L 16 RA 154/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 5995/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 154/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf höhere Altersrente.

Der 1938 geborene Kläger absolvierte vom 1. Juli 1954 bis 30. Juni 1957 eine Berufsausbildung zum Elektromaschinenbauer. Anschließend arbeitete er als Elektromonteur. Vom 1. September 1958 bis 15. August 1961 besuchte der Kläger die Ingenieurschule für Starkstromtechnik in V-H und erwarb mit bestandener Abschlussprüfung die Berufsbezeichnung Ingenieur in der Fachrichtung "Elektrische Anlagen" (Urkunde vom 6. Oktober 1961). Vom 6. September 1961 bis 30. September 1963 war der Kläger als Montage-Ingenieur beim Volkseigenen Betrieb (VEB) S-A H beschäftigt. Ab 1. Oktober 1963 wurde er als Mitarbeiter in der Abteilung Absatz und Bilanzierung der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) E und A eingesetzt. In der Zeit vom 16. November 1965 bis 15. Mai 1968 arbeitete der Kläger bei der VVB H und K, zunächst als Werbe-Ingenieur, ab 1. September 1966 als Ingenieur für Auslandsmessen, zuletzt als Pressereferent. Anschließend war der Kläger wie folgt beschäftigt: 16. Mai 1968 bis 15. Oktober 1969 Absatzleiter beim VEB I, 1. November 1969 bis 30. April 1970 Betriebsberater beim VEB R- und R A, 1. Mai 1970 bis 10. September 1971 Fachberater bei der I GmbH, 20. September 1971 bis 31. Dezember 1973 wissenschaftlicher Mitarbeiter im I f R der VVB E, 1. Januar 1974 bis 31. Dezember 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter im VEB E B, 15. August 1977 bis 10. Januar 1978 Mitarbeiter F und E in der VVB E K B, 16. Januar 1978 bis 20. Januar 1988 verschiedene Funktionen im VEB EB. Wegen der Pflege seiner Mutter hatte der Kläger die wöchentliche Arbeitszeit in der Zeit vom 1. Mai 1985 (Änderungsvertrag vom 25. April 1985) bis zu deren Tod am 4. Oktober 1987 auf dreißig Stunden reduziert. Der Kläger war vom 1. April 1974 bis 31. Dezember 1976 sowie vom 1. Juni 1979 bis 20. Januar 1988 Mitglied der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR). Am 17. Januar 1988 war er während einer Demonstration verhaftet worden und nach eigenen Angaben bis zu seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland am 16. Juni 1989 arbeitslos.

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales stellte die Zugehörigkeit des Klägers zum Personenkreis der politisch Verfolgten im Sinne des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz BerRehaG) sowie eine Verfolgungszeit vom 16. Mai 1968 bis zum 16. Juni 1989 fest; auf den – zuletzt erteilten – Ergänzungsbescheid vom 13. November 2002 wird Bezug genommen. In ihrer Funktion als Zusatzversorgungsträger stellte die Beklagte Zugehörigkeitszeiten des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 4. September 1961 bis 15. Mai 1968 und vom 16. Mai 1968 bis zum 16. Juni 1989 fest (Bescheid vom 27. November 2002 und Zuordnungsbescheid vom 3. Dezember 2002).

Die Beklagte hatte dem Kläger ab 1. Dezember 1998 das Recht auf eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit nach dem Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) mit einem monatlichen Wert von 2.312,14 DM zuerkannt (Rentenbescheid vom 28. Dezember 1998). Mit Bescheid vom 13. Januar 1999 stellte die Beklagte die Rente von Beginn an unter Anwendung des BerRehaG neu fest (monatlicher Wert ab 1. März 1999: 2.477,18 DM). Auf den nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes gestellten Antrag des Klägers stellte die Beklagte die Altersrente mit Rentenbescheid vom 4. März 2003 ab 1. Dezember 1998 erneut neu fest (monatlicher Wert ab 1. Mai 2003: 1.581,42 EUR). Der Kläger wies darauf hin, dass bei Zusatz- und Sonderversorgten zwei Bescheide – mit und ohne Verfolgungszeiten – zu erstellen seien (Schreiben vom 23. und 29. März 2003) und stellte klar, dass er diese Schreiben als Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 4. März 2003 verstanden wissen wolle. Mit Schreiben vom 24. Juli 2003, auf das verwiesen wird, erläuterte die Beklagte die von ihr durchgeführten Vergleichsberechnungen und teilte das jeweilige Ergebnis mit. Nachdem der Kläger den Widerspruch aufrechterhalten hatte, wies die Beklagte den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2003 zurück. Bei der Prüfung des Nachteilsausgleichs nach dem BerRehaG habe die Vergleichsberechnung nach § 13 Abs. 1a BerRehaG die höchste Leistung ergeben. Die Altersrente des Klägers sei durch Bescheid vom 4. März 2003 mit dem höchsten Wert festgestellt worden und entspreche somit der Sach- und Rechtslage.

Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die Bewertung der Verfolgungszeit dürfe nicht statisch erfolgen, sondern es müsse eine die fiktive Entwicklung berücksichtigende Progression Beachtung finden. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Urteil vom 19. Oktober 2004 als unbegründet abgewiesen. Es ist im Wesentlichen der Begründung des Widerspruchsbescheides gefolgt und hat ergänzend ausgeführt: Vorliegend seien vier Vergleichsberechnungen durchzuführen. Die Rente des Klägers sei in Anwendung von § 13 Abs. 1a BerRehaG einfachgesetzlich zutreffend nach den für ihn mit Abstand günstigsten Werten berechnet worden. Gegenüber der "Echtleben"-Berechnung ergebe sich ein Zuschlag von 11,5258 EP. Ein verfassungsrechtlicher Gesichtspunkt, der es gebieten könnte, den Kläger noch besser zu stellen, sei nicht ersichtlich. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein auf Gewährung höherer Altersrente gerichtetes Begehren weiter. Er trägt vor: Die erlittenen Verfolgungszeiten müssten mit mehr als 0,1370 EP pro Monat bewertet werden. Zwar erreiche der Wert für das Jahr 1967, dem letzten vollen Kalenderjahr vor Beginn der Verfolgung, den Höchstwert an EP. In der Folgezeit sei dies jedoch bis einschließlich 1969 und ab 1977 nicht der Fall. Durch die (einfachgesetzliche) statische Festlegung der monatlichen EP für die gesamte Verfolgungszeit werde der Zweck des BerRehaG in verfassungswidriger Weise verfehlt. Die Regelung werde seinem außergewöhnlichen und einzigartigen Berufsleben nicht gerecht, wirke opferverhöhnend und müsse den speziellen Gegebenheiten angepasst werden. Es sei im Lichte des Art. 1 Grundgesetz (GG) nicht ausreichend, Verfolgte rentenmäßig den systemtreuen Mitgliedern der sogenannten "Intelligenz" gleichzustellen. Eine wirkliche Rehabilitation könne nur durch eine Besserstellung der politisch Verfolgten in der Weise herbeigeführt werden, dass für die gesamte Verfolgungszeit die jeweils höchst möglichen EP berücksichtigt werden. Der Kläger überreicht einen Bericht über Art und Umfang der politischen Verfolgung in der DDR.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 4. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2003 zu verurteilen, den Wert des Rechts auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab 1. Dezember 1998 neu festzustellen und dabei für die Zeit vom 16. Mai 1968 bis 16. Juni 1989 Entgeltpunkte entsprechend der allgemeinen Beitragbemessungsgrenze zu Grunde zu legen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Das SG habe die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Eine Anpassung des ermittelten Durchschnittwertes von 0,1370 EP pro Monat in den folgenden Jahren sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Gerichtsakte und die Akten der Beklagten (3 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage auf Festsetzung eines höheren Rentenwerts zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren Rentenwerts als den in dem angefochtenen Bescheid vom 4. März 2003 verfügten. Für die darüber hinaus von dem Kläger geltend gemachten Leistungsansprüche gibt es im geltenden Recht keine Rechtsgrundlage.

Die Beklagte hat den Wert der Altersrente des Klägers durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 4. März 2003 in Anwendung der gesetzlichen Rentenformel auf der Grundlage von 61,1533 persönlichen Entgeltpunkten (PEP) festgestellt. Sie hat dabei die vorliegend allein streitige Bewertung der Verfolgungszeiten beanstandungsfrei gemäß § 13 Abs. 1a Satz 1 Regelung 1 BerRehaG vorgenommen.

Nach § 13 Abs. 1a BerRehaG wird für jeden Kalendermonat mit Verfolgungszeit der monatliche Durchschnitt aus Entgeltpunkten für vollwertige Pflichtbeiträge auf Grund einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder für freiwillige Beiträge im letzten Kalenderjahr oder, wenn dies günstiger ist, in den letzten drei Kalenderjahren vor Beginn der Verfolgung berücksichtigt, wenn diese durchschnittliche Entgeltpunkteposition eine höhere Rente ergibt. Im Fall der Anwendung von Absatz 2 sind jedoch höchstens die sich daraus ergebenden Entgeltpunkte zu berücksichtigen.

