L 21 RA 203/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 16 RA 35/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 RA 203/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Juni 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, die Beschäftigungszeit vom 01. März 1971 bis zum 30. April 1986 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersver-sorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben AVItech (Zusatzversorgungssystem nach Anlage I Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwart-schaftsüberführungsgesetz AAÜG ) und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.

Der 1933 geborene Kläger war nach einem Studium an der Ingenieurschule für F D durch Urkunde vom 15. Februar 1958 berechtigt, den Titel "Ingenieur" zu führen. Vom 01. März 1958 bis zum 28. Februar 1971 war er als Technologe und Fertigungsplaner beim VEB A L und vom 01. März 1971 bis 1978 als Gruppenleier technologische Planung, von 1979 bis zum 30. April 1986 als Abteilungsleiter technologische Planung beim VEB I L (VEB ) beschäftigt. Anschließend arbeitete er bis einschließlich 30. Juni 1990 wieder beim VEB A L, als Gruppen-leiter Fertigungsplanung.

Der Kläger entrichtete ab 01. März 1978 Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung im Beitrittsgebiet FZR. Eine Urkunde über die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem wurde ihm nicht ausgehändigt. Ein einzelvertraglicher Anspruch auf Einbeziehung in ein Zu-satzversorgungssystem ist nicht vorgetragen worden.

Auf Antrag des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid vom 07. Mai 2002 den Zeitraum vom 01. März 1958 bis zum 28. Februar 1971 sowie den Zeitraum vom 02. Mai 1986 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zur AVItech sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Die Feststellung des Zeitraumes vom 01. März 1971 bis 30. April 1986 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger sei in diesem Zeitraum nicht ein einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung zur AVItech tätig gewesen, da der VEB kein Produktionsbetrieb gewesen sei.

Mit seinem hiergegen am 27. Mai 2002 eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger die Ein-beziehung auch der Zeit seiner Beschäftigung im VEB als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech. Zur Begründung trug er vor, im VEB seien Stahlturbinen hergestellt worden, die nicht nur in der Flugzeugindustrie, sondern nach ihrer Umarbeitung auch in der Braunkohleindustrie, in Heizkraftwerken und auf Flugplätzen zur Enteisung eingesetzt worden seien. Schließlich seien die Turbinen auch exportiert worden. Es sei eine Verletzung des Gleichheitsgebotes, wenn die Beklagte die Zeit der Beschäftigung nicht anerkenne, obwohl sie dies in anderen Fällen bei Kollegen anders entschieden habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ergänzend zu der Begründung des angefochtenen Bescheides führte sie aus, dass die DDR zwischen Betrieben der materiellen Produktion und solchen eines "anderen Be-reiches der Volkswirtschaft" unterschieden habe. Als Instandsetzungsbetrieb habe es sich bei dem VEB I nicht um einen Betrieb der materiellen Produktion gehandelt.

Mit seiner am 13. Januar 2003 vor dem Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger unter Vertiefung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat die Registerakte des VEB Kombinat S D und des VEB Kombinat S D I L des Amtsgerichts Potsdam sowie aus einem Parallelrechtsstreit vor dem Sozialgericht Potsdam die dort protokollierte Zeugenaussage des Herrn H W beigezogen.

Mit Urteil vom 25. Juni 2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Be-scheides vom 07. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2002 verpflichtet, auch die Zeit vom 01. März 1971 bis zum 30. April 1986 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe auch im streitgegenständlichen Zeitraum in einem Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech gearbeitet. Der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebes habe in der industriellen Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern gelegen. Der Betrieb sei auch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen. In dem Instandsetzungswerk sei produziert und nicht nur eine Dienstleistung verrichtet worden. Nach dem maßgebenden Sprachgebrauch der DDR sei unter Instandsetzung der Prozess der Herstellung materieller Gü-ter und Leistungen zu verstehen. Im so verstandenen Sinne seien im Instandsetzungswerk Triebwerke nicht nur repariert, sondern hergestellt worden. Die Fertigung sei auf ein Endpro-dukt gerichtet gewesen, nämlich die Herstellung neuwertiger Triebwerke. Im Ergebnis sei da-mit ein Gebrauchswert entstanden, der über demjenigen eines Triebwerkes gelegen habe, wel-ches nach Ablauf der Flugstunden nicht mehr habe eingesetzt werden können. Die beschäftig-ten Facharbeiter hätten mit ihrer Ausbildung auch Triebwerke aus neuen Materialien herstellen können, der Instandsetzungsvorgang habe in weiten Teilen mit der Neuherstellung eines Triebwerkes übereingestimmt.

Gegen das ihr am 14. Juli 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. August 2003 Berufung eingelegt.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die betrieblichen Voraussetzungen des Versorgungssys-tems von dem Kläger nicht erfüllt wurden. Der Anwendungsbereich der anzuwendenden Ver-sorgungsordnung sei begrenzt auf industrielle Produktionsbetriebe. Trotz seiner Unterstellung unter ein Industrieministerium entspreche der VEB I nicht diesem Anforderungsprofil. Unter Instandhaltung sei in der DDR die Erhaltung der Anlagefonds verstanden worden, also das Reparaturwesen, die Gesamtheit der technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Ver-minderung, Überwachung und Beseitigung der Grundmittelabnutzung. Dazu hätten auch Maß-nahmen zur Pflege und Wartung, Inspektionen und Instandsetzung gehört. Die Instandsetzung sei eine Maßnahme der kompletten Grundfondsreproduktion gewesen und habe sich auf die teilweise Reproduktion vorhandener Grundmittel bezogen. Die Instandsetzung sei entweder in den Instandsetzungsabteilungen oder Instandsetzungsbetrieben durchgeführt worden. Ein In-standsetzungsbetrieb sei ein Spezialbetrieb für die Instandhaltung von Industrieerzeugnissen gewesen. Durch die meist spezialisierte und serienmäßige Durchführung der Instandsetzungs-arbeiten seien in diesen Betrieben eine bedeutende Steigerung der Arbeitsproduktion und damit eine Senkung der Reparaturkosten, Instandhaltungskosten und der Reparaturkosten möglich gewesen. Der VEB I habe zu solchen Instandsetzungsbetrieben gehört. Dies sei auch durch die Zeugenaussage im Parallelverfahren vor dem Sozialgericht Potsdam bestätigt worden. Auch die DM-Eröffnungsbilanz bestätige, dass Gegenstand und damit Hauptzweck des Unterneh-mens die Instandsetzung von Erzeugnissen der Luftfahrt gewesen sei.

Die Beklagte hat u. a. auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern zum Verfahren L 4 RA 48/02 verwiesen und vorgetragen, dass auch die Produk-tion von Ersatzteilen zur Instandsetzung nicht dazu führe, dass eine industrielle Produktion vorgelegen habe. Instandsetzungsbetriebe seien nicht von der Versorgungsordnung erfasst gewesen. Nach dem Betriebsregister der ehemaligen DDR sei das Instandsetzungswerk der Wirtschaftsgruppe 15489 zugeordnet gewesen, nämlich der Gruppe der Reparatur- und Montagebetriebe des Straßenfahrzeugs- und Traktorenbaus. Auch sei ein instand gesetztes Triebwerk kein Neu-produkt, auch wenn wesentliche Teile ersetzt und erneuert worden seien. Es bleibe ein ge-brauchtes Triebwerk. Ähnliche Verfahren seien in der Kraftfahrzeuginstandsetzung bekannt. Ein generalüberholter Motor sei ein so genannter Austausch- oder Teilmotor und kein Neupro-dukt. Unter Beachtung des vom Bundessozialgericht entwickelten Produktionsbegriffs könne nicht anerkannt werden, dass ein Instandsetzungswerk ein Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung sei.

Die Beklagte hat Ablichtungen aus der Registerakte des ehemaligen Beschäftigungsbetriebs des Klägers sowie eine Ablichtung der DM Eröffnungsbilanz der L GmbH i. A., der Nachfol-gegesellschaft des VEB I, zur Gerichtsakte gereicht.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Juni 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der VEB I habe die Bedingungen eines volkseigenen Produktionsbetriebes erfüllt. Hierfür spreche bereits die organisatorische Zuord-nung des Betriebes zum industriellen Produktionssektor der DDR Planwirtschaft. Ausweislich des Registers der Wirtschaft Nr. habe der VEB I dem Verantwortungsbereich des Ministeri-ums für Verarbeitungs-, Maschinen- und Fahrzeugbau angehört. Das Sozialgericht habe zutref-fend herausgearbeitet, dass die Fertigung von Triebwerken einer Neufertigung gleichzustellen sei.

Die generalinstandgesetzten und modernisierten Triebwerke seien als neuwertige Erzeugnisse zu betrachten. Die in der damaligen Sowjetunion hergestellten Triebwerke für die militärische Waffentechnik hätten eine Freigabezeit in Betriebsstunden für den Ersteinsatz gehabt. Gleich-zeitig habe der Hersteller die Gesamtbetriebszeit festgelegt. Nach Ablauf der Freigabezeit sei die Generalüberholung, auch Grundüberholung genannt, im VEB I erfolgt. Zwischen der ersten Generalüberholung bis zur Ausschöpfung der Gesamtbetriebszeit seien mehrere Überholungen vorgenommen worden. Während der Zeit der Generalüberholung seien die neuesten Erkennt-nisse von Wissenschaft und Technik in Form von Bulletins eingearbeitet worden. Die Trieb-werke hätten wieder die volle Einsatzbereitschaft erreicht. Dies sei eine Herstellung von Gü-tern bzw. von Sachwerten gewesen. Des Weiteren seien Triebwerke, deren Laufzeit überschrit-ten gewesen sei, für spezielle Aufgaben umgerüstet worden. Im Industrieministerium seien industrielle Güter produziert und diese als Warenproduktion abgerechnet worden. So auch im VEB I. Eine Einordnung der Generalüberholung von Triebwerken in die Dienstleistung bzw. in die Reparatur nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten sei nicht vertretbar.

Die Generalüberholung der Triebwerke könne mit der Überholung bzw. dem Umbau von Schiffen oder Eisenbahnen verglichen werden. Der VEB I habe auch die gleiche Struktur wie Betriebe der Eisenbahn (z.B. Reichsbahnausbesserungswerk) gehabt, die nach der Rechtspre-chung des Bundessozialgerichts BSG vom April 2002 den volkseigenen Produktionsbetrie-ben gleichgestellt würden.

