S 32 AS 130/07 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 32 AS 130/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 906,67 Euro monatlich ab 08.05.2007 zu zahlen.
Diese Verpflichtung gilt für die Zeit bis zum 30.11.2007, längstens bis zu einer endgültigen Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.03.2007.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

Gründe:

I.

Die Antragsteller (im Folgenden: Ast) begehren im gerichtlichen Eilverfahren die vorläufige Zahlung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II); insbesondere ist streitig, ob die Ast zu 1) mit J. B. (im Folgenden: B) eine Bedarfsgemeinschaft bildet.

Die Ast zu 1) ist die Mutter der Ast zu 2) und 3) und lebt mit diesen gemeinsam sowie mit B und dessen Sohn in einem Ein-Familien-Haus. Das Haus hat zwei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss und eine Wohnfläche von insgesamt ca. 130 qm. Die Ast zu 1) und B verfügen über jeweils getrennte Mietverträge. Die Ast zu 1) hat das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss mit einer Größe von ca. 80 qm zu einer Grundmiete von 308,00 Euro zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 76,20 Euro angemietet. B hat das Dachgeschoss angemietet, das eine Wohnfläche von ca. 50 qm hat und für das er 192,00 Euro Brutto Kaltmiete zuzüglich 50,80 Euro Nebenkosten zahlt. Diese Wohnsituation besteht seit dem 01.02.2005.

Im Oktober 2004 beantrage die Ast zu 1) für sich und ihre beiden Kinder Leistungen nach dem SGB II. Damals bewohnten die Ast noch gemeinsam eine Wohnung in der Wasserstr. 14a in K ... Im Hinblick auf diese Wohnung war die Ast zu 1) im Rahmen ihres Sozialhilfebezuges von dem Antragsgegner (im Folgenden: Ag) bereits mehrmals darauf hingewiesen worden, dass sie sich eine günstigere Wohnung suchen müsse, da diese Wohnung unangemessen teuer sei.

Vom Zeitpunkt des Umzugs im Februar 2005 an gewährte der Ag den Ast dann Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung des Kindergeldes und eines Einkommens der Ast zu 1) aus einer Nebenbeschäftigung. Da die Ast zu 1) zum 31.07.2005 gekündigt wurde, war ab September 2005 kein Erwerbseinkommen mehr zu berücksichtigen, so dass sich ein Leistungsbetrag von 1.028,20 Euro ergab.

Am 22.12.2005 sprach die Ast zu 1) bei dem Ag vor und stellte einen Fortzahlungsantrag. Bei dieser Gelegenheit wurde sie dazu gefragt, ob sie mit B in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Sie erklärte daraufhin, sie sei nur mit dem B befreundet. Es besteht keine eheähnliche Gemeinschaft, B wohne in dem gemeinsamen Haus mit seinem Sohn in der oberen Etage. Dies könne jederzeit vom Außendienst überprüft werden. Für die darauf folgenden Bewilligungszeiträume gewährte der Ag den Ast jeweils Leistungen in Höhe von monatlich 1.028,20 Euro bzw. 1.082,80 Euro.

Am 06.07.2006 veranlasste der Ag eine Prüfung der häuslichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Ast durch den Außendienst des Kreissozialamtes beim Landrat des Kreises Kleve. Diese Prüfung erfolgte durch einen dortigen Mitarbeiter, Herrn F., am 01.08.2006. Hinsichtlich der dort getroffenen Feststellungen wird auf das Protokoll der Prüfung (Bl. 138 der Verwaltungsakte) verwiesen.

Auf Grundlage des Prüfprotokolls hörte der Ag die Ast mit Schreiben vom 07.08.2006 zur Einstellung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zum 01.09.2006 an. Zur Begründung führte er aus, dass die Ast zu 1) mit B eine eheähnliche Gemeinschaft bilde. Aufgrund einer ausführlichen Stellungnahme der Ast zu 1), in der sie angab, keine Wirtschaftsgemeinschaft mit B zu bilden und sowohl den eigentlichen Wohnbereich als auch den Bereich der Haushaltsführung streng zu trennen, lud der Ag die Ast zu 1) und den B zu einer Befragung in die Räume der Stadtverwaltung ein. Auf die am 23.10.2006 angefertigten Protokolle der Befragung der Ast zu 1) und des B wird verwiesen (Bl. 175 bis 182 der Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 29.11.2006 stellte der Ag die den Ast gewährten Leistungen ab dem 01.12.2006 ein. Bei den Ermittlungen des Außendienstes sei festgestellt worden, dass zwischen ihr und dem B eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehe. Da sie mit dem B mittlerweile seit 1 1/2 Jahren zusammen lebe, sei laut aktueller Gesetzeslage davon auszugehen, dass sie mit diesem eine eheähnliche Gemeinschaft bilde. Zudem habe das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft in der von dem Ag vorgenommenen gemeinsamen Befragung am 23.10.2006 nicht entkräftet werden können. Der Ag wies darauf hin, dass es der Ast frei stehe, prüfen zu lassen, ob als eheähnliche Gemeinschaft Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestünden. Gegen diesen Bescheid erhob die Ast zu 1) am 01.12.2006 Widerspruch.

