L 18 B 693/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 35/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 693/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 21. März 2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 11. Januar 2006 bis zum 31. Januar 2006 die anteilige Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts abzüglich eines gegebenenfalls einzusetzenden eigenen Erwerbseinkommens zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Januar 2006 weiter verfolgt, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet und war zurückzuweisen.

Für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 10. Januar 2006 fehlt es schon deshalb an einem eiligen Regelungsbedürfnis für die begehrte gerichtliche Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), weil ein Anordnungsgrund für den Zeitraum vor dem Eingang des Rechtsschutzantrages bei dem Sozialgericht (11. Januar 2006) regelmäßig nicht besteht. Ein besonderer Nachholbedarf oder eine Fortwirkung der Nichtgewährung in der Vergangenheit in die Gegenwart ist weder dargetan noch im Übrigen ersichtlich.

Für die Zeit vom 11. Januar 2006 bis zum 31. Januar 2006 ist jedenfalls für die insoweit geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung für die Wohnung Z in P wegen des Umzuges des Antragstellers in seine neue Wohnung im M in P zum 1. Februar 2006 ein Abwarten des Antragstellers auf die Entscheidung in der Hauptsache ebenfalls zumutbar. Die Nichtgewährung der Unterkunftskosten kann sich insoweit gegenwärtig nicht nachteilig für den Antragsteller auswirken.

Hinsichtlich der für die Zeit vom 11. Januar 2006 bis zum 31. Januar 2006 begehrten SGB II- Leistungen im Übrigen, d.h. der insoweit für den Antragsteller nur in Betracht kommenden anteiligen Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden und vorliegend noch anwendbaren Fassung, besteht hingegen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, und zwar abzüglich eines gegebenenfalls in diesem Zeitraum erzielten und einzusetzenden (vgl. § 11 Abs. 2 SGB II, § 30 SGB II) Erwerbseinkommens des Antragstellers (vgl. sein Vorbringen im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Schriftsatz vom 16. Januar 2006). Der Antragsteller war in dem in Rede stehenden Zeitraum – unstreitig – erwerbsfähig und auch hilfebedürftig (vgl. §§ 7, 8, 9 SGB II). Eine Anrechnung des Einkommens seiner Mitbewohnerin E S (im Folgenden: S.) hat jedenfalls für diesen Zeitraum vorläufig zu unterbleiben. Ob der Antragsteller mit S. - und dann auch mit deren Sohn C – in der Zeit vom 11. Januar 2006 bis zum 31. Januar 2006 eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 Fassung bildete, hängt davon ab, ob er und S. in eheähnlicher Gemeinschaft lebten. Dies lässt sich aber ohne eine gerichtliche Beweisaufnahme (Anhörung des Antragstellers, Vernehmung der S. und gegebenenfalls des Sohnes als Zeugen) nicht abschließend klären, zumal in der Person des Antragstellers und der S. in dem genannten Zeitraum auch keiner der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3 a Nrn. 1 bis 4 SGB II in der ab 1. August 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) erfüllt war. Eine solche Sachaufklärung ist grundsätzlich auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569, S. 8 mit weiteren Nachweisen). Ist sie nicht möglich oder – wie vorliegend - angesichts der Eilbedürftigkeit untunlich, hat das Gericht eine Folgenabwägung vorzunehmen. Diese führt hier dazu, dass die Antragsgegnerin in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu verpflichten war. Denn im Falle einer Nichtgewährung der begehrten Leistungen wäre die Existenz des Antragstellers für den Zeitraum vom 11. Januar 2006 bis zum 31. Januar 2006 nicht gesichert gewesen. Dieser Nachteil wiegt ungleich schwerer als die Nachteile, die sich bei einer einstweiligen Gewährung der Leistungen und mangelndem Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache für die Antragsgegnerin ergeben. Dass der Antragsteller in dem in Rede stehenden Zeitraum ohne die Hilfegewährung "überlebt" hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. auch OVG Schleswig-Holstein info also 2004, 226).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt das nur geringfügige Obsiegen des Antragstellers.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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