L 24 KR 4/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 214/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 4/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenerstattung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bei seiner privat krankenversicherten Ehefrau.

Der im 1954 geborene Kläger ist Mitglied bei der Beklagten und bei dieser versichert. Die Ehefrau hingegen ist privat krankenversichert. Aufgrund einer beim Kläger liegenden Ursache ist das Ehepaar kinderlos, so dass der Kinderwunsch nach Auffassung der behandelnden Ärzte nur durch eine In-Vitro-Fertilisationsbehandlung zu realisieren ist. Die private Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers lehnte die Übernahme der Kosten hierfür ab, da die Ursache beim Kläger und nicht bei der Ehefrau liege.

Infolgedessen beantragte der Kläger am 26. Juli 2000 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die entsprechende Behandlung.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 11. September 2002 mit, sie übernehme die Kosten für die beim Kläger selbst durchzuführenden Maßnahmen und für die extrakorporalen Maßnahmen, nicht jedoch für die am Körper der Ehefrau des Klägers vorzunehmenden Leistungen. Im Übrigen sei die Vorlage der schriftlichen Ablehnung der Versicherung der Ehefrau erforderlich.

Diese brachte der Kläger ebenso wie Rechnungen in Höhe von 5.631,67 Euro bei und legte Widerspruch gegen die teilweise Ablehnung der Kostenübernahme ein.

Die Beklagte ließ vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung - MDK - darlegen, welche Leistungen aus den beigebrachten Rechnungen beim Kläger bzw. extrakorporal vorgenommen wurden und erstattete den sich daraus ergebenden Betrag von 2.322,01 Euro an den Kläger.

Im Widerspruchsbescheid vom 21. November 2002 wies die Beklagte den darüber hinausgehenden Widerspruch zurück und begründete dies damit, nach § 27 a Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei ein Anspruch für Leistungen, die am Körper der privat versicherten Ehefrau vorgenommen würden, ausgeschlossen.

Hiergegen hat sich die am 17. Dezember 2002 beim Sozialgericht Potsdam erhobene Klage gerichtet, mit der der Bevollmächtigte der Klägerin unter Bezugnahme auf Urteile des BSG vom 03. April 2001 (Aktenzeichen B 1 KR 22/00 R) beantragt hat,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2002 zu verurteilen, die entstandenen Kosten für die durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 7.236,47 Euro bzw. in gesetzlichem Umfang zu erstatten.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Inhalt ihrer angefochtenen Bescheide bezogen. Darüber hinaus hat sie die Auffassung vertreten, die vom Bevollmächtigten des Klägers zitierte Rechtsprechung des BSG stehe dem nicht entgegen.

Mit Urteil vom 20. November 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtungen gemäß § 27 a SGB V ergebe sich nicht aus der Krankheit eines einzelnen Ehepartners, sondern aus der Unfähigkeit eines Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Es sei für den Anspruch unerheblich, bei welchem Ehepartner tatsächlich die eigentliche Ursache für die Kinderlosigkeit liege. Das Bundessozialgericht (B 1 K R 40/00 R) hatte die Auffassung vertreten, dass nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkasse alle extrakorporalen Maßnahmen der Krankenkasse der Frau zuzuordnen seien, bei der die Schwangerschaft eintreten solle. Die Beklagte habe dennoch nicht nur die beim Kläger selbst durchgeführten Maßnahmen, sondern auch die extrakorporalen Maßnahmen bezahlt. Für eine Erstattung der Kosten, die für die Behandlung am Körper der privat versicherten Ehefrau vorgenommen wurden, bestünde keinerlei Grundlage. Aus der Rechtsprechung des BSG, insbesondere den Urteilen vom 03. April 2001 ergebe sich nichts anderes.

Gegen dieses, den Bevollmächtigten des Klägers am 08. Dezember 2003 zugestellte Urteil, richtet sich deren Berufung vom 07. Januar 2004, zu deren Begründung vorgetragen wurde, es bestünde ein Gesamtkostenerstattungsanspruch für die Behandlung beider Eheleute und aus der Rechtsprechung des BSG ergebe sich, dass dann, wenn einer der beiden privat krankenversichert ist, die gesetzliche Krankenversicherung voll leistungspflichtig sei, da die private Krankenversicherung nur dann leiste, wenn die dort versicherte Person auch selber erkrankt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2003, Aktenzeichen S 7 KR 214/02, abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. September 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2002 zu verurteilen, die entstandenen Kosten für die durchgeführte Maßnahme der künstlichen Befruchtung in Höhe von 7.236,47 Euro bzw. im gesetzlichen Umfang zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, insbesondere die Entscheidung B 1 KR 11/03 R vom 22. März 2005.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten () verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung weiterer Kosten für die Übernahme der künstlichen Befruchtung, so dass dies aussprechenden angefochtenen Verwaltungsakte und dass sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts keiner Beanstandung unterliegen.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).

Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 a Nr. 3).

Der am 06. Juli 2002 gestellte Antrag ist als Antrag auf Kostenerstattung in letztgenanntem Sinne zu verstehen. Zum einen folgt dies daraus, dass sich der Kläger ausdrücklich auf das genannte Urteil des BSG vom 03. April 2001 bezog. Wenn ein Sachleistungsanspruch von der Krankenkasse nicht erfüllt werden kann, weil zuerst die leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen (Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bzw. gebührenrechtliche Erfassung im EBM-Ä) geschaffen werden müssen, gibt § 13 Abs. 3 SGB V dem Versicherten das Recht, entweder sich unaufschiebbare Leistungen auf Kosten der Krankenkasse selbst zu beschaffen oder von der Krankenkasse zu verlangen, dass diese die Kosten vorab übernimmt und unmittelbar mit dem Leistungserbringer abrechnet, wenn feststeht, dass die Leistung unabhängig von der noch zu treffenden Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu gewähren ist. Von den Beschränkungen des krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrechts ist der Versicherte jedoch in diesem Fall nur insoweit befreit, als dies zur Überwindung des Systemmangels erforderlich ist (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R).

Verlangt der Versicherte von seiner Krankenkasse Kostenübernahme und erbringt der Vertragsarzt die Leistungen im Hinblick darauf gegenüber dem Versicherten, ohne dass zwischen diesen eine privatärztliche Vereinbarung getroffen wird, entsteht zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse allerdings kein Anspruch auf Zahlung, denn es fehlt dann notwendigerweise an einer Rechtsgrundlage, aus der ein solcher Anspruch resultieren könnte. Einen Zahlungsanspruch hat in diesem Fall allein der Vertragsarzt gegenüber der Krankenkasse. Erbringt der Vertragsarzt hingegen die Leistung gegenüber dem Versicherten auf der Grundlage eines privatärztlichen Vertrages, richten sich die Ansprüche des Versicherten unmittelbar nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Der Anspruch des Versicherten auf Übernahme der Kosten und der Anspruch des Vertragsarztes auf Zahlung jeweils gegenüber der Krankenkasse setzen nach der o. g. Rechtsprechung des BSG voraus, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift über die begehrte Sachleistung grundsätzlich erfüllt sind.

Obwohl der Kläger einen Antrag auf Kostenübernahme stellte, kam es nachfolgend zu einer Behandlung aufgrund eines privatärztlichen Vertrages. Anspruchsgrundlage für Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft und soweit für eine Kostenerhebung nach § 13 SGB V ist § 27 a SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juni 1990 (BGBl I 1990, 1211).

Danach (§ 27 a Abs. 1 SGB V) umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn 1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind, 2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht in der Regel nicht mehr, wenn die Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt worden ist, 3. die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind, 4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und 5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121 a SGB V erteilt worden ist.

Nach § 121 a Abs. 1 SGB V dürfen die Krankenkassen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27 a Abs. 1 SGB V) nur erbringen lassen durch 1. Vertragsärzte, 2. ermächtigte Ärzte, 3. ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen oder 4. zugelassene Krankenhäuser, denen die zuständige Behörde eine Genehmigung nach § 121 a Abs. 2 SGB V zur Durchführung dieser Maßnahmen erteilt hat. Dies gilt bei Inseminationen nur dann, wenn sie nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden, bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht.

Nach § 27 a Abs. 2 SGB V gilt § 27 a Abs. 1 SGB V auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch eine erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist § 27 a Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 SGB V nicht anzuwenden.

Die Krankenkasse übernimmt nur die Kosten der Maßnahmen nach § 27 a Abs. 1 SGB V, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden (§ 27 a Abs. 3 SGB V).

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bestimmt in Richtlinien nach § 92 SGB V die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach § 27 a Abs. 1 SGB V (§ 27 a Abs. 4 SGB V).

Diese Voraussetzungen lagen bei Antragstellung am 06. Juli 2002 - vorbehaltlich der vom Senat mangels eigener Sachkunde nicht zu beurteilenden medizinischen Voraussetzungen des § 27 a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB V - vor bzw. hätten noch erfüllt werden können, was § 27 a Abs. 1 Nr. 5 SGB V anbelangt.

Das BSG hat in der von der Beklagten zitierten Entscheidung vom 22. März 2005 (B 1 KR 11/03 R) Grundsätze aufgestellt, wie die Kostenerstattung bei künstlicher Befruchtung vorzunehmen ist, wenn die Ehegatten unterschiedlich versichert sind. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung. Hier liegt der Fall vor, dass ein Ehegatte (der Kläger) gesetzlich, der andere (die Ehefrau) privat versichert ist. Dann hat die Versicherung der Ehefrau und/oder die Beihilfestelle die unmittelbar und ausschließlich ihren Körper betreffende Behandlung zur künstlichen Befruchtung zu tragen (BSG a.a.O. Gründe Ziffer 4 d).

Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf weitere Erstattung von Kosten für die künstliche Befruchtung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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