Im Übrigen habe er mit dem Ausscheiden aus dem VEB am 30. April 1986 einen Überlei-tungsvertrag erhalten, mit dem die Zeiten der Betriebszugehörigkeit vom VEB zum A L recht-lich übergeleitet worden seien. Aus diesem Grund seien die Zeiten seiner Beschäftigung im VEB I auch von der Versorgungszusage aufgrund seiner Beschäftigung beim VEB A L am 30. Juni 1990 erfasst.

Der Senat hat die in dem Parallelrechtsstreit – L 21 RA 231/03 – erstellten schriftlichen Aussa-gen des H. Fvom 17. März 2005 (Gerichtsakte – GA – Bl. 147 bis 149), des K U (GA Bl. 150), des MKr(GA Bl. 51), des H H (GA Bl. 152) und des Dr. K-B vom 22. April 2005 (GA Bl. 153 ff.) sowie die in dem Verfahren – L 21 RA 231/03 – protokollierten Zeugenaussagen des Dr. K B und A R vom 10. Februar 2006 (GA Bl. 155 ff) und vom 23. Mai 2006 (GA Bl. 127 ff) zum Ver-fahren beigezogen. Wegen des Inhalts wird auf die angegebenen Seiten der Gerichtsakte Bezug genommen. Ferner hat der Senat die von der Beklagten im Parallelverfahren – L 21 R 1029/05 – eingereichten Auszüge aus der Dissertationsschrift "Untersuchungen zu Entwicklung der Rüstungsindustrie der DDR von 150 bis 1980" und aus der Publikation "Luftfahrt Ost 1945-1990. Geschichte der deutschen Luftfahrt in der SBZ und der DDR, Bernard & Graefe Verlag" in das Verfahren eingeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsvorgän-ge der Beklagten (Aktenzeichen) und auf die Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht der Klage stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der streitbefangene Zeitraum als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - AVItech - und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festgestellt wird.

Das Begehren des Klägers ist letztlich auf die Leistung einer (höheren) Rente gerichtet. Da er im streitigen Zeitraum originäre rentenrechtliche Zeiten im bundesdeutschen Rentenversiche-rungssystem nicht zurückgelegt hat, der bundesdeutsche Rentenversicherungs-träger aber grundsätzlich nur seinen Versicherten zur (höheren) Leistung verpflichtet ist, bedarf es zur Begründung und Ausgestaltung von Rechten und Anwartschaften im Rahmen des insoweit maßgeblichen Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) sowie zur Wertbestimmung derartiger Berechtigungen nach dessen Grundsätzen jeweils besonderer bundesrechtlicher Grundlagen. Der Bundesgesetzgeber hat diesen Vorgang in zwei voneinander zu trennende Verfahren gegliedert. Während das eine Verfahren mit dem Erlass eines so genannten Entgelt-bescheides endet, hat das andere einen die Rente feststellenden Bescheid zum Ziel. In dem erstgenannten Verfahren hat der Versorgungsträger, hier die Beklagte, dem Vormerkungsver-fahren nach § 149 Abs. 5 SGB VI ähnlich gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenver-sicherung erforderlich sind, und sie dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilen. Zu diesen Daten gehören neben den Zeiten der Zugehö-rigkeit zu einem Versorgungssystem (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 5 AAÜG) die in diesen tat-sächlich erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben (vgl. zu diesem Verfahren im Einzelnen das Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 20. Dezember 2001, Az.: B 4 RA 6/01 R m. w. N., SozR 3-8570 § 8 Nr. 7), so dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen solchen Verwal-tungsakt besteht. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte weitere als die mit dem angefochte-nen Bescheid getroffenen Feststellungen vornimmt. Hinsichtlich des von dem Kläger angeführ-ten Zeitraums liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Feststellung nach § 8 Abs. 3 AAÜG nicht vor.

Maßstabnorm ist § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Danach gelten als Pflichtbeitragszeiten der Renten-versicherung Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäfti-gung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Diese Norm bestimmt die Gleichstellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversiche-rung für solche Zeiten, in denen Versorgungsberechtigte eine entgeltliche Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt haben und wegen der eine zusätzliche Altersversorgung in einem in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten System vorgesehen war. Der Kläger hatte Ansprüche aus einem Versorgungssystem noch nicht zum Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssys-teme am 30. Juni 1990 erworben, weil er noch nicht versorgungsberechtigt war. Er hat keine Versorgungsanwartschaft. Solche Anwartschaften hatten Personen, die am 30. Juni 1990 Inha-ber einer Versorgungszusage waren oder eine solche früher gehabt hatten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG), für die sich dies aus einer einzelvertraglichen Regelung ergab oder die nach den abstrakt-generellen Regelungen der Systeme am 30. Juni 1990 zwingend einzuziehen waren, weil sie die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Versorgungszusage er-füllten und diese auch nicht von einer Ermessensentscheidung einer dazu berufenen Stelle der DDR abhängig war (vgl. das Urteil des BSG vom 18. März 2003, B 4 RA 14/03 R, D-Spezial 2004, Nr. 8 S. 8 (Kurzwiedergabe), Volltext in juris). Unabhängig davon, ob mit dem ange-fochtenen Bescheid die Anwendbarkeit des AAÜG auf den Kläger ebenfalls festgestellt wor-den ist, liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht vor.

