Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AS 953/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 1125/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 09. November 2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verurteilt, dem Antragsteller, seiner Lebensgefährtin B G und dem Sohn M G für November und Dezember 2006 Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II als vorläufige Leistungen ohne Anrechnung eines monatlichen Einkommens in Höhe von 500,00 EUR zu gewähren. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens um die Höhe der dem Antragsteller und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in den Monaten November und Dezember 2006 zustehenden Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Der 1981 geborene Antragsteller lebt gemeinsam mit seiner 1984 geborenen Freundin B G und dem 2006 zur Welt gekommenen Sohn M G Seit Januar 2005 bezieht er Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Bzgl. der Höhe seiner Ansprüche sind zahlreiche gerichtliche Verfahren anhängig gewesen und noch anhängig, die z.B. die Höhe der ihm zustehenden Kosten der Unterkunft seit dem 01. Juli 2006 (SG Cottbus S 23 AS 628/06 ER/LSG Berlin-Brandenburg L 5 B 778/06 AS ER) sowie den Wegfall des ihm zustehenden Anteils am Arbeitslosengeld II wegen Nichtannahme einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit u.a. für den November 2006 zum Gegenstand haben. Im letztgenannten Verfahren des Sozialgerichts Cottbus (S 23 AS 718/06 ER) ordnete dieses mit Beschluss vom 20. September 2006 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den "Sanktionsbescheid" der Antragsgegnerin vom 03. August 2006 an. Mit an den Antragsteller gerichtetem Bescheid vom 26. Oktober 2003 gewährte daraufhin die Antragsgegnerin diesem, seiner Lebensgefährtin B G und dem Sohn M G für die Monate November und Dezember 2006 unter Hinweis auf § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 249,03 EUR. Dabei stellte sie dem errechneten Bedarf von 903,03 EUR (je 311,00 EUR für den Antragsteller und seine Lebensgefährtin, 207,00 EUR Sozialgeld für das Kind, 74,03 EUR Kosten der Unterkunft) als Einnahmen neben 154,00 EUR Kindergeld 500,00 EUR sonstige Einnahmen gegenüber. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller, der zunächst zum 29. De¬zember 2003 eine gewerbliche Tätigkeit - Viehhandel – als Nebenerwerb angemeldet hatte, am 29. Juni 2006 bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Einstiegsgeld nach §§ 16 Abs. 2, 29 SGB II zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit beantragt hatte. Zur Begründung hatte er in diesem Zusammenhang angegeben, sich ab dem 01. Juli 2006 hauptberuflich dem Viehhandel, -transport und der Viehzucht widmen zu wollen und im ersten Jahr seiner selbständigen Tätigkeit ein Bruttoeinkommen von 1.000,00 bis 1.500,00 EUR zu erwarten. Aus seiner vorgelegten – offenbar Ende August 2006 erstellten - betriebswirtschaftlichen Planrechnung für die Jahre 2006 bis 2008 war zu entnehmen, dass im Jahr 2006 Privatentnahmen in Höhe von 6.000,00 EUR vorgesehen waren.
Mit seinem am 02. November 2006 eingelegten Widerspruch wandte der Antragsteller sich vorsorglich gegen die Aspekte, die bereits Gegenstand anhängiger Verfahren seien, sowie gegen die Einkommensanrechnung in Höhe von 500,00 EUR.
Bereits am 31. Oktober 2006 hatte er beim Sozialgericht Cottbus beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, ihm und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen monatliche Leistungen in Höhe von 749,03 EUR ohne Anrechnung eines Einkommens von 500,00 EUR zu gewähren. In seinem Fortzahlungsantrag vom 13. September 2006 habe er für November und Dezember 2006 als voraussichtliche Betriebseinnahmen "0" angegeben. Weiter ergebe sich aus den betriebswirtschaftlichen Aufstellungen von Juni und September 2006 eindeutig ein vorläufiges negatives Ergebnis. Er benötige den geltend gemachten Betrag dringend, da er in seinem Betrieb strukturelle Veränderungen vorgenommen habe und deshalb noch kein eigenes Einkommen erziele.
