L 12 RA 76/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 RA 1749/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 76/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerinnen und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2004 werden zurückgewiesen. Die Beklagte hat den Klägerinnen jeweils ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Hinterbliebenenrenten.

Die Klägerin zu 1) ist die Witwe des 1942 geborenen und 1997 verstorbenen P D (im Folgenden: Versicherter), die Klägerin zu 2) dessen 1984 geborene Tochter. Der Versicherte war als Bauingenieur im Ausland beschäftigt, er verstarb während eines Einsatzes in N an Malaria. Die Klägerin zu 1) war ursprünglich ägyptische Staatsangehörige. Nach der 1987 in K erfolgten Heirat wurde sie durch Einbürgerungsurkunde vom 1993, ausgehändigt am 1993, deutsche Staatsangehörige.

Am 2. Juli 1997 beantragte die in M wohnhafte Klägerin zu 1) die Gewährung einer Hinterbliebenenrente, am 23. Oktober 1997 die ebenfalls in M bei ihrer Mutter, der Klägerin zu 1) wohnhafte Klägerin zu 2) die Gewährung einer Halbwaisenrente. Die Klägerinnen gaben beide an, Hinterbliebenenrenten aus der Unfallversicherung weder zu erhalten noch beantragt zu haben. Allerdings wies die Klägerin zu 1) darauf hin, dass der Tod des Versicherten Folge eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit sei, ein Verfahren sei anhängig. Die Klägerin zu 1) müsse ab November wieder nach Ä zurückkehren, um ihrer kranken Mutter beizustehen. Durch Bescheide vom 1. Dezember 1997 bewilligte die Beklagte der Klägerin zu 1) eine große Witwenrente und der Klägerin zu 2) eine Halbwaisenrente. Die laufenden Zahlungen wurden zum Januar 1998 aufgenommen, es ergaben sich für die Klägerin zu 1) ein monatlicher Betrag von 1.762,19 DM und eine Nachzahlung von 16.184,08 DM, für die Klägerin zu 2) ein monatlicher Betrag von 480,12 DM und eine Nachzahlung von 3.413,98 DM. Die Klägerin zu 1) erhielt einen Zuschuss zur Pflegeversicherung in Höhe von 14,85 DM.

Mit Bescheid vom 24. April 1998 bewilligte die T Berufsgenossenschaft (T-BG) der Klägerin zu 1) neben einem einmaligen Sterbegeld von 7.320,00 DM Witwenrente in Höhe von monatlich 6.666,67 DM vom Todestag des Versicherten bis zum 31. August 1997 (Sterbevierteljahr) und in Höhe von monatlich 4.000,- DM ab 1. September 1997. Der Klägerin zu 2) wurde mit Bescheid vom selben Tag (24. April 1998) Waisenrente in Höhe von 2.000,- DM monatlich bewilligt. Die laufenden Zahlungen begannen am 1. Juni 1998, die Nachzahlungen wurden wegen zu erwartender Ersatzansprüche der Beklagten einbehalten. Auf Nachfrage erfuhr die Beklagte am 14. Mai 1998 von der T-BG, dass die Renten wegen eines bei dem Versicherten eingetretenen Versicherungsfalles am 22. Mai 1997 und seines Todes 1997 gezahlt wurden.

Durch Bescheid vom 11. Juni 1998 berechnete die Beklagte die an die Klägerin zu 1) zu zahlende große Witwenrente mit Wirkung ab 1. August 1998 neu. Als laufender monatlicher Zahlbetrag wurden ab August 1998 215,30 DM festgestellt, auf Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung entfielen davon 13,60 DM und 1,70 DM. Die sich rechnerisch in Höhe von 1.755,07 DM ergebende Rente könne wegen Zusammentreffen mit Leistungen aus der Unfallversicherung in Höhe von 4.000,- DM nur in Höhe von 200,- DM geleistet werden. Der Rentenbescheid vom 1. Dezember 1997 werde nach § 45 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung ab dem 1. August 1998 zurückgenommen. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin zu 1) nicht berufen, weil der Bescheid vom 1. Dezember 1997 den Hinweis enthalten habe, dass die Zahlung einer Rente aus der Unfallversicherung Einfluss auf die Höhe der Leistungen haben könne. Die Möglichkeit einer Rücknahme für die Vergangenheit werde noch geprüft. Jedenfalls werde gegen die Berufsgenossenschaft ein Erstattungsanspruch geltend gemacht.