Die Frage der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem in dem hier streitigen Zeitraum ist danach zu beantworten, ob die von dem Kläger tatsächlich ausgeübte Beschäftigung ihrer Art nach zu denjenigen gehörte, derentwegen entsprechend der nach objektiven Auslegungskrite-rien des Bundesrechts zu verstehenden Versorgungsordnung und ggf. weiteren einschlägigen generellen und veröffentlichten Erläuterungen hierzu zu irgendeinem Zeitpunkt ein Versor-gungssystem errichtet war. Um das Ziel, eine sachgerechte und willkürfreie Zuordnung der bundesrechtlichen Rechtsfolgen sicherzustellen, erreichen zu können, sollen - wie sowohl die teleologische als auch die systematische Auslegung insbesondere der §§ 5 bis 8 AAÜG erge-ben - nach dem Willen des Gesetzgebers alle auch nur potentiell Begünstigten, allerdings auch nur diese, in das besondere Verfahren einbezogen werden. Ausgehend davon bedarf es zur Be-antwortung der Frage nach der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem des Rückgriffs auf diejenigen Gegebenheiten der DDR, an die das AAÜG anknüpft. Im Falle des § 5 Abs. 1 AAÜG sind dies die Texte der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten und damit insoweit als bundesrechtlich relevante Fakten anerkannten Versorgungsordnungen, wobei diese gegebenenfalls durch sonstige einschlägige und in Übereinstimmung hiermit ergangene abs-trakt-generelle Vorgaben von zuständigen Stellen der früheren DDR, zu denen insbesondere Durchführungsbestimmungen gehören, ergänzt werden. Dabei ist die Bedeutung der Texte aus-schließlich nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts, insbesondere unter Beach-tung des Gleichheitssatzes (Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes [GG]) und unter Berücksichti-gung des Sinns und Zwecks der Vorschrift des § 5 AAÜG zu bestimmen (vgl. dazu das Urteil des BSG vom 09. April 2002, B 4 RA 42/01 R, zitiert nach juris). Wie die Versorgungsord-nungen und die Durchführungsbestimmungen durch Stellen der DDR ausgelegt und angewandt wurden, muss insoweit ohne Belang sein, denn anderenfalls bestünde die Möglichkeit einer normativen Verfestigung willkürlicher Vorgehensweisen (vgl. die Entscheidungen des BSG vom 24. März 1998, B 4 RA 27/97 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 3, und vom 30. Juni 1998, B 4 RA 11/98 R, SGb 1998, S. 526 f. [Kurzwiedergabe], Volltext in juris). Ob nämlich außerhalb des von den Texten der Versorgungsordnungen und der einschlägigen Durchführungsbestimmun-gen vorgegebenen Rahmens liegende Umstände die Aussicht auf die Erteilung einer Versor-gungszusage als berechtigt erscheinen lassen konnten, lässt sich heute mangels einer gesicher-ten Beurteilungsgrundlage nicht willkürfrei entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2001, B 4 RA 117/00 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 6).

Der Kläger unterfiel im streitgegenständlichen Zeitraum nicht dem Geltungsbereich der zusätz-lichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Ob jemand aufgrund seiner Qualifikation und der ausgeübten Beschäftigung der durch die Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversor-gung der technischen Intelligenz Begünstigten zu zählen ist, lässt sich durch die Heranziehung der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I S. 844) allein nicht klären. Dort heißt es in § 1 nur, für die Angehörigen der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben werde über den Rahmen der Sozial-pflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt. Dass es - unter anderem - zur Konkretisierung des nur vage umrissenen Begriffs der Angehörigen der technischen Intel-ligenz und damit des Kreises der Begünstigten noch näherer Bestimmungen bedurfte, war dem Verordnungsgeber offenbar bewusst, denn § 5 zufolge waren durch das Ministerium der Finan-zen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Industrie und dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Die Ausfüllung des Begriffs "Angehörige der technischen Intelligenz", das heißt die Definition des von der Verordnung erfassten Personenkreises, dem die zusätzliche Versorgungsversicherung zugute kommen soll-te, findet sich in der hier ebenfalls heranzuziehenden zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volksei-genen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR S. 487), durch wel-che die erste Durchführungsbestimmung vom 26. September 1950 (GBl. DDR S. 1043) außer Kraft gesetzt wurde.

Danach war das Versorgungssystem eingerichtet für Personen, die

1. berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, 2. entsprechende Tätigkeiten tatsächlich ausübten und die 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwe-sens oder einem gleichgestellten Betrieb tätig waren. Bei dem Kläger lag in dem streitbefangenen Zeitraum jedenfalls die dritte, das heißt die be-triebsbezogene Voraussetzung nicht vor. Er war nicht in einem volkseigenen Produktionsbe-trieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Be-trieb beschäftigt.