Das Sozialgericht Cottbus hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 09. November 2006 verpflichtet, dem Antragsteller für die Monate November und Dezember 2006 je 400,00 EUR zusätzlich zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es maßgeblich auf die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ankomme, der Ausgang des Hauptsacheverfahrens insoweit aber offen sei. Nach den Angaben des Antragstellers sei mit einem negativen Jahresabschluss zu rechnen. Indes dürfe eine positive Einnahme in Höhe von 3.562,00 EUR im September 2006 bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes keine Berücksichtigung finden, solange das erwartete Jahresbetriebsergebnis negativ sei. Vom Antragsteller könne nicht erwartet werden, von einzelnen positiven Einnahmen den Lebensunterhalt zu bestreiten, um dann am Jahresende noch größere Verluste zu haben. Da dem Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die erforderlichen umfangreichen Ermittlungen zur vollständigen Aufklärung der Sach- und Rechtslage bzgl. der Hilfebedürftigkeit nicht möglich seien, sei anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden gewesen. Diese habe teilweise zugunsten des Antragstellers getroffen werden müssen. Die Folgen einer ungerechtfertigten Leistungsversagung seien schwerwiegender für den Antragsteller als die Folgen der nicht gebotenen Gewährung von Leistungen, sodass dem Antragsteller für November und Dezember 2006 zusätzlich Leistungen nach § 20 Abs. 2 SGB II in Höhe von 400,00 EUR zustünden. Dabei sei ein Abschlag von 20 % vorgenommen worden, um die Hauptsache nicht unzulässig vorwegzunehmen. Mit dem gewährten Betrag sei der Lebensunterhalt des Antragstellers im erforderlichen Maße sichergestellt.
Gegen diesen ihr am 17. November 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28. November 2006 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, die zwischenzeitlich den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2006 mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2006 zurückgewiesen und zur Begründung bzgl. der Einkommensanrechnung angegeben hatte, dass von monatlichen Privatentnahmen in Höhe von 500,00 EUR auszugehen sei. Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Antragsgegnerin im Wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen und ergänzend geltend gemacht, dass die zugrunde gelegten Verluste für das Jahreseinkommen 2006 gerade entstünden, weil die Privatentnahmen zugunsten des Antragstellers einkommensmindernd berücksichtigt würden.
Der Antragsteller, dem der Beschluss am 16. November 2006 zugestellt worden ist, ist der Behauptung der Antragsgegnerin, dass es zu Privatentnahmen gekommen sei, entgegengetreten und hat mit am 12. Dezember 2006 eingegangenem Schreiben erklärt, an seiner ursprünglichen Forderung, monatlich zusätzlich 500,00 EUR zu bekommen, festzuhalten.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin sowie die – in dem Schreiben vom 12. Dezember 2006 zu sehende – Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 09. November 2006 sind gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 SGG zulässig. Während die Beschwerde des Antragstellers auch begründet ist, muss der der Antragsgegnerin der Erfolg versagt bleiben. Das Sozialgericht Cottbus bewertet die Sach- und Rechtslage weitgehend zutreffend.
Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden.
Der Antragsteller, der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums für die Monate November und Dezember 2006 begehrt, hat ein Bedürfnis an einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren glaubhaft gemacht. Zwar würden die begehrten Leistungen, wenn sie im Hauptsacheverfahren erstritten werden, rückwirkend gewährt. Bis dahin bliebe jedoch das Existenzminimum für den fraglichen Zeitraum nicht gedeckt. Diese möglicherweise längere Zeit andauernde, erhebliche Beeinträchtigung kann nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden. Der elementare Lebensbedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entsteht ("Gegenwärtigkeitsprinzip").
Ob dem Antragsteller und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen im Hauptsacheverfahren für November und Dezember 2006 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung von 500,00 EUR Einkommen zugesprochen werden wird, vermag der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu beurteilen. Entscheidungserheblich ist insoweit die Frage, in welchem Umfang der Antragsteller, seine Lebensgefährtin und sein Sohn in diesem Zeitraum hilfebedürftig waren. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dabei ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ob der Antragsteller vorliegend im November und Dezember 2006 aus seiner selbständigen Tätigkeit Einnahmen in Höhe von jeweils 500,00 EUR erzielt hat, ist unklar. Der Antragsgegnerin ist zuzustimmen, dass die von ihm im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld vorgelegte betriebswirtschaftliche Planrechnung entsprechende Einnahmen als zumindest nahe liegend erscheinen lässt, zumal die Planrechnung offenbar erst Ende August 2006 erstellt worden ist und damit bereits auf der Grundlage aktueller Daten entwickelt worden sein sollte. Soweit der Antragsteller dann etwa drei Wochen später im Zusammenhang mit seinem Fortzahlungsantrag angegeben hat, im November und Dezember 2006 voraussichtlich keine Betriebseinnahmen zu haben, ist dies offensichtlich widersprüchlich. Ob der Antragsteller letztlich tatsächlich Privatentnahmen getätigt hat oder hätte tätigen können und müssen, ist nach den vorgelegten betriebswirtschaftlichen Aufstellungen vom Juni und September 2006 nicht nachvollziehbar. Zwar weisen beide Aufstellungen für den jeweiligen Monat einen deutlichen Überschuss aus, hingegen wird für das gesamte Jahr ein zunehmend negativeres Ergebnis prognostiziert. Von welchen Zahlen vor diesem Hintergrund auszugehen ist und wie es sich auswirken muss, dass der Antragsteller seiner selbständigen Tätigkeit als Haupterwerb überhaupt erst seit dem 01. Juli 2006 nachgeht, während gleichzeitig in die wirtschaftliche Auswertung offenbar in erheblichem Umfange negative Einkünfte eingestellt sind, die in der ersten Jahreshälfte 2006 aufgelaufen sind, vermag der Senat im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht abschließend zu klären. Dementsprechend war – wie bereits das Sozialgericht hier zutreffend angenommen hat - anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese musste zugunsten des Antragstellers, seiner Lebensgefährtin und seines Sohnes getroffen werden. Denn Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 12.05.2005, - 1 BvR 569/05 -, zitiert nach juris). Im Hinblick auf das bereits erwähnte Gegenwärtigkeitsprinzip wären die Folgen der ungerechtfertigten Leistungsversagung ungleich schwerwiegender als die der nicht gebotenen Gewährung. Dabei sieht der Senat in ständiger Rechtsprechung – anders als es das Sozialgericht getan hat – im Rahmen einstweiliger Verfügungsverfahren trotz einer damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache davon ab, Leistungen lediglich mit einem Abschlag zu gewähren.
Soweit die Antragsgegnerin die Leistungen nach §§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II, 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nur vorläufig gewährt hat, ist dies richtig. Es sind vorliegend jedenfalls noch Verfahren zu den Fragen anhängig, in welcher Höhe dem Antragsteller und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen seit dem 01. Juli 2006 Kosten der Unterkunft zustehen (S 23 AS 628/06 ER SG Cottbus / L 5 B 778/06 AS ER LSG Berlin-Brandenburg) und ob der dem Antragsteller zustehende Anteil am Arbeitslosengeld II wegen Nichtannahme einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit für den November 2006 weggefallen ist. Vor diesem Hintergrund können die Bedarfe der drei der Bedarfsgemeinschaft angehörenden Personen bisher nicht abschließend ermittelt werden.
Schließlich verkennt der Senat nicht, dass es vorliegend nicht um einen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher, sondern um Individualansprüche des Antragstellers, seiner Lebensgefährtin und des Sohnes geht, sodass ein ordnungsgemäßes Aktivrubrum wohl auch B G und M G enthalten müsste. Er nimmt indes im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Sache davon Abstand, auf eine entsprechende Klarstellung durch die Beteiligten hinzuwirken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens um die Höhe der dem Antragsteller und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in den Monaten November und Dezember 2006 zustehenden Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Der 1981 geborene Antragsteller lebt gemeinsam mit seiner 1984 geborenen Freundin B G und dem 2006 zur Welt gekommenen Sohn M G Seit Januar 2005 bezieht er Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Bzgl. der Höhe seiner Ansprüche sind zahlreiche gerichtliche Verfahren anhängig gewesen und noch anhängig, die z.B. die Höhe der ihm zustehenden Kosten der Unterkunft seit dem 01. Juli 2006 (SG Cottbus S 23 AS 628/06 ER/LSG Berlin-Brandenburg L 5 B 778/06 AS ER) sowie den Wegfall des ihm zustehenden Anteils am Arbeitslosengeld II wegen Nichtannahme einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit u.a. für den November 2006 zum Gegenstand haben. Im letztgenannten Verfahren des Sozialgerichts Cottbus (S 23 AS 718/06 ER) ordnete dieses mit Beschluss vom 20. September 2006 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den "Sanktionsbescheid" der Antragsgegnerin vom 03. August 2006 an. Mit an den Antragsteller gerichtetem Bescheid vom 26. Oktober 2003 gewährte daraufhin die Antragsgegnerin diesem, seiner Lebensgefährtin B G und dem Sohn M G für die Monate November und Dezember 2006 unter Hinweis auf § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 249,03 EUR. Dabei stellte sie dem errechneten Bedarf von 903,03 EUR (je 311,00 EUR für den Antragsteller und seine Lebensgefährtin, 207,00 EUR Sozialgeld für das Kind, 74,03 EUR Kosten der Unterkunft) als Einnahmen neben 154,00 EUR Kindergeld 500,00 EUR sonstige Einnahmen gegenüber. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller, der zunächst zum 29. De¬zember 2003 eine gewerbliche Tätigkeit - Viehhandel – als Nebenerwerb angemeldet hatte, am 29. Juni 2006 bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Einstiegsgeld nach §§ 16 Abs. 2, 29 SGB II zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit beantragt hatte. Zur Begründung hatte er in diesem Zusammenhang angegeben, sich ab dem 01. Juli 2006 hauptberuflich dem Viehhandel, -transport und der Viehzucht widmen zu wollen und im ersten Jahr seiner selbständigen Tätigkeit ein Bruttoeinkommen von 1.000,00 bis 1.500,00 EUR zu erwarten. Aus seiner vorgelegten – offenbar Ende August 2006 erstellten - betriebswirtschaftlichen Planrechnung für die Jahre 2006 bis 2008 war zu entnehmen, dass im Jahr 2006 Privatentnahmen in Höhe von 6.000,00 EUR vorgesehen waren.
Mit seinem am 02. November 2006 eingelegten Widerspruch wandte der Antragsteller sich vorsorglich gegen die Aspekte, die bereits Gegenstand anhängiger Verfahren seien, sowie gegen die Einkommensanrechnung in Höhe von 500,00 EUR.
Bereits am 31. Oktober 2006 hatte er beim Sozialgericht Cottbus beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, ihm und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen monatliche Leistungen in Höhe von 749,03 EUR ohne Anrechnung eines Einkommens von 500,00 EUR zu gewähren. In seinem Fortzahlungsantrag vom 13. September 2006 habe er für November und Dezember 2006 als voraussichtliche Betriebseinnahmen "0" angegeben. Weiter ergebe sich aus den betriebswirtschaftlichen Aufstellungen von Juni und September 2006 eindeutig ein vorläufiges negatives Ergebnis. Er benötige den geltend gemachten Betrag dringend, da er in seinem Betrieb strukturelle Veränderungen vorgenommen habe und deshalb noch kein eigenes Einkommen erziele.