Ebenfalls am 01.12.2006 stellte der B beim Ag einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Dabei ließ er die Ast zu 1) im Antragsformular als seine Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft eintragen. Unter Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes des B berechnete sich daraus ein Anspruch auf Leistungen für die Ast in Höhe von 715,23 Euro. Dieser Leistungsanspruch wurde mit Bescheid vom 20.02.2007 festgesetzt. Am 01.03. teilte B dem Ag mit, dass er seit 02.01.2007 ein Entgelt aus einer unselbständigen Beschäftigung beziehe und reichte entsprechende Entgeltbescheinigungen beim Ag ein. Unter Anrechnung dieses Erwerbseinkommens setzte der Ag die Leistungen für die Ast mit Bescheid vom 22.03.2007 neu fest. Dabei ergab sich ein Leistungsanspruch in Höhe von 380,24 Euro.

Am 08.05.2007 stellten die Ast einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung tragen sie vor, dass die Ast zu 1) nicht mit B in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Gegen die Bescheide vom 20.02.2007 und 22.03.2007 sei Widerspruch erhoben worden. Da die Ast von dem B keinerlei finanzielle Unterstützung erhielten, bliebe keine andere Möglichkeit, als ein Eilverfahren einzuleiten.

Die Ast beantragen,

den Ag unter Aufhebung des Bescheides vom 20.02.2007 und 22.03.2007 zu verurteilen, den Ast Sozialleistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe und Laufzeit zu bewilligen.

Der Ag beantragt,

dem Eilantrag nicht zu entsprechen.

Der Ag geht weiterhin davon aus, dass zwischen der Ast zu 1) und dem B eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt.

Das Gericht hat in einem Termin zur Beweisaufnahme die Ast zu 1) befragt sowie den B als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Ag Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist auch begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Anordnungsanspruch – die Rechtsposition deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§§ 86 b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO)). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, ist die einstweilige Anordnung zu erlassen. Ist sie offensichtlich unbegründet, wird die Anordnung abgelehnt. Ist jedoch die Hauptsachlage offen, ist eine Interessenabwägung erforderlich. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die einstweilige Anordnung dient damit lediglich der Sicherung von Rechten eines Antragstellers, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie darf grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Eine Ausnahme wird in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nur für den Fall anerkannt, dass ohne einstweilige Anordnung ein wirksamer Rechtsschutz in der Hauptsache nicht erreicht werden kann und dies im Interesse des Antragstellers unzumutbar wäre (Mayer-Ladewig, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rz. 31 mwN).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 1 BvR 569/05 vom 12.5.2005) hat hierzu ausgeführt: "Jedoch stellt Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2003, S. 1236 (1237); 1. Kammer des Zweiten Senats, NVwZ 2004, S. 95 (96)). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, NVwZ-RR 1999, S. 217 (218)). Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Beschwerdeführer mit seinen Begehren verfolgt (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, NVwZ 2004, S. 95 (96)). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NVwZ 1997, S. 479 (480))."

