L 23 B 216/06 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 SO 1901/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 216/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2006 werden zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerden, mit denen der Antragsteller sein Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Gewährung von Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten weiterverfolgt, sind zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein zinsloses Darlehen zur Begleichung von Energieschulden zu gewähren, zu Recht abgelehnt. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ).

Obwohl der Antragsgegner den Antrag auf Übernahme der Energieschulden gemäß § 34 SGB XII mit Bescheid vom 18. April 2006 – bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 30. August 2006 - gegenüber dem Antragsteller durch einen auf § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch SGB I gestützten Bescheid abgelehnt hat, ist der Senat nicht gehindert, im Rahmen eines Verfahrens nach § 86 b Abs. 2 SGG über das Vorliegen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiellen Anspruchs, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, zu entscheiden (vgl. Beschluss des Senats vom 20. September 2006 - L 23 B 136/06 SO ER). Dies kann allerdings nur gelten, wenn dieser auf § 66 SGB I gestützte Bescheid noch nicht bestandskräftig geworden ist; das ist hier der Fall, weil der Antragsteller den Widerspruchsbescheid vom 30. August 2006 mit Klage vom 25. September 2006 zum Sozialgericht Berlin (S 2 SO 2206/06) angegriffen hat.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf die begehrte darlehensweise Übernahme der rückständigen Stromkosten durch den Sozialhilfeträger jedoch nicht glaubhaft gemacht.

Als Anspruchsgrundlage kommt § 34 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch SGB XII in Betracht. Nach dieser Vorschrift können Schulden übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage

gerechtfertigt ist. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Zwar stellt eine gesperrte Stromversorgung grundsätzlich eine dem Verlust der Unterkunft vergleichbare Notlage dar, zu deren Behebung nach § 34 SGB XII Leistungen gewährt werden können (vgl. zu § 15 a BSHG, OVG Berlin, Beschluss vom 18. März 2003 6 S 21.03 m. w. N., veröffentlicht in JURIS). Ein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung des Antragsgegners besteht jedoch nur dann, wenn auch das Tatbestandsmerkmal "gerechtfertigt" erfüllt ist (Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 34 Rn. 7). Die Übernahme von Schulden ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine mit drohender Obdachlosigkeit vergleichbare Notlage vom Leistungsberechtigten nicht selbst beseitigt werden kann (OVG Münster, Urteil vom 28. April 1999, Az.: 24 A 4785/97, FEVS 51, 89, 91). Dabei sind die Selbsthilfemöglichkeiten des Leistungsberechtigten, seine wirtschaftliche Situation und seine Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen. Die Übernahme der Stromschulden erscheint danach im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, dass er außerstande ist, die vorgetragene Notlage im Sinne des § 34 Abs. 1 SGB XII durch Selbsthilfemöglichkeiten zu beseitigen.

Der Antragsteller hat insbesondere nicht glaubhaft gemacht, dass er sich, um die vorgebrachte Notlage zu beenden, bei allen in B zur Verfügung stehenden Stromanbietern um den Abschluss eines Stromversorgungsvertrages bemüht hat. Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers an die L GmbH in H vom 03. Mai 2005, in dem diese für den Antragsteller unter Angabe einer Vertragsnummer u. a. um Vereinbarung eines persönlichen Termins zur Feststellung der Zählernummer gebeten hat, ist insofern nicht ausreichend. Dies gilt bereits deswegen, weil das Schreiben aus Mai 2005 und somit lange vor Entstehung der streitgegenständlichen Schulden bei der Firma V AG aus dem erst im Februar 2005 abgeschlossenen Stromlieferungsvertrag datiert. Die Unterbrechung der Stromlieferung ist dem Antragsteller von der Firma V AG erst zum Ende Februar 2006 angekündigt und von dieser Ende Mai 2006 durchgeführt worden. Die – im Übrigen auch unzureichende – Anfrage bei der L GmbH stellt mithin keine Maßnahme des Klägers zur Behebung dieser Notlage dar.

Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er nicht in der Lage ist, einen Teil der Forderung zu begleichen, und dass der Stromversorger daraufhin nicht bereit wäre, eine

Ratenzahlung über eine dann geringere Restsumme zu vereinbaren. Der Antragsteller verfügt über eine Altersrente in Höhe von 531,32 EUR (Rentenbeginn 01. März 1997) und erhält seit März 2005 ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach §§ 42 ff. SGB XII in Höhe von zuletzt monatlich 200,18 EUR. In den ihm gewährten Regelsätzen ist ein Energiekostenanteil enthalten, den der Antragsteller seit dem 01. Juni 2006, da ihm aufgrund der Sperrung keine Kosten für Stromlieferungen entstanden sind, nicht für Energielieferungen verwenden musste. Aus diesen "Überzahlungen" standen ihm Mittel zur teilweisen Begleichung der Stromschulden zur Verfügung, zumal er gehalten ist, sich wirtschaftlich zu verhalten und Rücklagen zu bilden (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 18. März 2003 a.a.O.; Lüneburg, Urteil vom 25. September 1996, Az.: 4 L 4040/95, juris). Der Antragsteller hat aber – nach einer vom Antragsgegner mitgeteilten Auskunft der Fa. V AG aus November 2006, der der Antragsteller nicht widersprochen hat – seit Juni 2006 keine Zahlungen auf seine Stromschulden geleistet.

Da der Antragsteller trotz wiederholter Aufforderung Kontoauszüge, die den streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2006 abdecken, nicht eingereicht hat - vorgelegt wurden nur zwei Auszüge vom 28. Februar und 01. März 2006 -, konnte der Senat zudem bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angemessenen Ermittlung des Sachverhaltes nicht überprüfen, welche Mittel dem Antragsteller zur Begleichung seiner Schulden zur Verfügung gestanden haben.

Erhebliche Zweifel bestehen darüber hinaus auch am Vorliegen eines Anordnungsgrundes, worauf bereits das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend hingewiesen hat. Da der Antragsteller trotz anwaltlicher Vertretung von ihm geforderte Nachweise entweder gar nicht oder unvollständig und äußerst zögerlich beibringt, obwohl die Stromlieferung in die Wohnung Schstraße seit Ende Mai 2006 eingestellt ist, ist zweifelhaft, ob er die Stromlieferung an diese Adresse tatsächlich benötigt.

Da die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin hinsichtlich des abgewiesenen Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg hat, ist auch die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht nicht begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved