L 15 B 241/06 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 7 SO 54/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 241/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 6. Oktober 2006 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat es mit seinem ausführlich und zutreffend begründeten Beschluss zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit Wirkung ab dem 17. Juli 2006, hilfsweise ab dem 13. September 2006, für zunächst drei Monate die Kosten des Tagesbetreuungszentrums R in der Trägerschaft der R-W-C gGmbH in Höhe von täglich 55,96 Euro für eine Nutzung durch die Antragstellerin an drei Tagen pro Woche zu übernehmen. Da die Antragstellerin eine Veränderung des bisher "leistungslosen" Zustandes erstrebt, kommt einstweiliger Rechtsschutz nur unter den Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – in Betracht. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach dieser Vorschrift, wenn sich bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach materiellen Recht besteht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung – ZPO –; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund; zusammenfassend zu den Voraussetzungen Binder in Handkommentar SGG, 2. Auflage 2006, § 86 b Rdnr. 33 ff). Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil sie die Darlegung entscheidungserheblicher Tatsachen verweigert. Anspruchsgrundlage für die begehrte Kostenübernahme sind die §§ 53, 54 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XII –. Die darin normierten Leistungen der Eingliederungshilfe werden gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII grundsätzlich nur unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der dort genannten Personen gewährt. Da sich die Antragstellerin trotz Belehrung weigert, ihr Vermögen und das ihres Ehemannes anzugeben, kann ein darauf gestützter Leistungsanspruch derzeit nicht festgestellt werden. Im vorliegenden Verfahren kann deshalb sowohl dahinstehen, ob die Antragstellerin dem Grunde nach zum berechtigten Personenkreis gehört, als auch, ob und gegebenenfalls welche der vom Tagesbetreuungszentrum angebotenen Leistungen für sie im Rahmen der Eingliederungshilfe konkret geeignet und erforderlich sind. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Antragsgegner nicht verpflichtet, ungeachtet der nicht geklärten Vermögensverhältnisse gemäß § 92 Abs. 1 SGB XII für ihre Betreuungskosten in der Einrichtung in Vorleistung zu treten. Diese Vorschrift, die eine Ausnahme vom Grundsatz des Nachranges der Leistungen nach dem SGB XII darstellt, kommt nur zur Anwendung, wenn es dem Hilfesuchenden und den sonstigen in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen lediglich zuzumuten ist, einen Teil der Kosten für bestimmte Eingliederungsmaßnahmen aus eigenen Mitteln zu tragen. Dagegen besteht keine Vorleistungspflicht des Leistungsträgers, wenn vom Hilfesuchenden und seinen Angehörigen nach Maßgabe der §§ 82 ff SGB XI verlangt werden kann, in vollem Umfang für die Maßnahme aufzukommen (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 92 Rdnr. 5 m. w. N.). Diese Unterscheidung setzt naturgemäß die Darlegung und Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse voraus. Nichts anderes gilt, wenn im Einzelfall die Feststellung der einzusetzenden Mittel schwierig und langwierig ist. Um wenigstens bis zur Klärung des Umfangs der einzusetzenden Mittel zu einer Vorleistungspflicht des Leistungsträgers zu gelangen, müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse von dem Hilfesuchenden offen gelegt werden. Die Antragstellerin lehnt es hingegen ausdrücklich, irgendwelche Angaben zum Vermögen zu machen. Entgegen ihrer Auffassung ist etwaiges Vermögen für die begehrte Kostenübernahme nicht etwa deshalb rechtlich irrelevant, weil es sich bei der streitigen Leistung um eine Hilfe im Sinne des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 SGB XII handelt, die ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt, weil das Tagesbetreuungszentrum Rüdersdorf der R-W-C gGmbH keine "besondere teilstationäre Einrichtung für behinderte Menschen" im Sinne des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 SGB XII darstellt. Von der Vorschrift werden ausdrücklich nur solche Einrichtungen erfasst, die darauf ausgerichtet sind, den behinderten Menschen die erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Ihr Sinn ist es, die Begrenzung des Kostenbeitrags auch solchen Menschen zugute kommen zu lassen, die sich im Übergang zu den nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB XII privilegierten Werkstätten für Behinderte befinden. Dem entsprechend werden diese Menschen regelmäßig in so genannten Fördergruppen unter dem "verlängerten Dach" der Werkstatt betreut (vgl. Grube/Wahrendorf, aaO, § 92 Rdnr. 12 m. w. N.). Der Schwerpunkt der vom Tagesbetreuungszentrum angebotenen Leistungen liegt dagegen bei der Vermittlung von Fähigkeiten zur Alltagsbewältigung und somit im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Das ergibt sich deutlich aus der von der R-W-C gGmbH mit dem Landesamt für Soziales und Versorgung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII getroffenen Leistungsvereinbarung, und zwar aus Ziff. 1 ("Kurzbeschreibung der Einrichtung"), Ziff. 2 ("Beschreibung Zielgruppe") und Ziff. 3.2 ("inhaltlicher Umfang") sowie der vorangestellten ausdrücklichen Bezugnahme auf § 53 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB XII, § 54 Abs. 1 SGB XII i. V. mit – nur – § 55 SGB IX (Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft), nicht jedoch § 33 SGB IX (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben). "Tätigkeiten mit arbeitsähnlichen Charakter" stellen – folgerichtig – auch nur eine von sieben namentlich aufgeführten Leistungen der Einrichtung dar. Ist nach dem Gesagten einerseits ein Anordnungsanspruch nicht begründbar, schließt die Weigerung der Antragstellerin, die Vermögensverhältnisse zu offenbaren, andererseits auch die Annahme eines Anordnungsgrundes aus. Denn es ist keine Notwendigkeit für eine eilige Entscheidung des Gerichts erkennbar, wenn eine sachliche Prüfung des geltend gemachten Begehrens durch den Antragsgegner allein an der mangelnden Mitwirkung der Antragstellerin scheitert. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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