Auch für die Klägerin zu 2) berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 11. Juni 1998 die Halbwaisenrente mit Wirkung ab dem 1. August 1998 neu. Ein Zahlbetrag ergebe sich wegen des Zusammentreffens mit Leistungen aus der Unfallversicherung nicht mehr. Der Rentenbescheid vom 1. Dezember 1997 werde nach § 45 SGB X mit Wirkung ab dem 1. August 1998 zurückgenommen. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin zu 2) nicht berufen, weil der Bescheid vom 1. Dezember 1997 den Hinweis enthalten habe, dass die Zahlung einer Rente aus der Unfallversicherung Einfluss auf die Höhe der Leistungen haben könne. Die Möglichkeit einer Rücknahme für die Vergangenheit werde noch geprüft, jedenfalls gegen die Berufsgenossenschaft ein Erstattungsanspruch geltend gemacht.

Die T-BG erstattete der Beklagten 22.127,94 DM für vom 28. Mai 1997 bis 31. Mai 1998 an die Klägerin zu 1) gezahlte Witwenrente und von 5.814,58 DM für vom 28. Mai 1997 bis 31. Mai 1998 an die Klägerin zu 2) gezahlte Waisenrente.

Gegen die Bescheide vom 11. Juni 1998 legten die Klägerinnen am 24. Juli 1998 Widerspruch ein. Die Klägerin zu 1) halte sich zurzeit in Ä auf. Mit Schreiben vom 1. Oktober 1998 hörte die Beklagte die Klägerinnen dazu an, dass sie beabsichtige, die Bescheide vom 1. Dezember 1997 mit Wirkung ab 1. Mai 1998 gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen und die von Mai 1998 bis Juli 1998 erfolgten Überzahlungen von 4.649,07 DM (Witwenrente) bzw. 1.442,48 DM (Waisenrente) zurückzufordern. Da aber die T-BG bereits die Überzahlungen für den Monat Mai 1998 erstattet habe, würden nur noch 3.101,88 DM (Witwenrente) bzw. 962,36 DM (Waisenrente) zurückverlangt.

Am 3. September 1998 verständigte der Postrentendienst die Beklagte davon, dass die Klägerin zu 1) am 30. Oktober 1997 mit unbekanntem Ziel/Ä aus M verzogen sei. Der Bevollmächtigte der Klägerinnen wies darauf hin, dass sich wegen des Aufenthaltes der Klägerinnen in Ä eine Stellungnahme zur angekündigten Rücknahme der Bescheide mit Wirkung für die Vergangenheit verzögern werde. Die Klägerin zu 1) beabsichtige, im April 1999 zusammen mit ihrer Tochter nach Deutschland zurückzukehren.

Durch Bescheid vom 23. November 1998 stellte die Beklagte den Zahlbetrag der an die Klägerin zu 1) gezahlten Witwenrente in Höhe von monatlich 200,- DM ab 1. Januar 1999 neu fest. Das Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnis habe sich geändert, der Rentenbescheid vom 11. Juni 1998 werde für die Zukunft gemäß § 48 SGB X aufgehoben. Im März 1999 wurde auch gegen diesen Rentenbescheid Widerspruch eingelegt, die Klägerin zu 1) befinde sich nach wie vor in Ä.

Am 28. Juni 1999 nahmen die Bevollmächtigten der Klägerinnen zu der beabsichtigten Rückforderung der überzahlten Renten Stellung. Die Beträge seien vollständig verbraucht worden, da das Leben in Ä sehr teuer sei. Die Klägerin zu 1) sei ihrer Mutter und der Klägerin zu 2) gegenüber unterhaltspflichtig. Für die Wohnung seien monatlich 1500,- DM aufzuwenden gewesen, für die allgemeine Lebenshaltung weitere 1.500,- DM pro Person. Hinzu kämen monatlich 1.350,- DM für ein Mietauto und erhebliche Stromkosten wegen des Betriebs einer Klimaanlage. Durch Bescheide vom 27. Juli 1999 nahm die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1) und der Klägerin zu 2) die Bescheide vom 1. Dezember 1997 für die Zeit vom 28. Mai 1997 bis 31. Juli 1998 zurück und forderte überzahlte und nicht von der T-BG erstattete Beträge von 3.101,88 DM bzw. 962,36 DM zurück. Die Bescheide seien bei nachträglich-objektiver Betrachtung von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht berücksichtigt worden seien. Gegen diese Bescheide erhoben die Klägerinnen Widerspruch.

