadurch verwirklichen wollte, dass er die in Betracht kommenden ehemaligen Mitarbeiter der Lüber eine Prämie an das neue Unternehmen binden wollte, so führt das nicht zu der Vermutung, er habe auch gleichzeitig eine unzulässige Belastung der Insolvenzgeldversicherung für den Fall des Scheiterns seiner Geschäftsidee bewirken wollen. Denn ein solches Scheitern war zumindest nicht offenkundig absehbar. Gegen die Annahme einer beabsichtigten Belastung der Insolvenzversicherung spricht ferner, dass der Gesellschafter die Zahlungsverbindlichkeiten aus den im Namen der Vor-GmbH getätigten Rechtsgeschäften auch im eigenen Namen übernommen hat beziehungsweise gewärtigen musste, dass sie ihn selbst treffen (s. zur Rechtsscheinhaftung bei der Vor-GmbH etwa BGH BGHR GmbHG § 11 Abs. 1 Vor-GmbH 5 und BGHR BGB § 164 Unternehmensbezogenes Geschäft 7). Einer natürlichen Person kann aber nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass sie einen Dritten rechtswidrig zu belasten sucht, wenn die Folgen ihres Handelns im Ergebnis auf sie persönlich zurückfallen können. So liegt es hier aber, da der Entgeltanspruch des Klägers durch die Gewährung von Insolvenzgeld nicht untergeht, sondern auf die Beklagte übergeht (§ 187 Satz 1 SGB III).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Insolvenzgeld. Der Kläger ist 1949 geboren worden. Er war bei der insolvent gewordenen L AG als Organisations- und Qualitätsmanager beschäftigt. Wegen ausgefallenen Arbeitsentgelts erhielt der Kläger Insolvenzgeld für die letzten drei Monate dieses Arbeitsverhältnisses. Am 1. Oktober 2001 nahm er bei der L GmbH in Gründung (im Folgenden: L) ein gleichartiges neues Beschäftigungsverhältnis auf. Als monatliches Bruttoarbeitsentgelt wurden 5.600,00DM vereinbart, ferner ein 13. Monatsgehalt (Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 2001). Mit Schreiben vom 1. Oktober 2001 versprach die Ldem Kläger ferner "auf Basis des Wissens um die schwierige private finanzielle Situation und als Ansporn zur Erfüllung der vor Ihnen liegenden Aufgaben" eine "Prämie" in Höhe von 3.901,37DM. Dem Kläger wurden von Seiten der L in der Folge im Oktober 2001 einmal 3.901,37DM sowie einmal 1.000,00 DM jeweils in bar ausgezahlt. Weitere Gehälter zahlte der Arbeitgeber nicht, der Kläger beendete das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung zum 5. Januar 2002. Am 28. März 2002 erhob er vor dem Arbeitsgericht Berlin Klage (Aktenzeichen ) und machte Arbeitslohn für die Monate Oktober 2001 bis Januar 2002 sowie ein anteiliges 13. Monatsgehalt, insgesamt 9767,31 Euro brutto, abzüglich erhaltener 511,29 Euro (=1000,00 DM) netto geltend. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 3. Mai 2002, in dem sich die Lsowie deren Gründungsgesellschafter Dr. K gesamtschuldnerisch verpflichteten, den mit der Klage geltend gemachten Betrag zuzüglich Zinsen in zwei, am 30. Mai und 30. Juni 2002 fälligen, Raten zu zahlen. Vollstreckungsbemühungen des Klägers blieben erfolglos, der Obergerichtsvollzieher B K teilte ihm mit Schreiben vom 6. November 2002 mit, dass Dr. K die Voraussetzungen für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfüllt habe. Über das Vermögen des Dr. K wurde dann im September 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 28. Februar 2003 beantragte der Kläger Insolvenzgeld und machte ausgefallenes Arbeitsentgelt für den Zeitraum 1. Oktober 2001 bis 5. Januar 2002 geltend. Zu seinem Antrag reichte er Verdienstbescheinigungen der L ein. Die Beklagte, die von einem Insolvenztag am 1. April 2002 (vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit) ausging und den Antrag des Klägers als rechtzeitig ansah, weil dieser vortrug, erst am 6. August 2003 auf Grund eines Schreibens des Arbeitsamtes von der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit erfahren zu haben, gewährte dem Kläger durch Bescheid vom 14. August 2003 für die Zeit vom 1. November 2001 bis zum 5. Januar 2001 Insolvenzgeld in Höhe von 4.144,36 Euro. Das Nettoentgelt für den Monat Oktober 2001 habe der Kläger nach eigenen Angaben in voller Höhe erhalten, so dass Zahlungen für diesen Monat ausgeschlossen seien. Für den Monat November 2001 seien 1000,00 DM netto anzurechnen gewesen. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er das Oktobergehalt nicht erhalten habe, sondern vielmehr lediglich die Antrittsprämie. Die 1000,00 DM seien eine Vorauszahlung auf das Oktober- und nicht auf das Novembergehalt gewesen. Ferner bat der Kläger um Prüfung, ob das 13. Monatsgehalt richtig berücksichtigt sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 17. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Zahlung von 3.901,37 DM erfülle den Anspruch auf Arbeitsentgelt für Oktober 2001. Das ergebe sich bereits aus der vom Kläger vorgelegten Verdienstbescheinigung, in der die Zahlung als "Abschlag" bezeichnet werde. Dem entsprechend seien die weiteren gezahlten 1.000,00 DM als Abschlag auf das Novembergehalt anzusehen. Für das Jahr 2001 sei eine Sonderzahlung von 1.400,00 DM brutto berücksichtigt und dem Abrechnungsmonat November 2001 zugeordnet worden. Mit seiner Klage hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Aus den von ihm eingereichten Verdienstabrechnungen ergebe sich gerade nichts für die von der Beklagten vorgenommene Berechnung. Denn sowohl die Zahlung von 3.901,37 DM als auch die von 1.000,00 DM seien auf dem Beleg für Oktober 2001 ausgewiesen, die Sonderzahlung erscheine mit einem Bruttobetrag von 4.188,00 DM. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 22. September 2004 abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob der Kläger die Antragsfrist für das Insolvenzgeld eingehalten habe. Jedenfalls stehe ihm kein höherer Anspruch zu. Im Besonderen ergebe eine verständige Würdigung des Sachverhaltes, dass der Kläger sein Arbeitsentgelt für Oktober 2001 vollständig erhalten habe. Für die Zahlung einer Prämie habe es keinen Rechtsgrund gegeben. Der Arbeitgeber habe sich von Anfang an in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befunden. Er habe keinen Grund gehabt Leistungen zu zahlen, zu denen er nicht verpflichtet gewesen sei. Mit der Zahlung vor der vereinbarten Fälligkeit habe er den Kläger lediglich dazu bewegen wollen, die Arbeit aufzunehmen. Die Prämie bestehe darin, dass die Zahlung vor Fälligkeit erfolgt sei. Eine andere Beurteilung könne sich auch nicht aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich ergeben, der erst nach dem Insolvenzereignis abgeschlossen worden sei. Die rechnerisch nicht plausible Vereinbarung sei nichtig, weil sie gegen die guten Sitten verstoße. Da der Kläger das Arbeitsentgelt für Oktober 2001 vollständig erhalten habe, sei die Abschlagszahlung von 1.000,00 DM auf das Arbeitsentgelt für November 2001 anzurechnen gewesen. Mit der Berufung hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Hintergrund der Prämienzahlung sei es gewesen, die Mitarbeiter der insolventen L AG nicht in alle Winde zu zerstreuen, sondern den Nachfolgeunternehmen das Know How zu erhalten. Die Prämie sei auch rechnerisch nachzuvollziehen, da sie genau ein Nettogehalt betragen habe. Zu berücksichtigen sei ferner, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht nur das Unternehmen, sondern auch sein einziger Gesellschafter persönlich verklagt worden sei. Es gebe keinen Grund dafür, dass dieser Zahlungen zugestimmt habe, zu denen er nicht verpflichtet gewesen sei. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 14. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, weiteres Insolvenzgeld aus dem Gegenwert von 4.696,77 DM brutto für Oktober 2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Kläger habe bereits infolge der Insolvenz der LAG, bei der er am 30. September 2001 ausgeschieden sei, Insolvenzgeld erhalten. Bei Abschluss der Vereinbarung über die "Antrittsprämie" sei daher sowohl dem Kläger als auch dem Arbeitgeber bewusst gewesen, dass der Arbeitgeber über keinerlei Gelder verfügt habe. Da bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung festgestanden habe, dass der Arbeitgeber keine Lohnzahlungen leisten könne, sei die Vereinbarung allein darauf angelegt, die Zahlungen den Umlageverpflichteten für das Insolvenzgeld aufzuerlegen und daher sittenwidrig gewesen. Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten (Betriebsakte und Insolvenzgeldakte für den Kläger) sowie die Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Berlin lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf weiteres Insolvenzgeld im beantragten Umfang. Gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Insolvenzgeld wird gemäß § 185 Abs. 1 SGB III in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das Arbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird. Das Insolvenzgeld ist gemäß § 324 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Hat der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so wird Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird (so genannte Nachfrist). Der Antrag auf Insolvenzgeld ist rechtzeitig gestellt. Zwar lief die Antragsfrist von zwei Monaten am 1. Juni 2002 ab, weil die Beklagte das Insolvenzereignis zutreffend auf den 1. April 2002 – den Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit, wenn ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (§ 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III) – bestimmt hat. Dem Kläger ist jedoch die gesetzliche Nachfrist einzuräumen, da keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass er die Ausschlussfrist schuldhaft versäumt hat. Der Insolvenzgeldzeitraum nach § 183 Abs. 1 Satz 1 letzter Teilsatz SGB III umfasst im vorliegenden Fall die Zeit vom 6. Oktober 2001 bis zum 5. Januar 2002 (§ 26 Abs. 1 SGB X i. V. mit § 188 Abs. 2 BGB). In den Insolvenzgeldzeitraum fällt ein noch nicht befriedigter Anspruch auf arbeitsvertraglich geschuldetes Entgelt für die Zeit vom 5. bis zum 31. Oktober 2001 in Höhe von 4.696,77 DM brutto (2.401,42 Euro; anteilig aus 5.600,00 DM für den vollen Monat). Dieser Anspruch bestünde nur dann nicht, wenn er untergegangen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 2001 rechtswirksam zustande gekommen ist. Die hieraus sich ergebende Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des vereinbarten Entgelts ist nicht erfüllt worden (§ 362 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -). Die unstreitige Zahlung von 3.901,37 DM im Oktober 2001 hat nicht zur Erfüllung des Entgeltanspruchs geführt, denn sie ist zur Erfüllung der vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 1. Oktober 2001 ausgelobten Prämie gezahlt worden. Das Prämienversprechen vom 1. Oktober 2001 kann nicht gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend ausgelegt werden, dass lediglich das Monatsgehalt für Oktober 2001 bereits vor der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Fälligkeit (Monatsende) ausgezahlt werden sollte. Der Wortlaut des Schreibens des Arbeitgebers vom 1. Oktober 2001 gibt für solch eine Einschränkung nichts her und die Verdienstabrechnung des Arbeitgebers für Oktober 2001 belegt, dass eine zusätzliche Zahlung beabsichtigt war. Denn sie weist eindeutig eine "Sonderzahlung" neben dem regulären Gehalt aus. Der in der Verdienstbescheinigung ausgewiesene Nettozahlbetrag von 7.802,86 DM entspricht, Rundungsdifferenzen berücksichtigend, im Wesentlichen zwei Nettogehältern von jeweils 3.901,37 DM. Weil der Betrag von 3.901,37 DM vor der Fälligkeit des Gehalts für Oktober 2001 gezahlt worden war, besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Zahlung zur auch nur teilweisen Erfüllung des Gehaltsanspruchs gezahlt worden war. Angesichts dessen hätte diese tatsächliche Zahlung allenfalls dann zur Erfüllung des Gehaltsanspruchs führen können, wenn das Prämienversprechen nichtig war. Das ist aber nicht der Fall, weshalb die weitere Frage offen bleiben kann, auf welchem rechtlichen Weg die Erfüllung eingetreten wäre, da eine Leistung auf eine nicht bestehende Schuld nicht ohne Weiteres in eine Leistung auf eine bestehende Schuld umgedeutet werden kann. Die Nichtigkeit kann vorliegend allenfalls auf Grund des § 138 BGB eingetreten sein. Ob ein Rechtsgeschäft den guten Sitten zuwiderläuft, das heißt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender verstößt, beurteilt sich auf der Grundlage des aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakters des Rechtsgeschäfts (vgl. BGH LM § 138 BGB Nr. 1; BGHZ 86, 82, 88). Zum Anwendungsbereich des § 138 BGB rechnen auch Rechtsgeschäfte, die gegen wichtige, rechtlich geschützte Belange der Allgemeinheit verstoßen (vgl. Mayer-Maly/Armbrüster in Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 4. Aufl. 2001, § 138 Rz. 33 ff; Sack in Staudinger (1996), § 138 Rz. 359 ff; Heinrichs in Palandt, 63. Aufl. 2004, Rz. 4). Zur Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, sondern es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Der Kenntnis steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (BGH WM 1998, 513, 514; BGHZ 146, 298). Hinsichtlich der Realisierung des die Sittenwidrigkeit begründenden Tatbestandes ist ebenfalls keine sichere Kenntnis erforderlich (vgl. BGH LM § 138 BGB Nr. 32; zusammenfassend BSG, Urteil vom 18. März 2004 - B 11 AL 57/03 R). Es kann offen bleiben, ob das Prämienversprechen ein einseitiges Rechtsgeschäft des Arbeitgebers oder eine vom Kläger zumindest stillschweigend angenommene Vereinbarung darstellt. Denn weder im einen noch im anderen Fall war es nach Inhalt, Zweck und Beweggrund darauf angelegt, die Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers zu Lasten der Umlageverpflichteten zu regeln. Allein dass ein Rechtsgeschäft "ungewöhnlich" erscheint, indiziert noch nicht, dass es sittenwidrig ist. Die Vertragsfreiheit lässt grundsätzlich ein- und mehrseitige Rechtsgeschäfte beliebigen Inhalts zu. Es sind aber auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Zweck oder Beweggründe des Rechtsgeschäfts im Zusammenspiel mit seinem Inhalt die Annahme rechtfertigen könnten, dass Sittenwidrigkeit vorliegt. Dies ließe sich nur dann annehmen, wenn durch die Prämienvereinbarung ein Vorteil für die Arbeitnehmer in einem etwaigen Insolvenzgeldverfahren herbeigeführt werden sollte (indem durch die Sonderzahlung die regulären arbeitsvertraglichen Entgeltansprüche offen gehalten werden). Nach dem plausiblen Vortrag des Klägers ist solch eine Annahme aber nicht gerechtfertigt. Es ist überzeugend, wenn er ausführt, dass die Gründung der L einer im Wirtschaftsleben verbreiteten Übung entsprach, mit den Produkten und dem Know-How eines insolventen Unternehmens wieder am Wirtschaftsleben teilzunehmen, ohne mit dessen Verbindlichkeiten belastet zu sein. Überzeugend ist auch, wenn er auf den – auch aus den Massenmedien allgemein bekannten - Umstand verweist, dass sich die Gründung der L in der Blütezeit der so genannten "New Economy" vollzog, in der die so genannte "IT-Branche" gegenüber anderen Wirtschaftszweigen außergewöhnlich hohe Wachstumsraten verbuchen konnte. Wenn der Gründungsgesellschafter der L in diesem allgemeinen wirtschaftlichen Rahmen seine Geschäftsidee (auch) dadurch verwirklichen wollte, dass er die in Betracht kommenden ehemaligen Mitarbeiter der Lüber eine Prämie an das neue Unternehmen binden wollte, so führt das nicht zu der Vermutung, er habe auch gleichzeitig eine unzulässige Belastung der Insolvenzgeldversicherung für den Fall des Scheiterns seiner Geschäftsidee bewirken wollen. Denn ein solches Scheitern war zumindest nicht offenkundig absehbar. Gegen die Annahme einer beabsichtigten Belastung der Insolvenzversicherung spricht ferner, dass der Gesellschafter die Zahlungsverbindlichkeiten aus den im Namen der Vor-GmbH getätigten Rechtsgeschäften auch im eigenen Namen übernommen hat beziehungsweise gewärtigen musste, dass sie ihn selbst treffen (s. zur Rechtsscheinhaftung bei der Vor-GmbH etwa BGH BGHR GmbHG § 11 Abs. 1 Vor-GmbH 5 und BGHR BGB § 164 Unternehmensbezogenes Geschäft 7). Einer natürlichen Person kann aber nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass sie einen Dritten rechtswidrig zu belasten sucht, wenn die Folgen ihres Handelns im Ergebnis auf sie persönlich zurückfallen können. So liegt es hier aber, da der Entgeltanspruch des Klägers durch die Gewährung von Insolvenzgeld nicht untergeht, sondern auf die Beklagte übergeht (§ 187 Satz 1 SGB III).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved