L 9 KR 23/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 KR 3238/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 23/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2003 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wesentlichen die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm regelmäßige Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen im Rahmen einer präventiven Gesundheitsuntersuchung zu bewilligen.

Der 1935 geborene Kläger ist freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten. Im Zusammenhang mit einer Brillenverordnung führte die den Kläger behandelnde Augenärztin im Oktober 2000 bei ihm eine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung durch und rechnete diese privatärztlich ab. Im Dezember 2000 wandte sich der Kläger an die Beklagte und beantragte die Erstattung der Kosten für diese Untersuchung in Höhe von 30,00 DM.

Diesen Antrag und den Antrag des Klägers, Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung alle 2 Jahre zu bewilligen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2001 ab. Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen könnten im Rahmen einer individuellen Krankenbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden, wenn in dem Einzelfall Risiken bekannt seien, Beschwerden bestünden oder ein begründeter Verdacht auf eine Krankheit vorliege. Die Entscheidung, ob im Einzelfall eine solche Indikation für eine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung vorliege, werde vom behandelnden Arzt nach ärztlichem Ermessen getroffen. Die den Kläger behandelnde Ärztin habe die streitbefangene Leistung als privatärztliche Behandlung durchgeführt, weil die genannten Voraussetzungen im Falle des Klägers nicht vorgelegen hätten. Eine Kostenerstattung für eine solche privatärztliche Behandlung sehe das Gesetz aber nicht vor. Schließlich könne der Kläger auch mit seinem Feststellungsantrag keinen Erfolg haben. Ein Anspruch auf eine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung sei nach den Bestimmungen des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in den Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinien nicht vorgesehen.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, dass er seit mehr als 20 Jahren in zweijährigen Abständen stets eine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung im Rahmen der vertragsärztlichen kurativen Versorgung erhalten habe und die Kosten für diese Untersuchung von der Beklagten übernommen worden seien. Der Sicherstellungsauftrag der Beklagten verpflichte diese, auch zukünftig die Aufwendungen für die streitbefangene Leistung zu übernehmen. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die Gewährung von Präventionsleistungen in Abkehr von der bisher von ihr praktizierten Handhabung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen, die das Gesetz nicht vorsehe.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Erstattungsanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil der Kläger den gesetzmäßigen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Eine Kostenerstattung scheide aus, wenn sich der Versicherte die Leistung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges auf eigene Kosten selbst beschaffe, also nicht mittels der Krankenversicherungskarte, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten. Nach ständiger Rechtsprechung müsse zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand der rechtswidrigen Ablehnung einer Leistung und dem Nachteil des Versicherten ein Kausalzusammenhang bestehen. Dies sei hier nicht der Fall, weil der Kläger sich die Leistung selbst beschafft habe, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse in Verbindung zu setzen. Das Fest-stellungsbegehren des Klägers könne ebenfalls keinen Erfolg haben, weil die streitbefangenen Untersuchungen nicht Bestandteil der Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinien seien und somit nicht zu den von der Beklagten geschuldeten Leistungen gehörten.

Gegen den ihm am 07. Februar 2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 03. März 2003 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung wiederholt und vertieft er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, dass das Sozialgericht verkannt habe, dass er die Gewährung der streitbefangenen Leistung nicht im Rahmen einer individuellen Krankenbehandlung begehre, sondern als Vorsorgemaßnahme zur Früherkennung des Glaukoms.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die im Oktober 2000 durchgeführte Glaukom-Früherkennungsuntersuchung in Höhe von 15,34 EUR zu erstatten sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle zwei Jahre eine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Hinsichtlich der von dem Kläger erhobenen Feststellungsklage bestehen bereits erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit dieser Klage. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er einen Anspruch auf eine regelmäßige Gewährung von Früherkennungsuntersuchungen hat. Fraglich ist aber, ob er diesen Anspruch nicht vorrangig im konkreten Einzelfall mittels einer Gestaltungs- oder Leistungsklage geltend machen muss, nachdem die Beklagte mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und hierüber eine Entscheidung getroffen hat. Denn die Feststellungsklage ist diesen Klagen gegenüber grundsätzlich subsidiär (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 55 Rdnr. 19 f m. w. Nachw.).

Jedenfalls aber ist die Feststellungsklage unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen. Nach § 25 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetz-buch (SGB V) haben Versicherte, die das 35. Lebensjahr vollendet haben, jedes zweite Jahr Anspruch auf eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten, insbesondere zur Früherkennung von Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie der Zuckerkrankheit. Nach § 25 Abs. 3 SGB V setzt ein solcher Anspruch voraus, dass

1. es sich um Krankheiten handelt, die wirksam behandelt werden können, 2. das Vor- oder Frühstadium dieser Krankheiten durch diagnostische Maßnahmen erfass-bar ist, 3. die Krankheitszeichen medizinisch-technisch eindeutig zu erfassen sind, 4. genügend Ärzte und Einrichtungen vorhanden sind, um die aufgefundenen Verdachtsfälle eingehend zu diagnostizieren und zu behandeln.

Dabei bestimmt nach § 25 Abs. 4 Satz 2 SGB V der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 SGB V das Nähere über Art und Umfang der Untersuchungen sowie die Erfüllung der Voraussetzungen nach Abs. 3. Dem ist der Bundesausschuss hinsichtlich der Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen mit Beschluss vom 21. Dezember 2004 (BAnz. Nr. 61 vom 01. April 2005) nachgekommen. In diesem Beschluss hat der Ausschuss bestimmt, dass ein Glaukom-Screening, also eine präventive Untersuchung der Versicherten auf Glaukom-Verdachtsmomente, auf der Grundlage des gegenwärtigen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Früherkennung von Krankheiten gem. § 25 Abs. 3 SGB V nicht empfohlen werden könne. Dieser Beschluss ist am 02. April 2005 in Kraft getreten und steht daher dem Begehren des Klägers, mit dem dieser ein bestimmtes zukünftiges Verwaltungshandeln der Beklagten erstrebt, entgegen.

Bei den Richtlinien nach § 92 SGB V handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die für Leistungsbringer, Krankenkassen und Versicherte gleichermaßen verbindlich sind. Für einen Verstoß des Beschlusses gegen höherrangiges Recht, insbesondere für eine Verkennung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 SGB V ist nichts ersichtlich. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist vielmehr nach Auswertung der vorliegenden Studien zu dem Ergebnis gelangt, dass keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse dazu vorliegen, dass das Vor- oder Frühstadium dieser Krankheiten durch diagnostische Maßnahmen erfassbar ist. Anhaltspunkte dafür, dass hier ein Systemversagen dergestalt gegeben ist, dass der Bundesausschuss gesicherte Erkenntnisse hierzu übersehen oder pflichtwidrig nicht umgesetzt hat, sind weder vom Kläger vorgetragen noch sind solche Anhaltspunkte nach Aktenlage ersichtlich.

Die vom Kläger überdies erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage auf Erstattung der Kosten für die von ihm selbst beschaffte Glaukom-Früherkennungsuntersuchung ist zulässig, aber unbegründet. Der mit ihr angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2001 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu, weil er - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - den hierfür notwendigen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Vor Inanspruchnahme der Leistung hätte er sich mit der Beklagten in Verbindung setzen müssen und eine Bescheidung seines Antrages abwarten müssen. Dies ist indes unterblieben. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 30. Januar 2003 (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache selbst.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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