L 5 B 1047/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 109 AS 9390/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 1047/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Berlin vom 01. November 2006 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um die Gewährung von 360,00 EUR für Brennstoff.

Der 1945 geborene Antragsteller ist Mieter der sich aus dem Rubrum ergebenden, mit einer Ofenheizung ausgestatteten Wohnung. Seit dem 19. Januar 2006 verbüßt er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) H eine Freiheitsstrafe. Das Strafende ist für den 16. Juni 2007 vorgesehen. Er hat einen Freigängerausweis und arbeitet seit dem 27. März 2006 montags bis freitags von 08.00 Uhr bis 15.30 Uhr im so genannten Außenkommando in der Kstraße in der Senatsverwaltung für Finanzen. Für seine wöchentlich 37,5 Stunden umfassende Arbeit erhält er – nach den Angaben eines Mitarbeiters der JVA gegenüber dem Antragsgegner – eine Entlohnung nicht durch den Arbeitgeber, sondern eine Bezahlung in Höhe von 11,23 EUR täglich durch die JVA. Ausweislich einer telefonischen Auskunft von Herrn S, Senatsverwaltung für Finanzen, vom 17. Januar 2007 wird er dort über die JVA mit gemeinnützigen Arbeiten beschäftigt.

Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller ab Januar 2005 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Zuletzt erhielt er aufgrund eines im Verfahren L 10 B 679/06 AS ER geschlossenen Vergleichs bis Mai 2006 Leistungen einschließlich des Regelsatzes in Höhe von insgesamt 600,81 EUR und sodann bis Juli 2006 noch Unterkunftskosten in Höhe seiner monatlichen Mietkosten von 255,81 EUR.

Mit Schreiben vom 04. September 2006 beantragte der Antragsteller unter Vorlage eines entsprechenden Kostenvoranschlages die Übernahme von 381,00 EUR für Brennstoffe. Zur Begründung gab er an, sich aufgrund seiner Vollzugslockerungen nur zwischen 20.00 Uhr abends und 07.00 Uhr morgens in der JVA aufhalten zu müssen, hingegen seine Freizeit, die Wochenenden und seine Urlaube in seiner eigenen Wohnung zu verbringen. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten für Brennstoffe gestützt auf § 7 Abs. 4 SGB II mit der Begründung ab, dass die Bewilligung von Arbeitslosengeld II bereits seit dem 01. Juli 2006 ganz aufgehoben worden sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, da der Antragsteller bereits ab dem 19. Januar 2006 und damit länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sei. Der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung sei dem gleichgestellt. Der hiergegen am 09. November 2006 eingelegte Widerspruch des Antragstellers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006).

Bereits am 16. Oktober 2006 hatte der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Brennstoffbeihilfe in Höhe von 360,00 EUR sowie Prozesskostenhilfe zu gewähren. Mit Beschlüssen vom 01. November 2006 hat das Sozialgericht Berlin zum einen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs zurückgewiesen und zum anderen die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Antragsteller sei in einer JVA untergebracht. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass er einer Erwerbstätigkeit im Umfang von 15 Stunden wöchentlich nachgehe. Zu seinem vom Antragsgegner in Abrede gestellten Freigängerstatus habe er sich nicht geäußert. Darüber hinaus erscheine auch der Bedarf für eine Brennstoffbeihilfe zweifelhaft, da der Antragsteller sich als Freigänger nachts in der Justizvollzugsanstalt und zur Ausübung der Erwerbstätigkeit jedenfalls nicht in seiner Wohnung aufhalten müsse. Er sei nach § 7 Abs. 4 SGB II nicht leistungsberechtigt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe daher keine hinreichenden Erfolgsaussichten.

Gegen diese ihm jeweils am 06. November 2006 zugestellten Beschlüsse richten sich die am 15. November 2006 eingelegten Beschwerden des Antragstellers. Er meint, die Brennstoffbeihilfe stehe ihm zu. Er habe nachgewiesen, dass er Freigänger sei und täglich arbeite. Zwischen 16.00 und 19.00 Uhr befinde er sich täglich, ferner an den Wochenenden und Urlaubstagen in seiner Parterrewohnung. Er sei schon aufgrund seines Mietvertrages verpflichtet zu heizen, um das Eindringen von Feuchtigkeit und eine Beschädigung der sanitären Anlagen zu verhindern. Im Übrigen habe er als 61jähriger einen Anspruch nicht nur auf eine warme Wohnung nachts, sondern auch am Tage. Eine Gleichstellung von Haftanstalten mit stationären Einrichtungen ergebe sich aus der Gesetzesfassung vom 20. Juli 2006 nicht. Ferner stehe er dem Arbeitsmarkt sehr wohl zur Verfügung. Der Antragsgegner sei jedoch nicht in der Lage gewesen, ihm eine Arbeitsstelle zu vermitteln.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse des Sozialgerichts Berlin vom 01. November 2006 aufzuheben, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Brennstoffbeihilfe in Höhe von 360,00 EUR zu gewähren, und ihm Prozesskostenhilfe für das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Berlin zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Er meint, der Antragsteller sei nicht leistungsberechtigt, da er zwar mehr als 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig sei, dies jedoch nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Die Beschäftigung erfolge auf der Grundlage und im Rahmen der rechtlichen Regelungen des Strafvollzugsgesetzes, die Bezahlung über die JVA.

