Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 U 80/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 U 32/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. April 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung (Zahlung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsunfähigkeit – MdE – um mindestens 20 v. H.) eines Arbeitsunfalls aufgrund eines Ereignisses vom 14. März 1995 hat.
Der 1959 geborene Kläger war zum Ereigniszeitpunkt als Erzieher in einer Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung (P) des Bezirksamtes S von Berlin tätig gewesen. Er arbeitete im Kinderbereich (6 bis 14 Jahre) und war neben anderen Aufgaben auch für die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen sowie die Betreuung von Musik- und Tanzgruppen zuständig.
Im Rahmen vorangegangener Ermittlungen der Beklagten (damals noch Unfallversicherung Berlin) zu einer Unfallanzeige des Bezirksamtes S von Berlin vom 20. November 1995 über einen "Gehörsturz" des Klägers vom 21. Juni 1989 - beim Kläger sei damals nach Beendigung einer Musikveranstaltung, die er zusammen mit Jugendlichen als Betreuer im besucht habe, eine Taubheit auf dem linken Ohr mit einem starken Pfeifton aufgetreten - waren verschiedene Behandlungsunterlagen des Klägers beigezogen worden, insbesondere auch ein Befund- und Behandlungsbericht der HNO Ärztin Dr. P die den Kläger ab dem 16. März 1995 wegen einer "seit einer Woche plötzlich aufgetretenen linksseitigen Hörverschlechterung" behandelt hatte. Der Kläger war bis zum 13. September 1995 krankgeschrieben gewesen. Am 24. Mai 1995 hatte eine poliklinische Untersuchung des Klägers in der HNO Klinik des Universitätsklinikums Benjamin Franklin, Berlin, stattgefunden, deren audiometrische Ergebnisse ebenfalls zu den Verwaltungsakten genommen worden waren. Am 21. September 1995 war der Kläger auf Veranlassung des Bezirksamtes S von Berlin von Dr. W (amts )ärztlich untersucht worden. Die Unterlagen zu dieser Untersuchung von Dr. W waren ebenfalls von der Beklagten beigezogen worden; im Ergebnis der Untersuchung war dem Arbeitgeber des Klägers mitgeteilt worden, dass der Kläger wegen einer Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr von März bis September 1995 in HNO ärztlicher Behandlung gewesen sei und zur Verhinderung einer Schädigung des gesunden Ohres eine starke Lärmexposition, z. B. in Live Konzerten und Diskotheken, gemieden werden sollte. Im weiteren Verlauf dieses wegen des Ereignisses vom 21. Juni 1989 eingeleiteten Verwaltungsverfahrens hatte der Arzt für HNO Heilkunde Dr. A ein neurootologisches Gutachten (vom 02. Juli 1998 mit ergänzender schriftlicher Stellungnahme vom 20. Juli 1998) für die Beklagte erstattet, das dazu geführt hatte, dass mit Bescheid der Beklagten vom 10. August 1998 ein Anspruch auf Rente wegen eines Arbeitsunfalls vom 21. Juni 1989 abgelehnt worden war. In der Begründung des Bescheides heißt es: " Bei dem Ereignis am 21.6.1989 ist es zu einer richtunggebenden Verschlimmerung eines bestehenden Körperschadens gekommen. An Folgen des Unfalls bestehen eine geringe bis mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit sowie Ohrgeräusche links. Diese Folgen werden mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v. H. eingeschätzt. Auch nach unserer Überprüfung und Wertung sind die Unfallfolgen zutreffend mit einer MdE von 10 v. H. eingeschätzt worden.". Auf den Widerspruch des Klägers hin hatte die Beklagte daraufhin ein weiteres neurootologisches Gutachten vom 16. August 1999, erstattet von Prof. Dr. S, dem Leiter der HNO Abteilung der HNO Klinik mit Poliklinik des Universitätsklinikums Benjamin Franklin, Berlin, und der Assistenzärztin Dr. V eingeholt. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 1999 war der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen worden; zur Begründung ist in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass der Bewertung des Prof. Dr. S/der Dr. V gefolgt werde, wonach nach der Untersuchung vom 19. Mai 1999 und der Bewertung aller vorliegenden Unterlagen nachvollziehbar und begründet ausgeführt worden sei, dass der Kläger zwar an einer Schwerhörigkeit beidseits leide, wobei das Hörvermögen rechts noch einer Normalhörigkeit entspreche, der Hörschaden links geringgradig sei, aber nicht auf das Lärmereignis vom 21. Juni 1989 zurückgeführt werden könne; der Kläger selbst habe angegeben, bereits 1988 einen Hörsturz links mit Schwindel und Tinnitus erlitten zu haben, so dass von einer Vorschädigung links ausgegangen werden könne, die spätestens durch zwei Hörstürze im Jahre 1995 verschlimmert worden sei.
In dem daraufhin eingeleiteten und dem vorliegend zu beurteilenden Rechtsstreit vorangegangenen Rechtsstreit zur Gewährung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 21. Juni 1989 vor dem Sozialgericht Neuruppin (Az.: S 8 U 112/99) hatte das Sozialgericht ein Gutachten des Chefarztes der HNO Klinik der R Kliniken GmbH Dr. F eingeholt; Dr. F hatte dann sein Gutachten nach Vorlage einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. S/Dr. V vom 30. April 2001 unter dem 16. Mai 2001 schriftlich ergänzt. Das sozialgerichtliche Verfahren (Az.: S 8 U 112/99) hatte damit geendet, dass der Kläger seine Klage nach Hinweis des Beklagtenvertreters, dass es sich bei dem Ereignis vom 21. Juni 1989 um einen anerkannten Arbeitsunfall in Form eines akuten Lärmtraumas auf dem linken Ohr gehandelt habe, seine Klage zurücknahm.
Mit Eingang vom 04. September 2001 zeigte das Bezirksamt T S von Berlin den hier streitgegenständlichen weiteren Unfall des Klägers vom 14. März 1995 an: An diesem Tage sei es bei der dienstlichen Betreuung von Musik- und Tanzgruppen im Jugendfreizeitheim P zu einem Knalltrauma im linken Ohr des Klägers gekommen; es handele sich um eine zweite Unfallanzeige, da die erste aus dem Jahre 1995 verloren gegangen sei. Dass bereits 1995 eine Unfallanzeige "geschrieben worden" sei, bestätigten der damalige Leiter des Jugendfreizeitheimes P H S sowie die ihm nachfolgende kommissarische Leiterin v S (schriftliche Stellungnahmen vom 15. und 27. Juli 2001. Den Vorgang selbst schilderte der Kläger so, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit seines Dienstes im P die Gruppen Musik, Trommler und Tanz usw. betreut und bemerkt habe, dass sein Gehör auf der linken Seite vollkommen weg gewesen sei und er einen sehr starken Tinnitus gehabt habe. Da er allein Dienst gehabt habe, habe er bis zum Schluss ca. 22.30 Uhr im Hause bleiben müssen. Am anderen Tage sei sein Gehör noch nicht wieder da gewesen, er habe S von dem Vorfall berichtet, der auch die Unfallanzeige gefertigt habe. Er habe am darauf folgenden Tag eine HNO Ärztin - Dr. P – aufgesucht.
Mit Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2002 wurde die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 14. März 1995 abgelehnt, weil ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vorliege.
Nachdem der Kläger Widerspruch und sein Prozessbevollmächtigter Akteneinsicht in die Verwaltungsakten der Beklagten genommen hatte, wurde der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. Juni 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich ein Versicherungsfall vom 14. März 1995 nach den eingeleiteten Ermittlungen und insbesondere in Kenntnis der medizinischen Stellungnahmen von Prof. Dr. S/Dr. V vom 16. August 1999 und 30. April 2001 und des neurootologischen Gutachtens von Dr. A vom 02. Juli 1998 zu dem vorangegangenen Arbeitsunfall vom 21. Juni 1989 nicht nachweisen lasse. Der für die Annahme eines Versicherungsfalls erforderliche Vollbeweis sei nicht erbracht. Weder sei ein Lärmereignis durch Zeugen sowie eine eindeutige zeitnahe Meldung des Ereignisses gesichert noch passten die Angaben des Klägers und Befunde zu einem solchen Lärmereignis. Selbst wenn man von einem Lärmereignis vom 14. März 1995 ausginge, hätten Prof. Dr. S/Dr. V nachvollziehbar und begründet festgestellt, dass der Kläger an einer unfallunabhängigen Schwerhörigkeit beidseits leide, wobei das rechte Hörvermögen noch einer Normalhörigkeit entspreche und der Hörschaden links stärker sei. Hiergegen hat der Kläger am 03. Juli 2002 beim Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Zur Begründung ist vorgetragen worden, dass der Arbeitsunfall vom 14. März 1995 ordnungsgemäß beim Dienstherrn gemeldet worden, diese Unfallmeldung aber nicht weitergeleitet worden sei, so dass es erst im Jahre 2001 zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gekommen sei. Von S und v S sei auch bestätigt worden, dass es an dem streitgegenständlichen Tag zu einem akustischen Unfall des Klägers gekommen sei. Durch die fehlende Weiterleitung der Meldung des Arbeitsunfalls sei der Kläger in Beweisnot geraten, so dass die Anforderungen an den Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen geringer sein müssten.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2002 aufzuheben und festzustellen, dass es am 14. März 1995 zu einem Arbeitsunfall gekommen sei, der eine Gesundheitsstörung der vollständigen Taubheit auf dem linken Ohr und eine erhebliche Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr verursacht habe, und die Beklagte deswegen zu verurteilen, dem Kläger ab dem 14. August 2001 eine Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v. H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte, die vor allem darauf hingewiesen hatte, dass die vom Kläger am 16. März 1995 konsultierte und ihn behandelnde HNO Ärztin Dr. P ein Trauma damals als Ursache einer seit einer Woche auftretenden Hörverschlechterung links nicht angegeben habe, hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat verschiedene Befundberichte (Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S vom 27. Februar 2002, Ärztin für Neurologie/Psychiatrie Dr. W vom 28. Oktober 2000, Facharzt für Innere Medizin Dipl. Med. W vom 02. November 2002, Fachärztin für HNO Heilkunde Dr. S vom 05. November 2002), von der ehemaligen Krankenversicherung des Klägers ein Vorerkrankungsverzeichnis eingeholt und Vorgänge aus den beim Bezirksamt T S von Berlin geführten Personalakten des Klägers zu den Akten genommen. Durch Urteil des Sozialgerichts vom 15. April 2003 ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass sich ein Arbeitsunfall am 14. März 1995 nicht beweisen lasse. Die vom Kläger benannten Zeugen hätten kein Knalltrauma oder akutes Lärmtrauma, sondern lediglich einen "Vorfall" bzw. einen "Vorgang" bei der Betreuung von Musik- und Tanzgruppen attestiert. Aus den Unterlagen der behandelnden HNO Ärztin gehe ebenfalls kein Knalltrauma oder akutes Lärmtrauma hervor, sondern eine am 16. März 1995 vom Kläger geklagte plötzlich aufgetretene linksseitige Hörverschlechterung seit einer Woche. Auch die Berücksichtigung eines Beweisnotstandes bei der Beweiswürdigung komme nicht zum Tragen; denn nach der eigenen Schilderung des Klägers habe weder ein Knalltrauma noch ein akutes Lärmtrauma stattgefunden. Auch wenn die ursprüngliche Unfallanzeige verloren gegangen sei, deute nichts darauf hin, dass diese eine andere Aussage enthalten habe. Der Kläger habe bei der Betreuung der Gruppe die Hörverschlechterung bemerkt. Medizinisch sei dann von einem Hörsturz ausgegangen worden. Der Kläger habe bei den aktenkundigen Begutachtungen bei Dr. A von einem Arbeitsunfall vom 21. Juni 1989 und einem weiteren Unfall von 1991 sowie 1993 berichtet. Zu einem Ereignis von 1995 habe er dort nichts erwähnt. Bei der Begutachtung durch Prof. Dr. S/Dr. V habe der Kläger dann zwei Hörstürze links im Jahr 1995 angegeben. Bei der Begutachtung durch Dr. F habe ein Ereignis von 1995 keine Rolle gespielt. Bei der Krankenversicherung des Klägers seien für die Jahre 1989, 1991 und 1995 Behandlungen wegen Hörstürzen registriert. Insoweit deute nichts auf einen stattgehabten Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch SGB VII hin.
Gegen das am 22. Mai 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Juni 2003 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Kläger vor seinem Arbeitsunfall 1989 keinerlei Vorschädigungen seines Gehörs aufgewiesen habe, schon im Jahre 1995 von der HNO Ärztin Dr. P eine Taubheit festgestellt worden sei, Sc und S kein Knalltrauma oder Lärmtrauma hätten melden können, weil ihnen hierzu die medizinischen Kenntnisse gefehlt hätten, die Unfallanzeige von S persönlich erstellt und auf den Dienstweg gebracht worden sei sowie weder das Sozialgericht noch die Beklagte es für nötig gehalten hätten, den Lautstärkepegel bei Veranstaltungen dieser Gruppe zu messen, und eine andere Ursache als der Zwischenfall in der Jugendeinrichtung nicht festgestellt werden könne.
Der Senat legt als Antrag des Klägers zugrunde,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. April 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 14. März 1995 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm, dem Kläger, eine Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Landessozialgericht hat die Original-Patientenkartei der Fachärztin für HNO Heilkunde Dr. G beschafft sowie verschiedene Befundberichte (Arzt für HNO Heilkunde Dr. S vom 21. April 2005 mit weiteren medizinischen Unterlagen, Dres. S, F, G, M etc. vom 22. April 2005, Facharzt für Innere Medizin Dipl. Med. W vom 22. April 2005, Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 10. Mai 2005) eingeholt. Darüber hinaus wurden die Personalakten des Klägers vom Bezirksamt T-S von Berlin übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: 068993/01, 2 Bände) und der Gerichtsakten des Sozialgerichts Neuruppin (Az.: S 8 U 112/99, S 8 U 79/02 ER sowie S 8 U 80/02), die bei gezogen sind und dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ungeachtet dessen verhandeln und in der Sache entscheiden, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weder erschienen noch vertreten ist. Darauf ist der Kläger in der Terminsmitteilung hingewiesen worden, die er – wie sich jedenfalls aus seinem Schriftsatz vom 05. Oktober 2006 zweifelsfrei ergibt – auch tatsächlich erhalten hat.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 14. März 1995 als Arbeitsunfall, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind. Deshalb hat er auch weder einen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. noch auf eine "Stützrente" wegen des Vorliegens eines weiteren, eine MdE von 10 v. H. bedingenden Arbeitsunfalls.
Die Entscheidung richtet sich noch nach den bis 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der streitige Versicherungsfall vom 14. März 1995 vor dem In Kraft Treten des SGB VII am 01. Januar 1997 eingetreten und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01. Januar 1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII i. V. m. § 580 RVO). Denn bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für einen Verletztenrentenbezug hätte ein Leistungsanspruch des Klägers gemäß § 580 Abs. 2 RVO mit dem Tag nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung, hier also am 14. September 1995 begonnen.
Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt nach § 581 Abs. 2 Nr. 2 RVO eine MdE infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens 20 v. H. voraus. Der Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter während einer versicherten Tätigkeit erleidet und der zu einem Gesundheitsschaden führt (§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Als Arbeitsunfall gilt ferner auch eine Berufskrankheit (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO). Voraussetzung dafür, dass eine Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt werden kann, ist, dass zwischen der unfallbringenden versicherten Tätigkeit und der Gesundheitsschädigung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Hiervon kann nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre nur dann ausgegangen werden, wenn ein Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich die Entstehung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 38, 127, 129). Nach § 581 Abs. 3 Satz 1 und 2 RVO besteht auch Anspruch auf Verletztenrente, wenn infolge mehrerer Arbeitsunfälle jeweils eine MdE von wenigstens 10 v. H. besteht und die Vom Hundert Sätze gemeinsam wenigstens die Zahl 20 erreichen (so genannte Stützrente).