Im September 1999 fragte der Bevollmächtigte der Klägerin zu 1) bei der Beklagten an, ob die laufenden Rentenleistungen nach Ö gezahlt werden könnten. Durch Rentenbescheid vom 10. November 1999 berechnete die Beklagte die an die Klägerin zu 1) zu zahlende Witwenrente ab dem 1. August 1998 neu. Für die Zeit vom 1. August 1998 bis 31. Dezember 1998 wurden monatlich 200,- DM und ein monatlicher Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 15,30 DM gewährt, ab 1. Januar 1999 allein 200,- DM monatlicher Rente. Der Bescheid werde Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens. Gleichwohl legte die Klägerin zu 1) wieder Widerspruch ein.

Am 31. Mai 2000 verlangte die T Krankenkasse unter Hinweis auf eine bis zum 30. November 1999 bestehende Mitgliedschaft der Klägerin zu 1) die Verrechnung ihrer Beitragsforderungen von 4.851,25 DM mit den laufenden Rentenzahlungen. Die Klägerin zu 1) lebe seit längerer Zeit in Ö. Auf Nachfrage erklärte die Klägerin zu 1), dass sie sich seit Juni 1998 vorübergehend in Ö aufhalte, nach einer ö Meldebestätigung ist sie seit 1. Juli 1999 dort mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die Beklagte erkannte durch Bescheid vom 20. September 2000 den Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Rente für die Dauer des gewöhnlichen Auslandsaufenthalts in Höhe der bisherigen Inlandsrente an. Durch Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2001 wies die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1) die Widersprüche gegen ihre Bescheide vom 11. Juni 1998, 23. November 1998, 27. Juli 1999 und 10. November 1999 zurück. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 11. Juni 1998, 27. Juli 1999 und 10. November 1999 seien nicht begründet worden, weswegen eine Überprüfung nur nach Aktenlage möglich sei. Danach seien die Bescheide nicht zu beanstanden. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. November 1998 sei hingegen verfristet. Danach könne auf die sich gemäß § 50 SGB X ergebende Rückforderung von 3.101,88 DM nicht verzichtet werden. Gegenüber der Klägerin zu 2) wies die Beklagte deren Widersprüche gegen die Waisenrentenbescheide mit derselben Begründung zurück und forderte auch insoweit die Erstattung einer Restüberzahlung von 3.101,88 DM.

Dagegen haben die Klägerinnen jeweils am 16. März 2001 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und die Aufhebung der Bescheide vom 11. Juni 1998, 23. November 1998, 27. Juli 1999 und 10. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 verlangt. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. November 1998 sei nicht verfristet, da der Bescheid erst am 27. Januar 2001 zugegangen sei. Jedenfalls sei der Bescheid nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des schon laufenden Widerspruchsverfahrens geworden. Der die Rentenbewilligung mit Wirkung für die Zukunft aufhebende Bescheid sei (jeweils) rechtswidrig, weil die Beklagte nicht berücksichtigt habe, dass ihr das Bestehen von Ansprüchen gegen die Unfallversicherung von Anfang an bekannt gewesen sei. Die Klägerinnen dagegen hätten keine Kenntnis gehabt, weil nicht sie selbst, sondern nur ihr Bevollmächtigter die Bescheide erhalten habe. Auch habe die Beklagte die Jahresfrist für eine Aufhebung nicht eingehalten. Ersatzansprüche gegen die T-BG habe sie nicht, da es zu keiner Überzahlung gekommen sei. Die Beklagte hat eingeräumt, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. November 1998 fristgerecht erfolgt sei.

