L 22 R 173/06 -17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 RJ 279/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 173/06 -17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente.

Der 1938 geborene Kläger war beim ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit - MfS/AfNS - beschäftigt und gehörte dem Sonderversorgungssystem des MfS/AfNS gemäß Anlage 2 Nr. 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) an.

Der für das Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 4 zum AAÜG zuständige Versorgungsträger (§ 8 Abs. 4 Nr. 2 AAÜG), die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Innern, dieser vertreten durch das Bundesverwaltungsamt, stellte zuletzt mit Änderungsbescheid vom 15. Dezember 1999 - nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 28. April 1999 (BVerfGE 100, 138) § 7 Abs. 1 Satz 1 (in Verbindung mit Anlage 6) AAÜG in der Fassung des RÜG-ÄndG für nichtig erklärt hatte - "soweit für die Rentenberechnung das zugrundezulegende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen unter das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet abgesenkt wird" - die Entgelte neu fest. Das während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS/AfNS erzielte Entgelt oder Arbeitseinkommen werde nunmehr bis zur Höhe des jeweiligen durchschnittlichen Einkommens im Beitrittgebiet berücksichtigt.

Auf den bei der Beklagten (dem Rentenversicherungsträger) am 25. November 2002 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Rentenbescheid vom 20. Dezember 2002 ab 1. März 2003 Regelaltersrente (699,51 Euro). Für die Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS/AfNS vom 1. Januar 1962 bis 29. Februar 1988 wurde kalenderjährlich das Arbeitsentgelt bis zum durchschnittlichen Einkommen im Beitrittsgebiet (maximal 1 Entgeltpunkt pro Jahr) berücksichtigt.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es könne nicht sein, dass ihm nach vierzigjähriger Berufstätigkeit und fünfundzwanzigjähriger Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS/AfNS nur 699,51 Euro monatliche Rente zustehe. Eine normale Rente liege bei 844,- Euro. Auf die Entscheidungen des BVerfG vom 28. April 1999 werde verwiesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2003 zurück. Mit dem angefochtenen Bescheid sei die Altersrente unter Berücksichtigung der sich aufgrund des Änderungsgesetzes zum AAÜG und des Urteils des BVerfG vom 28. April 1999 ergebenen Änderung zutreffend festgestellt worden.

Dagegen hat der Kläger am 21. Februar 2003 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und vorgetragen: Er halte die Bescheide der Beklagten für rechtswidrig und politisch begründet. Er habe seine Dienstzeit beim Ministerium des Innern - MdI - als Unterleutnant begonnen. Mit Beginn dieser Tätigkeit sei er im Sonderversorgungssystem der bewaffneten Organe versichert gewesen. 1967 sei er zum Leutnant, 1972 zum Oberleutnant und 1977 zum Hauptmann befördert worden. Es sei zwischen Dienstgrad und Dienststellung unterschieden worden, wobei nach Dienststellung bezahlt worden sei. Deshalb habe er seit seiner Beförderung zum Oberleutnant, also seit 1972, das Gehalt und demzufolge auch die Versorgungsansprüche eines Hauptmanns gehabt. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein Offizier der Bundeswehr nach fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit mit einer Rente von weniger als 700,- Euro abgefunden werde. Da das BVerfG entschieden habe, dass eine einhundertprozentige Gleichstellung zu erfolgen habe, erwarte er eine Angleichung seiner Rente an die vergleichbaren Bezüge eines Offiziers der BRD.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. Dezember 2005 unter Hinweis auf die Entscheidungen des BVerfG vom 28. April 1999 und 22. Juni 2004 abgewiesen.

Gegen den dem Kläger am 10. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 3. Februar 2006 eingelegte Berufung. Seine konkreten Arbeitsentgelte über fünfundzwanzig Jahre müssten angerechnet werden. Das ihm gegenüber geäußerte Argument, dass es angeblich keinerlei Unterlagen über die Gehaltsstrukturen des MfS gebe und deshalb ein so genannter durchschnittlicher Wert eingesetzt werde, entbehre jeder Logik. Er sehe den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes gegenüber einem vergleichbaren Hauptmann des BND als verletzt an. Der vom Sozialgericht zitierte Entscheid des BVerfG vom 22. Juni 2004 habe mit seinem Fall nichts zu tun, denn er sei erst 2003 Altersrentner geworden und nicht bereits vor der Wiedervereinigung.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und den Bescheid vom 20. Dezember 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2003 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, für Bezugszeiten ab 1. März 2003 einen höheren Monatsbetrag des Rechts auf Altersrente unter Anrechnung als versichert geltender Arbeitsverdienste bis zur Höhe der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze neu festzusetzen und entsprechend höhere Beträge zu zahlen bzw. nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten () sowie der Verwaltungsakte des Versorgungsträgers (BW), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage auf der Grundlage der Vorschriften des AAÜG zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 20. Dezember 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2003 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente. Bei der Ermittlung des Wertes seiner fiktiven Vorleistung für die Rentenversicherung der BRD dürfen seine aus der Beschäftigung beim MfS/AfNS erzielten Arbeitsentgelte nur bis zur besonderen Beitragsbemessungsgrenze (BBG) des § 6 Abs. 4 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG und dessen Anlage 6 in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I Seite 1939) berücksichtigt werden.

Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn

1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, 2. der Rentenartfaktor und 3. der aktuelle Rentenwert

mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -).

Ein Anspruch auf Rente nach dem SGB VI setzt grundsätzlich eine Vorleistung des Versicherten für die Rentenversicherung der BRD voraus, die seine - in Entgeltpunkten gemessene - Rangstelle unter den Versicherten bestimmt. Die Sonderversorgungsberechtigten der DDR hatten durch ihre Beschäftigungen in der DDR keine unmittelbar nach Bundesrecht bewertbaren Vorleistungen für die gesetzliche Rentenversicherung der BRD erbracht. Deshalb erkennt das Gesetz ihnen - wie ehemals in der DDR sozialversicherungspflichtig Beschäftigten - einen fiktiven Rangstellenwert zu, in dem es aufgrund der Beschäftigung in der DDR eine Vorleistung für die heutige bundesrechtliche Rentenversicherung fingiert. Diese Vorleistung wird in fiktiv erworbenen Entgeltpunkten bemessen, indem eine Gleichstellung von in der DDR zurückgelegten Zeiten mit einer Beschäftigung mit Beitragszeiten nach Bundesrecht erfolgt und bestimmt wird, welche in der DDR tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte für die bundesrechtliche Rentenversicherung im jeweiligen Kalenderjahr als versichertes Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen gelten soll. Insoweit ist gem. § 256 a Abs. 2 SGB VI grundsätzlich nur das Entgelt maßgeblich, für das Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung oder Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind. Ohne entsprechende Beiträge sind - als Ausnahme von diesem Grundsatz - Zeiten in Zusatz - oder Sonderversorgungssystemen nach den Vorschriften des AAÜG berücksichtigungsfähig (§ 259 b SGB VI in Verbindung mit §§ 5 - 7 AAÜG).

Gegenüber den nach dem SGB VI anrechenbaren Beitragszeiten werden Zeiten nach dem AAÜG nur unter den dort genannten Voraussetzungen angerechnet. So enthalten die §§ 5 - 7 AAÜG Sonderregelungen, wobei § 5 AAÜG bestimmt, welche der in der DDR von einem Angehörigen eines Versorgungssystems ausgeübten Beschäftigungen oder Tätigkeiten "beitragsunabhängig" den Pflichtbeitragszeiten des SGB VI gleichgestellt werden. §§ 6 und 7 AAÜG regeln, welche fiktiven Rangstellenwerte aus diesen gleichgestellten Pflichtbeitragzeiten in der allgemeinen Rentenversicherung des SGB VI erzielt werden. Maßgeblich sind hierfür zum einen das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt und zum anderen, welche Entgelthöchstgrenze gilt, wobei für einige Personengruppen niedrigere Entgelthöchstgrenzen (§ 6 Abs. 1 bis 4 und § 7 Abs. 1 AAÜG) vorgesehen sind.

Hauptziel der Beschränkung bei der Überführung von Anwartschaften nach dem AAÜG ist es, Anspruchselemente auszusondern, die nicht auf volkswirtschaftlich sinnvoller Arbeit, sondern sachfremd auf politischer Begünstigung durch das Regime der DDR beruhen (ständige Rechtssprechung seit BSGE 72, 50, 61). Zu diesen Gruppen nach § 6 Abs. 4 in Verbindung mit 7 Abs. 2 AAÜG und dessen Anlage 6 sieht das Gesetz als besonders "regimenützlich" Beschäftigte insbesondere die Angehörigen des ehemaligen MfS/AfNS an. Das BVerfG hat mit Urteil vom 28. April 1999 mit bindender Wirkung für alle Gerichte und Behörden (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) die Begrenzungsregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hinsichtlich Zielsetzung und erfassten Personenkreis für verfassungsgemäß angesehen. Nur soweit für die Rentenberechnung das zugrundezulegende Arbeitsentgelt unter das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet abgesenkt wurde, hat es § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG in Verbindung mit Anlage 6 für mit Art. 3 Abs. 1 und 14 Grundgesetz (GG) unvereinbar und nichtig erklärt. Die besondere Entgelthöchstgrenze nach Maßgabe der jeweiligen Durchschnittsverdienste der DDR, wie sie nunmehr die Neufassung der Anlage 6 durch Art. 1 Nr. 12 des 2. AAÜG-ÄndG vorsieht, hat es für verfassungsgemäß gehalten. Das BVerfG hatte den Gesetzgeber in seiner Entscheidung vom 28. April 1999 ausdrücklich nicht verpflichtet, eine höhere Grenze festzulegen (vgl. zu alledem Bundessozialgericht - BSG - vom 29. Januar 2004 - B 4 RA 24/03 -). Eine erneute Verfassungsbeschwerde zur partiellen Unvereinbarkeit von § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG (in Verbindung mit Anlage 6) mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und 14 GG hat das BVerfG am 22. Juni 2004 nicht zur Entscheidung angenommen, da diese jedenfalls keine Aussicht auf Erfolg habe. Neue rechtserhebliche Tatsachen gegen die tragenden Feststellungen der Entscheidung des BVerfG vom 28. April 1999, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könne, lägen nicht vor. Es hat ausgeführt:

"Die Vergütungs- und Versorgungsordnung des MfS/AfNS fügte sich in das Gesamtkonzept der Selbstprivilegierung dieses Staatsbereiches ein (vgl. BVerfG, a.a.O. Seite 179). Der mit diesen Verhältnissen vertraute Gesetzgeber der Deutschen Demokratischen Republik hat dementsprechend die überhöhten Besoldungen im Bereich des MfS/AfNS in § 2 f. des Gesetzes über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit vom 29. Juni 1990 (GBl I Seite 501) pauschal gekürzt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts konnte der Gesetzgeber daran anknüpfen (a.a.O., Seite 179)."

Aus welchen Ausführungen des BVerfG der Kläger folgert, es müsste ein höheres als das durchschnittliche Arbeitsentgelt berücksichtigt werden erschließt sich dem Senat nicht, ebenso wenig, warum die Entscheidung vom 22. Juni 2004 auf ihn nicht zutreffen sollte.

Die Beklagte hat die nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsgemäßen durchschnittlichen Verdienste mit ihren entsprechenden Werten in ihrem Rentenbescheid vom 20. Dezember 2002 zugrundegelegt (maximal 1 Entgeltpunkt pro Kalenderjahr der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS/AfNS). Ein Anspruch auf eine höhere Altersrente kann sich nicht ergeben.

Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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