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze haben die Antragsteller einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II in der Fassung, die er durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.06.2006 (BGBl. I S. 1707) mit Wirkung zum 01.07.2006 erhalten hat, erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Die Antragsteller sind hilfebedürftig iSd SGB II. Nach § 9 Abs 1 und 2 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs 3 Nr. 3c SGB II in der ab 01.07.2006 geltenden Fassung als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen lebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und für einander einzustehen. Nach § 7 Abs 3a SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und für einander einzustehen vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen leben oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Aus den Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache 16/1410 Seite 19) zu den Änderungen im SGB II durch Gesetz vom 20.06.2006 ist zu erkennen, dass der Gesetzgeber mit den Neuformulierungen in § 7 SGB II an die bisher vorliegende Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den Voraussetzungen für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft anknüpfen wollte und mit der Regelung in § 7 Abs 3 a SGB II eine gesetzliche Vermutung aufgestellt hat, die jedoch vom Betroffenen widerlegt werden kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind strenge Anforderungen an die Ernsthaftigkeit einer solchen Gemeinschaft zu stellen, was durch die Verwendung des Begriffs "eheähnlich" an Stelle des Begriffs "nichtehelich" unterstrichen werden soll (BSG Urteil vom 17. Oktober 2002, B 7 AL 96/00 R in SozR 3-4100 § 119 Nr 26 mwN). Eheähnlich ist danach eine Verbindung zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts nur dann, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Eine Entscheidung hierüber ist nur anhand bestimmter "Hilfstatsachen" möglich. Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung im vorbezeichneten Sinne sind insbesondere die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen. Hinsichtlich der Dauer des Zusammenlebens sind wichtige Hinweistatsachen die Dauer und Intensität der Bekanntschaft vor Begründung der Wohngemeinschaft, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation während der streitgegenständlichen Zeit und die nach außen erkennbare Intensität der gelebten Gemeinschaft (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.05.1996, Az.: 5 C 16/96). Damit sind aber keineswegs die einzig zulässigen Indizien für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft aufgezählt und umschrieben. Die Voraussetzungen müssen auch nicht kumulativ vorliegen. Vielmehr sind damit für den Rechtsanwender nur die Umstände mit individueller Bedeutung zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der eheähnlichen Gemeinschaft erläutert. Für die Beurteilung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist stets maßgebend, ob das Gesamtbild aller zu wertenden Tatsachen die Annahme des Vorliegens einer solchen Gemeinschaft rechtfertigt (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 21.04.2005, Az.: L 9 B 6/05 SO – ER).

Nach Auffassung der Kammer scheitert die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft hier schon daran, dass es sich bei der Beziehung zwischen der Ast zu 1) und dem B nicht um eine Verbindung zweier Partner handelt, die daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beziehung über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus geht. Insbesondere die von dem Zeugen und der Ast zu 1) geschilderten Lebensumstände lassen das Gericht darauf schließen, dass beide, abgesehen von ihrem häuslichen Zusammenleben, tatsächlich nur freundschaftlich verbunden sind und eine darüber hinausgehende Beziehung nicht besteht. Diesen Eindruck bestätigen beide dadurch, dass sie im Termin zur Beweisaufnahme darauf hingewiesen haben, dass sie keine Einwände dagegen hätten, wenn der jeweils andere eine neue partnerschaftliche Beziehung mit einem anderen Partner eingehen würde. Das Gericht konnte auch nicht feststellen, dass diesen Angaben entgegenstehende Indizien vorliegen. Insbesondere sind die Ast zu 1) und B nicht befugt, über Einkommen und Vermögen des anderen zu verfügen. Nach beider glaubhafter Erklärung haben sie getrennte Konten und keine Vollmacht über das Konto des anderen. Die Gestaltung ihrer häuslichen Situation ist durch eine weitgehend durchgehaltene Trennung der verschiedenen Lebensbereiche und der durch die Anmietung des Hauses entstehenden Kosten gekennzeichnet. Die Lebensbereiche sind durch das Vorhandensein verschiedener Wohnebenen ausreichend abgegrenzt. Dabei fand insbesondere auch keine Vermischung der beiden vorher getrennt bestehenden Haushalte statt. Nach den übereinstimmenden Angaben der Ast zu 1) und des Zeugen hat jeder der beiden seinen bis dato bestehenden Hausrat darauf verwandt, seinen eigenen Bereich im gemeinsam bezogenen Haus auszustatten. Sowohl Geschirr und Besteck als auch Lebensmittel werden getrennt voneinander aufbewahrt. Besondere Bedeutung misst die Kammer dem Umstand bei, dass beide hinsichtlich der von ihnen benutzten Räume mit dem Eigentümer des Hauses auch getrennte Mietverträge abgeschlossen haben und somit die Übernahme finanzieller Verantwortung füreinander noch nicht einmal im Zusammenhang mit dem gemeinsam bewohnten Haus entstanden sind. Gegen ein eheähnliches Zusammenleben spricht ferner das Fehlen einer gemeinsamen Lebensgestaltung. Die gemeinsame Freizeitgestaltung der Familien erschöpft sich in gelegentlichen gemeinsamen Abendessen oder Grillen. Insbesondere haben keine gemeinsamen Urlaube stattgefunden.