Das Sozialgericht hat die Verfahren beider Klägerinnen mit Beschluss vom 19. August 2003 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und durch Urteil vom 28. Mai 2004 die Bescheide der Beklagten vom 27. Juli 1999 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 7. Februar 2001 aufgehoben und im Übrigen die Klagen abgewiesen. Die Beklagte habe die am 1. Dezember 1997 erteilten Rentenbescheide weder für die Zeit vom 28. Mai 1997 bis 30. Juli 1998 aufheben noch die für die Monate Juni und Juli 1998 gezahlten Leistungen zurückfordern dürfen. Für den Zeitraum vom 28. Mai 1997 bis 31. Mai 1998 scheitere die Aufhebung der Rentenbewilligung daran, dass der Beklagten nach § 104 SGB X ein Ersatzanspruch gegen die T-BG zustehe. Dieser Ersatzanspruch schließe eine Rückabwicklung im Verhältnis zwischen der Beklagten und den Klägerinnen aus. Für die Monate Juni und Juli 1998 sei eine Rücknahme nach § 45 SGB X deswegen nicht möglich, weil die Rentenbewilligungen bei ihrem Erlass zunächst nicht rechtswidrig gewesen seien. Erst die Bescheide der T-BG vom 24. April 1998 hätten dazu geführt, dass die Klägerinnen Leistungen aus der Unfallversicherung bezogen. Die vorher von der Beklagten erbrachten Leistungen gälten nach § 104 SGB X als rechtmäßige Leistungen der Unfallversicherung. Dafür spreche auch, dass die Beklagte bis zum Vorliegen der Bescheide des Unfallversicherungsträgers nicht wissen könne, in welcher Höhe Hinterbliebenenrente zu gewähren sei. Auch § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei keine taugliche Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung für die Monate Juni und Juli 1998. Zwar sei die Umdeutung einer gemäß § 45 SGB X erklärten Rücknahme in eine Aufhebung nach § 48 SGB X grundsätzlich möglich. Es seien auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung der Rentenbewilligungen erfüllt. Ein atypischer Fall, der die Ausübung von Ermessen erforderlich mache, liege nicht vor, auch nicht unter Berücksichtigung des klägerseitigen Vortrags, die Rentenzahlungen seien verbraucht. Die Beklagte habe aber mit ihrem Bescheid vom 27. Juli 1999 die nach § 48 Abs. 4 Satz 1 iVm § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X maßgebliche Jahresfrist für die Rücknahme nicht gewahrt. Die Beklagte habe spätestens seit dem Eingang des Schreibens der T-BG am 14. Mai 1998 Kenntnis von den die Rücknahme rechtfertigenden Umständen gehabt. Daran ändere auch nichts, dass die Beklagte noch ermessensrelevante Tatsachen habe ermitteln wollen. Erst das Vorliegen eines atypischen Falles mache die Ermessensausübung erforderlich und beschränke die Rücknahmemöglichkeit. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gehe aber grundsätzlich davon aus, dass eine Rücknahme erfolge, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien.

Unbegründet sei die Klage dagegen insoweit, als sie sich gegen die Rentenbescheide vom 11. Juni 1998 richte. Die Gewährung der Unfallhinterbliebenenrenten habe nach § 93 SGB VI zum Ruhen der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung geführt. Insoweit liege eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor, welche die Aufhebung der Rentenbescheide mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtfertige. Dafür sei weder die Jahresfrist einzuhalten noch eine Anhörung erforderlich gewesen. Die Bescheide vom 23. November 1998 und 10. November 1999, mit denen der Zahlbetrag der Rente wegen Änderung des Kranken- oder Pflegeversicherungsverhältnisses neu festgestellt worden sei, seien zwar nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Für ihre Rechtswidrigkeit sei jedoch nichts erkennbar.

Gegen das den Beteiligten am 28. Juni 2004 zugestellte Urteil richten sich die sowohl von den Klägerinnen am 28. Juli 2004 als auch von der Beklagten am 13. Juli 2004 eingelegten Berufungen.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass § 93 des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch (SGB VI) eine Ruhensvorschrift sei, welche keine Rechtsgrundlage für den Entzug der Rente für die Zukunft sein könne. Die ursprünglichen Rentenbescheide seien nicht rechtswidrig gewesen, deswegen sei § 45 SGB X nicht anwendbar. Auf § 48 SGB X habe sich die Beklagte nicht gestützt, eine Umdeutung komme wegen Fristversäumnis nicht in Betracht. Außerdem habe im Ermessenswege berücksichtigt werden müssen, dass die Klägerinnen das Geld tatsächlich benötigten. Aus welchen Gründen die Witwenrente der Klägerin zu 1) durch Bescheide vom 23. November 1998 und 10. November 1999 neu festgestellt worden sei, sei nicht nachvollziehbar und deswegen rechtlich bedenklich. Für den Beginn der Jahresfrist könne es nicht auf die Antwort auf die Anhörung ankommen, weil die Beklagte schon vorher sichere Kenntnis über die Voraussetzungen hatte, welche zur Aufhebung berechtigten. Den Klägerinnen dürfe ihre verspätete Reaktion nicht vorgehalten werden, da sie wegen ihres Aufenthaltes in Ä nicht früher hätten antworten können. Die Beklagte dagegen habe von der Anhörung absehen oder sie nachholen können.

Die Klägerin zu 1) beantragt, wie sich aus ihrem Vorbringen ergibt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2004 zu ändern und auch die die Witwenrente betreffenden Bescheide der Beklagten vom 11. Juni 1998, 23. November 1998 und 10. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 aufzuheben.

Die Klägerin zu 2) beantragt, wie sich aus ihrem Vorbringen ergibt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2004 zu ändern und auch den die Waisenrente betreffenden Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen der Klägerinnen zurückzuweisen sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2004 abzuändern und die Klagen in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen weiter,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, die Jahresfrist sei selbst dann nicht versäumt, wenn statt einer Rücknahme nach § 45 SGB X eine Aufhebung nach § 48 SGB X hätte erfolgen müssen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) beginne die Jahresfrist grundsätzlich mit Eingang der Antwort auf die Anhörung. Daran ändere auch nichts, dass vorliegend eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X wegen der Erzielung von Einkommen in Frage stehe. Auch insoweit sei eine Anhörung zwingend vorgeschrieben. Diesem Gebot könne nur entsprochen werden, wenn mit der Aufhebung bis zum Eingang der Rückäußerung zur Anhörung zugewartet werde. Der Bescheid vom 23. November 1998 habe die Bewilligung eines Beitragszuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab 1. Januar 1999 aufgehoben, da die Klägerin zu 1) sich nach Aktenlage seit Oktober 1997 gewöhnlich in Ä aufgehalten habe und die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung bei der TKrankenkasse zum 30. November 1999 beendet worden sei. Der Neuberechnungsbescheid vom 10. November 1999 knüpfe an diese Regelung der Zuschussgewährung an.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Einheitsakte, die Gegenstand der Beratung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Nach § 124 Abs. 2 SGG kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

Die Berufungen haben keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Sozialgericht zunächst die Klagen gegen die Bescheide vom 11. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Bescheide vom 11. Juni 1998 in der Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001, mit denen die bisherige Bewilligung von Witwen- und Halbwaisenrente mit Wirkung vom 1. August 1998 an aufgehoben wurde, ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Bescheide vom 11. Juni 1998 heben die Rentenbewilligungen (nur) mit Wirkung für die Zukunft auf, da sie eine Änderung vom 1. August 1998 an und damit nach dem Zeitpunkt des gemäß § 39 SGB X durch Bekanntgabe erfolgten Wirksamwerdens der Bescheide bestimmen.

Die für die Rentenbewilligung maßgebenden Verhältnisse haben sich nachträglich geändert. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein Fall einer von Anfang an rechtswidrigen Rentenbewilligung vor. Zwar ist die Bewilligung von Witwen- und Halbwaisenrente von Anfang an zu hoch ausgefallen, weil die nach § 93 SGB VI gebotene Anrechnung der Unfallrente unterblieben ist. Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung, wird die Rente gemäß § 93 Abs. 1 SGB VI insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Nach § 93 Abs. 3 SGB VI (in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) beträgt der Grenzbetrag 70 vom Hundert eines Zwölftes des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte aus der Rentenversicherung der Angestellten. Den Hinterbliebenenrenten aus der Unfallversicherung lag die Bemessungsgrenze der Unfallversicherung von jährlich 120.000,- DM zugrunde, was zu einem mit dem Rentenartfaktor zu multiplizierenden Betrag von 7.000,- Mark monatlich führt. Der Grenzbetrag für die Klägerin zu 1) lag im Sterbevierteljahr bei 7.000,- DM monatlich, danach bei 4.200,- DM (Rentenartfaktor 0,6 in der maßgeblichen, bis Ende 2001 geltenden Fassung des § 67 SGB VI). Die Klägerin zu 1) hatte im Sterbevierteljahr Ansprüche auf Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung in Höhe von 6.666,67 und (dem Grunde nach) aus der Rentenversicherung von 2.864,96 DM, später in Höhe von 4.000,- DM aus der Unfallversicherung und 1.747,34 DM aus der Rentenversicherung. Danach war aus der Rentenversicherung Rente nur in Höhe von 333,33 DM bzw. 200,- DM zu leisten. Für die Klägerin zu 2) lag der Grenzbetrag bei 700,- DM (Rentenartfaktor 0,1), der schon durch die Rente aus der Unfallversicherung überschritten wurde, so dass nach Anrechnung keine Leistungen aus der Rentenversicherung übrig blieben.

