Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 KR 421/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 56/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für eine Behandlung zur künstlichen Befruchtung mittels einer kombinierten In-Vitro-Fertilisation (IVF) und einer intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI).
Die 1962 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet an einer primären Sterilität. Bei ihrem Ehemann wurde eine diskrete Oligozoosphermie diagnostiziert. Drei im Jahre 2001 durchgeführte homologe Insemenationsbehandlungen, die die Klägerin selbst finanzierte, da sie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mit ihrem jetzigen Ehemann verheiratet war, blieben ohne Erfolg.
Nach Heirat des Ehepaares beteiligte sich die Beklagte an den Kosten für eine IVF/ICSI-Behandlung im F-C-B (Bescheid vom 26. Februar 2002). Diese im März 2002 durchgeführte Behandlung blieb ohne Erfolg. Mit Schreiben vom 25. April 2002 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine weitere IVF/ICSI-Behandlung. In einem Schreiben vom 13. Juni 2002 gab das F-C-B hierzu an, dass die Schwangerschaftsrate bei einer kombinierten IVF/ICSI-Behandlung bei 20 bis 30 % pro Versuch liege. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag auf Kostenübernahme auf der Grundlage einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK), nach der eine positive Einschätzung der Erfolgsaussicht im Einzelfall nicht möglich sei, mit Bescheid vom 18. September 2002 ab. Eine ausreichende Erfolgsaussicht für eine Schwangerschaft sei im Falle der Klägerin nicht gegeben.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren legte die Klägerin wiederum ein Schreiben des Fertility-Center-Berlin vom 17. September 2002 (Dr. A. T-S) vor. Darin heißt es, dass die ICSI-Behandlung die einzig effektive Maßnahme für eine Erfüllung des Kinderwunsches der Klägerin sei. Die durchschnittliche Chance für eine Schwangerschaft nach einer IVF/ICSI-Behandlung betrage 20 %. Die Beklagte schaltete daraufhin erneut den MDK ein. In seinem Zweitgutachten vom 20. November 2002 sprach sich dieser erneut gegen eine Kostenübernahme aus. Entsprechend den Richtlinien zur künstlichen Befruchtung seien Maßnahmen über die gesetzliche Krankenversicherung nach Vollendung des 40. Lebensjahres dann indiziert, wenn eine ausreichende Erfolgsaussicht bestehe. Neben den üblichen Eingangsvoraussetzungen (z. B. unauffälliger Hormonstatus) könne von einer ausreichenden Erfolgsaussicht nach Überschreiten der Altersgrenze nur dann ausgegangen werden, wenn positive individuelle Progno-sefaktoren (Gravidität bzw. Eintritt einer Gravidität nach Maßnahme der künstlichen Befruchtung innerhalb der letzten 2 Jahre) vorlägen. Die bisherigen Therapien seien erfolglos geblieben, erkennbare positive individuelle Prognosefaktoren hinsichtlich einer Erfolgsaussicht lägen nicht vor. Mit einer entsprechenden Begründung wies daraufhin die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2003 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihr Begehren, die Übernahme der Kosten für die streitbefangene Behandlung, weiterverfolgt, und sich im April/Mai 2003 dieser Behandlung unterzogen. Dadurch sind ihr Kosten in Höhe von 2.166,40 EUR entstanden. Die Behandlung führte nicht zum Eintritt einer Schwangerschaft. Im Klageverfahren hat das Sozialgericht eine medizinische Auskunft des Arztes Dr. med. D J. P zur Fertilitätsbehandlung der Klägerin eingeholt. Dieser teilte mit Schreiben vom 14. November 2003 mit, dass bei einer Frau im Alter der Klägerin mit einer Schwangerschaftsrate von 15% bis 20 % zu rechnen sei. Vergleiche man hierzu die Schwangerschaftsrate von Frauen zwischen 25 und 35 Jahren mit 25 bis 30 % Schwangerschaftsrate pro Embryotransfer, so sei diese altersbedingte Verringerung der Aussichten seines Erachtens nicht erheblich.
