L 4 RJ 18/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 RJ 6/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RJ 18/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1946 geborene Klägerin ist britische Staatsbürgerin. Vom 3. August 1977 bis zum 31. August 1995 lebte und arbeitete sie in Deutschland und entrichtete Beiträge zur deutschen Rentenversicherung. Seit dem 1. September 1995 lebt sie in Polen. Am 5. Juni 2001 beantragte sie bei der Beklagten die Erstattung der von ihr geleisteten Rentenbeiträge. Mit Bescheid vom 13. Juli 2001, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2001, lehnte die Beklagte dieses Begehren ab. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, Beiträge würden grundsätzlich erstattet, sofern keine Versicherungspflicht bestehe, seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen seien und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten sei und sofern kein Recht zur freiwilligen Versicherung bestehe. Dies gelte nicht, wenn durch eine zwischenstaatliche Regelung festgelegt sei, dass eine Erstattung gleichwohl nicht verlangt werden könne. Durch den gewöhnlichen Aufenthalt in Polen sei das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen vom 8. Dezember 1990 anzuwenden. Nach dessen Artikel 19 Abs. 7 könne eine Erstattung nicht verlangt werden, selbst wenn das Recht zur freiwilligen Versicherung nach deutschen Rechtsvorschriften nicht bestehe. Über die Berücksichtigung der deutschen Zeiten für den Erwerb des Leistungsanspruchs werde bei Eintritt des Leistungsfalles entschieden.

Mit der am 3. Januar 2002 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Aufgrund ihrer schlechten sozialen Lage in Polen sei die Beitragserstattung für sie dringend notwendig. Die Klägerin sieht sich als britische Staatsbürgerin diskriminiert und meint, als Deutsche hätte sie ein Recht auf Beitragserstattung.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2003 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Beitragserstattung. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig und verletze sie nicht in ihren Rechten. Als Anspruchsgrundlage komme nur § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in Betracht. Danach würden Versicherten auf Antrag Beiträge erstattet, wenn sie nicht versicherungspflichtig seien und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung hätten. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin nicht, denn sie sei zwar nicht versicherungspflichtig, sie habe aber ein Recht zur freiwilligen Versicherung nach § 7 SGB VI. Diese Vorschrift werde auf britische Staatsangehörige nach europarechtlichen Vorschriften angewandt. Artikel 3 Abs. 1 des deutsch-britischen Sozialversicherungsabkommens sehe allgemein die Gleichstellung deutscher Staatsangehöriger mit denen des Vereinigten Königreiches vor. Aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Anhang VI Buchst. C Nr. 4, sei § 7 SGB VI auf Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anzuwenden. Freiwillige Beiträge könnten nach dessen Buchst. c auch Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates entrichten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet eines Drittstaates haben, in der Deutschen Rentenversicherung für wenigstens 60 Monate Beiträge entrichtet haben oder nach § 232 SGB VI zur freiwilligen Versicherung berechtigt sind und nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates nicht pflichtversichert oder freiwillig versichert sind. Weil die Klägerin also ein Recht auf freiwillige Versicherung besitze, komme es – anders als in den angefochtenen Bescheiden angeführt – nicht auf Art. 19 Abs. 7 des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 8. Dezember 1990 an. Ein weitergehendes Recht zur Rückerstattung räume auch das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen nicht ein. Nach Artikel 19 Abs. 7 des Abkommens könne eine Beitragserstattung selbst dann nicht verlangt werden, wenn das Recht zur freiwilligen Versicherung nach deutschen Rechtsvorschriften nicht bestehe. Das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen finde auf die in Polen wohnende Klägerin Anwendung, auch wenn sie britische Staatsangehörige sei. Seine Regelungen gälten nämlich grundsätzlich für alle Personen, die im Gebiet einer der Vertragsparteien wohnten, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit. Dies folge aus der gesetzgeberischen Nichtregelung, die einen offenen Geltungsbereich statuiere. Für den Anspruch der Klägerin spiele aber das Abkommen keine Rolle. Ein eigenständiges Recht auf Beitragserstattung werde durch das Abkommen nicht begründet. Artikel 19 Abs. 7 des Abkommens begrenze nach seinem Wortlaut und seinem Sinn und Zweck lediglich das Recht zur Beitragserstattung, das der Klägerin aber gar nicht zustehe. Die Kammer vermöge im Hinblick auf das Abkommen weder einen Verstoß gegen die deutsche Verfassung noch gegen Europarecht zu erkennen. Eine Überprüfung am Maßstab des polnischen Verfassungsrechts sei im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht möglich. Prüfungsmaßstab seien ausschließlich deutsche Gesetze oder über- bzw. zwischenstaatliches Recht. Das Gleichheitsgebot aus Art. 3 des Grundgesetzes bzw. das Diskriminierungsverbot aus Art. 12 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft seien ebenfalls nicht verletzt. Über die Regelung in der EWG-Verordnung 1408/71 werde die Klägerin genau so gestellt wie jeder Deutsche, der seine Beiträge zur Rentenversicherung erstattet haben wolle. Dass die Klägerin sich in einer schlechten finanziellen Lage befinde, sei unerheblich. Über ihre Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung könne sie nicht verfügen. Vielmehr habe sie bei Eintritt eines Versicherungsfalles einen Anspruch auf Leistungen der Rentenversicherung für diese geleisteten Beitragszahlungen. Für eine Ermessensentscheidung sei daher kein Raum.

Gegen diesen ihr am 3. Januar 2004 in Polen zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 31. März 2004 Berufung eingelegt. Sie meint nach wie vor, als britische Staatsbürgerin in Polen gegenüber deutschen Staatsbürgern diskriminiert zu werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von ihr im Zeitraum 3. August 1977 bis 31. August 1995 geleisteten Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil ihre Ladung einen entsprechenden Hinweis enthielt (§§ 153 Abs. 1, 126 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber kein Erfolg. Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Beitragserstattung. Die angefochtenen Bescheide sind im Ergebnis rechtmäßig. In seinem Gerichtsbescheid vom 19. November 2003 beurteilt das Sozialgericht Berlin die Sach- und Rechtslage zutreffend. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die ausführlichen, nachvollziehbaren und überzeugenden Gründe des Sozialgerichts Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Folgendes bleibt zu betonen: Die Klägerin unterliegt keiner Ungleichbehandlung, denn § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI – die denkbare Grundlage für einen Anspruch auf Beitragserstattung – gilt gleichermaßen für Deutsche und Nichtdeutsche. Aufgrund der vom Sozialgericht zutreffend angeführten Regelung in der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 besitzt die Klägerin ein Recht zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung. Damit ist sie kraft europäischen Sonderrechts gerade den Deutschen gleichgestellt, denn dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB VI nach besitzen (eigentlich) nur Deutsche das Recht zu freiwilliger Versicherung (vgl. hierzu Gürtner in Kasseler Kommentar, Rdnr. 3 und 5 zu § 7 SGB VI). Die Regelungen dienen insgesamt der sozialen Sicherung und handhaben ein Recht zur Beitragserstattung restriktiv. Die Klägerin darf nicht vergessen, dass ihr die Alterssicherung aus der deutschen Rentenversicherung erhalten bleibt, weil die Beitragserstattung ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 SGG) lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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