Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 RA 4773/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 132/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2005 geändert.
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 19. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 verurteilt, dem Kläger Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung hilfsweise unter Entgegennahme freiwilliger Beiträge für diesen Zeitraum.
Der 1936 in B geborene Kläger, der seit Dezember 1948 Staatsbürger und in I wohnhaft ist, ist als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt (Feststellungsbescheid C des Bezirksamtes für Wiedergutmachung K vom 27. Mai 1960).
Auf seine im Juni 1983 gestellten Anträge auf Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Art. 12 der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 20. November 1978 (DV-DISVA) und Anerkennung von Ausfallzeiten stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Nachfolgenden ebenfalls Beklagte genannt) mit Bescheid vom 22. Juli 1988 die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 12 DV-DISVA fest. Außerdem merkte sie mit Bescheid vom 20. September 1989 u. a. die Zeiten vom 01. Oktober 1956 bis 31. August 1960 und vom 01. Oktober 1960 bis 31. Juli 1961 als Ausfallzeit Hochschulausbildung sowie mit Bescheid vom 13. November 1989 die Zeit vom 01. September 1960 bis 30. September 1960 als Ausfallzeit Hochschulausbildung vor.
Nachdem der Kläger auf Aufforderung der Beklagten (Schreiben vom 20. September 1989) die nachzuzahlenden freiwilligen Beiträge konkretisiert hatte, stellte diese mit Bescheid vom 20. März 1990 seinem Begehren entsprechend die Berechtigung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01. Januar 1956 bis 30. Juni 1980 im Gesamtbetrag von 76.032 DM fest.
Daraufhin wandte sich der Kläger an die Beklagte und verwies auf deren Schreiben vom 20. September 1989, wonach die Nachentrichtung für Zeiten, für die Ausfallzeiten vorgemerkt worden seien, unwirtschaftlich sein könne. Er bat darum, keine Beiträge für die Zeiten der vorgemerkten Hochschulausbildung zu zahlen, sofern er dieselbe Pension wie im Falle der Zahlung erhalte (Schreiben vom 21. Juli 1990).
Mit Bescheid vom 05. September 1990 stellte die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 20. März 1990 fest, dass der Kläger zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01. Januar 1956 bis 30. September 1956 und vom 01. August 1961 bis 30. Juni 1980 im Umfang von 67.392 DM berechtigt ist. Sie teilte außerdem mit Schreiben vom 27. November 1990 mit, dass Optimierungsberechnungen nicht vorgenommen würden.
Von dem am 13. September 1990 eingegangenen Betrag von 76.032 DM zahlte die Beklagte aufgrund Auszahlungsanordnung vom 21. Januar 1991 8.640 DM an den Kläger zurück.
Im Mai 2000 beantragte der Kläger Regelaltersrente. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass der Kläger freiwillige Beträge nach § 207 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nachzahlen könne, weil die Zeit von Juni 1958 bis Juli 1961 wegen Überschreitens der Höchstdauer nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden könne, bewilligte sie - da der Kläger davon keinen Gebrauch machte - mit Bescheid vom 19. März 2001 Regelaltersrente ab 01. Mai 2001 bei 27,5855 persönlichen Entgeltpunkten. Die Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 berücksichtigte sie wegen Überschreitens der Höchstdauer hierbei nicht.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung nach § 207 SGB VI sei im Vergleich zur Beitragsnachentrichtung nach Art. 12 DV-DISVA kein adäquater Ausgleich zur Belegung der infolge Rechtsänderung nunmehr entstandenen Lücke vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961. Es sei zu prüfen, ob er Beiträge nach Art. 12 DV-DISVA nachzahlen könne.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2001 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 20. März 1990 ab. Gemäß Art. 12 DV-DISVA trage der Kläger bei Anrechnungszeiten das Risiko ihrer Nichtberücksichtigung im Leistungsfall, wenn die Nachentrichtung für diese Monate ausgespart worden sei.
Dagegen legte der Kläger ebenfalls Widerspruch ein.
Mit dem am 29. Juli 2003 als Einschreiben zur Post aufgegebenen Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2003 wies die Beklagte die Widersprüche zurück: Bei der Regelaltersrente seien alle rentenrechtlichen Zeiten berücksichtigt worden. Abweichend vom Belegungsgebot des Art. 12 DV-DISVA dürfe zwar eine Anrechnungszeit ausgespart werden. Das dadurch eingetretene Risiko trage der Versicherte.
Dagegen hat der Kläger am 01. September 2003 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt.
Mit Urteil vom 09. November 2005 hat das Sozialgericht - im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - die Klage abgewiesen. Es hat sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheides bezogen.
Gegen das seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 29. Dezember 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Januar 2006 eingelegte Berufung des Klägers.
Er ist der Ansicht, dass ihm ein besitzgeschütztes Anrecht auf eine höhere Regelaltersrente durch Kürzung der Höchstdauer der anrechnungsfähigen Zeiten rechtswidrig genommen worden sei. Ihm sei zumindest ein Recht auf Nachentrichtung nach Art. 12 DV-DISVA einzuräumen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2005 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 19. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 zu verurteilen, ihm Regelaltersrente unter Anrechnung der Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung, hilfsweise unter Entgegennahme freiwilliger Beiträge für die Zeit von Juni 1958 bis Juli 1961 gemäß Bescheid vom 20. März 1990 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (53 020436 L 038), die Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senates gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 19. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung. Dies folgt aus den Bescheiden vom 20. September 1989 und 13. November 1989, die nicht aufgehoben wurden und somit weiterhin wirksam sind.
Mit den letztgenannten Bescheiden merkte die Beklagte u. a. die Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Ausfallzeit wegen Hochschulausbildung nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht (§ 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Angestelltenversicherungsgesetz - AVG) vor. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AVG waren Ausfallzeiten Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden abgeschlossenen Hochschulausbildung bis zur Höchstdauer von fünf Jahren. Diese Bescheide entfalten auch über den 31. Dezember 1991 hinaus bezogen auf die rentenrechtliche Zeit der Hochschulausbildung Rechtswirkungen, auch wenn der Begriff der Ausfallzeit zum 01. Januar 1992 mit dem In-Kraft-Treten des SGB VI durch den Begriff Anrechnungszeit ersetzt wurde. Nach § 300 Abs. 4 Satz 2 SGB VI gilt: Verwenden die ersetzenden Vorschriften für den gleichen Sachverhalt oder Anspruch andere Begriffe als die aufgehobenen Vorschriften, treten insoweit diese Begriffe an die Stelle der aufgehobenen Begriffe. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI (in der Fassung des Art. 1 Nr. 58 des Gesetzes vom 16. Dezember 1997 - BGBl I 1997, 2998 - zum Zeitpunkt des Beginns der Regelaltersrente des Klägers) sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Hochschule besucht haben, insgesamt jedoch höchstens bis zu drei Jahren Der jeweilige Wortlaut der beiden Vorschriften lässt erkennen, dass der gleiche Sachverhalt geregelt wird.
Der Vormerkungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Sein Sinn und Zweck erschöpft sich nicht in der abstrakten Feststellung von Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten ohne jegliche Beziehung zur späteren Rente. Vielmehr trifft der Vormerkungsbescheid auf der Grundlage des bei seinem Erlass geltenden Rechts Feststellungen über rentenversicherungsrechtliche Tatbestände, die die Rentenhöhe bestimmen. Dies hat zur Folge, dass vorgemerkte Zeiten einer Hochschulausbildung als beitragsfreie Zeiten im Leistungsfall grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Mit dem Vormerkungsbescheid wird sowohl der Rechtscharakter der rentenrechtlichen Zeit als auch deren zeitlicher Umfang und damit, ob ein behaupteter Anrechnungszeittatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Vormerkungsbescheides geltenden materiellen Recht erfüllt ist, verbindlich festgestellt (so Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 30. März 2004 - B 4 RA 36/02 R, abgedruckt in SozR 4-2600 § 149 Nr. 1).