Das Sozialgericht hat die Klage, im Kern gerichtet auf die Erstattung der Kosten für die IVF/ICSI-Behandlung in Höhe von insgesamt 2.166,40 EUR mit Urteil vom 23. Januar 2004 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der im April 2003 durchgeführten Behandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft habe. Die Beklagte habe die Gewährung der streitbefangenen Behandlung als Sachleistung mangels Erfolgsaussicht zu Recht abgelehnt. Nach Ziffer 9 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung sollten im Regelfall bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet hätten, derartige Maßnahmen nicht durchgeführt werden. Ausnahmen seien nur bei Frauen zulässig gewesen, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätten und sofern die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten eine Genehmigung erteilt habe. Aus dieser Regel-Ausnahmesituation sei zu schließen, dass die verlangte Ausnahmegenehmigung an Kriterien anknüpfen müsse, die die empirisch gesicherte Vermutung einer deutlich nachlassenden Erfolgschance nach Vollendung des 40. Lebensjahres signifikant widerlege, d. h. es müssten sol-che Kriterien sein, die nicht ohnehin für die Durchführung einer jeden Sterilitätsbehandlung erforderlich und nicht regelmäßig auch bei Frauen nach Vollendung des 40. Lebensjahres noch nachzuweisen seien. Insoweit sei der von der Klägerin herausgestellte Normalbefund hinsichtlich ihrer Hormonwerte kein geeignetes Kriterium, um eine hinreichende Erfolgsaussicht zu begründen. Denn dieser Hormonwert könne aufgrund von Hormonbehandlungen für eine relativ große Zahl von Frauen auf einen Normalstatus gebracht werden. Im Ergebnis folge das Gericht dem MDK-Gutachten, wonach von einer ausreichenden Erfolgsaussicht nach Überschreiten der Altersgrenze dann ausgegangen werden könne, wenn innerhalb der letzten zwei Jahre eine Gravidität nach Maßnahmen der künstlichen Befruchtung eingetreten sei.
Gegen das ihr am 2. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. März 2004 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, dass es nicht nur sachfremd, sondern auch widersinnig sei, die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Maßnahme zur künstlichen Befruchtung an-hand des Kriteriums zu beurteilen, dass innerhalb von zwei Jahren vor der Maßnahme eine Gravidität nach Maßnahmen der künstlichen Befruchtung vorgelegen haben müsse. Wäre eine solche Schwangerschaft in den letzten zwei Jahren eingetreten, würde medizinisch die künstliche Befruchtung als Behandlungsmethode gar nicht geboten sein. Die Zugrundelegung dieses Kriteriums würde auch dazu führen, dass Voraussetzung eines Anspruchs auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet hätten, sei, dass diese bereits zuvor mit ihrem Ehemann mindestens einen Versuch der künstlichen Befruchtung durchgeführt habe, bei dem es mindestens zu einer Nidation gekommen sei. Eine solche Leistungsvoraussetzung sei den Richtlinien wie auch dem Gesetz nicht zugrunde gelegt und auch nicht als Beurteilungskriterium festgeschrieben. Im Voraus ließen sich selbstverständlich wei-tere Kriterien hinsichtlich der Erfolgsaussicht der Behandlung finden. Das banalste sei zu-nächst einmal pauschal der Umstand, dass seitens der behandelnden Arztpraxis die künstliche Befruchtung überhaupt durchgeführt worden sei, da sich bereits aus diesem Umstand ergebe, dass die Praxis aus den hier vorliegenden medizinischen und biologischen Daten die hinreichende Erfolgsaussicht erkannt und für gegeben gehalten habe, da die Behandlung ansonsten gar nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Weitere Kriterien seien rein hormonelle Kriterien mit insbesondere der inzidenten Überprüfung, ob bereits ein präklimakterischer oder klimakterischer Status vorliege. Dies sei bei der Klägerin indes nicht der Fall. Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. September 2002 in der Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2003 zu verurteilen, die Kosten für die im April/Mai 2003 durchgeführte Maßnahme in Höhe von 2.166,40 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
die sie für unbegründet hält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von 2.166,40 EUR. Die Voraussetzungen des Erstat-tungsanspruches sind nicht erfüllt.
Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. des Fünften Buches Sozialgesetzbuch [SGB V]). Der in Betracht kommende Kostenerstat-tungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (BSG, SozR 4-2500 § 27 a Nr. 1 m. w. Nachw.).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten Maßnahme zur künstlichen Befruchtung als Sachleistung. Nach § 27 a Abs. 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung umfassten die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese Maß-nahmen 1. nach ärztlicher Feststellung erforderlich waren, 2. eine hinreichende Aussicht bestand, dass durch die Maßnahme eine Schwangerschaft herbeigeführt wird, 3. die Personen, die Maßnahmen beanspruchten, miteinander verheiratet waren, 4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet wurden und 5. sich die Ehegatten zur Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizini-schen und psychosozialen Gesichtpunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwies, dem/der eine Genehmigung nach § 121 a SGB V erteilt worden ist. Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach § 27 a Abs. 1 SGB V werden durch die vom Bundesausschuss aufgrund von § 27 a Abs. 4 SGB V zu erlassenen Richtlinien nach § 92 SGB V bestimmt. Nach Ziffer 9 der auch die Gerichte bindenden Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in der hier an-zuwendenden Fassung vom 26. Februar 2002 (BAnz. 2002 Nr. 92 S. 10941) sollten Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet hatten, nicht durchgeführt werden, weil das Alter der Frauen im Rahmen der Sterilitätsbehandlung einen limitierenden Faktor darstellt (Satz 1). Ausnahmen waren nur bei Frauen zulässig, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, und wenn die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten die Maßnahmen genehmigt hatte.
Im vorliegenden Fall hat die Krankenkasse die Genehmigung der beantragten Maßnahme zur künstlichen Befruchtung zu Recht abgelehnt.
In Ziffer 9 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (heute: Gemeinsamer Bundesausschuss) den Regelfall normiert, dass Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bei Frauen, die das 40. Le-bensjahr vollendet haben, nicht mehr durchgeführt werden sollten. Die Verwendung des Begriffes "sollen" zeigt, dass lediglich in atypischen Fällen von diesem Regelfall abgewichen werden sollte. Eine solche Ausnahmeregelung hatte der Bundesausschuss in Ziffer 9 Satz 2 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bestimmt. Danach bedurfte es zur Begründung eines solchen atypischen Falles besonderer Umstände, die es rechtfertigten, von dem Regelfall des Tatbestandes der Ziffer 9 Satz 1 der Richtlinien abzuweichen und gleichwohl bei einer Frau, die das 40. Lebensjahr vollendet hatte, Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung durchzuführen. Entsprechende atypische Umstände hat die Klägerin weder vorge-tragen noch sind sie nach Aktenlage ersichtlich.
Soweit die Klägerin sich insoweit auf den Arztbrief des sie behandelnden Dr. med. D J. P vom 14. November 2003 beruft, kann sie damit keinen Erfolg haben. Denn diese ärztliche Stellungnahme belegt keine besonderen Umstände, die den Schluss auf eine vom Regelfall abweichende positive Erfolgsprognose von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung rechtfertigen würden. Der die Klägerin behandelnde Arzt führt in diesem Brief lediglich aus, dass im Falle der Klägerin bei einem Transfer von drei Embryonen mit einer altersgerechten Schwangerschaftsrate von 15 bis 20 % zu rechnen gewesen sei im Vergleich zu einer Schwangerschaftsrate von 25 % bis 30 % von Frauen der Altersgruppe zwischen 25 und 35 Jahren. Diese altersbe-dingte Verringerung sei seines Erachtens nicht erheblich. Schließlich hat auch das F-C-B der die Klägerin behandelnden Ärztin mit einem im Zusammenhang mit der hier streitbefangenen Behandlung zeitnah erstellten Arztbrief vom 7. Mai 2003 mitgeteilt, dass "die Prognose bezüglich einer Schwangerschaft aufgrund des Alters der Patientin (der Klägerin) und der Low res-ponse als eher ungünstig einzuschätzen ist". Nach alledem bestand danach bei der Klägerin im hier maßgeblichen Zeitpunkt, im April/Mai 2003, lediglich eine altersgerechte Aussicht auf das Eintreten einer Schwangerschaft nach der Durchführung von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung und nicht eine aufgrund besonderer Umstände von diesem Regelfall abweichende erhöhte Erfolgsaussicht. Dass diese Einschätzung auch zutreffend war, wird durch den Umstand belegt, dass die nach Aktenlage bei der Klägerin insgesamt durchgeführten fünf Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft allesamt ohne Erfolg geblieben sind.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass sich die Erfolgsaussicht der bei ihr durchgeführten Maßnahme zur künstlichen Befruchtung bereits aus dem Umstand ergebe, dass diese Maßnahme seitens der behandelnden Arztpraxis überhaupt durchgeführt worden sei, verkennt sie die dargestellte Regel-Ausnahmesystematik der Ziffer 9 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetztes (SGG) und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache selbst.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für eine Behandlung zur künstlichen Befruchtung mittels einer kombinierten In-Vitro-Fertilisation (IVF) und einer intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI).
Die 1962 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet an einer primären Sterilität. Bei ihrem Ehemann wurde eine diskrete Oligozoosphermie diagnostiziert. Drei im Jahre 2001 durchgeführte homologe Insemenationsbehandlungen, die die Klägerin selbst finanzierte, da sie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mit ihrem jetzigen Ehemann verheiratet war, blieben ohne Erfolg.
Nach Heirat des Ehepaares beteiligte sich die Beklagte an den Kosten für eine IVF/ICSI-Behandlung im F-C-B (Bescheid vom 26. Februar 2002). Diese im März 2002 durchgeführte Behandlung blieb ohne Erfolg. Mit Schreiben vom 25. April 2002 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine weitere IVF/ICSI-Behandlung. In einem Schreiben vom 13. Juni 2002 gab das F-C-B hierzu an, dass die Schwangerschaftsrate bei einer kombinierten IVF/ICSI-Behandlung bei 20 bis 30 % pro Versuch liege. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag auf Kostenübernahme auf der Grundlage einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK), nach der eine positive Einschätzung der Erfolgsaussicht im Einzelfall nicht möglich sei, mit Bescheid vom 18. September 2002 ab. Eine ausreichende Erfolgsaussicht für eine Schwangerschaft sei im Falle der Klägerin nicht gegeben.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren legte die Klägerin wiederum ein Schreiben des Fertility-Center-Berlin vom 17. September 2002 (Dr. A. T-S) vor. Darin heißt es, dass die ICSI-Behandlung die einzig effektive Maßnahme für eine Erfüllung des Kinderwunsches der Klägerin sei. Die durchschnittliche Chance für eine Schwangerschaft nach einer IVF/ICSI-Behandlung betrage 20 %. Die Beklagte schaltete daraufhin erneut den MDK ein. In seinem Zweitgutachten vom 20. November 2002 sprach sich dieser erneut gegen eine Kostenübernahme aus. Entsprechend den Richtlinien zur künstlichen Befruchtung seien Maßnahmen über die gesetzliche Krankenversicherung nach Vollendung des 40. Lebensjahres dann indiziert, wenn eine ausreichende Erfolgsaussicht bestehe. Neben den üblichen Eingangsvoraussetzungen (z. B. unauffälliger Hormonstatus) könne von einer ausreichenden Erfolgsaussicht nach Überschreiten der Altersgrenze nur dann ausgegangen werden, wenn positive individuelle Progno-sefaktoren (Gravidität bzw. Eintritt einer Gravidität nach Maßnahme der künstlichen Befruchtung innerhalb der letzten 2 Jahre) vorlägen. Die bisherigen Therapien seien erfolglos geblieben, erkennbare positive individuelle Prognosefaktoren hinsichtlich einer Erfolgsaussicht lägen nicht vor. Mit einer entsprechenden Begründung wies daraufhin die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2003 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihr Begehren, die Übernahme der Kosten für die streitbefangene Behandlung, weiterverfolgt, und sich im April/Mai 2003 dieser Behandlung unterzogen. Dadurch sind ihr Kosten in Höhe von 2.166,40 EUR entstanden. Die Behandlung führte nicht zum Eintritt einer Schwangerschaft. Im Klageverfahren hat das Sozialgericht eine medizinische Auskunft des Arztes Dr. med. D J. P zur Fertilitätsbehandlung der Klägerin eingeholt. Dieser teilte mit Schreiben vom 14. November 2003 mit, dass bei einer Frau im Alter der Klägerin mit einer Schwangerschaftsrate von 15% bis 20 % zu rechnen sei. Vergleiche man hierzu die Schwangerschaftsrate von Frauen zwischen 25 und 35 Jahren mit 25 bis 30 % Schwangerschaftsrate pro Embryotransfer, so sei diese altersbedingte Verringerung der Aussichten seines Erachtens nicht erheblich.
Das Sozialgericht hat die Klage, im Kern gerichtet auf die Erstattung der Kosten für die IVF/ICSI-Behandlung in Höhe von insgesamt 2.166,40 EUR mit Urteil vom 23. Januar 2004 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der im April 2003 durchgeführten Behandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft habe. Die Beklagte habe die Gewährung der streitbefangenen Behandlung als Sachleistung mangels Erfolgsaussicht zu Recht abgelehnt. Nach Ziffer 9 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung sollten im Regelfall bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet hätten, derartige Maßnahmen nicht durchgeführt werden. Ausnahmen seien nur bei Frauen zulässig gewesen, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätten und sofern die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten eine Genehmigung erteilt habe. Aus dieser Regel-Ausnahmesituation sei zu schließen, dass die verlangte Ausnahmegenehmigung an Kriterien anknüpfen müsse, die die empirisch gesicherte Vermutung einer deutlich nachlassenden Erfolgschance nach Vollendung des 40. Lebensjahres signifikant widerlege, d. h. es müssten sol-che Kriterien sein, die nicht ohnehin für die Durchführung einer jeden Sterilitätsbehandlung erforderlich und nicht regelmäßig auch bei Frauen nach Vollendung des 40. Lebensjahres noch nachzuweisen seien. Insoweit sei der von der Klägerin herausgestellte Normalbefund hinsichtlich ihrer Hormonwerte kein geeignetes Kriterium, um eine hinreichende Erfolgsaussicht zu begründen. Denn dieser Hormonwert könne aufgrund von Hormonbehandlungen für eine relativ große Zahl von Frauen auf einen Normalstatus gebracht werden. Im Ergebnis folge das Gericht dem MDK-Gutachten, wonach von einer ausreichenden Erfolgsaussicht nach Überschreiten der Altersgrenze dann ausgegangen werden könne, wenn innerhalb der letzten zwei Jahre eine Gravidität nach Maßnahmen der künstlichen Befruchtung eingetreten sei.
Gegen das ihr am 2. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. März 2004 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, dass es nicht nur sachfremd, sondern auch widersinnig sei, die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Maßnahme zur künstlichen Befruchtung an-hand des Kriteriums zu beurteilen, dass innerhalb von zwei Jahren vor der Maßnahme eine Gravidität nach Maßnahmen der künstlichen Befruchtung vorgelegen haben müsse. Wäre eine solche Schwangerschaft in den letzten zwei Jahren eingetreten, würde medizinisch die künstliche Befruchtung als Behandlungsmethode gar nicht geboten sein. Die Zugrundelegung dieses Kriteriums würde auch dazu führen, dass Voraussetzung eines Anspruchs auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet hätten, sei, dass diese bereits zuvor mit ihrem Ehemann mindestens einen Versuch der künstlichen Befruchtung durchgeführt habe, bei dem es mindestens zu einer Nidation gekommen sei. Eine solche Leistungsvoraussetzung sei den Richtlinien wie auch dem Gesetz nicht zugrunde gelegt und auch nicht als Beurteilungskriterium festgeschrieben. Im Voraus ließen sich selbstverständlich wei-tere Kriterien hinsichtlich der Erfolgsaussicht der Behandlung finden. Das banalste sei zu-nächst einmal pauschal der Umstand, dass seitens der behandelnden Arztpraxis die künstliche Befruchtung überhaupt durchgeführt worden sei, da sich bereits aus diesem Umstand ergebe, dass die Praxis aus den hier vorliegenden medizinischen und biologischen Daten die hinreichende Erfolgsaussicht erkannt und für gegeben gehalten habe, da die Behandlung ansonsten gar nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Weitere Kriterien seien rein hormonelle Kriterien mit insbesondere der inzidenten Überprüfung, ob bereits ein präklimakterischer oder klimakterischer Status vorliege. Dies sei bei der Klägerin indes nicht der Fall. Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. September 2002 in der Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2003 zu verurteilen, die Kosten für die im April/Mai 2003 durchgeführte Maßnahme in Höhe von 2.166,40 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
die sie für unbegründet hält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von 2.166,40 EUR. Die Voraussetzungen des Erstat-tungsanspruches sind nicht erfüllt.
Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. des Fünften Buches Sozialgesetzbuch [SGB V]). Der in Betracht kommende Kostenerstat-tungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (BSG, SozR 4-2500 § 27 a Nr. 1 m. w. Nachw.).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten Maßnahme zur künstlichen Befruchtung als Sachleistung. Nach § 27 a Abs. 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung umfassten die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese Maß-nahmen 1. nach ärztlicher Feststellung erforderlich waren, 2. eine hinreichende Aussicht bestand, dass durch die Maßnahme eine Schwangerschaft herbeigeführt wird, 3. die Personen, die Maßnahmen beanspruchten, miteinander verheiratet waren, 4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet wurden und 5. sich die Ehegatten zur Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizini-schen und psychosozialen Gesichtpunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwies, dem/der eine Genehmigung nach § 121 a SGB V erteilt worden ist. Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach § 27 a Abs. 1 SGB V werden durch die vom Bundesausschuss aufgrund von § 27 a Abs. 4 SGB V zu erlassenen Richtlinien nach § 92 SGB V bestimmt. Nach Ziffer 9 der auch die Gerichte bindenden Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in der hier an-zuwendenden Fassung vom 26. Februar 2002 (BAnz. 2002 Nr. 92 S. 10941) sollten Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bei Frauen, die das 40. Lebensjahr vollendet hatten, nicht durchgeführt werden, weil das Alter der Frauen im Rahmen der Sterilitätsbehandlung einen limitierenden Faktor darstellt (Satz 1). Ausnahmen waren nur bei Frauen zulässig, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, und wenn die Krankenkasse nach gutachterlicher Beurteilung der Erfolgsaussichten die Maßnahmen genehmigt hatte.
Im vorliegenden Fall hat die Krankenkasse die Genehmigung der beantragten Maßnahme zur künstlichen Befruchtung zu Recht abgelehnt.
In Ziffer 9 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (heute: Gemeinsamer Bundesausschuss) den Regelfall normiert, dass Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bei Frauen, die das 40. Le-bensjahr vollendet haben, nicht mehr durchgeführt werden sollten. Die Verwendung des Begriffes "sollen" zeigt, dass lediglich in atypischen Fällen von diesem Regelfall abgewichen werden sollte. Eine solche Ausnahmeregelung hatte der Bundesausschuss in Ziffer 9 Satz 2 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bestimmt. Danach bedurfte es zur Begründung eines solchen atypischen Falles besonderer Umstände, die es rechtfertigten, von dem Regelfall des Tatbestandes der Ziffer 9 Satz 1 der Richtlinien abzuweichen und gleichwohl bei einer Frau, die das 40. Lebensjahr vollendet hatte, Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung durchzuführen. Entsprechende atypische Umstände hat die Klägerin weder vorge-tragen noch sind sie nach Aktenlage ersichtlich.
Soweit die Klägerin sich insoweit auf den Arztbrief des sie behandelnden Dr. med. D J. P vom 14. November 2003 beruft, kann sie damit keinen Erfolg haben. Denn diese ärztliche Stellungnahme belegt keine besonderen Umstände, die den Schluss auf eine vom Regelfall abweichende positive Erfolgsprognose von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung rechtfertigen würden. Der die Klägerin behandelnde Arzt führt in diesem Brief lediglich aus, dass im Falle der Klägerin bei einem Transfer von drei Embryonen mit einer altersgerechten Schwangerschaftsrate von 15 bis 20 % zu rechnen gewesen sei im Vergleich zu einer Schwangerschaftsrate von 25 % bis 30 % von Frauen der Altersgruppe zwischen 25 und 35 Jahren. Diese altersbe-dingte Verringerung sei seines Erachtens nicht erheblich. Schließlich hat auch das F-C-B der die Klägerin behandelnden Ärztin mit einem im Zusammenhang mit der hier streitbefangenen Behandlung zeitnah erstellten Arztbrief vom 7. Mai 2003 mitgeteilt, dass "die Prognose bezüglich einer Schwangerschaft aufgrund des Alters der Patientin (der Klägerin) und der Low res-ponse als eher ungünstig einzuschätzen ist". Nach alledem bestand danach bei der Klägerin im hier maßgeblichen Zeitpunkt, im April/Mai 2003, lediglich eine altersgerechte Aussicht auf das Eintreten einer Schwangerschaft nach der Durchführung von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung und nicht eine aufgrund besonderer Umstände von diesem Regelfall abweichende erhöhte Erfolgsaussicht. Dass diese Einschätzung auch zutreffend war, wird durch den Umstand belegt, dass die nach Aktenlage bei der Klägerin insgesamt durchgeführten fünf Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft allesamt ohne Erfolg geblieben sind.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass sich die Erfolgsaussicht der bei ihr durchgeführten Maßnahme zur künstlichen Befruchtung bereits aus dem Umstand ergebe, dass diese Maßnahme seitens der behandelnden Arztpraxis überhaupt durchgeführt worden sei, verkennt sie die dargestellte Regel-Ausnahmesystematik der Ziffer 9 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetztes (SGG) und entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache selbst.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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