L 24 B 1013/05 P NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 P 216/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 B 1013/05 P NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. September 2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Verfahrenswert wird auf 189,89 Euro festgesetzt.

Gründe:
I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Pflegeleistungen für seine Mutter für den Zeitraum von ihrem Todestag bis zum Ende des Todesmonats.

Der Kläger macht als Rechtsnachfolger Ansprüche im Hinblick auf die bei der Beklagten versicherten Frau I F V. , geboren 1908 und verstorben 2001 geltend. Die V. erhielt von der Beklagten Leistungen der vollstationären Pflege in der Pflegestufe II. Für den Todesmonat Februar 2001 zahlte die Beklagte an das Pflegeheim zunächst den vollen Monatssatz von 2 500,00 DM und forderte, nachdem die V. verstorben war, die Leistung für die Zeit vom 21. Februar 2001 bis 28. Februar 2001 in Höhe von 389,00 DM vom Pflegeheim zurück.

Der Kläger – der insoweit vom Pflegeheim auf Zahlung der Heimkosten für die Zeit ab 21. Februar 2001 in Anspruch genommen wird – beantragte bei der Beklagten, die vom Pflegeheim bereits erstatteten 389,00 DM wieder an dieses zurückzuzahlen. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Oktober 2001 ab und wies den Widerspruch hiergegen mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2002 zurück: Nach § 8 Abs. 8 Heimgesetz HeimG ende das Vertragsverhältnis der Bewohner der Pflegeheime mit deren Tod, so dass für Leistungen nach dem Tod keine Rechtsgrundlage bestünde.

Gegen den ihm am 13. April 2002 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 26. April 2004 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, die Mittel seien zum Zeitpunkt der Rückforderung bereits verbraucht gewesen. Die vollstationäre Pflegeleistung sei eine Geld- und keine Sachleistung.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid vom 18. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Betrag von 189,89 EUR (= 389,00 DM) an das Pflegeheim zurückzuzahlen, hilfsweise dem Kläger gegenüber einen Rückforderungsbescheid zu erlassen.

Die Beklagte und das mit Beschluss vom 01. September 2004 – als Heimträger – beigeladene Land Berlin haben erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie halten die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Mit Urteil vom 15. September 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, jedenfalls bei der Rechtslage im Jahr 2001 bestehe der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht: Mit dem Tode der V. habe die Mitgliedschaft bei der Beklagten geendet. Aus dem Vertragsverhältnis mit der Beigeladenen hätten grundsätzlich noch Ansprüche in Bezug auf bis zu einem weiteren Monat bestehen können (§ 4 b Abs. 8 Heimgesetz).

Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen.

Gegen dieses dem Kläger am 16. November 2005 zugestellte Urteil richtet sich dessen Nichtzulassungsbeschwerde vom 28. November 2005. Zum einen habe die Sache grundsätzliche Bedeutung und zum anderen lägen Verfahrensmängel vor. Wenn das Sozialgericht ausgeführt habe, der Leistungsanspruch gegenüber der Pflegekasse ende mit dem Tode des Versicherten, so stünde dies im Widerspruch dazu, dass nach § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) Pflegegeld bis zum Ende des Todesmonats geleistet werde. Dieser Widerspruch habe grundsätzliche Bedeutung. Darüber hinaus lägen Verfahrensmängel vor: Die ehrenamtliche Richterin Frau Yilik habe als Schriftführerin fungiert, so dass sie die Aufgaben einer ehrenamtlichen Richterin nicht ordnungsgemäß wahrgenommen habe. Der ehrenamtliche Richter Harnisch habe sich passiv verhalten und zum Ausdruck gebracht, er, der Kläger, solle zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, denn die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern. Diese Rechtsfrage muss im konkreten Rechtsstreit klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Meyer Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 7. Auflage, § 144 Rdnr. 28; Kummer, Neue Zeitschrift für Sozialrecht [NZS 1993, 337, 341/342]). Ein Verfahrensmangel ist gegeben, wenn infolge einer unrichtigen Anwendung oder Nichtanwendung einer Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt, das Verfahren des Sozialgerichts bis zum Erlass einschließlich des Urteils fehlerhaft abgelaufen ist. Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor, wenn unter anderem die Anwendung des materiellen Rechts oder die Beweiswürdigung fehlerhaft ist. Bei der Beurteilung, ob ein Verfahrensmangel unterlaufen ist, ist von der Rechtsansicht des Sozialgerichts bezüglich des materiellen Rechts auszugehen.

Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage ist hier nicht zu entscheiden.

Der vom Kläger gerügte Widerspruch zwischen der Grundregel des § 35 SGB XI und der Regelung in § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB XI ist zum einen nicht als tragender Grund in der angefochtenen Entscheidung dargelegt und besteht zum anderen auch tatsächlich nicht.

Nach § 35 SGB XI erlischt der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit in diesem Buch nicht Abweichendes bestimmt ist. Gemäß § 49 Abs. 1Satz 2 SGB XI endet die Mitgliedschaft unter anderem mit dem Tod des Mitglieds. Demnach besteht also eine Grundnorm dahingehend, dass Ansprüche auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft, also auch mit dem Tod, erlöschen. § 35 SGB XI enthält jedoch einen zweiten Halbsatz, wonach dies nur der Fall ist, soweit im SGB XI nichts Abweichendes bestimmt ist. Hier handelt es sich eindeutig um ein Regel-Ausnahmeverhältnis, so dass, wenn § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB XI bestimmt, dass im Falle selbst beschaffter Pflegehilfen das Pflegegeld bis zum Ende des Kalendermonats geleistet wird, in dem der Pflegebedürftige gestorben ist, dann etwas Abweichendes gilt. Derartige Bestimmungen jedoch enthält § 43 SGB XI für die vollstationäre Pflege nicht, so dass es im Fall der vollstationären Pflege, die der Versicherten geleistet wurde, im Gegensatz zu selbst beschafften Pflegehilfen bei der Grundregel bleibt.

Die Frage ist also aus dem Gesetz eindeutig zu beantworten und – unabhängig davon, dass sie sich aus dem erstinstanzlichen Urteil nicht stellt – auch nicht klärungsbedürftig.

Vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmängel liegen nicht vor: Es ist nicht ersichtlich, dass die ehrenamtliche Richterin Yilik, durch die vorgetragene Protokollführung nicht in der Lage gewesen sein sollte, der mündlichen Verhandlung zu folgen und zu einem sachgerechten Urteil zu kommen. Insoweit rügt der Kläger offensichtlich eine Verletzung von § 12 Abs. 1 SGG, also der ordentlichen Besetzung des Gerichts mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern. Eine nicht ordnungsgemäße Gerichtsbesetzung liegt aber nur dann vor, wenn die ehrenamtliche Richterin durch andere Tätigkeiten so abgelenkt gewesen wäre, dass sie gehindert war, die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung in sich aufzunehmen und sich daraus ihr Urteil zu bilden (hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Januar 1986, NJW 1986, S. 2721). Allein dass nach Auffassung des Klägers die Richterin durch "Sekretärinnenaufgaben" eingeschränkt gewesen sei, sagt nichts darüber aus, dass sie tatsächlich seinen Ausführungen nicht habe folgen können. Jedenfalls gibt der Umfang des Terminsprotokolls vom 15. September 2005 keinen Hinweis auf eine Überforderung der Richterin. Das Protokoll enthält im wesentlichen auf Seite 2 eine Erklärung des Klägers im Umfang von etwa 7 Zeilen. Es mag sein, dass die Richterin bei einer Protokollierung in der sonst möglichen "Zuwendung" zum Vorgetragenden eingeschränkt war. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie die Ausführungen des Klägers selbst, auf die es ihm wesentlich ankommt, nicht erfassen konnte. Jedenfalls hat sie sie nach dem Vortrag des Klägers – der insoweit Einwendungen gegen den Inhalt des Protokolls nicht erhoben hat – niedergeschrieben, was dafür spricht, dass sie sie auch erfasst hat. Auch der Vortrag des Klägers, dass der ehrenamtliche Richter Harnisch sich passiv verhalten habe, lässt keinen Verfahrensfehler erkennen. Ein ehrenamtlicher Richter hat wie jedes Mitglied eines Spruchkörpers das Recht, Fragen und Anregungen in der mündlichen Verhandlung vorzubringen, jedoch nicht die Pflicht. Wenn der Kläger geltend macht, der ehrenamtliche Richter habe ihm bedeutet, er solle zahlen, so könnte dies allenfalls einen Grund zur Ablehnung dieses Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit auslösen. Dieser jedoch wäre vor der Entscheidung der Kammer geltend zu machen gewesen (§ 60 SGG i.v.m. § 43 ZPO), so dass der Kläger hiermit nicht mehr gehört werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), denn der Kläger gehört nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen, insbesondere ist er nicht Sonderrechtsnachfolger (§ 56 SGB I) und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens. Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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