Als Versicherungsfall kommt hier nicht eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 "Lärmschwerhörigkeit" gemäß Anlage zur Berufskrankheitenverordnung in Betracht. Denn die Berufskrankheit gemäß Berufskrankheitenverordnung Anlage Nr. 2301 "Lärmschwerhörigkeit" bezeichnet die durch lärm am Arbeitsplatz hervorgerufene Schwerhörigkeit; eine davon abgrenzbare Hörschädigung durch ein Lärmereignis ist als Arbeitsunfall zu entschädigen (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 6/04 R, SozR 4 2700 § 9 Nr. 5). Der Kläger war nach seinem eigenen Vortrag, der auch den Beschreibungen seiner Tätigkeit durch den Arbeitgeber entspricht, zwar gelegentlich bei der Betreuung von Musik- und Tanzgruppen Lärm ausgesetzt; er war aber als Erzieher während des überwiegenden Teils seiner Arbeitszeit gerade nicht langjährig in einer Tätigkeit an einem im Sinne der genannten Berufskrankheit dauerlärmexponierten Arbeitsplatz mit einem Lautstärkepegel oberhalb von 90 dB (A) (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Lärmexposition für einen Gehörschaden: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Seite 417) beschäftigt (vgl. insoweit auch die Bemerkungen im Gutachten Dr. F vom 07. November 2000, wonach "der zu Begutachtende nie in einem im arbeitsmedizinischen Sinne bezeichneten Lärmberuf tätig gewesen" sei, Seite 7 des Gutachtens). Bei dem vom Kläger geltend gemachten Ereignis vom 14. März 1995 handelte es sich vielmehr um eine Lärmeinwirkung, die auf eine Arbeitsschicht begrenzt gewesen war, wie sich aus dem Vorbringen des Klägers ergibt, das der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt: Am 14. März 1995 war der Kläger während drei Stunden abends dem Lärm einer übenden Trommelgruppe in einer ca. 300 m² großen Halle ausgesetzt gewesen.
Kommt somit allein ein Arbeitsunfall in Betracht, scheitert dessen Anerkennung daran, dass zur Überzeugung des Senates nicht festgestellt werden kann, dass eine beim Kläger vorliegende Beeinträchtigung des Hörvermögens mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 14. März 1995 zurückzuführen ist. Ein ursächlicher Zusammenhang ist nur dann wahrscheinlich, wenn nach Feststellung, Prüfung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls insgesamt deutlich mehr für als gegen das Bestehen eines solchen Zusammenhangs spricht. Dies ist hier nicht der Fall.
Das ergibt sich zunächst daraus, dass sich mangels konkreter Anknüpfungstatsachen nicht feststellen lässt, welcher Schallpegel bei dem Ereignis vom 14. März 1995 erreicht bzw. überschritten wurde. Von wesentlicher Bedeutung, ob ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vorliegt, ist bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen Schädigung und Gesundheitsstörungen des Gehörs wie hier aber, dass die Merkmale eines für eine Hörminderung geeigneten akustischen Traumas feststellbar sind. Darüber hinaus hat sich auch zeitnah kein ein zu einem akustischen Trauma passender dauerhafter Hörschaden des Klägers feststellen lassen.
Wie im - im Wege des Urkundenbeweis verwertbaren - Sachverständigengutachten des Dr. F vom 07. November 2000, erstattet im Verfahren des Klägers gegen die Beklagte Az.: S 8 U 122/99, explizit ausgeführt (Seite 13 bis 15 des Gutachtens), sind je nach Art der schädigenden Schallwellen, der Begleitumstände und der Auswirkungen auf das Ohr, das Knalltrauma, das akute Lärmtrauma und der akustische Unfall als akustische Traumen zu unterscheiden, wobei als gemeinsames Merkmal das plötzliche Auftreten eines Hörverlustes anzusehen ist. Kennzeichnend für das Knalltrauma ist ein kurzes und sehr lautes Schallerlebnis, wobei für die Zusammenhangsbeurteilung wesentlich ist, ob die für die Annahme eines Knalltraumas erforderlich notwendigen Druckspitzen zwischen 160 und 190 dB erreicht wurden; denn nur in diesem Fall ist das Ereignis geeignet, ein Knalltrauma zu verursachen (Seite 13 des Gutachtens Dr. F; in Übereinstimmung mit Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 413). Der Kläger macht aber gerade kein kurzes Schallerlebnis geltend, sondern ein über mehrere Stunden sich hinziehendes Lärmereignis. Feststellungen dazu, ob dabei Lärmspitzen zwischen 160 und 190 dB erreicht worden sind, lassen sich hier mangels Anknüpfungstatsachen nicht treffen. Der Kläger hat trotz Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht für eine Schallpegelmessung erforderliche Faktoren nicht mitgeteilt bzw. mitteilen können, nämlich: Art der verwendeten Instrumente, Anzahl der verwendeten Instrumente, Anzahl der im Raum befindlichen Personen, Dauer einzelner Lärmeinwirkungen, Abstand des Klägers von den jeweiligen Geräuschquellen, sonstige bauliche Begebenheiten etc. Darüber hinaus hat sich auch zeitnah eine dauerhafte Innenohrschädigung nicht feststellen lassen bzw. wäre eine solche auch nicht auf ein Lärmereignis vom 14. März 1995 wesentlich zurückzuführen gewesen. So hat die den Kläger wegen einer Taubheit links und Tinnitus behandelnde HNO Fachärztin Dr. P, in deren Behandlung sich der Kläger am 16. März 1996 begeben hatte, lediglich einen Verdacht auf eine "psychogene Taubheit" des Klägers geäußert. In dem im Original vorliegenden Behandlungsbericht an das Gesundheitsamt des Landkreises O vom 05. Oktober 1995 heißt es: "Og. Patient (gemeint ist der Kläger) war vom 16. März 1995 bis zum 30. Juni 1995 in meiner Behandlung wegen einer plötzlich auftretenden linksseitigen Hörverschlechterung seit einer Woche, die sich beim Audiogramm als praktische Taubheit mit Hörresten im Tieftonbereich bei Normakusis rechts darstellte, unter rheologischer Behandlung bei parallel dazu laufender umfangreicher Diagnostik kam es bis Juni 1995 zu keinerlei Besserung. Die Vestibularisfunktion war regelrecht, das CT des Schädels ergab keinen Hinweis auf Akustikusneurinom, die Vorstellung beim Neurologen zeige in der Beurteilung Cephalgien bei Zervikalsyndrom und psychosomatische Funktionsstörung mit Verdacht auf psychogene Taubheit. Wegen Nichtbesserung des Audiogrammbefundes wurde der Patient zur weiteren Diagnostik und Therapie ins Klinikum St überwiesen ". Abgesehen davon, dass sich aus diesem Behandlungsbericht als Datum eines Unfalls jedenfalls ein Zeitpunkt dem 14. März 1995 ergibt, da von einer plötzlich auftretenden Hörverschlechterung des Klägers eine Woche dem Behandlungsbeginn, also wohl dem 09. März 1995 (16. März 1995 abzüglich sieben Tage) die Rede ist, findet sich auch kein Hinweis auf ein traumatisches Ereignis - vom 14. März 1996 - als Auslöser der Hörverschlechterung, deretwegen der Kläger sich am 16. März 1995 in die Behandlung von Frau Dr. P begeben hatte. Ausweislich der Auskunft der Krankenkasse des Klägers vom 16. Januar 2003 ist der Kläger in der Zeit vom 16. März 1995 bis zum 30. September 1995 wegen eines "Hörsturzes links" behandelt worden; bei einem Hörsturz handelt es sich aber um eine schicksalhafte, akut auftretende, in der Regel einseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit, die oft mit einem Ohrgeräusch verknüpft ist und deren Ursache letztlich nicht exakt geklärt ist; ein Hörsturz ist niemals die Folge äußerer Einflüsse, also z. B. von Lärm (so Seite 13 des Gutachtens Dr. F; ebenso Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 406: Die Erkrankung hat ihre Bezeichnung von der plötzlich einsetzenden, meist einseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Entstehung und Diagnose sind noch nicht geklärt. Ursache soll überwiegend eine Durchblutungsstörung des Innenohrs sein, welche die Sauerstoffzufuhr einschränkt, seltener ein Virusinfekt. Geschädigt werden die Haarzellen.). Auch die audiologischen Untersuchungen, die in der HNO Klinik des Klinikums S am 24. Mai 1995 und 02. Juni 1995 durchgeführt worden sind, ergaben nur eine subjektive Taubheit, die aber mit objektiven Hörprüfungen nicht bestätigt werden konnte (vgl. Seite 3 der ergänzenden Stellungnahme Prof. Dr. S/Dr. V vom 30. April 2001; Seite 2 des neurootologischen Gutachtens Dr. A vom 02. Juli 1999: "Audiologische Untersuchungen aus dem Klinikum St vom 24. Mai 1995 und 02. Juni 1995. Unvollständige Befunde ohne Beurteilung und schwierige Seitenzuordnung BERA. Otoakustische Emission links nicht vorhanden, rechts Messung fehlt. Früher akustisch evoziertes Potential nahezu seitengleich, kein Tinnitus, Sprachaudiogramm: rechts normal, links nichts verstanden. Hörschwelle rechts praktisch normal, links nicht einzuordnen."). Auch Dr. F hat in seinem Gutachten vom 07. November 2000 ausdrücklich zu den von ihm bewerteten Befunden aus dem Jahre 1995 festgestellt, dass sich der Kläger 1995 über mehrere Monate in hals-nasen-ohrenärztlicher Diagnostik und Therapie wegen einer hochgradigen, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit des linken Ohres befunden habe, die Genese der Hörstörung aber trotz umfangreicher Untersuchung letztendlich ungeklärt geblieben sei und der Kläger hierzu auch heute bei seiner Untersuchung des Klägers am 04. September 2000 keine weitergehend erhellenden Angaben gemacht habe (Seite 17 unten/18 oben des Gutachtens). Bei diesem Stand ist es bis heute geblieben. Unter diesen Umständen scheitert auch die Feststellung eines akuten Lärmtraumas als Ursache für eine Hörstörung des Klägers. Denn abgesehen davon, dass der Befund nach einem akuten Lärmtrauma dem einer auch nachgewiesenen fortgeschrittenen Lärmschwerhörigkeit, ggf. verbunden mit vestibulären Symptomen, entsprechen muss (so Dr. F in seinem Sachverständigengutachten vom 07. November 2000, Seite 13; ebenso Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 415), was angesichts der Diagnose eines Hörsturzes und den im Klinikum St erhobenen audiometrischen Befunden vom Mai/Juni 1995 zweifelhaft sein könnte, fehlt es jedenfalls an dem Nachweis der erforderlichen extremen Lärmexposition. Denn beim akuten Schalltrauma handelt es sich um Schallstärken mit Schalldruckpegeln zwischen 130 bis 160 dB (Seite 13 des Gutachtens Dr. F; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 415). Wegen der – wie bereits beschrieben – fehlenden Anknüpfungstatsachen lässt sich ein solcher Schallpegel für das Ereignis vom 14. März 1995 mit der notwendigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht feststellen.
Auch die Voraussetzungen für einen akustischen Unfall, der die Symptome eines Hörsturzes im Sinne des Auftretens einer einseitigen, oft hochgradigen Schwerhörigkeit aufweist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 414), lassen sich nicht feststellen. Denn auch für diesen Fall ist für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhang der Nachweis einer Lärmbelastung, nämlich von mindestens 90 dB (A) sowie zusätzlich eine Halswirbelsäulen-Fehlbelastung (Verdrehen des Kopfes) erforderlich (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 414/415). Weder lässt sich ein solcher Schallpegel feststellen noch hat der Kläger überhaupt behauptet, bedingt durch die Arbeitssituation den Kopf in einer Zwangslage verdreht gehalten zu haben und gerade in dieser Situation die Hörstörung bemerkt zu haben. Vielmehr hat der Kläger nicht eine solche für einen akustischen Unfall typische Situation (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 414/415) für das Auftreten seiner Hörstörung angeschuldigt, sondern einen erheblichen Dauerlärm, der gerade nicht zum Bild des akustischen Unfalls passt.
Da es an den notwendigen Anknüpfungstatsachen für die Beurteilung der Geeignetheit des Ereignisses vom 14. März 1995 für die Entstehung/Verschlimmerung einer Hörstörung fehlt, fehlt es auch an den notwendigen Vorgaben, die einem Sachverständigen von Seiten des Gerichts zur Bewertung des Kausalzusammenhangs zu machen wären. Der Senat hat deshalb von der Einholung eines weiteren HNO Fachgutachtens abgesehen.
Soweit sich der Kläger auf das Zeugnis des ehemaligen Leiters der Jugendfreizeiteinrichtung S und dessen kommissarischer Nachfolgerin S beruft, haben diese selbst angegeben, nähere Angaben zum Ereignis vom 14. März 1995 nicht machen, allerdings bestätigen zu können, dass der Kläger einen Hörschaden gemeldet habe und hierzu zeitnah eine Unfallanzeige erstattet worden sei. Dies hat der Senat bei seiner Bewertung auch als wahr unterstellt. Der Kläger hat auch selbst erkannt, dass diese Zeugenaussagen nicht ausreichen können, um den Nachweis eines akustischen Traumas zu erbringen.
Für die Annahme eines – vom Kläger unverschuldeten – Beweisnotstandes und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen ist hier kein Raum. Zwar können Eigentümlichkeiten eines Sachverhaltes in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (BSGE 19, 52, 56; 24, 25, 28 f.). Einen solchen Ausnahmefall hat die Rechtsprechung bei einer unfallbedingten Erinnerungslücke des Verletzten (BSG, Urteil vom 12.Juni 1990, 2 RU 58/89, HV-Info 1990, 2064) oder beim Tod eines Seemannes auf See aus unklarer Ursache ohne Obduktionsmöglichkeit (BSGE 19, 52, 56) anerkannt. Ein insoweit vergleichbarer Fall liegt hier aber nicht vor. Auch beruht der fehlende Nachweis der Geeignetheit eines Lärmereignisses für die Entstehung oder Verschlimmerung eines Hörschadens gerade nicht auf einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung durch die Beklagte, sondern darauf, dass weder zeitnah noch im Gerichtsverfahren Tatsachen festgestellt werden konnten, die einen zuverlässigen Rückschluss auf den erforderlichen Schallpegel erlaubt hätten. Der vom Kläger behauptete Unfallhergang konnte deshalb ebenso wenig bewiesen werden wie die sonstigen Voraussetzungen für die Bejahung der Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Stützrente, da das Ereignis vom 14. März 1995 nicht als Arbeitsunfall mit einem Gesundheitsschaden von einer MdE von mindestens 10 v. H. festzustellen ist; somit kann sich auch unter Berücksichtigung eines im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung eines bestehenden Körperschadens mit einer MdE von 10 v. H. anerkannten Arbeitsunfalls vom 21. Juni 1989 (Bescheid der Beklagten vom 10. August 1998) keine MdE von zusammen 20 v. H. ergeben.
Die Kostenentscheidung, die dem Ausgang des Rechtsstreits entspricht, beruht auf § 193 Abs. S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung (Zahlung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsunfähigkeit – MdE – um mindestens 20 v. H.) eines Arbeitsunfalls aufgrund eines Ereignisses vom 14. März 1995 hat.
Der 1959 geborene Kläger war zum Ereigniszeitpunkt als Erzieher in einer Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung (P) des Bezirksamtes S von Berlin tätig gewesen. Er arbeitete im Kinderbereich (6 bis 14 Jahre) und war neben anderen Aufgaben auch für die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen sowie die Betreuung von Musik- und Tanzgruppen zuständig.
Im Rahmen vorangegangener Ermittlungen der Beklagten (damals noch Unfallversicherung Berlin) zu einer Unfallanzeige des Bezirksamtes S von Berlin vom 20. November 1995 über einen "Gehörsturz" des Klägers vom 21. Juni 1989 - beim Kläger sei damals nach Beendigung einer Musikveranstaltung, die er zusammen mit Jugendlichen als Betreuer im besucht habe, eine Taubheit auf dem linken Ohr mit einem starken Pfeifton aufgetreten - waren verschiedene Behandlungsunterlagen des Klägers beigezogen worden, insbesondere auch ein Befund- und Behandlungsbericht der HNO Ärztin Dr. P die den Kläger ab dem 16. März 1995 wegen einer "seit einer Woche plötzlich aufgetretenen linksseitigen Hörverschlechterung" behandelt hatte. Der Kläger war bis zum 13. September 1995 krankgeschrieben gewesen. Am 24. Mai 1995 hatte eine poliklinische Untersuchung des Klägers in der HNO Klinik des Universitätsklinikums Benjamin Franklin, Berlin, stattgefunden, deren audiometrische Ergebnisse ebenfalls zu den Verwaltungsakten genommen worden waren. Am 21. September 1995 war der Kläger auf Veranlassung des Bezirksamtes S von Berlin von Dr. W (amts )ärztlich untersucht worden. Die Unterlagen zu dieser Untersuchung von Dr. W waren ebenfalls von der Beklagten beigezogen worden; im Ergebnis der Untersuchung war dem Arbeitgeber des Klägers mitgeteilt worden, dass der Kläger wegen einer Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr von März bis September 1995 in HNO ärztlicher Behandlung gewesen sei und zur Verhinderung einer Schädigung des gesunden Ohres eine starke Lärmexposition, z. B. in Live Konzerten und Diskotheken, gemieden werden sollte. Im weiteren Verlauf dieses wegen des Ereignisses vom 21. Juni 1989 eingeleiteten Verwaltungsverfahrens hatte der Arzt für HNO Heilkunde Dr. A ein neurootologisches Gutachten (vom 02. Juli 1998 mit ergänzender schriftlicher Stellungnahme vom 20. Juli 1998) für die Beklagte erstattet, das dazu geführt hatte, dass mit Bescheid der Beklagten vom 10. August 1998 ein Anspruch auf Rente wegen eines Arbeitsunfalls vom 21. Juni 1989 abgelehnt worden war. In der Begründung des Bescheides heißt es: " Bei dem Ereignis am 21.6.1989 ist es zu einer richtunggebenden Verschlimmerung eines bestehenden Körperschadens gekommen. An Folgen des Unfalls bestehen eine geringe bis mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit sowie Ohrgeräusche links. Diese Folgen werden mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v. H. eingeschätzt. Auch nach unserer Überprüfung und Wertung sind die Unfallfolgen zutreffend mit einer MdE von 10 v. H. eingeschätzt worden.". Auf den Widerspruch des Klägers hin hatte die Beklagte daraufhin ein weiteres neurootologisches Gutachten vom 16. August 1999, erstattet von Prof. Dr. S, dem Leiter der HNO Abteilung der HNO Klinik mit Poliklinik des Universitätsklinikums Benjamin Franklin, Berlin, und der Assistenzärztin Dr. V eingeholt. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 1999 war der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen worden; zur Begründung ist in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass der Bewertung des Prof. Dr. S/der Dr. V gefolgt werde, wonach nach der Untersuchung vom 19. Mai 1999 und der Bewertung aller vorliegenden Unterlagen nachvollziehbar und begründet ausgeführt worden sei, dass der Kläger zwar an einer Schwerhörigkeit beidseits leide, wobei das Hörvermögen rechts noch einer Normalhörigkeit entspreche, der Hörschaden links geringgradig sei, aber nicht auf das Lärmereignis vom 21. Juni 1989 zurückgeführt werden könne; der Kläger selbst habe angegeben, bereits 1988 einen Hörsturz links mit Schwindel und Tinnitus erlitten zu haben, so dass von einer Vorschädigung links ausgegangen werden könne, die spätestens durch zwei Hörstürze im Jahre 1995 verschlimmert worden sei.
In dem daraufhin eingeleiteten und dem vorliegend zu beurteilenden Rechtsstreit vorangegangenen Rechtsstreit zur Gewährung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 21. Juni 1989 vor dem Sozialgericht Neuruppin (Az.: S 8 U 112/99) hatte das Sozialgericht ein Gutachten des Chefarztes der HNO Klinik der R Kliniken GmbH Dr. F eingeholt; Dr. F hatte dann sein Gutachten nach Vorlage einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. S/Dr. V vom 30. April 2001 unter dem 16. Mai 2001 schriftlich ergänzt. Das sozialgerichtliche Verfahren (Az.: S 8 U 112/99) hatte damit geendet, dass der Kläger seine Klage nach Hinweis des Beklagtenvertreters, dass es sich bei dem Ereignis vom 21. Juni 1989 um einen anerkannten Arbeitsunfall in Form eines akuten Lärmtraumas auf dem linken Ohr gehandelt habe, seine Klage zurücknahm.
Mit Eingang vom 04. September 2001 zeigte das Bezirksamt T S von Berlin den hier streitgegenständlichen weiteren Unfall des Klägers vom 14. März 1995 an: An diesem Tage sei es bei der dienstlichen Betreuung von Musik- und Tanzgruppen im Jugendfreizeitheim P zu einem Knalltrauma im linken Ohr des Klägers gekommen; es handele sich um eine zweite Unfallanzeige, da die erste aus dem Jahre 1995 verloren gegangen sei. Dass bereits 1995 eine Unfallanzeige "geschrieben worden" sei, bestätigten der damalige Leiter des Jugendfreizeitheimes P H S sowie die ihm nachfolgende kommissarische Leiterin v S (schriftliche Stellungnahmen vom 15. und 27. Juli 2001. Den Vorgang selbst schilderte der Kläger so, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit seines Dienstes im P die Gruppen Musik, Trommler und Tanz usw. betreut und bemerkt habe, dass sein Gehör auf der linken Seite vollkommen weg gewesen sei und er einen sehr starken Tinnitus gehabt habe. Da er allein Dienst gehabt habe, habe er bis zum Schluss ca. 22.30 Uhr im Hause bleiben müssen. Am anderen Tage sei sein Gehör noch nicht wieder da gewesen, er habe S von dem Vorfall berichtet, der auch die Unfallanzeige gefertigt habe. Er habe am darauf folgenden Tag eine HNO Ärztin - Dr. P – aufgesucht.
Mit Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2002 wurde die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 14. März 1995 abgelehnt, weil ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vorliege.
Nachdem der Kläger Widerspruch und sein Prozessbevollmächtigter Akteneinsicht in die Verwaltungsakten der Beklagten genommen hatte, wurde der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. Juni 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich ein Versicherungsfall vom 14. März 1995 nach den eingeleiteten Ermittlungen und insbesondere in Kenntnis der medizinischen Stellungnahmen von Prof. Dr. S/Dr. V vom 16. August 1999 und 30. April 2001 und des neurootologischen Gutachtens von Dr. A vom 02. Juli 1998 zu dem vorangegangenen Arbeitsunfall vom 21. Juni 1989 nicht nachweisen lasse. Der für die Annahme eines Versicherungsfalls erforderliche Vollbeweis sei nicht erbracht. Weder sei ein Lärmereignis durch Zeugen sowie eine eindeutige zeitnahe Meldung des Ereignisses gesichert noch passten die Angaben des Klägers und Befunde zu einem solchen Lärmereignis. Selbst wenn man von einem Lärmereignis vom 14. März 1995 ausginge, hätten Prof. Dr. S/Dr. V nachvollziehbar und begründet festgestellt, dass der Kläger an einer unfallunabhängigen Schwerhörigkeit beidseits leide, wobei das rechte Hörvermögen noch einer Normalhörigkeit entspreche und der Hörschaden links stärker sei. Hiergegen hat der Kläger am 03. Juli 2002 beim Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Zur Begründung ist vorgetragen worden, dass der Arbeitsunfall vom 14. März 1995 ordnungsgemäß beim Dienstherrn gemeldet worden, diese Unfallmeldung aber nicht weitergeleitet worden sei, so dass es erst im Jahre 2001 zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gekommen sei. Von S und v S sei auch bestätigt worden, dass es an dem streitgegenständlichen Tag zu einem akustischen Unfall des Klägers gekommen sei. Durch die fehlende Weiterleitung der Meldung des Arbeitsunfalls sei der Kläger in Beweisnot geraten, so dass die Anforderungen an den Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen geringer sein müssten.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2002 aufzuheben und festzustellen, dass es am 14. März 1995 zu einem Arbeitsunfall gekommen sei, der eine Gesundheitsstörung der vollständigen Taubheit auf dem linken Ohr und eine erhebliche Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr verursacht habe, und die Beklagte deswegen zu verurteilen, dem Kläger ab dem 14. August 2001 eine Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v. H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte, die vor allem darauf hingewiesen hatte, dass die vom Kläger am 16. März 1995 konsultierte und ihn behandelnde HNO Ärztin Dr. P ein Trauma damals als Ursache einer seit einer Woche auftretenden Hörverschlechterung links nicht angegeben habe, hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat verschiedene Befundberichte (Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S vom 27. Februar 2002, Ärztin für Neurologie/Psychiatrie Dr. W vom 28. Oktober 2000, Facharzt für Innere Medizin Dipl. Med. W vom 02. November 2002, Fachärztin für HNO Heilkunde Dr. S vom 05. November 2002), von der ehemaligen Krankenversicherung des Klägers ein Vorerkrankungsverzeichnis eingeholt und Vorgänge aus den beim Bezirksamt T S von Berlin geführten Personalakten des Klägers zu den Akten genommen. Durch Urteil des Sozialgerichts vom 15. April 2003 ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass sich ein Arbeitsunfall am 14. März 1995 nicht beweisen lasse. Die vom Kläger benannten Zeugen hätten kein Knalltrauma oder akutes Lärmtrauma, sondern lediglich einen "Vorfall" bzw. einen "Vorgang" bei der Betreuung von Musik- und Tanzgruppen attestiert. Aus den Unterlagen der behandelnden HNO Ärztin gehe ebenfalls kein Knalltrauma oder akutes Lärmtrauma hervor, sondern eine am 16. März 1995 vom Kläger geklagte plötzlich aufgetretene linksseitige Hörverschlechterung seit einer Woche. Auch die Berücksichtigung eines Beweisnotstandes bei der Beweiswürdigung komme nicht zum Tragen; denn nach der eigenen Schilderung des Klägers habe weder ein Knalltrauma noch ein akutes Lärmtrauma stattgefunden. Auch wenn die ursprüngliche Unfallanzeige verloren gegangen sei, deute nichts darauf hin, dass diese eine andere Aussage enthalten habe. Der Kläger habe bei der Betreuung der Gruppe die Hörverschlechterung bemerkt. Medizinisch sei dann von einem Hörsturz ausgegangen worden. Der Kläger habe bei den aktenkundigen Begutachtungen bei Dr. A von einem Arbeitsunfall vom 21. Juni 1989 und einem weiteren Unfall von 1991 sowie 1993 berichtet. Zu einem Ereignis von 1995 habe er dort nichts erwähnt. Bei der Begutachtung durch Prof. Dr. S/Dr. V habe der Kläger dann zwei Hörstürze links im Jahr 1995 angegeben. Bei der Begutachtung durch Dr. F habe ein Ereignis von 1995 keine Rolle gespielt. Bei der Krankenversicherung des Klägers seien für die Jahre 1989, 1991 und 1995 Behandlungen wegen Hörstürzen registriert. Insoweit deute nichts auf einen stattgehabten Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch SGB VII hin.
Gegen das am 22. Mai 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Juni 2003 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Kläger vor seinem Arbeitsunfall 1989 keinerlei Vorschädigungen seines Gehörs aufgewiesen habe, schon im Jahre 1995 von der HNO Ärztin Dr. P eine Taubheit festgestellt worden sei, Sc und S kein Knalltrauma oder Lärmtrauma hätten melden können, weil ihnen hierzu die medizinischen Kenntnisse gefehlt hätten, die Unfallanzeige von S persönlich erstellt und auf den Dienstweg gebracht worden sei sowie weder das Sozialgericht noch die Beklagte es für nötig gehalten hätten, den Lautstärkepegel bei Veranstaltungen dieser Gruppe zu messen, und eine andere Ursache als der Zwischenfall in der Jugendeinrichtung nicht festgestellt werden könne.
Der Senat legt als Antrag des Klägers zugrunde,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. April 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 14. März 1995 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm, dem Kläger, eine Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Landessozialgericht hat die Original-Patientenkartei der Fachärztin für HNO Heilkunde Dr. G beschafft sowie verschiedene Befundberichte (Arzt für HNO Heilkunde Dr. S vom 21. April 2005 mit weiteren medizinischen Unterlagen, Dres. S, F, G, M etc. vom 22. April 2005, Facharzt für Innere Medizin Dipl. Med. W vom 22. April 2005, Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 10. Mai 2005) eingeholt. Darüber hinaus wurden die Personalakten des Klägers vom Bezirksamt T-S von Berlin übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: 068993/01, 2 Bände) und der Gerichtsakten des Sozialgerichts Neuruppin (Az.: S 8 U 112/99, S 8 U 79/02 ER sowie S 8 U 80/02), die bei gezogen sind und dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ungeachtet dessen verhandeln und in der Sache entscheiden, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weder erschienen noch vertreten ist. Darauf ist der Kläger in der Terminsmitteilung hingewiesen worden, die er – wie sich jedenfalls aus seinem Schriftsatz vom 05. Oktober 2006 zweifelsfrei ergibt – auch tatsächlich erhalten hat.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 14. März 1995 als Arbeitsunfall, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind. Deshalb hat er auch weder einen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. noch auf eine "Stützrente" wegen des Vorliegens eines weiteren, eine MdE von 10 v. H. bedingenden Arbeitsunfalls.
Die Entscheidung richtet sich noch nach den bis 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der streitige Versicherungsfall vom 14. März 1995 vor dem In Kraft Treten des SGB VII am 01. Januar 1997 eingetreten und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01. Januar 1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII i. V. m. § 580 RVO). Denn bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für einen Verletztenrentenbezug hätte ein Leistungsanspruch des Klägers gemäß § 580 Abs. 2 RVO mit dem Tag nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung, hier also am 14. September 1995 begonnen.
Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt nach § 581 Abs. 2 Nr. 2 RVO eine MdE infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens 20 v. H. voraus. Der Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter während einer versicherten Tätigkeit erleidet und der zu einem Gesundheitsschaden führt (§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Als Arbeitsunfall gilt ferner auch eine Berufskrankheit (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO). Voraussetzung dafür, dass eine Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt werden kann, ist, dass zwischen der unfallbringenden versicherten Tätigkeit und der Gesundheitsschädigung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Hiervon kann nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre nur dann ausgegangen werden, wenn ein Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich die Entstehung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 38, 127, 129). Nach § 581 Abs. 3 Satz 1 und 2 RVO besteht auch Anspruch auf Verletztenrente, wenn infolge mehrerer Arbeitsunfälle jeweils eine MdE von wenigstens 10 v. H. besteht und die Vom Hundert Sätze gemeinsam wenigstens die Zahl 20 erreichen (so genannte Stützrente).
Als Versicherungsfall kommt hier nicht eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 "Lärmschwerhörigkeit" gemäß Anlage zur Berufskrankheitenverordnung in Betracht. Denn die Berufskrankheit gemäß Berufskrankheitenverordnung Anlage Nr. 2301 "Lärmschwerhörigkeit" bezeichnet die durch lärm am Arbeitsplatz hervorgerufene Schwerhörigkeit; eine davon abgrenzbare Hörschädigung durch ein Lärmereignis ist als Arbeitsunfall zu entschädigen (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 6/04 R, SozR 4 2700 § 9 Nr. 5). Der Kläger war nach seinem eigenen Vortrag, der auch den Beschreibungen seiner Tätigkeit durch den Arbeitgeber entspricht, zwar gelegentlich bei der Betreuung von Musik- und Tanzgruppen Lärm ausgesetzt; er war aber als Erzieher während des überwiegenden Teils seiner Arbeitszeit gerade nicht langjährig in einer Tätigkeit an einem im Sinne der genannten Berufskrankheit dauerlärmexponierten Arbeitsplatz mit einem Lautstärkepegel oberhalb von 90 dB (A) (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Lärmexposition für einen Gehörschaden: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Seite 417) beschäftigt (vgl. insoweit auch die Bemerkungen im Gutachten Dr. F vom 07. November 2000, wonach "der zu Begutachtende nie in einem im arbeitsmedizinischen Sinne bezeichneten Lärmberuf tätig gewesen" sei, Seite 7 des Gutachtens). Bei dem vom Kläger geltend gemachten Ereignis vom 14. März 1995 handelte es sich vielmehr um eine Lärmeinwirkung, die auf eine Arbeitsschicht begrenzt gewesen war, wie sich aus dem Vorbringen des Klägers ergibt, das der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt: Am 14. März 1995 war der Kläger während drei Stunden abends dem Lärm einer übenden Trommelgruppe in einer ca. 300 m² großen Halle ausgesetzt gewesen.
Kommt somit allein ein Arbeitsunfall in Betracht, scheitert dessen Anerkennung daran, dass zur Überzeugung des Senates nicht festgestellt werden kann, dass eine beim Kläger vorliegende Beeinträchtigung des Hörvermögens mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 14. März 1995 zurückzuführen ist. Ein ursächlicher Zusammenhang ist nur dann wahrscheinlich, wenn nach Feststellung, Prüfung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls insgesamt deutlich mehr für als gegen das Bestehen eines solchen Zusammenhangs spricht. Dies ist hier nicht der Fall.
Das ergibt sich zunächst daraus, dass sich mangels konkreter Anknüpfungstatsachen nicht feststellen lässt, welcher Schallpegel bei dem Ereignis vom 14. März 1995 erreicht bzw. überschritten wurde. Von wesentlicher Bedeutung, ob ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vorliegt, ist bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen Schädigung und Gesundheitsstörungen des Gehörs wie hier aber, dass die Merkmale eines für eine Hörminderung geeigneten akustischen Traumas feststellbar sind. Darüber hinaus hat sich auch zeitnah kein ein zu einem akustischen Trauma passender dauerhafter Hörschaden des Klägers feststellen lassen.
Wie im - im Wege des Urkundenbeweis verwertbaren - Sachverständigengutachten des Dr. F vom 07. November 2000, erstattet im Verfahren des Klägers gegen die Beklagte Az.: S 8 U 122/99, explizit ausgeführt (Seite 13 bis 15 des Gutachtens), sind je nach Art der schädigenden Schallwellen, der Begleitumstände und der Auswirkungen auf das Ohr, das Knalltrauma, das akute Lärmtrauma und der akustische Unfall als akustische Traumen zu unterscheiden, wobei als gemeinsames Merkmal das plötzliche Auftreten eines Hörverlustes anzusehen ist. Kennzeichnend für das Knalltrauma ist ein kurzes und sehr lautes Schallerlebnis, wobei für die Zusammenhangsbeurteilung wesentlich ist, ob die für die Annahme eines Knalltraumas erforderlich notwendigen Druckspitzen zwischen 160 und 190 dB erreicht wurden; denn nur in diesem Fall ist das Ereignis geeignet, ein Knalltrauma zu verursachen (Seite 13 des Gutachtens Dr. F; in Übereinstimmung mit Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 413). Der Kläger macht aber gerade kein kurzes Schallerlebnis geltend, sondern ein über mehrere Stunden sich hinziehendes Lärmereignis. Feststellungen dazu, ob dabei Lärmspitzen zwischen 160 und 190 dB erreicht worden sind, lassen sich hier mangels Anknüpfungstatsachen nicht treffen. Der Kläger hat trotz Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht für eine Schallpegelmessung erforderliche Faktoren nicht mitgeteilt bzw. mitteilen können, nämlich: Art der verwendeten Instrumente, Anzahl der verwendeten Instrumente, Anzahl der im Raum befindlichen Personen, Dauer einzelner Lärmeinwirkungen, Abstand des Klägers von den jeweiligen Geräuschquellen, sonstige bauliche Begebenheiten etc. Darüber hinaus hat sich auch zeitnah eine dauerhafte Innenohrschädigung nicht feststellen lassen bzw. wäre eine solche auch nicht auf ein Lärmereignis vom 14. März 1995 wesentlich zurückzuführen gewesen. So hat die den Kläger wegen einer Taubheit links und Tinnitus behandelnde HNO Fachärztin Dr. P, in deren Behandlung sich der Kläger am 16. März 1996 begeben hatte, lediglich einen Verdacht auf eine "psychogene Taubheit" des Klägers geäußert. In dem im Original vorliegenden Behandlungsbericht an das Gesundheitsamt des Landkreises O vom 05. Oktober 1995 heißt es: "Og. Patient (gemeint ist der Kläger) war vom 16. März 1995 bis zum 30. Juni 1995 in meiner Behandlung wegen einer plötzlich auftretenden linksseitigen Hörverschlechterung seit einer Woche, die sich beim Audiogramm als praktische Taubheit mit Hörresten im Tieftonbereich bei Normakusis rechts darstellte, unter rheologischer Behandlung bei parallel dazu laufender umfangreicher Diagnostik kam es bis Juni 1995 zu keinerlei Besserung. Die Vestibularisfunktion war regelrecht, das CT des Schädels ergab keinen Hinweis auf Akustikusneurinom, die Vorstellung beim Neurologen zeige in der Beurteilung Cephalgien bei Zervikalsyndrom und psychosomatische Funktionsstörung mit Verdacht auf psychogene Taubheit. Wegen Nichtbesserung des Audiogrammbefundes wurde der Patient zur weiteren Diagnostik und Therapie ins Klinikum St überwiesen ". Abgesehen davon, dass sich aus diesem Behandlungsbericht als Datum eines Unfalls jedenfalls ein Zeitpunkt dem 14. März 1995 ergibt, da von einer plötzlich auftretenden Hörverschlechterung des Klägers eine Woche dem Behandlungsbeginn, also wohl dem 09. März 1995 (16. März 1995 abzüglich sieben Tage) die Rede ist, findet sich auch kein Hinweis auf ein traumatisches Ereignis - vom 14. März 1996 - als Auslöser der Hörverschlechterung, deretwegen der Kläger sich am 16. März 1995 in die Behandlung von Frau Dr. P begeben hatte. Ausweislich der Auskunft der Krankenkasse des Klägers vom 16. Januar 2003 ist der Kläger in der Zeit vom 16. März 1995 bis zum 30. September 1995 wegen eines "Hörsturzes links" behandelt worden; bei einem Hörsturz handelt es sich aber um eine schicksalhafte, akut auftretende, in der Regel einseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit, die oft mit einem Ohrgeräusch verknüpft ist und deren Ursache letztlich nicht exakt geklärt ist; ein Hörsturz ist niemals die Folge äußerer