Das Sozialgericht Cottbus hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 09. November 2006 verpflichtet, dem Antragsteller für die Monate November und Dezember 2006 je 400,00 EUR zusätzlich zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es maßgeblich auf die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ankomme, der Ausgang des Hauptsacheverfahrens insoweit aber offen sei. Nach den Angaben des Antragstellers sei mit einem negativen Jahresabschluss zu rechnen. Indes dürfe eine positive Einnahme in Höhe von 3.562,00 EUR im September 2006 bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes keine Berücksichtigung finden, solange das erwartete Jahresbetriebsergebnis negativ sei. Vom Antragsteller könne nicht erwartet werden, von einzelnen positiven Einnahmen den Lebensunterhalt zu bestreiten, um dann am Jahresende noch größere Verluste zu haben. Da dem Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die erforderlichen umfangreichen Ermittlungen zur vollständigen Aufklärung der Sach- und Rechtslage bzgl. der Hilfebedürftigkeit nicht möglich seien, sei anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden gewesen. Diese habe teilweise zugunsten des Antragstellers getroffen werden müssen. Die Folgen einer ungerechtfertigten Leistungsversagung seien schwerwiegender für den Antragsteller als die Folgen der nicht gebotenen Gewährung von Leistungen, sodass dem Antragsteller für November und Dezember 2006 zusätzlich Leistungen nach § 20 Abs. 2 SGB II in Höhe von 400,00 EUR zustünden. Dabei sei ein Abschlag von 20 % vorgenommen worden, um die Hauptsache nicht unzulässig vorwegzunehmen. Mit dem gewährten Betrag sei der Lebensunterhalt des Antragstellers im erforderlichen Maße sichergestellt.
Gegen diesen ihr am 17. November 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28. November 2006 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, die zwischenzeitlich den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2006 mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2006 zurückgewiesen und zur Begründung bzgl. der Einkommensanrechnung angegeben hatte, dass von monatlichen Privatentnahmen in Höhe von 500,00 EUR auszugehen sei. Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Antragsgegnerin im Wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen und ergänzend geltend gemacht, dass die zugrunde gelegten Verluste für das Jahreseinkommen 2006 gerade entstünden, weil die Privatentnahmen zugunsten des Antragstellers einkommensmindernd berücksichtigt würden.
Der Antragsteller, dem der Beschluss am 16. November 2006 zugestellt worden ist, ist der Behauptung der Antragsgegnerin, dass es zu Privatentnahmen gekommen sei, entgegengetreten und hat mit am 12. Dezember 2006 eingegangenem Schreiben erklärt, an seiner ursprünglichen Forderung, monatlich zusätzlich 500,00 EUR zu bekommen, festzuhalten.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin sowie die – in dem Schreiben vom 12. Dezember 2006 zu sehende – Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 09. November 2006 sind gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 SGG zulässig. Während die Beschwerde des Antragstellers auch begründet ist, muss der der Antragsgegnerin der Erfolg versagt bleiben. Das Sozialgericht Cottbus bewertet die Sach- und Rechtslage weitgehend zutreffend.
Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden.
Der Antragsteller, der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums für die Monate November und Dezember 2006 begehrt, hat ein Bedürfnis an einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren glaubhaft gemacht. Zwar würden die begehrten Leistungen, wenn sie im Hauptsacheverfahren erstritten werden, rückwirkend gewährt. Bis dahin bliebe jedoch das Existenzminimum für den fraglichen Zeitraum nicht gedeckt. Diese möglicherweise längere Zeit andauernde, erhebliche Beeinträchtigung kann nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden. Der elementare Lebensbedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entsteht ("Gegenwärtigkeitsprinzip").