Abzustellen ist hierbei auf den tatsächlichen Beschäftigungsbetrieb des Klägers in diesem Zeit-raum, dem VEB I. Aus dem Überleitungsvertrag zwischen dem VEB I und dem VEB A L vom 22. April 1986 folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass dieser dem VEB A L ununterbrochen vom 01. März 1958 bis 31. Januar 1991 angehört hat. Ein Überleitungsvertrag gemäß § 53 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl I 185) war vielmehr spezielle Rechtsform der Aufhebung eines Arbeitsvertrages mit einem Betrieb (= Arbeitgeber) und des gleichzeitigen Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages mit einem anderen Betrieb (= neuen Arbeitgeber). Er diente der reibungslosen Überleitung des "Werktätigen" in einen anderen Be-trieb und des einen Arbeitsverhältnisses in ein anderes (Autorenkollektiv, Arbeitsrecht - Grundriss - Staatsverlag der DDR, 1980, S 87 f zitiert nach BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 20/03 R - juris). Die Rechtsfolge des Überleitungsvertrages, dass die hier strei-tige Zeit als Zeit der Betriebszugehörigkeit zum IFA Automobilwerk Ludwigsfelde "gilt" führt nicht dazu, dass bei der Prüfung der – tatsächlich vorliegenden - betriebsbezogenen Vorausset-zung für die Einbeziehung in eine Zusatzversorgungssystem auf den Betrieb abzustellen ist, dem dieser Zeitraum nachträglich – fiktiv – zugeordnet wird. Es bedurfte deshalb nicht der beantragten Anhörung des Dr. S K, des ehemaligen Justiziars des VEB I als Zeugen. Dieser sollte aussagen, dass aufgrund des Überleitungsvertrages die hier streitige Zeit als Betriebszu-gehörigkeit zum I A L galt. Das kann jedoch dahinstehen, da es für die Frage, ob eine "Be-schäftigung" in einem volkseigenen Produktionsbetrieb vorlag, die Einordnung einer "Be-triebszugehörigkeit" nach den Vorschriften der DDR irrelevant ist. Abzustellen ist vielmehr auf den tatsächlichen Arbeitgeber des Klägers im streitigen Zeitraum hier dem VEB I. Dieser musste ein volkseigener Betrieb der industriellen Produktion sein.

Der Kläger war in dem streitgegenständlichen Zeitraum zwar in einem volkseigenen Betrieb beschäftigt. Erfasst von der Versorgungsordnung waren aber nur volkseigene Produktionsbe-triebe. Die Versorgungsordnung begrenzte den Anwendungsbereich auf volkseigene Produkti-onsbetriebe der Industrie oder des Bauwesens (BSG, Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8750 § 1 Nr. 6). Hauptzweck muss die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern bzw. die Errichtung (Mas-senproduktion) von baulichen Anlagen gewesen sein (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, veröffentlicht in juris; Urteil vom 08. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R, veröffentlicht in juris). Notwendige Voraussetzung für die Einbeziehung in das Versorgungssystem AVItech war die Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb (BSG, Urteil vom 10. April 2002, B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 11). Zwar ist die Differenzierung zwischen den volkseigenen Produktionsbetrieben und anderen volkseigenen Betrieben nicht immer in Verordnungen zum Ausdruck gekommen. In der ehemaligen DDR wurde auch im Wirtschaftsleben unterschieden zwischen auf der einen Seite den volkseigenen Betrieben in der Industrie, im Bauwesen und im Verkehrswesen, für die z. B. die Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und Vereinigungen volkseigener Betriebe vom 28. März 1973 (GBl. I S. 129 - VO 1973 -) unmittelbar galt, und auf der anderen Seite Handelsbetrieben, Betrieben auf dem Gebiet der Dienstleistungen und der Landwirtschaft und Betreiben in ande-ren Bereichen der Volkswirtschaft. Die Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombi-natsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 08. November 1979 (GBl. I S. 355 - VO 1979 -) stellte den volkseigenen Kombinaten und Kombinatsbetrieben in der Industrie und im Bauwe-sen die volkseigenen Kombinaten und Kombinatsbetriebe in anderen Bereichen der Volkswirt-schaft gegenüber. § 1 Abs. 2 der 2. DB enthält damit eine Klarstellung, dass der volkseigene Betrieb ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens gewesen sein muss (BSG, Urteil vom 10. April 2002, B 4 RA 10/02 R, a.a.O.).

