Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 8708/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 981/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. Oktober 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Dem Antragsteller (Ast) stehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) nicht zu. Insbesondere besteht kein Anspruch darauf, dass ihm die Antragsgegnerin (Ag) - wie es in diesem Verfahren allein begehrt wird (§ 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) - Leistungen nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II als Darlehen gewährt. Da ein solcher Anspruch nicht besteht, kann er auch nicht im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zugesprochen werden, denn die einstweilige Anordnung dient allein dazu (mit Wahrscheinlichkeit) bestehende Rechte zu sichern oder unter Vorbehalt einstweilen durchzusetzen, nicht aber dazu, Leistungsansprüche vorläufig einzuräumen, die nach der anzuwendenden gesetzlichen Regelung nicht begründet sind.
Ein Fall besonderer Härte i.S.v. § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II liegt nicht vor.
Die sachgerechte Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Härte, der der vollen Nachprüfung durch das Gericht unterliegt, setzt voraus, die Funktion des Härtetatbestandes im Regelungszusammenhang zu bestimmen. § 7 Abs. 5 SBG II erweist sich – ebenso wie § 22 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) – abgesehen von der Rechtsfolge bei Vorliegen der besonderen Härte als inhaltsgleiche Übertragung der in § 26 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) enthalten gewesenen Regelung zur (Nicht-) Leistung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt an Studierende in das nunmehr geltende Leistungsrecht des SGB II und des SGB XII (Brühl in LPK – SGB XII RdNr 2 zu § 22; Spellbrink in Eicher/Spellbrink SGB II RdNr 40 zu § 7; vgl auch Ausschussbegründung BT-Drs 15/1749 S 31 und Gesetzesbegründung BT-Drs 15/1514 S 57). § 26 BSHG ist durchweg dahingehend verstanden worden, dass es Zweck der Vorschrift war, ausgehend von einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung der Ausbildungsförderung im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und im Arbeitsförderungsgesetz (AFG; später Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III)), die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten (BVerwGE 94, 224, 228) und zu verhindern, dass "die Sozialhilfe" eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf einer zweiten Ebene wird (Brühl aaO RdNr 1; Rothkegel Sozialhilferecht Teil III Kap 19 RdNr 2 mwN aus der Rspr des BVerwG). Demjenigen, der sich – wie der Ast - in einer abstrakt förderungsfähigen Ausbildung befindet, der aber konkret aufgrund eines Leistungsausschlusses (hier: Erreichen der Förderungshöchstdauer) nicht gefördert wird, und der hilfebedürftig iSv § 9 SGB II ist, werden damit planmäßig Leistungen zum Lebensunterhalt nicht zur Verfügung gestellt, dh es ist der aus dem Zusammenhang der Bestimmungen folgende Regelfall, dass die Ausbildung wegen der fehlenden Existenzsicherung nicht aufgenommen werden kann bzw. unterbrochen oder abgebrochen werden muss. Dies bestimmt wesentlich das Verständnis der Härteklausel. Sie mildert die Konsequenzen des Leistungsausschlusses (so Rothkegel aaO RdNr 3); die Erwägungen haben zum Ausgangspunkt, dass die Folgen des Leistungsausschlusses über das Maß dessen hinaus gehen, dass als regelmäßige Belastung mit der Schaffung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in Kauf genommen worden ist. Allein die typische Konsequenz, die Ausbildung nicht zu beginnen oder fortsetzen zu können (mit den regelhaften Folgen einer solchen Sachlage), begründen danach eine besondere Härte nicht; es bedarf einer ungewöhnlichen Belastungssituation, die durch eine übermäßige und über den regelmäßig zugemuteten Umfang hinausgehende Betroffenheit des ausbildungswilligen Hilfebedürftigen durch den Ausschluss der Existenzsicherung gekennzeichnet ist.
Danach liegt es – im Sinne einer wünschenswerten Bildung von Fallgruppen – nahe, als härtebegründend (1.) Konstellationen anzusehen, in denen der wesentliche Teil der Ausbildung bereits absolviert ist und der bevorstehende Abschluss (unverschuldet) an Mittellosigkeit zu scheitern droht (etwa OVG Niedersachsen Beschluss vom 29. September 1995 – 4 M 5332/95 – FEVS 46, 422 ff (verlängerte Ausbildung durch Krankheit/Schwangerschaft); LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 15. April 2005 – L 2 B 7/05 AS ER – FEVS 57, 263 ff; SG Berlin Beschluss vom 27. März 2006 – S 104 AS 1270/06 ER – veröffentlicht in Juris (allgemein: Examensphase)). Weiter sind Fälle in Betracht zu ziehen, in denen (2.) die konkrete Ausbildung belegbar ausnahmsweise die einzige realistische Chance ist, Zugang zum Erwerbsleben zu erhalten (etwa OVG Hamburg Beschluss vom 9. September 1997 - Bs IV 36/97 – FEVS 48, 327, 328 (besondere Persönlichkeitsstruktur), Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss vom 29. Januar 1993 – 8 VG 79/93 – info also 1994, 38 ff (Suchtgefährdeter)), sowie Sachverhalte, in denen (3.) die finanzielle Grundlage für die Ausbildung, die zuvor (insbes. durch Leistungen öffentlicher Träger) gesichert gewesen war, entfallen ist, wenn dies vom Hilfebedürftigen nicht zu vertreten und die Ausbildung schon fortgeschritten ist und er begründete Aussicht hat, nach der Ausbildung eine Erwerbstätigkeit ausüben zu können (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14. April 2005 – L 8 AS 36/05 ER – FEVS 56, 511 ff in Fortführung der Rechtsprechung des OVG Niedersachsen aaO; sich anschließend LSG Hessen Beschluss vom 11. August 2005 – L 9 AS 14/05 ER – und LSG Hamburg Beschluss vom 24. November 2005 – L 5 B 256/05 ER AS –, die beiden zuletzt genannten Entscheidungen veröffentlicht in Juris).
Derartige Sachverhalte sind hier nicht gegeben. Der Ast steht nicht unmittelbar vor der Beendigung seines Studiums. Vielmehr will (und hat) er sich demnächst der Zwischenprüfung zu stellen, wofür überdies noch wesentliche Voraussetzungen fehlen. Dass beim Ast besondere Defizite vorlägen, die ihm andere (Entwicklungs-) Möglichkeiten verschließen, die Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnen, ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Insoweit ist nicht auf das Interesse des Ast abzustellen, in einem akademischen Beruf Fuß zu fassen, vielmehr geht es allgemein um die Einschätzung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit, die von ihm selbst dahingehend getroffen wird, dass ihm eine (bereits bisher als Nebenjob ausgeübte) Tätigkeit im Bereich der Landschaftspflege ab März 2007 ein Auskommen ohne staatliche Unterstützung wird sichern können. Leistungen zur Existenzsicherung während des Studiums sind nicht ohne Verschulden des Klägers weggefallen, vielmehr ist der Regelfall des Erreichens der Förderungshöchstdauer (§§ 15, 15a BAföG) eingetreten, und zwar ohne dass die Voraussetzungen für eine Förderung nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer (§ 15 Abs. 3 BAföG) oder einer Studienabschlussbeihilfe (§ 15 Abs. 3a BAföG) vorgelegen hätten (vgl. Bescheid des Studentenwerks Berlin vom 29. August 2006). Damit kommt es nicht mehr darauf an, wie die Erfolgsaussichten des Studiums und die im Falle des Abschlusses bestehenden Aussichten am Arbeitsmarkt zu beurteilen sind. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Dem Antragsteller (Ast) stehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) nicht zu. Insbesondere besteht kein Anspruch darauf, dass ihm die Antragsgegnerin (Ag) - wie es in diesem Verfahren allein begehrt wird (§ 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) - Leistungen nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II als Darlehen gewährt. Da ein solcher Anspruch nicht besteht, kann er auch nicht im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zugesprochen werden, denn die einstweilige Anordnung dient allein dazu (mit Wahrscheinlichkeit) bestehende Rechte zu sichern oder unter Vorbehalt einstweilen durchzusetzen, nicht aber dazu, Leistungsansprüche vorläufig einzuräumen, die nach der anzuwendenden gesetzlichen Regelung nicht begründet sind.
Ein Fall besonderer Härte i.S.v. § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II liegt nicht vor.
Die sachgerechte Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Härte, der der vollen Nachprüfung durch das Gericht unterliegt, setzt voraus, die Funktion des Härtetatbestandes im Regelungszusammenhang zu bestimmen. § 7 Abs. 5 SBG II erweist sich – ebenso wie § 22 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) – abgesehen von der Rechtsfolge bei Vorliegen der besonderen Härte als inhaltsgleiche Übertragung der in § 26 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) enthalten gewesenen Regelung zur (Nicht-) Leistung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt an Studierende in das nunmehr geltende Leistungsrecht des SGB II und des SGB XII (Brühl in LPK – SGB XII RdNr 2 zu § 22; Spellbrink in Eicher/Spellbrink SGB II RdNr 40 zu § 7; vgl auch Ausschussbegründung BT-Drs 15/1749 S 31 und Gesetzesbegründung BT-Drs 15/1514 S 57). § 26 BSHG ist durchweg dahingehend verstanden worden, dass es Zweck der Vorschrift war, ausgehend von einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung der Ausbildungsförderung im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und im Arbeitsförderungsgesetz (AFG; später Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III)), die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten (BVerwGE 94, 224, 228) und zu verhindern, dass "die Sozialhilfe" eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf einer zweiten Ebene wird (Brühl aaO RdNr 1; Rothkegel Sozialhilferecht Teil III Kap 19 RdNr 2 mwN aus der Rspr des BVerwG). Demjenigen, der sich – wie der Ast - in einer abstrakt förderungsfähigen Ausbildung befindet, der aber konkret aufgrund eines Leistungsausschlusses (hier: Erreichen der Förderungshöchstdauer) nicht gefördert wird, und der hilfebedürftig iSv § 9 SGB II ist, werden damit planmäßig Leistungen zum Lebensunterhalt nicht zur Verfügung gestellt, dh es ist der aus dem Zusammenhang der Bestimmungen folgende Regelfall, dass die Ausbildung wegen der fehlenden Existenzsicherung nicht aufgenommen werden kann bzw. unterbrochen oder abgebrochen werden muss. Dies bestimmt wesentlich das Verständnis der Härteklausel. Sie mildert die Konsequenzen des Leistungsausschlusses (so Rothkegel aaO RdNr 3); die Erwägungen haben zum Ausgangspunkt, dass die Folgen des Leistungsausschlusses über das Maß dessen hinaus gehen, dass als regelmäßige Belastung mit der Schaffung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in Kauf genommen worden ist. Allein die typische Konsequenz, die Ausbildung nicht zu beginnen oder fortsetzen zu können (mit den regelhaften Folgen einer solchen Sachlage), begründen danach eine besondere Härte nicht; es bedarf einer ungewöhnlichen Belastungssituation, die durch eine übermäßige und über den regelmäßig zugemuteten Umfang hinausgehende Betroffenheit des ausbildungswilligen Hilfebedürftigen durch den Ausschluss der Existenzsicherung gekennzeichnet ist.
Danach liegt es – im Sinne einer wünschenswerten Bildung von Fallgruppen – nahe, als härtebegründend (1.) Konstellationen anzusehen, in denen der wesentliche Teil der Ausbildung bereits absolviert ist und der bevorstehende Abschluss (unverschuldet) an Mittellosigkeit zu scheitern droht (etwa OVG Niedersachsen Beschluss vom 29. September 1995 – 4 M 5332/95 – FEVS 46, 422 ff (verlängerte Ausbildung durch Krankheit/Schwangerschaft); LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 15. April 2005 – L 2 B 7/05 AS ER – FEVS 57, 263 ff; SG Berlin Beschluss vom 27. März 2006 – S 104 AS 1270/06 ER – veröffentlicht in Juris (allgemein: Examensphase)). Weiter sind Fälle in Betracht zu ziehen, in denen (2.) die konkrete Ausbildung belegbar ausnahmsweise die einzige realistische Chance ist, Zugang zum Erwerbsleben zu erhalten (etwa OVG Hamburg Beschluss vom 9. September 1997 - Bs IV 36/97 – FEVS 48, 327, 328 (besondere Persönlichkeitsstruktur), Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss vom 29. Januar 1993 – 8 VG 79/93 – info also 1994, 38 ff (Suchtgefährdeter)), sowie Sachverhalte, in denen (3.) die finanzielle Grundlage für die Ausbildung, die zuvor (insbes. durch Leistungen öffentlicher Träger) gesichert gewesen war, entfallen ist, wenn dies vom Hilfebedürftigen nicht zu vertreten und die Ausbildung schon fortgeschritten ist und er begründete Aussicht hat, nach der Ausbildung eine Erwerbstätigkeit ausüben zu können (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14. April 2005 – L 8 AS 36/05 ER – FEVS 56, 511 ff in Fortführung der Rechtsprechung des OVG Niedersachsen aaO; sich anschließend LSG Hessen Beschluss vom 11. August 2005 – L 9 AS 14/05 ER – und LSG Hamburg Beschluss vom 24. November 2005 – L 5 B 256/05 ER AS –, die beiden zuletzt genannten Entscheidungen veröffentlicht in Juris).
Derartige Sachverhalte sind hier nicht gegeben. Der Ast steht nicht unmittelbar vor der Beendigung seines Studiums. Vielmehr will (und hat) er sich demnächst der Zwischenprüfung zu stellen, wofür überdies noch wesentliche Voraussetzungen fehlen. Dass beim Ast besondere Defizite vorlägen, die ihm andere (Entwicklungs-) Möglichkeiten verschließen, die Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnen, ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Insoweit ist nicht auf das Interesse des Ast abzustellen, in einem akademischen Beruf Fuß zu fassen, vielmehr geht es allgemein um die Einschätzung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit, die von ihm selbst dahingehend getroffen wird, dass ihm eine (bereits bisher als Nebenjob ausgeübte) Tätigkeit im Bereich der Landschaftspflege ab März 2007 ein Auskommen ohne staatliche Unterstützung wird sichern können. Leistungen zur Existenzsicherung während des Studiums sind nicht ohne Verschulden des Klägers weggefallen, vielmehr ist der Regelfall des Erreichens der Förderungshöchstdauer (§§ 15, 15a BAföG) eingetreten, und zwar ohne dass die Voraussetzungen für eine Förderung nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer (§ 15 Abs. 3 BAföG) oder einer Studienabschlussbeihilfe (§ 15 Abs. 3a BAföG) vorgelegen hätten (vgl. Bescheid des Studentenwerks Berlin vom 29. August 2006). Damit kommt es nicht mehr darauf an, wie die Erfolgsaussichten des Studiums und die im Falle des Abschlusses bestehenden Aussichten am Arbeitsmarkt zu beurteilen sind. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved