L 4 R 154/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 R 387/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 154/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Der 1957 geborene Kläger ist angestellter Geschäftsführer bei einem Versicherungsmakler. Am 02. Juli 2004 beantragte er die Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation. Nach Einholung eines Befundberichtes bei dem Facharzt für Innere Medizin Dr. E lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Juli 2004 die Gewährung mit der Begründung ab, es läge kein Rehabilitationsbedarf vor. Der Kläger leide zwar an Migräne, einem psychosomatischen Beschwerdesyndrom sowie einer Nephrolithiasis. Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien jedoch nicht so erheblich, dass eine Leistung zur Teilhabe erforderlich wäre. Ambulante nervenärztliche Diagnostik und Behandlung sowie medikamentöse Behandlung und Entspannungsverfahren seien ausreichend.

Mit seinem am 03. August 2004 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, sein Arbeitsplatz sei in Gefahr. Er lasse sich trotz seiner erheblichen gesundheitlichen Beschwerden zwar nur selten Arbeitsunfähigkeit bescheinigen. Gleichwohl sei seine Leistungsfähigkeit so stark eingeschränkt, dass er im Arbeitsleben ständiger Kritik ausgesetzt sei. Die Beklagte holte daraufhin ein medizinisches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie N ein. Dieser diagnostizierte unter dem 29. Oktober 2004 bei dem Kläger eine Migräne mit und ohne Aura. Trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigung verfüge der Kläger über ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ohne wesentliche Einschränkungen. Allerdings müsse eine Migräneprophylaxe in Erwägung gezogen werden. Auf der Grundlage dieses Gutachtens wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2004 zurück. Die diagnostizierte Migräne erfordere eine ambulante ggfs. stationäre neurologische Diagnostik und medikamentöse Prophylaxe. Für die Durchführung dieser Maßnahmen sei sie jedoch nicht zuständig.

Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 24. Januar 2005 erhobene Klage, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Das Sozialgericht hat Befundberichte bei den den Kläger behandelnden Ärzten – der Neurologin/Psychiaterin Dr. D sowie dem Internisten Dr. E – eingeholt. Sodann hat es die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 2005 abgewiesen. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach §§ 9 Abs. 2, 10 Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) nicht erfülle. Ein Heilverfahren sei in Auswertung des medizinischen Ermittlungsergebnisses nicht erforderlich. Soweit der behandelnde Internist dies teilweise anders sehe, könne ihm nicht gefolgt werden. Die von ihm vorgeschlagene Durchführung einer Psycho- und Entspannungstherapie werde im Allgemeinen ambulant und berufsbegleitend am Wohnort durchgeführt. Warum er eine medikamentöse Einstellung am Heimatort für nicht durchführbar erachte, sei nicht nachvollziehbar. Und soweit er ein Heilverfahren deshalb für erforderlich ansehe, damit der Kläger Distanz zur Arbeit gewinne, überzeuge auch dies nicht. Hierfür reiche bereits die Attestierung von Arbeitsunfähigkeit, wovon zuletzt für wenige Tage im April 2000 Gebrauch gemacht worden sei.

Gegen diesen ihm am 09. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die von dem Kläger am 24. Januar 2006 eingelegte Berufung, zu deren Begründung er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen vertieft.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Dezember 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag vom 02. Juli 2004 auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat einen Befundbericht bei dem den Kläger in der C – Fachabteilung für Neurologie – behandelnden Arzt N eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Befundberichte, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers entscheiden, obwohl dieser in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, da mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl. §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin ist nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch die Beklagte. Vielmehr ist deren ablehnender Bescheid vom 27. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 2004 rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

Anspruchsgrundlage für das von dem Kläger prozessual zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgte Begehren ist § 9 Abs. 2 SGB VI. Danach können u.a. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass der Kläger die nach § 10 SGB VI erforderlichen persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach Absatz 1 dieser Norm haben diejenigen Versicherten die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe erfüllt,

1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Be- hinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähig- keit durch entsprechende Leistungen abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch entsprechende Leistungen wesentlich gebessert oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Der Senat ist nach dem aktuellen Sachstand, der für die hiesige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2003 – B 1 KR 33/01 RSozR 4-1500 § 54 Nr. 1), bereits nicht davon überzeugt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erheblich gefährdet oder gemindert ist. Erwerbsfähigkeit ist die Fähigkeit zur möglichst dauernden Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit im normalen Umfang. Gefährdet ist diese, wenn nach ärztlicher Feststellung die begründete Aussicht besteht, dass in absehbarer Zeit wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Funktionseinschränkungen damit zu rechnen ist, dass ohne Leistungen zur Teilhabe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eintreten wird. Bereits gemindert ist die Erwerbsfähigkeit, wenn die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben nicht unwesentlich eingeschränkt ist und der Versicherte daher nicht mehr in der Lage ist, seinen Beruf normal auszuüben. Es muss letztlich die Gefahr einer "Ausgliederung" aus Arbeit, Beruf und Gesellschaft bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.1981 – 1 RA 93/79 – SozR 2200 § 1236 Nr. 31)

Davon kann zur Überzeugung des Senats derzeit nicht ausgegangen werden. Der Kläger wird aufgrund seiner Migräne, die ihn zur Beantragung der streitgegenständlichen Leistung veranlasst hat, fachärztlich in der Klinik für Neurologie der C, und dort insbesondere von Herrn N, behandelt. Dieser hat in seinem Befundbericht vom 22. Mai 2006 die Frage des Gerichts, ob die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert sei, nicht bejaht, sondern lediglich angegeben, dass die psychische und physische Leistungsfähigkeit des Klägers während einer Migräne-Attacke gemindert sei. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar, lässt aber nicht auf eine Gefährdung, geschweige denn Minderung der Erwerbsfähigkeit schließen. Weiter hat er in einem Arztbrief vom 18. November 2005 ausgeführt, dass zurzeit mit ein bis vier Attacken pro Monat eine niedrige Migränefrequenz vorliege und der Kläger deshalb eine medikamentöse Prophylaxe ablehne. Auch vor diesem Hintergrund, der gegen einen erheblichen Leidensdruck des Klägers spricht, kann von einer drohenden "Ausgliederung" aus Arbeit, Beruf und Gesellschaft nicht die Rede sein, zumal es bei dem Kläger – soweit bekannt – in den letzten Jahren aufgrund der Migräne auch nicht zu Zeiten der Arbeitsunfähigkeit gekommen ist. Allein, dass eine stationäre Heilbehandlung – wie der Arzt ausgeführt hat - positive Auswirkungen auf die Migränefrequenz haben könne, reicht für die Annahme einer erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit offensichtlich nicht aus. Schließlich sprechen die Darlegungen des Arztes auch deshalb gegen eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit, als er angegeben hat, dass der Kläger medikamentös am Heimatort eingestellt werden könne. Es kann daher nicht davon die Rede sein, dass nach ärztlicher Feststellung die begründete Aussicht besteht, dass es ohne Leistungen zur Teilhabe in absehbarer Zeit zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit kommen wird. Dass es zwischenzeitlich zu einer wesentlichen Verschlechterung des Migräneleidens des Klägers gekommen wäre, ist weder von diesem vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die erstinstanzlich erfolgten medizinischen Ermittlungen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Überzeugend hat das Sozialgericht Berlin insoweit ausgeführt, dass allein Dr. E medizinische Leistungen zur Rehabilitation für erforderlich halte, seine dafür angeführten Gründe jedoch nicht überzeugen würden. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und verzichtet zur Vermeidung von Wiederholungen diesbezüglich auf eine erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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