Einflüsse, also z. B. von Lärm (so Seite 13 des Gutachtens Dr. F; ebenso Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 406: Die Erkrankung hat ihre Bezeichnung von der plötzlich einsetzenden, meist einseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Entstehung und Diagnose sind noch nicht geklärt. Ursache soll überwiegend eine Durchblutungsstörung des Innenohrs sein, welche die Sauerstoffzufuhr einschränkt, seltener ein Virusinfekt. Geschädigt werden die Haarzellen.). Auch die audiologischen Untersuchungen, die in der HNO Klinik des Klinikums S am 24. Mai 1995 und 02. Juni 1995 durchgeführt worden sind, ergaben nur eine subjektive Taubheit, die aber mit objektiven Hörprüfungen nicht bestätigt werden konnte (vgl. Seite 3 der ergänzenden Stellungnahme Prof. Dr. S/Dr. V vom 30. April 2001; Seite 2 des neurootologischen Gutachtens Dr. A vom 02. Juli 1999: "Audiologische Untersuchungen aus dem Klinikum St vom 24. Mai 1995 und 02. Juni 1995. Unvollständige Befunde ohne Beurteilung und schwierige Seitenzuordnung BERA. Otoakustische Emission links nicht vorhanden, rechts Messung fehlt. Früher akustisch evoziertes Potential nahezu seitengleich, kein Tinnitus, Sprachaudiogramm: rechts normal, links nichts verstanden. Hörschwelle rechts praktisch normal, links nicht einzuordnen."). Auch Dr. F hat in seinem Gutachten vom 07. November 2000 ausdrücklich zu den von ihm bewerteten Befunden aus dem Jahre 1995 festgestellt, dass sich der Kläger 1995 über mehrere Monate in hals-nasen-ohrenärztlicher Diagnostik und Therapie wegen einer hochgradigen, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit des linken Ohres befunden habe, die Genese der Hörstörung aber trotz umfangreicher Untersuchung letztendlich ungeklärt geblieben sei und der Kläger hierzu auch heute bei seiner Untersuchung des Klägers am 04. September 2000 keine weitergehend erhellenden Angaben gemacht habe (Seite 17 unten/18 oben des Gutachtens). Bei diesem Stand ist es bis heute geblieben. Unter diesen Umständen scheitert auch die Feststellung eines akuten Lärmtraumas als Ursache für eine Hörstörung des Klägers. Denn abgesehen davon, dass der Befund nach einem akuten Lärmtrauma dem einer auch nachgewiesenen fortgeschrittenen Lärmschwerhörigkeit, ggf. verbunden mit vestibulären Symptomen, entsprechen muss (so Dr. F in seinem Sachverständigengutachten vom 07. November 2000, Seite 13; ebenso Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 415), was angesichts der Diagnose eines Hörsturzes und den im Klinikum St erhobenen audiometrischen Befunden vom Mai/Juni 1995 zweifelhaft sein könnte, fehlt es jedenfalls an dem Nachweis der erforderlichen extremen Lärmexposition. Denn beim akuten Schalltrauma handelt es sich um Schallstärken mit Schalldruckpegeln zwischen 130 bis 160 dB (Seite 13 des Gutachtens Dr. F; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 415). Wegen der – wie bereits beschrieben – fehlenden Anknüpfungstatsachen lässt sich ein solcher Schallpegel für das Ereignis vom 14. März 1995 mit der notwendigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht feststellen.
Auch die Voraussetzungen für einen akustischen Unfall, der die Symptome eines Hörsturzes im Sinne des Auftretens einer einseitigen, oft hochgradigen Schwerhörigkeit aufweist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 414), lassen sich nicht feststellen. Denn auch für diesen Fall ist für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhang der Nachweis einer Lärmbelastung, nämlich von mindestens 90 dB (A) sowie zusätzlich eine Halswirbelsäulen-Fehlbelastung (Verdrehen des Kopfes) erforderlich (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 414/415). Weder lässt sich ein solcher Schallpegel feststellen noch hat der Kläger überhaupt behauptet, bedingt durch die Arbeitssituation den Kopf in einer Zwangslage verdreht gehalten zu haben und gerade in dieser Situation die Hörstörung bemerkt zu haben. Vielmehr hat der Kläger nicht eine solche für einen akustischen Unfall typische Situation (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 414/415) für das Auftreten seiner Hörstörung angeschuldigt, sondern einen erheblichen Dauerlärm, der gerade nicht zum Bild des akustischen Unfalls passt.
Da es an den notwendigen Anknüpfungstatsachen für die Beurteilung der Geeignetheit des Ereignisses vom 14. März 1995 für die Entstehung/Verschlimmerung einer Hörstörung fehlt, fehlt es auch an den notwendigen Vorgaben, die einem Sachverständigen von Seiten des Gerichts zur Bewertung des Kausalzusammenhangs zu machen wären. Der Senat hat deshalb von der Einholung eines weiteren HNO Fachgutachtens abgesehen.
Soweit sich der Kläger auf das Zeugnis des ehemaligen Leiters der Jugendfreizeiteinrichtung S und dessen kommissarischer Nachfolgerin S beruft, haben diese selbst angegeben, nähere Angaben zum Ereignis vom 14. März 1995 nicht machen, allerdings bestätigen zu können, dass der Kläger einen Hörschaden gemeldet habe und hierzu zeitnah eine Unfallanzeige erstattet worden sei. Dies hat der Senat bei seiner Bewertung auch als wahr unterstellt. Der Kläger hat auch selbst erkannt, dass diese Zeugenaussagen nicht ausreichen können, um den Nachweis eines akustischen Traumas zu erbringen.
Für die Annahme eines – vom Kläger unverschuldeten – Beweisnotstandes und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen ist hier kein Raum. Zwar können Eigentümlichkeiten eines Sachverhaltes in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (BSGE 19, 52, 56; 24, 25, 28 f.). Einen solchen Ausnahmefall hat die Rechtsprechung bei einer unfallbedingten Erinnerungslücke des Verletzten (BSG, Urteil vom 12.Juni 1990, 2 RU 58/89, HV-Info 1990, 2064) oder beim Tod eines Seemannes auf See aus unklarer Ursache ohne Obduktionsmöglichkeit (BSGE 19, 52, 56) anerkannt. Ein insoweit vergleichbarer Fall liegt hier aber nicht vor. Auch beruht der fehlende Nachweis der Geeignetheit eines Lärmereignisses für die Entstehung oder Verschlimmerung eines Hörschadens gerade nicht auf einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung durch die Beklagte, sondern darauf, dass weder zeitnah noch im Gerichtsverfahren Tatsachen festgestellt werden konnten, die einen zuverlässigen Rückschluss auf den erforderlichen Schallpegel erlaubt hätten. Der vom Kläger behauptete Unfallhergang konnte deshalb ebenso wenig bewiesen werden wie die sonstigen Voraussetzungen für die Bejahung der Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Stützrente, da das Ereignis vom 14. März 1995 nicht als Arbeitsunfall mit einem Gesundheitsschaden von einer MdE von mindestens 10 v. H. festzustellen ist; somit kann sich auch unter Berücksichtigung eines im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung eines bestehenden Körperschadens mit einer MdE von 10 v. H. anerkannten Arbeitsunfalls vom 21. Juni 1989 (Bescheid der Beklagten vom 10. August 1998) keine MdE von zusammen 20 v. H. ergeben.
Die Kostenentscheidung, die dem Ausgang des Rechtsstreits entspricht, beruht auf § 193 Abs. S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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