Das Sozialgericht Berlin hat den Beschwerden nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen und – soweit wesentlich – Grundlage der Entscheidung gewesen sind.

II.

Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Berlin vom 01. November 2006 sind gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, können jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin seine Anträge auf Gewährung einer Brennstoffbeihilfe sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwar geht der Senat davon aus, dass die Sache eilbedürftig ist, da die Heizungsperiode bereits begonnen hat und voraussichtlich noch mehrere Monate andauern wird. Allerdings ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Senat hält es bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren ein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Gewährung der begehrten Brennstoffbeihilfe zugesprochen wird. Vielmehr stimmt er der Einschätzung des Antragsgegners und des Sozialgerichts Berlin zu, dass der Antragsteller zurzeit nicht dem Kreis der Berechtigten nach dem SGB II angehört. Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten diejenigen Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, die das 15., nicht aber das 65. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Keine Leistungen erhält hingegen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der ab dem 01. August 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706), wer – so die erste Alternative - in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt (Abs. 4 Satz 2). Schließlich sieht Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 der Norm vor, dass abweichend von Satz 1 Leistungen nach dem SGB II erhält, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.

Gemessen daran geht der Senat davon aus, dass bei dem Antragsteller ein Leistungsausschluss besteht. Er befindet sich zurzeit zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe in der JVA H und gehört damit gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB II grundsätzlich nicht dem Kreis der Leistungsberechtigten an. Soweit er meint, mit der Neufassung des Gesetzes zum 01. August 2006 sei es nicht zu einer Gleichstellung Inhaftierter zu Untergebrachten gekommen, vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung liegt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/1410 vom 09.05.2006) insbesondere bei dem Vollzug von Strafhaft vor. Dass der Antragsteller einen Freigängerausweis hat, kann insoweit keine andere Entscheidung rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat bzgl. des grundsätzlichen Leistungsausschlusses nicht zwischen Freigängern und sonstigen Inhaftierten unterschieden, sondern mit § 7 Abs. 4 Satz 3 Ziffer 2 SGB II zum 01. August 2006 eine Ausnahmeregelung geschaffen, der auch Freigänger unterfallen können (vgl. Schumacher in Oestreicher SGB XII/SGB II, Stand: 01.09.2006, § 7 SGB II Rn. 29; Münder in seinem Gutachten: Stationäre Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II, veröffentlichet auf der Homepage des Diakonischen Werkes unter http://diakonie-portal.de/Members/Kotnik/Downloads/ gutachtenmuender; anders Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 7 Rn. 86, die meinen, für Freigänger gelte weder Satz 2 noch Satz 3 des § 7 Abs. 4 SGB II, sodass für sie eine Regelungslücke vorliege). Aufgrund dieser Regelung geht der Senat davon aus, dass seit dem 01. August 2006 der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB II grundsätzlich auch für Freigänger gilt, sofern sie nicht die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in Satz 3 erfüllen. Dies aber ist bei dem Antragsteller nicht der Fall.

Der Antragsteller ist zwar mehr als 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig, dies aber – wie der Antragsgegner zu Recht meint – nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitet nur, wer eine Erwerbstätigkeit ausübt, für die in einem Teilarbeitsmarkt Nachfrage und Angebote bestehen und die in beachtlicher Zahl unter Beachtung von Tarifverträgen, gesetzlichen Vorgaben sowie betrieblicher und sonstiger Übung etc. eingegangen wird (vgl. Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 8 Rn. 16 f. m.w.N.). Nicht hierzu zählen jedoch Sonderarbeitsmärkte. Der Antragsteller ist nach den Ermittlungen des Antragsgegners, die sich durch eine gerichtliche Nachfrage in der Senatsverwaltung für Finanzen bestätigt haben, dort nicht im Rahmen eines normalen Arbeitsverhältnisses beschäftigt, was bereits seine Lohnhöhe zeigt. Er wird dort vielmehr über die JVA mit gemeinnützigen Arbeiten beschäftigt. Für diese gemeinnützigen Arbeiten außerhalb der JVA besteht jedoch kein Arbeitsmarkt unter üblichen Bedingungen, sodass die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nicht vorliegen und es bei dem Leistungsausschluss verbleibt (so im Ergebnis auch Münder in seinem Gutachten: Stationäre Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II, veröffentlichet auf der Homepage des Diakonischen Werkes unter http://diakonie-portal.de/Members/Kotnik/Downloads/gutachtenmuender unter "5.11. Freigänger"). Dass es dem Antragsgegner trotz Bereitschaft des Antragstellers, jedwede Arbeit anzunehmen, nicht gelungen ist, ihm eine solche zu vermitteln, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Da die Rechtsverfolgung damit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten hatte, war dem Antragsteller auch keine Prozesskostenhilfe (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114 ZPO) zu gewähren.

Seine Beschwerden konnten daher keinen Erfolg haben und waren mit der sich aus § 193 SGG analog ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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