Eine am Empfängerhorizont orientierte Auslegung eines Vormerkungsbescheides (vgl. BSG a.a.O.) ergibt bezogen auf die Bescheide vom 20. September 1989 und 13. November 1989, dass der Tatbestand der Anrechnungszeit einer Hochschulausbildung in dem Zeitraum vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 vorliegt und bei einer Rente in einem künftigen Leistungsfall grundsätzlich rentenversicherungsrechtlich relevant ist.
Der Kläger konnte daher davon ausgehen, dass diese Bescheide Bestand haben, solange und soweit sie nicht, wie in § 39 Abs. 2 SGB X bestimmt, zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben werden oder sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigen (BSG a.a.O.).
Die Bescheide vom 20. September 1989 und 13. November 1989 wurden von der Beklagten, insbesondere nicht mit Bescheid vom 19. März 2001 aufgehoben. Der Bescheid vom 19. März 2001 enthält keinen darauf gerichteten Verfügungssatz.
Die Bescheide vom 20. September 1989 und 13. November 1989 haben sich auch nicht auf andere Weise unmittelbar kraft Gesetzes, insbesondere nicht durch das In-Kraft-Treten des SGB VI zum 01. Januar 1992 oder nachfolgende Gesetze, erledigt. Die jeweiligen Regelungen über die Höchstdauer der Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung sind keine sich selbst vollziehende Gesetze, die bindende Verwaltungsakte außer Kraft setzen. Vielmehr erfordern sie eine Umsetzung durch Verwaltungsakt über das, was im Einzelfall zwischen Rentenversicherungsträger und Versicherten konkret verbindlich gelten soll. Aus den jeweiligen Gesetzestexten ergibt sich zudem nicht ohne weiteres, welche der bereits festgestellten Ausbildungs-/Anrechnungszeiten materiell-rechtlich als beitragsfreie Zeiten in die Rentenhöhe einfließen sollen; auch der Formulierung in der Übergangsregelung des § 252 Abs. 4 SGB VI (in der Fassung des Art. 1 Nr. 88 des Gesetzes vom 16. Dezember 1997 - BGBl I 1997, 2998 - zum Zeitpunkt des Beginns der Regelaltersrente des Klägers) lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, welche die am "weitesten zurückliegenden Kalendermonate" insoweit sind. § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI stellt demgemäß klar, dass (auch) bei Gesetzesänderungen die mit der materiellen Rechtslage nicht mehr übereinstimmenden Feststellungen im Vormerkungsbescheid über Tatbestände rentenrechtlicher Relevanz mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben sind, wobei durch diese Vorschrift insoweit lediglich § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X als lex specialis verdrängt wird (so BSG a.a.O.).
Sind die Bescheide vom 20. September 1989 und 13. November 1989 somit weiterhin wirksam, muss die in diesen Bescheiden vorgemerkte Ausfall(Anrechnungs-)Zeit wegen Hochschulausbildung vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 bei der Regelaltersrente berücksichtigt werden.
Die Berufung des Klägers ist mit seinem Hauptantrag begründet, so dass über den Hilfsantrag, die Entgegennahme der vom Kläger ursprünglich gezahlten und von der Beklagten zurückgezahlten freiwilligen Beiträge und deren Anrechnung für denselben Zeitraum, nicht zu entscheiden ist. Es kann mithin offen bleiben, auf welcher Rechtsgrundlage und damit zu Recht oder zu Unrecht die Beklagte die vom Kläger u. a. für diesen Zeitraum gezahlten freiwilligen Beiträge zurückzahlen durfte und welche Rechtsfolgen aus einer ggf. rechtsfehlerhaften Rückzahlung folgen. Sind freiwillige Beiträge aufgrund einer Berechtigung tatsächlich gezahlt worden, besteht ein Anspruch des Berechtigten auf Erstattung und dementsprechend spiegelbildlich eine Befugnis bzw. Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Rückzahlung ausschließlich dann, wenn es hierfür eine Rechtsgrundlage gibt. Sollte der Bescheid vom 20. März 1990 das Recht des Klägers zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge rechtmäßig festgestellt haben, erscheint kein Grund ersichtlich, die dann zu Recht gezahlten freiwilligen Beiträge teilweise zu erstatten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 19. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 verurteilt, dem Kläger Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung hilfsweise unter Entgegennahme freiwilliger Beiträge für diesen Zeitraum.