Entgegenstehende Indizien ergeben sich auch nicht aus dem Protokoll über die häusliche Prüfung der Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse vom 01.08.2006. Vielmehr ist dieses Protokoll für eine gerichtliche Verwertung weitgehend ungeeignet. Neben einigen, für das gerichtliche Verfahren weitgehend unerheblichen Tatsachenangaben finden sich in diesem Protokoll vorwiegend persönliche Wertungen des Prüfers, deren Ursache und Herkunft dem Leser weitgehend unerschlossen bleiben. So ist beispielsweise nicht zu erkennen, woraus der Prüfer geschlossen hat, dass das Wohn- und Esszimmer im Erdgeschoss gemeinschaftlich von allen Bewohnern ohne Trennung der jeweiligen persönlichen Dinge der einzelnen Wohnparteien genutzt wird. Es ist aus dem Protokoll nicht zu entnehmen, wessen persönliche Dinge sich in diesem Raum überhaupt befunden haben. Auch ist nicht zu erkennen, dass sich dieser Umstand aus einer Angabe eines der Bewohner des Hauses ergeben hätte. Gleiches gilt für die Feststellung, dass das Gäste-WC im Erdgeschoss gemeinschaftlich genutzt werde. Hinzu kommt, dass einige der vom Prüfer festgestellten Tatsachen nach übereinstimmender Erklärung der Ast zu 1) und des Zeugen fehlerhaft waren. So befindet sich im Dachgeschoss nicht das Zimmer des Ast zu 2), wie im Protokoll aufgeführt, sondern das Kinderzimmer des Sohnes des B. Dementsprechend handelt es sich bei den anderen beiden Zimmern im Dachgeschoss auch nicht um einen gemeinsamen Schlafbereich des B und seines Sohnes, sondern um den Schlaf- und Wohnbereich des B. Auch ist nicht zu erkennen, woraus der Prüfer geschlossen hat, dass keine getrennte Haushaltsführung vorliege. Allein aus dem Umstand, dass beide Familien eine Küche benutzen, kann dies sicherlich nicht geschlossen werden. Feststellungen dazu, wie die verschiedenen Haushaltsgegenstände und Vorräte in der Küche untergebracht waren, fehlen dagegen. Auch hat es der Prüfer verabsäumt, die Ast zu 1) dazu zu befragen, wieso B am Tag des Hausbesuchs in ihrem Bett vorgefunden wurde. Insofern ist der Rückschluss von diesem Umstand darauf, dass es sich vorliegend um eine eheähnliche Gemeinschaft handelt, unzulässig. Vielmehr berücksichtigt das Gericht dagegen, dass sowohl die Ast zu 1) als auch der Zeuge im Termin zur Beweisaufnahme hierfür eine zumindest plausible Erklärung abgegeben haben.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Ast nicht mit dem B und seinem Sohn in Bedarfsgemeinschaft leben, ergibt sich für die Ast ein höherer Leistungsanspruch. Dieser ergibt sich aus den Regelsätzen der Ast in Höhe von 345,00 Euro, 276,00 Euro und 207,00 Euro sowie dem Alleinerziehendenzuschlag in Höhe von 124,00 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 384,20 Euro zuzüglich 3/4 der zu zahlenden Heizkostenabschläge, also 0,75 x 113 = 84,75 Euro. Auf den sich daraus ergebenden Gesamtbedarf von 1.420,95 Euro war als Einkommen das Kindergeld in Höhe von 308,00 Euro und das Erwerbseinkommen der Ast zu 1) anzurechnen. Dabei hat das Gericht das zuletzt bescheinigte Einkommen in Höhe von 357,72 Euro zugrunde gelegt, das um die Pauschale nach § 11 Abs 2 S 2 SGB II in Höhe von 100,00 Euro und den Freibetrag nach § 30 SGB II in Höhe von 51,44 Euro zu bereinigen war, so dass sich ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 206,28 Euro ergab.

Die Verpflichtung der Ag erstreckt sich auf den Zeitraum von der Antragstellung bei Gericht bis zum Ende des im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes laufenden Bewilligungsabschnittes vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 und ist zu beschränken auf den Zeitpunkt, in dem endgültig über die Widersprüche gegen die aktuellen Bewilligungsbescheide entschieden wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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