Für die Anrechenbarkeit auf die Rente kommt es zwar nicht darauf an, ob die Renten aus der Unfallversicherung bereits durch Bescheid festgesetzt sind. § 93 SGB VI setzt nur einen Anspruch voraus, der sich bereits aus dem Gesetz ergibt und nicht etwa erst durch die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers entsteht. Insoweit läge also eigentlich ein Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit vor (BSG Urt. v 29. April 1997 – 8 RKn 29/95- = SozR 3-1300 § 107 Nr. 10). Dass die Rentenbescheide gleichwohl zunächst rechtmäßig waren, ergibt sich aus der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X. Soweit diese reicht, sind die Bewilligungsbescheide der Beklagten nicht rechtswidrig, sondern Rechtsgrund für die nunmehr als Leistungen der Unfallversicherung geltenden Zahlungen (vgl. BSG Urt. v. 30. Juni 1997 -8 RKn 28/95 - = SozR 3-2600 § 93 Nr. 4, Urt. v. 26. April 2005 – B 5 RJ 36/04 R -). Rechtswidrig wurden die Rentenbescheide der Beklagten vom 1. Dezember 1997 deshalb erst dadurch, dass die Erfüllungsfiktion endete.

Die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X greift, solange ein Ersatzanspruch besteht. Die Beklagte hat als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Ersatzansprüche gegen die T-BG nach § 104 SGB X (vgl. BSG Urt. v 29. April 1997 – 8 RKn 29/95- = SozR 3-1300 § 107 Nr. 10). Diese setzten voraus, dass die T-BG als vorrangig verpflichteter Leistungsträger nicht schon selbst geleistet hatte, bevor sie von der Leistung der Beklagten Kenntnis erlangt hat. Die T-BG hat ihre laufenden Zahlungen zum Juni 1998 aufgenommen. Da sie die Beklagte darüber bereits im April 1998 informiert hatte, musste sie nicht wissen, dass die Beklagte noch bis Juli 1998 die Rentenzahlungen weiter in voller Höhe leisten würde. Davon ganz abgesehen würde nur die positive Kenntnis der T-BG einen weiteren Ersatzanspruch der Beklagten begründen. Diese lag nicht vor, weil die Beklagte nicht ihrerseits der T-BG die Weiterleistung angezeigt hatte. Ersatzanspruch und Erfüllungsfiktion endeten demnach am 31. Mai 1998. Ab dem 1. Juni 1998 lag für die von der Beklagten mit Wirkung ab 1. Dezember 1997 ausgesprochenen Rentenbewilligungen eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage vor.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGBX war die Beklagte verpflichtet, die Rentenbewilligung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Da insoweit eine gebundene Entscheidung vorliegt, kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte § 45 SGB X anwenden wollte. Die Umdeutung einer auf § 45 SGB X gestützten Rücknahme in eine Aufhebung nach § 48 SGB X ist unproblematisch möglich, da kein Ermessen auszuüben ist (BSG Urt. v. 30. Juni 1997 -8 RKn 28/95 - = SozR 3-2600 § 93 Nr. 4). Auch eine Anhörung war entbehrlich. Gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn einkommensabhängige Leistungen geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen. Die Aufnahme der laufenden Zahlungen aus der Unfallversicherung ist als Erzielung von Einkommen anzusehen, das zum (teilweisen) Wegfall des Anspruchs gegen die Rentenversicherung führt (BSG Urt. v. 30. Juni 1997 -8 RKn 28/95 - = SozR 3-2600 § 93 Nr. 4).

Die Klägerin zu 1) hat mit ihrer Berufung auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich gegen das klagabweisende Urteil in Bezug auf die Bescheide der Beklagten vom 23. November 1998 und 10. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 wendet. Der Bescheid vom 23. November 1998 hebt den Bescheid vom 11. Juni 1998 teilweise auf und stellt die Zahlung des ab August 1998 gewährten Beitragszuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab 1. Januar 1999 ein. Rechtsgrundlage ist § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Unbeachtlich ist, dass die Beklagte erst im Verlaufe des Berufungsverfahrens darauf hingewiesen hat, dass die Bewilligung des Beitragszuschusses wegen Aufenthalts im Ausland wieder aufgehoben worden ist. Gemäß § 41 Abs. 2 iVm Abs. 1 Nr. 3 SGB X kann eine fehlende Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. Die Vorschrift findet vorliegend Anwendung, da bei ihrer Einführung zum 1. Januar 2001 das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 23. November 1998 noch nicht abgeschlossen war. Die Beklagte hat der Klägerin noch vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens die Umstände mitgeteilt, die nach ihrer Auffassung die getroffene Entscheidung rechtfertigten. Da die Klägerseite sich hierzu nicht mehr geäußert hat, war ein weiteres förmliches Verwaltungsverfahren zur Entscheidung über die im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Tatsachen (vgl. BSG, Urt. v. 6. April 2006 – B 7 a AL 64/05 R) entbehrlich.

Die Bewilligung eines Beitragszuschusses an die Klägerin zu 1) war von Anfang an rechtswidrig. Nach § 111 Abs. 2 SGB VI erhalten Berechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland keinen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Klägerin zu 1) hielt sich seit November 1997 und damit auch im Juni 1998 und im Januar 1999 im vertragslosen Ausland auf, nämlich in Ä. Die Zukunftsoffenheit dieses Aufenthaltes ergibt sich daraus, dass die bisherige Wohnung in M aufgegeben war. Den Aufenthalt in Ä beendete die Klägerin zu 1) erst mit ihrem Verzug nach Ö, der bestätigt ist durch die dort Mitte 1999 erfolgte Anmeldung. Soweit die Klägerin im Jahre 2000 gegenüber der Beklagte angegeben hat, sich bereits seit Mitte 1998 in Ö aufzuhalten, sind diese Angaben mit ihren anders lautenden vorherigen zeitnäheren und deshalb als wahrheitsgemäß anzusehenden Ausführungen unvereinbar. Ihre Bevollmächtigten haben der Beklagten im Dezember 1998 ein Schreiben vom 28. Dezember 1998 vorgelegt, in dem die Klägerin selbst angibt, zur Zeit gezwungen zu sein, ihren Aufenthalt in Ä zu verlängern.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme – auch mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) – lagen vor. Die Klägerin zu 1) hat falsche Angaben über das Fortbestehen eines Wohnsitzes im Inland gemacht. Ihr Antrag auf Gewährung eines Zuschusses vom Dezember 1997 gibt als Adresse noch M an, obwohl sie dort schon abgemeldet war. Demnach beruht die Bewilligung des Zuschusses auf Angaben, welche die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Rücknahme der Bewilligung ist auch nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Die Beklagte wollte mit ihrem Bescheid vom 23. November 1998 die Zahlung eines Beitragszuschusses aus damaliger Sicht nur mit Wirkung für die Zukunft einstellen. Wird die Rücknahme eines begünstigenden Bescheides auf die Zukunft beschränkt, obwohl auch eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit in Frage steht, so lässt dies erkennen, dass die Behörde von dem ihr in § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumten Ermessen ausreichenden Gebrauch gemacht hat (BSG, Urt. v. 17. April 1996 – 3 RK 18/95 - = SozR 3-5425 Nr 14).