Der 1936 in B geborene Kläger, der seit Dezember 1948 Staatsbürger und in I wohnhaft ist, ist als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt (Feststellungsbescheid C des Bezirksamtes für Wiedergutmachung K vom 27. Mai 1960).
Auf seine im Juni 1983 gestellten Anträge auf Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Art. 12 der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 20. November 1978 (DV-DISVA) und Anerkennung von Ausfallzeiten stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Nachfolgenden ebenfalls Beklagte genannt) mit Bescheid vom 22. Juli 1988 die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 12 DV-DISVA fest. Außerdem merkte sie mit Bescheid vom 20. September 1989 u. a. die Zeiten vom 01. Oktober 1956 bis 31. August 1960 und vom 01. Oktober 1960 bis 31. Juli 1961 als Ausfallzeit Hochschulausbildung sowie mit Bescheid vom 13. November 1989 die Zeit vom 01. September 1960 bis 30. September 1960 als Ausfallzeit Hochschulausbildung vor.
Nachdem der Kläger auf Aufforderung der Beklagten (Schreiben vom 20. September 1989) die nachzuzahlenden freiwilligen Beiträge konkretisiert hatte, stellte diese mit Bescheid vom 20. März 1990 seinem Begehren entsprechend die Berechtigung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01. Januar 1956 bis 30. Juni 1980 im Gesamtbetrag von 76.032 DM fest.
Daraufhin wandte sich der Kläger an die Beklagte und verwies auf deren Schreiben vom 20. September 1989, wonach die Nachentrichtung für Zeiten, für die Ausfallzeiten vorgemerkt worden seien, unwirtschaftlich sein könne. Er bat darum, keine Beiträge für die Zeiten der vorgemerkten Hochschulausbildung zu zahlen, sofern er dieselbe Pension wie im Falle der Zahlung erhalte (Schreiben vom 21. Juli 1990).
Mit Bescheid vom 05. September 1990 stellte die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 20. März 1990 fest, dass der Kläger zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 01. Januar 1956 bis 30. September 1956 und vom 01. August 1961 bis 30. Juni 1980 im Umfang von 67.392 DM berechtigt ist. Sie teilte außerdem mit Schreiben vom 27. November 1990 mit, dass Optimierungsberechnungen nicht vorgenommen würden.
Von dem am 13. September 1990 eingegangenen Betrag von 76.032 DM zahlte die Beklagte aufgrund Auszahlungsanordnung vom 21. Januar 1991 8.640 DM an den Kläger zurück.
Im Mai 2000 beantragte der Kläger Regelaltersrente. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass der Kläger freiwillige Beträge nach § 207 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nachzahlen könne, weil die Zeit von Juni 1958 bis Juli 1961 wegen Überschreitens der Höchstdauer nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden könne, bewilligte sie - da der Kläger davon keinen Gebrauch machte - mit Bescheid vom 19. März 2001 Regelaltersrente ab 01. Mai 2001 bei 27,5855 persönlichen Entgeltpunkten. Die Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 berücksichtigte sie wegen Überschreitens der Höchstdauer hierbei nicht.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung nach § 207 SGB VI sei im Vergleich zur Beitragsnachentrichtung nach Art. 12 DV-DISVA kein adäquater Ausgleich zur Belegung der infolge Rechtsänderung nunmehr entstandenen Lücke vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961. Es sei zu prüfen, ob er Beiträge nach Art. 12 DV-DISVA nachzahlen könne.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2001 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 20. März 1990 ab. Gemäß Art. 12 DV-DISVA trage der Kläger bei Anrechnungszeiten das Risiko ihrer Nichtberücksichtigung im Leistungsfall, wenn die Nachentrichtung für diese Monate ausgespart worden sei.
Dagegen legte der Kläger ebenfalls Widerspruch ein.