Der Begriff der Produktion in der Versorgungsordnung ist dabei vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Versorgungsordnung, nämlich durch versorgungsrechtliche Privilegie-rung bestimmter Personengruppen in bestimmten Bereichen der DDR-Volkswirtschaft diese abgegrenzten Teile der Wirtschaft, nämlich die industrielle Produktion, zu fördern, auszulegen. Erfasst wurden von der Versorgungsordnung nicht sämtliche volkseigenen Betriebe, sondern nur ausgewählte Betriebe im Bereich des Wirtschaftslebens der ehemaligen DDR. Es sollte nur ein bestimmter Bereich der DDR-Wirtschaft durch versorgungsrechtliche Privilegien gefördert werden und die darin tätigen Personengruppen - auch nicht alle, sondern nur die in der 2. DB genannten Personengruppen - privilegiert werden. Daher ist auch nicht ein weiter Produktions-begriff, wie vom Kläger angenommen, zugrunde zu legen, sondern nur die engere industrielle Produktion, deren besondere Bedeutung für die Volkswirtschaft der ehemaligen DDR durch die Versorgungsordnung gefördert werden sollte. Unter Produktion wurde in der DDR die Her-stellung standardisierter Massenprodukte verstanden. Dies folgt aus § 22 Abs. 1 der Verord-nung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Produktionsbetriebe vom 09. Februar 1967 (GBl. II, S. 129). Danach hatte ein Produktionsbetrieb im Rahmen der Festle-gungen des übergeordneten Organs seine Produktionsstruktur so zu gestalten, dass eine ratio-nelle Produktion, besonders der Haupterzeugnisse, mit hoher Qualität, in großer Serie und nach modernen Fertigungsprinzipien erfolgte. Auch in der VO 1973 wird von Finalerzeugnissen gesprochen. In der VO 1979 wird die Verantwortung der Kombinate für die Sicherung der be-darfsgerechten Produktion der in den staatlichen Plänen festgelegten "Enderzeugnisse" be-stimmt. Das Finalerzeugnis war nach dem Sprachgebrauch der ehemaligen DDR ein "materiel-les Produkt eines Kombinates oder Betriebes, das als Investitionsgut oder Konsumgut unmit-telbar für den Bedarf der Bevölkerung, der Wirtschaft sowie den Export bestimmt ist und nicht wieder als Arbeitsgegenstand in die Produktion eingeht." (Wörterbuch der Ökonomie Sozia-lismus, Hg. Ehlert, Joswig, Luchterhand u. a., Dietz Verlag Berlin, 5. Aufl. 1983 - Wörterbuch -). Diese Definition spricht zwar zunächst nicht dagegen, ein in der Instandsetzung gewonnenes Produkt unter den Begriff eines Finalerzeugnisses zu fassen, wenn es unmittelbar für den Ab-satz geschaffen worden ist. Bei der Verwendung der Begriffe "Produktion" und "Finalerzeug-nis" und "Enderzeugnis" wird aber nicht auf die "Instandsetzung" als Gewinnungsprozess in den zitierten Verordnungen abgestellt, obwohl "Instandsetzung" in der ehemaligen DDR ge-sondert von der Produktion als Prozess definiert war. Nach dem in der Versorgungsordnung zum Ausdruck gekommenen Sprachgebrauch der DDR war unter einem volkseigenen Produk-tionsbetrieb vielmehr nur ein Betrieb zur serienmäßigen Herstellung von erstmalig für den Gebrauch bestimmter Endprodukte verstanden worden (so auch: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19. Februar 2003, L 4 RA 48/02, E-LSG RA-135; veröffentlicht in juris) nicht aber ein Betrieb der Instandsetzung oder Reparatur, auch wenn diese zur Wieder-herstellung eines gebrauchsfähigen Konsumgutes und Absatzproduktes führte. Dies folgt auch daraus, dass die "Instandhaltung" in der ehemaligen DDR als eigenständiger, der Produktion dienender Bereich definiert wurde. Unter Instandhaltung wurde die "Gesamtheit von Maßnah-men zur planmäßigen Erhaltung des Gebrauchswertes, der Einsatzfähigkeit sowie der Verbes-serung der Leistungsfähigkeit von Grundmitteln" (Wörterbuch der Ökonomie, Stichwort In-standhaltung) verstanden. Sie umfasste die laufende Instandhaltung und die Generalreparatur, die als "Modernisierung in Verbindung mit der Wiederherstellung der technischen Nutzungs-fähigkeit" definiert wurde (Wörterbuch der Ökonomie, a.a.O.). Im Rahmen der Definition des Begriffes "Produktion" wird auf diesen Bereich nicht verwiesen (vergl.: Wörterbuch der Öko-momie). Dabei war es Ziel, den Instandhaltungsprozess zunehmend zu mechanisieren und zu automatisieren, um dadurch Produktionsausfälle "so gering wie möglich" (Wörterbuch der Ökonomie, Stichwort Instandhaltung) zu halten und in der Instandhaltung beschäftigte Ar-beitskräfte für andere wichtige Aufgaben zu gewinnen. Diese Definitionen zeigen, dass in der ehemaligen DDR auch die mechanisierte und automatisierte Instandhaltung zur Wiederherstel-lung der Gebrauchsfähigkeit und die Generalreparatur gerade von der der industriemäßigen (Neu-)Produktion von Sachgütern gesondert definiert wurde. Sie diente auch der Industriepro-duktion, war aber ein eigenständiger Bereich, der nicht mit der industriellen Produktion gleich-zusetzen war, auf die allein sich die VOAVItech bezog.