Mit Recht hat das Sozialgericht auch die Klage gegen den Bescheid vom 10. November 1999 abgewiesen, der die Rente der Klägerin zu 1) als "Auslandsrente" feststellt. Die Rentenleistungen sind gegenüber dem Bescheid vom 11. Juni 1998 unverändert, die Bewilligung eines Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung war mit Wirkung vom 1. Januar 1999 bereits durch den Bescheid vom 23. November 1998 zurückgenommen. Für die ausdrücklich erhobene (isolierte) Anfechtungsklage fehlt danach das Rechtsschutzbedürfnis, da nicht ersichtlich ist, dass der Bescheid in bereits gewährte Rechte der Klägerin eingreifen könnte.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts hat ebenso wenig Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die Bescheide vom 27. Juli 1999 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7. Februar 2001 aufgehoben, in denen die Beklagte die Rentenbewilligungen an die Klägerinnen mit Wirkung vom 28. Mai 1997 bis 31. Juli 1998 aufgehoben hat. Für eine Rücknahme oder Aufhebung der Rentenbewilligungen betreffend die Zeit vom 28. Mai 1997 bis 30. Mai 1998 fehlt es bereits an einer denkbaren Rechtsgrundlage. Die §§ 45, 48 SGB X sind nicht anwendbar. Soweit Erstattungsanspruch und Erfüllungsfiktion reichen, sind die Bescheide der Beklagten nicht rechtswidrig und liegt auch keine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage vor (BSG Urt. v. 30. Juni 1997 -8 RKn 28/95 = SozR 3-2600 § 93 Nr. 4, Urt. v. 26. April 2005 – B 5 RJ 36/04 R -).

Soweit der Bescheid vom 27. Juli 1999 die Rentenbewilligungen für die Monate Juni und Juli 1998 betrifft, ist eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt. Als Rechtsgrundlage dafür kommt § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall des Anspruchs geführt haben würde. Der Beginn der laufenden Zahlungen aus der Unfallversicherung, ohne dass ein Erstattungsanspruch der Beklagten besteht, ist als Erzielung von Einkommen anzusehen, das zum Wegfall des Anspruchs geführt hat (BSG Urt. v. 30. Juni 1997 -8 RKn 28/95 - = SozR 3-2600 § 93 Nr. 4). Die Aufhebung scheitert aber jedenfalls - wie schon das Sozialgericht richtig gesehen hat – an der Versäumung der nach §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X maßgeblichen Jahresfrist. Zwar beginnt die Jahresfrist für die Aufhebung/Rücknahme von Verwaltungsakten mit Wirkung für die Vergangenheit in Fällen, in denen die Rückforderungsmöglichkeit von subjektiven Voraussetzungen beim Leistungsempfänger (Bösgläubigkeit) abhängig ist, grundsätzlich nicht vor Eingang des Ergebnisses der Anhörung, weil für die Beurteilung die Kenntnis dieser Tatsachen Voraussetzung ist (BSG Urt. v 8. Februar 1996 – 13 RJ 35/94 - = SozR 3-1300 § 45 Nr 27; Urt. v. 27. Juli 2000 – 7 AL 88/99 R - = SozR 3-1300 § 45 Nr 42). Vorliegend steht aber allein die Aufhebung wegen Änderung objektiver Umstände in Frage. In den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X kommt es deshalb nur darauf an, ab wann die Behörde Kenntnis von der Änderung hat (BSG, Urt. v. 25. April 2002, - B 11 AL 69/01 R -). Die Beklagte hatte jedenfalls seit Mai 1998 Kenntnis von der Aufnahme der Zahlungen durch die T-BG und damit von allen für die Entscheidung über die Aufhebung erforderlichen Tatsachen. Die Jahresfrist für die Rücknahme begann daher bereits jeweils mit den gleichwohl noch erfolgten Zahlungen der ungekürzten Rente aus der Rentenversicherung, also für die Junirente am 1. Juni 1998 und für die Julirente am 1. Juli 1998, so dass die Jahresfrist am 28. Juli 1999 bereits verstrichen war. Aus einer von der Beklagten geltend gemachten, auch in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X bestehenden, Verpflichtung zur Anhörung folgt nichts Gegenteiliges. Ungeachtet dessen, dass es sich um ein Verfahrensrecht handelt und gemäß den obigen Ausführungen durch die Anhörung keine entscheidungserheblichen Tatsachen zu ermitteln waren, geht die Pflicht zur Anhörung nicht so weit, dass mehr als ein Jahr auf das Ergebnis gewartet werden müsste. Es ist nicht erfindlich, dass die Beklagte die Anhörungsrechte der Klägerinnen verletzt hätte, wenn sie eine Äußerungsfrist gesetzt und unmittelbar danach entschieden hätte.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG. Sie berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache und den Umstand, dass das Berufungsbegehren der Klägerinnen wirtschaftlich größeres Gewicht hat als das der Beklagten.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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