Diese Regelungen hat die Beklagte fehlerfrei bei der Rentenwertfeststellung umgesetzt. Das letzte Kalenderjahr vor Beginn der Verfolgung ist im Fall des Klägers das Jahr 1967. Der bindende Feststellungsbescheid des Zusatzversorgungsträgers vom 27. November 2002 weist als "erzieltes Arbeitsentgelt" für das Jahr 1967 insgesamt 13.518,96 DM aus. Die Beklagte ist bei der Berechnung der durchschnittlichen Entgeltpunkteposition von diesem Arbeitsentgelt ausgegangen, hat es mit dem Faktor 1,5927 umgerechnet auf 21.531,65 DM und sodann – zutreffend – in Anwendung der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze begrenzt auf 16.800 DM. Dementsprechend ergibt sich für das Jahr 1967 der Höchstwert von 1,6440 PEP (Ost) und damit ein monatlicher Durchschnitt von 0,1370 PEP. Dieser Durchschnittswert ist nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 1a Satz 1 BerRehaG "für jeden Kalendermonat mit Verfolgungszeit" zu berücksichtigen. Die Beklagte hat diesen Durchschnittswert für die Zeit vom 16. Mai 1968 bis 31. Dezember 1969 sowie für die Zeit vom 1. Januar 1978 bis 16. Juni 1989 berücksichtigt. Die niedrigeren Werte in der Zeit vom 1. Januar 1970 bis 31. Dezember 1977 folgen allein aus der Anwendung der (jeweiligen) allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze, aber es ist gleichwohl der jeweilige Höchstwert an PEP berücksichtigt worden (vgl. die Darstellung der Höchstwerte in der Anlage 2b zum Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Die Beklagte hat auch die gesetzlich vorgeschriebenen Vergleichsberechnungen zutreffend durchgeführt. Die Pflicht zur Durchführung der Vergleichsberechnungen folgt aus § 10 Satz 1 BerRehaG, wonach die Vorschriften des Vierten Abschnitts dieses Gesetzes über den Ausgleich von Nachteilen in der Rentenversicherung die allgemein anzuwendenden rentenrechtlichen Vorschriften zugunsten des Verfolgten ergänzen. Dabei wird die Rente des Verfolgten zunächst aus den tatsächlich zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten berechnet. Diese so genannte "Echtleben"-Berechnung ergibt im Fall des Klägers, worüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht, 51,9871 PEP. Sodann ist zu prüfen, ob aus der Berücksichtigung der Verfolgungszeiten ein höherer Rentenwert folgt, wobei die Verfolgungszeiten einmal als beitragsgeminderte, einmal als vollwertige Beitragszeiten und schließlich mit den Entgeltpunkten gemäß § 13 Abs. 1a BerRehaG zu berücksichtigen sind. Da die von der Beklagten durchgeführte Vergleichsberechnung gemäß § 13 Abs. 1a BerRehaG zu dem höchsten Rentenwert führt (= 61,1533 PEP), ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Wert der Altersrente des Klägers im streitgegenständlichen Bescheid vom 4. März 2003 auf der Grundlage dieser PEP festgestellt hat. Einfachgesetzlich steht dem Kläger kein höherer Rentenwert zu. Soweit er im gesamten Verfahren die "statische" Festlegung der monatlichen EP angreift, verkennt der Kläger, dass eine "Dynamisierung" der Gesamtentgeltpunkte und damit der monatlichen PEP für die Verfolgungszeit aufgrund der jährlichen Veränderung des aktuellen Rentenwerts zum 1. Juli eines jeden Jahres erfolgt (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 3 SGB VI).

Dieses Ergebnis ist entgegen der Auffassung des Klägers mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Verfassungsmäßigkeit der Anwendung der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze ist geklärt (vgl. BVerfGE 100, 1, 40 f. = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3; BSG, Urteil vom 10. April 2003 – B 4 RA 41/02 R = SozR 4-2600 § 260 Nr. 1). Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen mehrfach entschieden, dass der Gesetzgeber nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten bei dem Bemühen, von einem anderen Staat zu verantwortendes Unrecht wieder gut zu machen, einen weiten Gestaltungsspielraum hat (in Bezug auf das BerRehaG: Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 1999 – 1 BvR1668/98 = juris). Die in Rede stehende Regelung des § 13 Abs. 1a Satz 1 BerRehaG, die sich im Fall des Klägers zudem äußerst günstig auf die Höhe seiner Altersrente auswirkt, hält sich im Rahmen dieses Spielraums. Eine noch günstigere Bewertung der Verfolgungszeiten des Klägers ist von Verfassungs wegen nicht geboten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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