L 1 KR 345/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 422/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 345/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1962 geborene Kläger bezieht zumindest seit Oktober 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und ist aufgrund dieses Leistungsbezuges Mitglied der Beklagten.

Am 9. März 2006 hat er vor dem Sozialgericht (SG) Berlin eine Leistungsklage erhoben, mit der er die Übernahme von Kosten für eine Hypnosetherapie beantragt. Trotz der bestehenden Mitgliedschaft weigere sich die Beklagte, die Kassenleistungen zu erbringen. Er sei in seinen Rechten verletzt und auch geschädigt, da sich die Beklagte nicht melde oder reagiere. Ein Verwaltungsakt liege nicht vor, es könne ihm aber auch nicht zugemutet werden einen solchen abzuwarten.

Die Beklagte hat erwidert, der Kläger habe eine Kostenübernahme für die begehrte Hypnosetherapie bei ihr nicht beantragt. Er habe vielmehr unmittelbar (mit Standardschreiben, die er auch wegen anderer ärztlicher und nicht ärztlicher Leistungen verwandt habe) Klage erhoben. Da sein Versicherungsschutz mittlerweile unstreitig sei, könne er sich an einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen psychologischen Psychotherapeuten oder psychotherapeutisch tätig werdenden Arzt wenden, um die medizinische Notwendigkeit von Hypnosen zu besprechen. Zum Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift seien sowohl der Kläger als auch seine behandelnden Ärzte über die bestehende Mitgliedschaft unterrichtet gewesen, sodass ihm insoweit Mutwilligkeit unterstellt werden müsse.

Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2006 als unzulässig abgewiesen. Der Kläger mache mit seiner Klage nicht geltend, durch einen Verwaltungsakt und einen Widerspruchsbescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies sei aber nach §§ 54 und 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Voraussetzung dafür, Sozialgerichte in Anspruch nehmen zu können, soweit es um Streitigkeiten im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gehe.

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers. Er rügt, in seinen Rechten mehr als verletzt zu sein. Die Beklagte hätte den Widerspruch oder das Widerspruchsverfahren auch im Prozess nachholen können. Es werde gerügt, dass das SG hierauf nicht hingewirkt habe. Die Berufung sei begründet, weil sein Gesundheitszustand die begehrte Behandlung erforderlich mache. Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte zu verurteilen, ihm eine psychotherapeutische Behandlung in Form von Hypnosebehandlungen zu verschaffen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat vorliegend eine so genannte isolierte oder echte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG erhoben. Zutreffend hat das Sozialgericht diese isolierte Leistungsklage als unzulässig abgewiesen. Nach § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage eine Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Innerhalb des Klagesystems des SGG, das im Verhältnis zwischen Bürger und öffentlich-rechtlichem Leistungsträger vom Verwaltungsakt als typischem Regelungsinstrument nach dem Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und der darauf aufbauenden Anfechtungs- und Leistungsklage ausgeht, ist die echte Leistungsklage des Bürgers gegen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger die Ausnahme. Sie kommt in Betracht, wenn kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht oder ein konkretes Verhalten, zum Beispiel eine Auskunft oder eine Beratung des Leistungsträgers, begehrt wird. Sie scheidet dagegen vom Wortlaut her aus, wenn ein Verwaltungsakt zu ergehen hat, weil eine Regelung mit Außenwirkung zu treffen ist (vgl. zuletzt Bundessozialgericht Urteil vom 21. März 2006, Az.: B 2 U 24/04 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

Die Voraussetzungen für eine echte Leistungsklage sind vorliegend nicht erfüllt. Die vom Kläger begehrte Leistung bei Krankheit erfordert zunächst eine Entscheidung und damit Regelung der Beklagten, ob die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Behandlung erfüllt sind. Die Feststellung der Leistungspflicht für Psychotherapieleistungen, zu denen auch die Hypnosebehandlung zählt, erfolgt durch die Krankenkasse auf Antrag des Versicherten. Zu diesem Antrag teilt der ärztliche Psychotherapeut oder der psychologische Psychotherapeut vor der Behandlung der Krankenkasse die Diagnose mit, begründet die Indikation und beschreibt Art und Umfang der geplanten Therapie. Sodann muss die Beklagte prüfen, ob die begehrte Therapie notwendig und wirtschaftlich ist (§§ 2, 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch; zum dargestellten Antragsverfahren im Einzelnen vgl. die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Durchführung der Psychotherapie in der Fassung vom 11. Dezember 1998, Bundesanzeiger 1999 S. 249, zuletzt geändert am 20. Juni 2006, Bundesanzeiger 2006 S. 6339). Diese Entscheidung der Beklagten kann mit Außenwirkung nur durch einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X erfolgen und die hiergegen ggf. zu erhebende Klage ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 2, 4 SGG. Deren Voraussetzungen liegen hier mangels Verwaltungsakt nicht vor. Darauf das auch ein Vorverfahren (§ 78 SGG) nicht durchgeführt worden ist, kommt es nicht entscheidend an.

Soweit der Kläger sinngemäß meint, er habe nach wie vor ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, jeweils von einem Gericht feststellen zu lassen, dass die Leistungspflicht der Beklagten innerhalb des bestehenden Mitgliedschaftsverhältnisses besteht, führt dies gleichfalls nicht zur Zulässigkeit einer entsprechenden Klage. Gegenstand der Feststellungsklage kann im vorliegenden Zusammenhang nur die Feststellung der Mitgliedschaft (mit der daraus folgenden Leistungspflicht) sein (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Voraussetzung für eine zulässige Feststellungsklage ist aber, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Nach dem die Beklagte seit Februar 2006 davon ausgeht, dass der Kläger zumindest seit Oktober 2005 und auch gegenwärtig ihr versichertes Mitglied ist, scheidet ein solches Feststellungsinteresse aus. Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass den entsprechenden Erklärungen der Beklagten kein Glauben zu schenken sei. Er ist im Besitz einer Versichertenkarte, zudem hat die Beklagte den bei den behandelnden Ärzten in der Vergangenheit entstandenen Eindruck, er sei nicht bei ihr versichert, durch entsprechende Erklärungen entkräftet. Der Kläger ist damit wie jeder andere Versicherte auch auf den Weg zu verweisen, die von ihm begehrten Leistungen im Wege der Sachleistung und Dienstleistung bei den zugelassenen Vertragsärzten unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Sofern – wie vorliegend bei der Hypnosebehandlung als Teilbereich der Psychotherapie – gesonderte Antragsverfahren vorauszugehen haben, muss er entsprechende Anträge bei der Beklagten stellen und deren Entscheidung abwarten. Da vorliegend nach dem Vortrag des Klägers kein ausdrücklicher Antrag bei der Beklagten gestellt worden ist, scheidet auch eine Umdeutung der Klage in eine Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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