Ein industrieller Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung war der VEB I nicht. Schon nach seinem Namen "Instandsetzungswerk" lag der Hauptzweck, auf den abzustellen ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, a. a. O.), in der Instandsetzung von gebrauchten Flugzeugturbinen, die für den Wiedergebrauch erneuert werden mussten. Haupt-zweck des Betriebes war nicht die (Neu-)Fertigung, Herstellung, Anfertigung und Fabrikation von Sachgütern in Form der Massenproduktion für den Massenabsatz, auch wenn im Rahmen des Instandsetzungsprozesses, der in dem Instandsetzungswerk VEB Iserienmäßig erfolgte, Ersatzteile neu hergestellt wurden, um sie im Rahmen der instand zu setzenden Flugzeugturbi-nen zu gebrauchen. Soweit ein geringerer Anteil der auch hergestellten Ersatzteile für den frei-en Verkehr, das heißt für andere Unternehmen verkauft wurde, war dies jedenfalls nicht der Hauptzweck des Unternehmens. Dass der Hauptzweck des Instandsetzungswerkes L in der Instandsetzung von Flugzeugtrieb-werken bestand, ergibt sich aus den vom Senat beigezogenen Stellungnahmen und Zeugenaus-sagen. So hat der Direktor für Produktion des Werkes ab 1987, H. F, ausgeführt, dass der VEB I mit ca. 900 beschäftigten Personen mit der Instandsetzung von Stahltriebwerken für Jagd-flugzeuge und Hubschrauber beschäftigt gewesen sei. Der Hauptanteil der eingesetzten Ersatz-teile sei importiert worden. Auch der KU, der von 1975 bis 1985 Betriebsdirektor des VEB I war, hat in seiner Stellungnahme vom 16. März 2005 mitgeteilt, dass Aufgabe des Betriebes die technologische Vorbereitung und praktische Durchführung industrieller Instandsetzungen von Flugzeugtriebwerken und deren Endprüfung auf Großprüfständen gewesen sei. Auch der von 1989 bis 1990 als technischer Direktor tätige Dr. B hat in seiner Stellungnahme vom 22. April 2005 ausgeführt, dass Hauptzweck die industrielle Hauptinstandsetzung flugfähiger Tur-binenluftstrahltriebwerke und Hubschraubergetriebe gewesen sei. Hierzu mussten Sonderbe-triebsmittel entwickelt und hergestellt werden. Er hat weiter beschrieben, dass Hauptzweck die industrielle Instandsetzung von Flugzeugturbinen und Hubschraubertriebwerken gewesen sei und die industrielle Instandsetzung 80 Prozent der Warenproduktion ausgemacht habe. Turbi-nen und Hubschrauberturbinen sind in dem VEB I nach der Aussage des Dr. B nicht neu pro-duziert worden. In einem anderen Bereich des Werkes, nämlich dem Bereich der Herstellung von nicht für die Instandhaltung von Turbinen bestimmter Sonderbetriebsmitteln, Prüfständen, Einzelteilen und Baugruppen waren nur ein Drittel der Beschäftigten des Gesamtbetriebs tätig, so dass dieser Bereich nicht den Hauptzweck des Betriebes verfolgte. Dieser bestand darin, wie sich aus der Aussage des Dr. B ergibt, nicht gebrauchsfähige Triebwerke, die als Halbzeug angeliefert wurden, durch "komplizierteste" Verfahren wieder gebrauchsfähig zu machen. Dass diese Instandsetzung, wie von Dr. B geschildert, mit einer hohen Fertigungstiefe erfolgen musste, ändert nichts daran, dass keine neuen Produkte fertig gestellt wurden, sondern, wie er selbst geschildert hat, für das finale Produkt auch alte Teile herangezogen worden sind, die vorher schon in Benutzung gewesen sind. Es bestand damit ein Unterschied zu einer Neupro-duktion, wie sie von ihm geschildert worden ist. A R, zuletzt ab 1986 bis zur Privatisierung des Betriebes Hauptbuchhalter des VEB I, hat ebenfalls als Betriebszweck die Instandsetzung der Triebwerke für militärische Zwecke angegeben. Angelieferte gebrauchte Triebwerke sind de-montiert worden und dann in einen gebrauchsfähigen Zustand versetzt worden. Er hat auch angegeben, dass mit den Auftraggebern Instandsetzungs- und Lieferverträge über eine regel-mäßige Instandsetzung der Triebwerke bestanden haben und damit keine Produktionsaufträge erteilt worden sind. Eine Neuproduktion von Ersatzteilen und anderen kleineren Teilen ist in dem Betrieb nicht buchhalterisch extra aufgeführt worden, weil sie der Instandsetzung und damit dem Hauptzweck des Betriebes gedient hat. Damit hat auch Herr R eindrücklich geschil-dert, dass Hauptzweck gerade nicht die Neuproduktion war, die buchhalterisch extra ausgewie-sen hätte werden müssen, sondern die Instandsetzung, und die Neuproduktion von Ersatzteilen diesem Hauptzweck gedient hat.

Damit hat schwerpunktmäßig eine industrielle Instandsetzung in dem Betrieb stattgefunden. Eine industrielle Instandsetzung und Modernisierung von Gütern unterfiel aber nicht - wie dar-gestellt - dem Produktionsbegriff im Sinne des fordistischen Produktionsmodells wie er der Versorgungsordnung zugrunde gelegt war. Diese serienmäßige Instandsetzung im Rahmen eines industriellen Prozesses war, auch wenn sie, was der Senat nicht verkennt, hoch speziali-siert von spezialisierten Fachkräften durchgeführt wurde, nicht darauf gerichtet, ein neues Sachgut serienmäßig herzustellen, sondern im Rahmen einer industriemäßigen Organisation nicht mehr gebrauchsfähige Güter nach einzelner Durchsicht jeweils wieder gebrauchsfähig zu machen. Allein das Ansetzen einer Instandsetzung am Einzelgut zur Feststellung der Fehlerhaf-tigkeit und des Instandsetzungsbedarfs verdeutlicht, dass keine serienmäßige Neuproduktion vorgenommen worden ist. Ein instand gesetztes Triebwerk stellt kein aliud im Verhältnis zum angelieferten nicht mehr gebrauchsfähigen Triebwerk dar. Auch die Steigerung des Gebrauchswertes bzw. die Wiederherstellung des Gebrauchswertes führt nicht dazu, dass von einem Neuprodukt gesprochen werden kann. Dass im VEB I auch neben der industriellen In-standsetzung neue Produkte gefertigt worden sind, führt nicht zur Einbeziehung dieses Betrie-bes in die Versorgungsordnung. Hauptziel war - wie dargestellt - die (industrielle) Instandset-zung von Flugzeugturbinen.

Auch die Unterstellung des Betriebes unter ein Industrieministerium führt nicht dazu, dass von einem industriellen Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung auszugehen ist. Wie dargestellt, wurden von der VOAVItech nicht alle Industriebetriebe erfasst, sondern nur die volkseigenen Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens. Im Wirtschaftsleben der ehemaligen DDR wurde - wie sich aus der Systematik der Volkswirtschaftszweige der Deut-schen Demokratischen Republik (Ausgabe 1985) des Ministerrates der Deutschen Demokrati-schen Republik/Staatliche Zentralverwaltung für Statistik ergibt - zwischen Reparatur- und Montagebetrieben und anderen Industriebetrieben unterschieden. Reparatur- und Montagebe-triebe waren der Wirtschaftsgruppe 15489 zugeordnet, zu dieser Wirtschaftsgruppe war auch der VEB I zugeordnet. Daneben gab es z. B. Betriebe des Landmaschinenbaus, des Schiffbaus, des Schienenfahrzeugbaus, des Straßenfahrzeug- und Traktorenbaus und ähnliche Betriebe, in denen Maschinen neu gebaut wurden. Allein aus dieser Systematik ergibt sich ebenfalls eine Unterscheidung im Sprachgebrauch der DDR und im Wirtschaftsleben zwischen Reparatur, Instandsetzungswerken und Produktions/Baubetrieben.

Die Tatsache, dass die im VEB I vorgenommene "Herstellung" von funktionsfähigen Flug-zeugturbinen die einzige "Flugzeugturbinenproduktion" in der ehemaligen DDR darstellte führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit der Kläger darauf abstellt, dass im Wirtschaftsle-ben der DDR die serienmäßige Instandsetzung der Flugzeugturbinen zur Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit im Rahmen der so genannten speziellen Produktion einen der industriellen (Neu-)Produktion gleichzusetzenden Rang hatte, weil die vormals auch in der ehemaligen DDR vorgenommene eigenständige Neuproduktion von Flugzeugturbinen eingestellt worden war (ein Betriebsteil für Triebwerksneubau bestand nur bis 1961, vergl.: "Die Industrie in Ludwigsfelde" 1936 – 1989" Heft I: Die Geschichte der Großbetriebe. Hg.: Gehrmann, Seite 55 ff.), führt dieser Umstand nicht dazu, eine durchgeführte "Instandsetzung" als "Neu-Produktion" zu bewerten. Bei der Frage, ob der Beschäftigungsbetrieb des Klägers von der Versorgungsordnung erfasst war, ist nicht auf das Auftreten des Betriebes in der Wirtschafts-wirklichkeit der ehemaligen DDR abzustellen, sondern auf das in der hier heranzuziehenden Versorgungsordnung bestimmte Versorgungsrecht (BSG, Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 3/02 R, SozR 3-8750 § 1 Nr. 7).

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum war auch nicht ein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 2. DB, weil er dort nicht genannt ist. Etwas anderes folgt nicht etwa daraus, dass der VEB I, wie der Kläger vorträgt, den volkseigenen Produktionsbetrieben in § 1 Abs. 2 der 2.DB gleichgestellten "Betrieben der Eisenbahn" ver-gleichbar war. Eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversor-gungssysteme getroffenen Entscheidungen der DDR ist bundesrechtlich nicht erlaubt, auch soweit sie in sich willkürlich sein sollten, da der Einigungsvertrag grundsätzlich nur auf die Übernahme zum 03. Oktober 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften von "Einbezogenen" in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten hat (BSG, Urteil vom 09. April 2020, B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6). Da-her kann auch nicht eine Erweiterung der gleichgestellten Betriebe gemäß § 1 Abs. 2 2. DB erfolgen. Ist ein Betrieb in der 2. DB am 30. Juni 1990 nicht in der Aufzählung genannt, wie z. B. Reparatur- und Instandsetzungsbetriebe, war er zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatz-versorgungssysteme auch nicht gleichgestellt.

Da der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung der streitigen Zeit als Zeit der Zugehörig-keit zu einem Zusatzversorgungssystem hat, hat er auch keinen Anspruch auf Feststellung der in diesen Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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