L 18 B 667/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 520/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 667/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 29. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin, die als Arbeitsgemeinschaft im Sinne des § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) beteiligtenfähig im Sinne des § 70 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Januar 2006 - B 11 b AS 3/06 B -), ist nicht begründet.

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat zu Recht entschieden, dass der von der Antragstellerin erhobenen Anfechtungsklage gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung zukommt. Soweit das SG allerdings "die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 16.6.2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2006" festgestellt hat, hat es in der Beschlussformel zu Unrecht nicht zwischen den in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen zwei unterschiedlichen Verfügungssätzen differenziert. Denn in dem Bescheid vom 24. Januar 2006 wird zum einen die - teilweise - Aufhebung der Bewilligung "von Kosten der Unterkunft/Heizung" für die Zeit vom 1. März 2005 bis 30. April 2005 in Höhe von 80,- EUR monatlich verfügt, zum anderen wird eine - darauf beruhende - Erstattungsforderung in der Gesamthöhe von 160,- EUR geltend gemacht. Unter Heranziehung der Gründe der vom SG getroffenen Entscheidung ist aber zu ersehen, dass das SG die von ihm festgestellte aufschiebende Wirkung ausschließlich auf die in dem Bescheid vom 24. Januar 2006 verfügte Erstattung beziehen wollte. Denn auf Seite 4 des angefochtenen Beschlusses unterscheidet das SG ausdrücklich zwischen "der Aufhebung von Bewilligungsbescheiden für die Vergangenheit einerseits und der Rückforderung geleisteter Zahlungen andererseits". Da sich der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auch nur gegen die "Zwangsvollstreckung über 161,10 Euro" richtet und bei verständiger Würdigung dieses Begehrens (§ 123 SGG) nicht etwa gleichzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Aufhebungsentscheidung erstrebt wird (siehe dazu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. August 2006 - L 5 B 549/06 AS ER -), ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass sich die aufschiebende Wirkung der Klageerhebung ausschließlich auf die in dem Bescheid vom 24. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2006 verfügte Erstattung von 160,- Euro bezieht. Einer anderen Auslegung des Rechtsschutzbegehrens und der vom SG getroffenen Entscheidung bedarf es schon deshalb nicht, da im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes Nachteile allein aufgrund der Aufhebungsentscheidung nicht zu besorgen sind.

Dass die erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zeitigt, folgt aus § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt zwar nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG in durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. § 39 Nr. 1 SGB II stellt indes entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Rechtsauffassung keine derartige gesetzliche Ausnahme von dem in § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG normierten Grundsatz dar. Denn eine Entscheidung über eine Leistung im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II stellt nur die verfügte Aufhebung der Bewilligung von Leistungen dar. Mit der auf einer Aufhebungsentscheidung nach §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) beruhenden Erstattungsforderung nach § 50 SGB X wird hingegen nicht über eine Leistung im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II entschieden, sondern diese Entscheidung steht mit einer Leistung nur in einem Zusammenhang. Bei der Erstattungsforderung nach § 50 SGB X handelt es sich vielmehr um einen originären Anspruch des Sozialleistungsträgers, der ein rechtliches aliud zu der bewilligten Leistung darstellt. Demgemäß findet die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II, die als Ausnahme von dem in § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG niedergelegten Grundsatz nach den allgemeinen Auslegungsregeln eng auszulegen ist, auf den Erstattungsanspruch keine Anwendung (vgl. die Rechtsprechung der Fachsenate des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 25. August 2006 - L 5 B 549/06 AS ER -; Beschluss vom 28. Juli 2006 - L 14 B 350/06 AS ER -; Beschluss vom 13. März 2006 - L 10 B 345/06 AS ER -).

Da der erhobenen Anfechtungsklage bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung beizumessen ist, brauchte nicht über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG entschieden zu werden. Wegen der eindeutigen Fehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidungen wird aber darauf verwiesen, dass die in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Verfügungssätze schon deshalb der Aufhebung unterliegen dürften, weil die Leistungen für die Antragstellerin und den mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn R bewilligt worden waren, die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung sich aber allein gegen die Antragstellerin richtet (vgl. insoweit den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. August 2006 - L 5 B 549/06 AS ER -). Die Bestimmung des § 38 SGB II, die der Regelung in § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG vergleichbar ist, normiert zwar bei der Beantragung von Leistungen eine Vermutung für eine bestehende Bevollmächtigung; diese Vermutung gilt aber nicht für die Aufhebung und Erstattung bewilligter Leistungen. Denn für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bestehen nach den Vorschriften des SGB II Einzelansprüche und deshalb unterliegen auch nur die im Verhältnis zwischen dem Träger und dem jeweiligen Leistungsempfänger erbrachten Leistungen der Aufhebung und Erstattung nach §§ 45, 48, 50 SGB X. Inwieweit der dem Kind Romano von seinem Vater gewährte Unterhalt von 80,- EUR monatlich, der als Einkommen des Kindes zu berücksichtigen sein dürfte, eine Aufhebung und Erstattung zu rechtfertigen vermag, dürfte einer erneuten Entscheidung der Antragsgegnerin vorbehalten sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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