Mit dem am 29. Juli 2003 als Einschreiben zur Post aufgegebenen Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2003 wies die Beklagte die Widersprüche zurück: Bei der Regelaltersrente seien alle rentenrechtlichen Zeiten berücksichtigt worden. Abweichend vom Belegungsgebot des Art. 12 DV-DISVA dürfe zwar eine Anrechnungszeit ausgespart werden. Das dadurch eingetretene Risiko trage der Versicherte.
Dagegen hat der Kläger am 01. September 2003 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt.
Mit Urteil vom 09. November 2005 hat das Sozialgericht - im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - die Klage abgewiesen. Es hat sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheides bezogen.
Gegen das seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 29. Dezember 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Januar 2006 eingelegte Berufung des Klägers.
Er ist der Ansicht, dass ihm ein besitzgeschütztes Anrecht auf eine höhere Regelaltersrente durch Kürzung der Höchstdauer der anrechnungsfähigen Zeiten rechtswidrig genommen worden sei. Ihm sei zumindest ein Recht auf Nachentrichtung nach Art. 12 DV-DISVA einzuräumen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2005 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 19. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 zu verurteilen, ihm Regelaltersrente unter Anrechnung der Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung, hilfsweise unter Entgegennahme freiwilliger Beiträge für die Zeit von Juni 1958 bis Juli 1961 gemäß Bescheid vom 20. März 1990 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (53 020436 L 038), die Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senates gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 19. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung. Dies folgt aus den Bescheiden vom 20. September 1989 und 13. November 1989, die nicht aufgehoben wurden und somit weiterhin wirksam sind.
Mit den letztgenannten Bescheiden merkte die Beklagte u. a. die Zeit vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 als Ausfallzeit wegen Hochschulausbildung nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht (§ 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Angestelltenversicherungsgesetz - AVG) vor. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AVG waren Ausfallzeiten Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden abgeschlossenen Hochschulausbildung bis zur Höchstdauer von fünf Jahren. Diese Bescheide entfalten auch über den 31. Dezember 1991 hinaus bezogen auf die rentenrechtliche Zeit der Hochschulausbildung Rechtswirkungen, auch wenn der Begriff der Ausfallzeit zum 01. Januar 1992 mit dem In-Kraft-Treten des SGB VI durch den Begriff Anrechnungszeit ersetzt wurde. Nach § 300 Abs. 4 Satz 2 SGB VI gilt: Verwenden die ersetzenden Vorschriften für den gleichen Sachverhalt oder Anspruch andere Begriffe als die aufgehobenen Vorschriften, treten insoweit diese Begriffe an die Stelle der aufgehobenen Begriffe. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI (in der Fassung des Art. 1 Nr. 58 des Gesetzes vom 16. Dezember 1997 - BGBl I 1997, 2998 - zum Zeitpunkt des Beginns der Regelaltersrente des Klägers) sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Hochschule besucht haben, insgesamt jedoch höchstens bis zu drei Jahren Der jeweilige Wortlaut der beiden Vorschriften lässt erkennen, dass der gleiche Sachverhalt geregelt wird.
Der Vormerkungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Sein Sinn und Zweck erschöpft sich nicht in der abstrakten Feststellung von Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten ohne jegliche Beziehung zur späteren Rente. Vielmehr trifft der Vormerkungsbescheid auf der Grundlage des bei seinem Erlass geltenden Rechts Feststellungen über rentenversicherungsrechtliche Tatbestände, die die Rentenhöhe bestimmen. Dies hat zur Folge, dass vorgemerkte Zeiten einer Hochschulausbildung als beitragsfreie Zeiten im Leistungsfall grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Mit dem Vormerkungsbescheid wird sowohl der Rechtscharakter der rentenrechtlichen Zeit als auch deren zeitlicher Umfang und damit, ob ein behaupteter Anrechnungszeittatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Vormerkungsbescheides geltenden materiellen Recht erfüllt ist, verbindlich festgestellt (so Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 30. März 2004 - B 4 RA 36/02 R, abgedruckt in SozR 4-2600 § 149 Nr. 1).
Eine am Empfängerhorizont orientierte Auslegung eines Vormerkungsbescheides (vgl. BSG a.a.O.) ergibt bezogen auf die Bescheide vom 20. September 1989 und 13. November 1989, dass der Tatbestand der Anrechnungszeit einer Hochschulausbildung in dem Zeitraum vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 vorliegt und bei einer Rente in einem künftigen Leistungsfall grundsätzlich rentenversicherungsrechtlich relevant ist.
Der Kläger konnte daher davon ausgehen, dass diese Bescheide Bestand haben, solange und soweit sie nicht, wie in § 39 Abs. 2 SGB X bestimmt, zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben werden oder sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigen (BSG a.a.O.).
Die Bescheide vom 20. September 1989 und 13. November 1989 wurden von der Beklagten, insbesondere nicht mit Bescheid vom 19. März 2001 aufgehoben. Der Bescheid vom 19. März 2001 enthält keinen darauf gerichteten Verfügungssatz.
Die Bescheide vom 20. September 1989 und 13. November 1989 haben sich auch nicht auf andere Weise unmittelbar kraft Gesetzes, insbesondere nicht durch das In-Kraft-Treten des SGB VI zum 01. Januar 1992 oder nachfolgende Gesetze, erledigt. Die jeweiligen Regelungen über die Höchstdauer der Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung sind keine sich selbst vollziehende Gesetze, die bindende Verwaltungsakte außer Kraft setzen. Vielmehr erfordern sie eine Umsetzung durch Verwaltungsakt über das, was im Einzelfall zwischen Rentenversicherungsträger und Versicherten konkret verbindlich gelten soll. Aus den jeweiligen Gesetzestexten ergibt sich zudem nicht ohne weiteres, welche der bereits festgestellten Ausbildungs-/Anrechnungszeiten materiell-rechtlich als beitragsfreie Zeiten in die Rentenhöhe einfließen sollen; auch der Formulierung in der Übergangsregelung des § 252 Abs. 4 SGB VI (in der Fassung des Art. 1 Nr. 88 des Gesetzes vom 16. Dezember 1997 - BGBl I 1997, 2998 - zum Zeitpunkt des Beginns der Regelaltersrente des Klägers) lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, welche die am "weitesten zurückliegenden Kalendermonate" insoweit sind. § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI stellt demgemäß klar, dass (auch) bei Gesetzesänderungen die mit der materiellen Rechtslage nicht mehr übereinstimmenden Feststellungen im Vormerkungsbescheid über Tatbestände rentenrechtlicher Relevanz mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben sind, wobei durch diese Vorschrift insoweit lediglich § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X als lex specialis verdrängt wird (so BSG a.a.O.).
Sind die Bescheide vom 20. September 1989 und 13. November 1989 somit weiterhin wirksam, muss die in diesen Bescheiden vorgemerkte Ausfall(Anrechnungs-)Zeit wegen Hochschulausbildung vom 01. Juni 1958 bis 31. Juli 1961 bei der Regelaltersrente berücksichtigt werden.
Die Berufung des Klägers ist mit seinem Hauptantrag begründet, so dass über den Hilfsantrag, die Entgegennahme der vom Kläger ursprünglich gezahlten und von der Beklagten zurückgezahlten freiwilligen Beiträge und deren Anrechnung für denselben Zeitraum, nicht zu entscheiden ist. Es kann mithin offen bleiben, auf welcher Rechtsgrundlage und damit zu Recht oder zu Unrecht die Beklagte die vom Kläger u. a. für diesen Zeitraum gezahlten freiwilligen Beiträge zurückzahlen durfte und welche Rechtsfolgen aus einer ggf. rechtsfehlerhaften Rückzahlung folgen. Sind freiwillige Beiträge aufgrund einer Berechtigung tatsächlich gezahlt worden, besteht ein Anspruch des Berechtigten auf Erstattung und dementsprechend spiegelbildlich eine Befugnis bzw. Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Rückzahlung ausschließlich dann, wenn es hierfür eine Rechtsgrundlage gibt. Sollte der Bescheid vom 20. März 1990 das Recht des Klägers zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge rechtmäßig festgestellt haben, erscheint kein Grund ersichtlich, die dann zu Recht gezahlten freiwilligen Beiträge teilweise zu erstatten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
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