Ob dem Antragsteller und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen im Hauptsacheverfahren für November und Dezember 2006 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung von 500,00 EUR Einkommen zugesprochen werden wird, vermag der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu beurteilen. Entscheidungserheblich ist insoweit die Frage, in welchem Umfang der Antragsteller, seine Lebensgefährtin und sein Sohn in diesem Zeitraum hilfebedürftig waren. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dabei ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ob der Antragsteller vorliegend im November und Dezember 2006 aus seiner selbständigen Tätigkeit Einnahmen in Höhe von jeweils 500,00 EUR erzielt hat, ist unklar. Der Antragsgegnerin ist zuzustimmen, dass die von ihm im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld vorgelegte betriebswirtschaftliche Planrechnung entsprechende Einnahmen als zumindest nahe liegend erscheinen lässt, zumal die Planrechnung offenbar erst Ende August 2006 erstellt worden ist und damit bereits auf der Grundlage aktueller Daten entwickelt worden sein sollte. Soweit der Antragsteller dann etwa drei Wochen später im Zusammenhang mit seinem Fortzahlungsantrag angegeben hat, im November und Dezember 2006 voraussichtlich keine Betriebseinnahmen zu haben, ist dies offensichtlich widersprüchlich. Ob der Antragsteller letztlich tatsächlich Privatentnahmen getätigt hat oder hätte tätigen können und müssen, ist nach den vorgelegten betriebswirtschaftlichen Aufstellungen vom Juni und September 2006 nicht nachvollziehbar. Zwar weisen beide Aufstellungen für den jeweiligen Monat einen deutlichen Überschuss aus, hingegen wird für das gesamte Jahr ein zunehmend negativeres Ergebnis prognostiziert. Von welchen Zahlen vor diesem Hintergrund auszugehen ist und wie es sich auswirken muss, dass der Antragsteller seiner selbständigen Tätigkeit als Haupterwerb überhaupt erst seit dem 01. Juli 2006 nachgeht, während gleichzeitig in die wirtschaftliche Auswertung offenbar in erheblichem Umfange negative Einkünfte eingestellt sind, die in der ersten Jahreshälfte 2006 aufgelaufen sind, vermag der Senat im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht abschließend zu klären. Dementsprechend war – wie bereits das Sozialgericht hier zutreffend angenommen hat - anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese musste zugunsten des Antragstellers, seiner Lebensgefährtin und seines Sohnes getroffen werden. Denn Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 12.05.2005, - 1 BvR 569/05 -, zitiert nach juris). Im Hinblick auf das bereits erwähnte Gegenwärtigkeitsprinzip wären die Folgen der ungerechtfertigten Leistungsversagung ungleich schwerwiegender als die der nicht gebotenen Gewährung. Dabei sieht der Senat in ständiger Rechtsprechung – anders als es das Sozialgericht getan hat – im Rahmen einstweiliger Verfügungsverfahren trotz einer damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache davon ab, Leistungen lediglich mit einem Abschlag zu gewähren.
Soweit die Antragsgegnerin die Leistungen nach §§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II, 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nur vorläufig gewährt hat, ist dies richtig. Es sind vorliegend jedenfalls noch Verfahren zu den Fragen anhängig, in welcher Höhe dem Antragsteller und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen seit dem 01. Juli 2006 Kosten der Unterkunft zustehen (S 23 AS 628/06 ER SG Cottbus / L 5 B 778/06 AS ER LSG Berlin-Brandenburg) und ob der dem Antragsteller zustehende Anteil am Arbeitslosengeld II wegen Nichtannahme einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit für den November 2006 weggefallen ist. Vor diesem Hintergrund können die Bedarfe der drei der Bedarfsgemeinschaft angehörenden Personen bisher nicht abschließend ermittelt werden.
Schließlich verkennt der Senat nicht, dass es vorliegend nicht um einen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher, sondern um Individualansprüche des Antragstellers, seiner Lebensgefährtin und des Sohnes geht, sodass ein ordnungsgemäßes Aktivrubrum wohl auch B G und M G enthalten müsste. Er nimmt indes im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Sache davon Abstand, auf eine entsprechende Klarstellung durch die Beteiligten hinzuwirken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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