L 5 B 778/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 628/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 778/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Gegensatz zu Schuldzinsen sind (hier ausschließlich vorliegende) Leistungen zur Tilgung einer Schuld für das selbst genutzte Grundstück grundsätzlich keine berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, weil der Steuerzahler über die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II nicht zur Vermögensbildung der Hilfesuchenden beitragen darf.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. August 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens um die Höhe der den Antragstellern ab 1. Juli 2006 zustehenden Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Die Antragsteller erhielten ab 1. Juli 2006 auf der Grundlage des Bescheides vom 1. Juni 2006 (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2006; ob ein Klageverfahren anhängig ist, ist nicht aktenkundig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 749,03 Euro (Regelsatz in Höhe von zweimal 311,- Euro, Sozialgeld in Höhe von 207 Euro, Kosten der Unterkunft [Nebenkosten] in Höhe von 74,03 Euro, abzüglich Kindergeld in Höhe von 154 Euro). Die Antragsteller meinen, einen Anspruch auf Kosten der Unterkunft in Höhe von zusätzlich 600 Euro pro Monat zu haben. Dem liegt folgendes zugrunde: Der Antragsteller zu 1. kaufte mit notariellem Vertrag vom 6. Februar 2003 das 4.674 m² große, mit einem Bauernhof bebaute und von allen Antragstellern bewohnte Grundstück A Straße in W (Grundbuch von W Blatt , Gemarkung W, lfd. Nr. , Flur , Flurstück ). Der Kaufpreis betrug 100.000 Euro und wurde vertraglich gestundet, zuletzt bis ins Jahr 2007 hinein. Gleichzeitig war vertraglich vereinbart, dass auf den Kaufpreis 600,- Euro monatlich als Tilgung an die Veräußerer zu zahlen seien. Zinsen werden nicht berechnet bzw. erhoben. Ein Kreditinstitut ist an der Finanzierung nicht beteiligt. Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass die zur Kredittilgung verwendeten 600,- Euro monatlich nicht als Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II erstattungsfähig seien.

Den am 24. Juli 2006 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht Cottbus durch Beschluss vom 10. August 2006 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anordnunganspruch bestehe nicht, denn der von den Antragstellern behauptete "Mietkaufvertrag" liege nicht vor, sondern lediglich ein Kaufvertrag mit Stundungsvereinbarung. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben, weil keine Notlage ersichtlich sei, in die die Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu geraten drohten. Mit der am 1. September 2006 eingelegten Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter. Sie tragen im Wesentlichen vor: Nach § 22 SGB II komme es nicht darauf an, welche vertragliche Gestaltung der Wohnnutzung zugrunde liege. Nicht sämtliche monatlich zu erbringenden Zahlungen dienten dem Grundstückserwerb und damit der Vermögensbildung. Durch die Verweigerung der Übernahme der Kosten der Unterkunft würden sie gezwungen, ihre derzeitige Unterkunft aufzugeben. Von den monatlich zu erbringenden Zahlungen sei jedenfalls der Teil berücksichtigungsfähig, der den angemessenen Mietkosten entspreche.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. August 2006 ist zulässig (§§ 172 Abs. 1 und 173 SGG), aber nicht begründet. Das Sozialgericht Cottbus bewertet die Sach- und Rechtslage zutreffend.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden.

Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist. Der Senat teilt diese Sichtweise. Bei den monatlich geschuldeten 600,- Euro handelt es sich nicht um "Kosten für Unterkunft" im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, sondern um Kosten für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Betriebs, der – untergeordnet – auch dem Wohnen dient. Der Antragsteller zu 1. baut auf dem Gelände eine Viehzucht und einen Viehhandel auf. Die weit überwiegende Fläche der Gebäude dient als Stallung. Die Freiflächen werden als Weideland genutzt. Der Erwerb dieses Wirtschaftsbetriebs kann nicht aus Steuermitteln über § 22 SGB II finanziert werden. Letztlich ist das Gesamtprojekt einschließlich der Unterkunftskosten damit wirtschaftliches Risiko des Antragstellers zu 1. Der Senat sieht keinen Weg, die 600,- Euro, die monatlich für die Schuldentilgung aufgewendet werden, "herunterzurechnen" auf den angemessenen Bruchteil, der dem Wert des Wohnens am Gesamtwert des Objekts zukommt, zumal hierzu jegliche Anhaltspunkte im Vorbringen der Antragsteller fehlen. Hiervon abgesehen verbietet sich ein solcher Ansatz aber auch aus anderem Grunde: Im Gegensatz zu Schuldzinsen sind (hier ausschließlich vorliegende) Leistungen zur Tilgung einer Schuld für das selbst genutzte Grundstück grundsätzlich keine berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, weil der Steuerzahler über die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II nicht zur Vermögensbildung der Hilfesuchenden beitragen darf (vgl. bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. April 2006, L 7 AS 1/05; hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31. Oktober 2006, L 9 AS 189/06; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. August 2006, L 13 AS 2759/06 ER-B; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2006, L 10 AS 102/06 [zitiert jeweils nach juris]; in diese Richtung auch Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, Abdruck Rz. 34, 36).

Im Übrigen ist auch – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – ein Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht, denn die Antragsteller haben nicht dargelegt, welche dringenden Nachteile im Sinne gravierender Rechtsverluste ihnen konkret drohen, wenn die begehrte Leistung nicht umgehend im Wege des Eilrechtsschutzes gewährt wird.

Auf die von den Antragstellern kraft notarieller Vereinbarung mit den Grundstücksveräußerern aufzubringende jährliche Ausgleichszahlung in Höhe von 500,- Euro hatte der Senat nicht einzugehen. Dieser Aspekt ist nicht streitgegenständlich, weil sich der anwaltlich formulierte Antrag sowohl im Ausgangs- als auch im Beschwerdeverfahren ausschließlich auf die Zahlung von insgesamt 1.349,03 Euro monatlich ab 1. Juli 2006 bezog. Im Übrigen ist diese Frage Gegenstand des Verfahrens L 14 B 224/06 AS ER gewesen (Beschluss vom 25. Juli 2006).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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