Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AS 6906/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 927/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. August 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Antragstellerinnen begehren im einstweiligen Anordnungsverfahren höheres Arbeitslosengeld II.
Mit dem am 2. August 2006 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag wenden sie sich dagegen, dass der Antragstellerin zu 1) und der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden minderjährigen Tochter, der Antragstellerin zu 2), vom Antragsgegner mit Bescheid vom 22. Mai 2006 für den Zeitraum vom 6. April bis 31. Oktober 2006 Kosten der Unterkunft nicht in tatsächlich anfallender Höhe von 639,94 Euro (Warmmiete), sondern nur in Höhe von 488,40 Euro bewilligt worden sind.
Die Antragstellerin zu 1), die bis April 2006 für etwa siebzehn Monate als wesentliches Einkommen Übergangsgeld bzw. Überbrückungsgeld in Höhe von ca. 1150,- Euro erhalten hatte, schloss am 1. Februar 2006 zum 1. März 2006 einen Mietvertrag über eine Dreizimmerwohnung mit 88 m² Wohnungsgröße ab. Die Warmmiete beträgt laut Mietvertrag 639,94 Euro. Mit Bescheid vom 22. Mai 2006 bewilligte ihr der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Als monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung wurden jedoch nur 488,40 Euro anerkannt. Im dagegen gerichteten Widerspruch machten die Antragstellerinnen geltend, sie seien im Februar gezwungen gewesen, schnellstmöglich eine neue Wohnung anzumieten, da die bisherige Wohnung in Folge Schimmelpilzbefalls aufgrund eines Wasserrohrbruchs unbewohnbar geworden sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2006 zurückgewiesen. Die tatsächlichen Wohnungskosten könnten nicht übernommen werden, weil sie unangemessen hoch seien.
Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 30. August 2006 abgelehnt. Die Antragstellerinnen hätten nicht glaubhaft gemacht, dass eine einstweilige gerichtliche Regelung ergehen müsse, um einen gegenwärtigen wesentlichen Nachteil von ihnen abzuwenden. Nach ihren Angaben hätten die Antragstellerinnen die fragliche Wohnung bereits zum 31. Oktober 2006 gekündigt. Obdachlosigkeit drohe ihnen nicht, denn es sei nichts dafür erkennbar, dass der Vermieter bereits Schritte zur noch früheren Beendigung des Mietverhältnisses unternommen habe. Zudem enthält der Beschluss des Sozialgerichts folgenden Hinweis: "Den Antragstellerinnen wird auf diesem Wege vorsorglich mitgeteilt, dass die Stellung des vorliegenden Eilantrages die Erhebung einer Klage gegen den inzwischen ergangenen Widerspruchsbescheid vom 14. August 2006 nicht ersetzt (vgl. die Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Widerspruchsbescheides); sie müssen also Klage erheben, wenn sie eine Überprüfung der Leistungshöhe ab 6. April 2006 im Wege eines Klageverfahrens erreichen möchten."
Gegen den ihnen am 5. September 2006 zugestellten Beschluss wenden sich die Antragstellerinnen mit der am 29. September 2006 eingelegten Beschwerde. Zu deren Begründung machen sie geltend, sie seien zum Zeitpunkt des Wohnungsbezuges noch nicht Arbeitslosengeld II - Empfängerinnen gewesen und hätten sich aufgrund ihrer damaligen Einkünfte (Übergangsgeld) die Miete leisten können. Die Antragstellerin zu 1) sei optimistisch gewesen, nach ihrer Umschulung eine Arbeit zu finden, und habe nicht damit gerechnet, sich an das JobCenter wenden zu müssen.
Der Widerspruchsbescheid ist von den Antragstellerinnen nicht mit einer Klage angefochten worden.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (so genannte Regelungsanordnung) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO - voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) glaubhaft gemacht worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn es fehlt jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Beschwerdegericht an einem Anordnungsanspruch. Offen bleiben kann deshalb, ob die Antragstellerinnen zunächst einen Anspruch auf Übernahme auch von nicht angemessenen Wohnungskosten hatten. Nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - (AV-Wohnen - Amtsblatt von Berlin vom 30. September 2005 S.2743) gelten für Zweipersonenhaushalte 444,- Euro als Richtwert für angemessene Bruttowarmmieten [vgl. 4 (2) der AV-Wohnen]. Bei bestehendem Wohnraum können nach 4 (5) der AV-Wohnen in besonders begründeten Einzelfällen - z.B. bei Alleinerziehenden - die Richtwerte nach diesen Ausführungsvorschriften um bis zu 10 % überschritten werden. Nach den vorgenannten Regelungen bewohnten die Antragstellerinnen mithin bei Beginn des Leistungsbezuges eine unangemessene teure Unterkunft. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II können allerdings auch unangemessene Wohnungskosten für einen Übergangszeitraum von in der Regel längstens sechs Monaten übernommen werden. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die vom Sozialgericht ersichtlich nicht geprüft wurde, vorlagen, kann jedoch nunmehr dahingestellt bleiben, denn die Antragstellerinnen haben den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen Widerspruchsbescheid vom 14. August 2006 nicht fristgemäß angefochten, so dass die vom Antragsgegner mit Bescheid ausgesprochene Ablehnung der Übernahme höherer Wohnungskosten bindend im Sinne von § 77 SGG geworden ist. Die durch Verwaltungsakt getroffenen Regelungen können im vorliegenden Verfahren infolge der Bindungswirkung nicht mehr auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Aufgrund der eingetretenen Bindungswirkung fehlt es auch an einem streitigen Rechtsverhältnis im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG (vgl. Happ in Eyermann VwGO 12. Auflage 2006 § 123 Rdnr. 42 sowie Kopp/Schenke VwGO 14. Auflage 2005 § 123 Rdnr. 18).
Bei der im einstweiligen Anordnungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass den Antragstellerinnen wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren ist. Denn die Antragstellerinnen konnten nicht ohne Verschulden davon ausgehen, dass die Einreichung einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid aufgrund des von ihnen bereits beim Sozialgericht betriebenen einstweiligen Anordnungsverfahrens nicht erforderlich war. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass der Widerspruchsbescheid eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung enthält. Schuldhaft haben die Antragstellerinnen aber jedenfalls deshalb eine Klage unterlassen, weil sie die ausführlichen und unmissverständlichen Hinweise zur Notwendigkeit einer Klageerhebung im Beschluss des Sozialgerichts unbeachtet gelassen haben. Da ihnen dieser Beschluss am 5. September 2006 zugestellt worden ist, wäre noch eine rechtzeitige Klageerhebung möglich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Antragstellerinnen begehren im einstweiligen Anordnungsverfahren höheres Arbeitslosengeld II.
Mit dem am 2. August 2006 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag wenden sie sich dagegen, dass der Antragstellerin zu 1) und der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden minderjährigen Tochter, der Antragstellerin zu 2), vom Antragsgegner mit Bescheid vom 22. Mai 2006 für den Zeitraum vom 6. April bis 31. Oktober 2006 Kosten der Unterkunft nicht in tatsächlich anfallender Höhe von 639,94 Euro (Warmmiete), sondern nur in Höhe von 488,40 Euro bewilligt worden sind.
Die Antragstellerin zu 1), die bis April 2006 für etwa siebzehn Monate als wesentliches Einkommen Übergangsgeld bzw. Überbrückungsgeld in Höhe von ca. 1150,- Euro erhalten hatte, schloss am 1. Februar 2006 zum 1. März 2006 einen Mietvertrag über eine Dreizimmerwohnung mit 88 m² Wohnungsgröße ab. Die Warmmiete beträgt laut Mietvertrag 639,94 Euro. Mit Bescheid vom 22. Mai 2006 bewilligte ihr der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Als monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung wurden jedoch nur 488,40 Euro anerkannt. Im dagegen gerichteten Widerspruch machten die Antragstellerinnen geltend, sie seien im Februar gezwungen gewesen, schnellstmöglich eine neue Wohnung anzumieten, da die bisherige Wohnung in Folge Schimmelpilzbefalls aufgrund eines Wasserrohrbruchs unbewohnbar geworden sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2006 zurückgewiesen. Die tatsächlichen Wohnungskosten könnten nicht übernommen werden, weil sie unangemessen hoch seien.
Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 30. August 2006 abgelehnt. Die Antragstellerinnen hätten nicht glaubhaft gemacht, dass eine einstweilige gerichtliche Regelung ergehen müsse, um einen gegenwärtigen wesentlichen Nachteil von ihnen abzuwenden. Nach ihren Angaben hätten die Antragstellerinnen die fragliche Wohnung bereits zum 31. Oktober 2006 gekündigt. Obdachlosigkeit drohe ihnen nicht, denn es sei nichts dafür erkennbar, dass der Vermieter bereits Schritte zur noch früheren Beendigung des Mietverhältnisses unternommen habe. Zudem enthält der Beschluss des Sozialgerichts folgenden Hinweis: "Den Antragstellerinnen wird auf diesem Wege vorsorglich mitgeteilt, dass die Stellung des vorliegenden Eilantrages die Erhebung einer Klage gegen den inzwischen ergangenen Widerspruchsbescheid vom 14. August 2006 nicht ersetzt (vgl. die Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Widerspruchsbescheides); sie müssen also Klage erheben, wenn sie eine Überprüfung der Leistungshöhe ab 6. April 2006 im Wege eines Klageverfahrens erreichen möchten."
Gegen den ihnen am 5. September 2006 zugestellten Beschluss wenden sich die Antragstellerinnen mit der am 29. September 2006 eingelegten Beschwerde. Zu deren Begründung machen sie geltend, sie seien zum Zeitpunkt des Wohnungsbezuges noch nicht Arbeitslosengeld II - Empfängerinnen gewesen und hätten sich aufgrund ihrer damaligen Einkünfte (Übergangsgeld) die Miete leisten können. Die Antragstellerin zu 1) sei optimistisch gewesen, nach ihrer Umschulung eine Arbeit zu finden, und habe nicht damit gerechnet, sich an das JobCenter wenden zu müssen.
Der Widerspruchsbescheid ist von den Antragstellerinnen nicht mit einer Klage angefochten worden.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (so genannte Regelungsanordnung) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO - voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) glaubhaft gemacht worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn es fehlt jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Beschwerdegericht an einem Anordnungsanspruch. Offen bleiben kann deshalb, ob die Antragstellerinnen zunächst einen Anspruch auf Übernahme auch von nicht angemessenen Wohnungskosten hatten. Nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - (AV-Wohnen - Amtsblatt von Berlin vom 30. September 2005 S.2743) gelten für Zweipersonenhaushalte 444,- Euro als Richtwert für angemessene Bruttowarmmieten [vgl. 4 (2) der AV-Wohnen]. Bei bestehendem Wohnraum können nach 4 (5) der AV-Wohnen in besonders begründeten Einzelfällen - z.B. bei Alleinerziehenden - die Richtwerte nach diesen Ausführungsvorschriften um bis zu 10 % überschritten werden. Nach den vorgenannten Regelungen bewohnten die Antragstellerinnen mithin bei Beginn des Leistungsbezuges eine unangemessene teure Unterkunft. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II können allerdings auch unangemessene Wohnungskosten für einen Übergangszeitraum von in der Regel längstens sechs Monaten übernommen werden. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die vom Sozialgericht ersichtlich nicht geprüft wurde, vorlagen, kann jedoch nunmehr dahingestellt bleiben, denn die Antragstellerinnen haben den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen Widerspruchsbescheid vom 14. August 2006 nicht fristgemäß angefochten, so dass die vom Antragsgegner mit Bescheid ausgesprochene Ablehnung der Übernahme höherer Wohnungskosten bindend im Sinne von § 77 SGG geworden ist. Die durch Verwaltungsakt getroffenen Regelungen können im vorliegenden Verfahren infolge der Bindungswirkung nicht mehr auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Aufgrund der eingetretenen Bindungswirkung fehlt es auch an einem streitigen Rechtsverhältnis im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG (vgl. Happ in Eyermann VwGO 12. Auflage 2006 § 123 Rdnr. 42 sowie Kopp/Schenke VwGO 14. Auflage 2005 § 123 Rdnr. 18).
Bei der im einstweiligen Anordnungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass den Antragstellerinnen wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren ist. Denn die Antragstellerinnen konnten nicht ohne Verschulden davon ausgehen, dass die Einreichung einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid aufgrund des von ihnen bereits beim Sozialgericht betriebenen einstweiligen Anordnungsverfahrens nicht erforderlich war. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass der Widerspruchsbescheid eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung enthält. Schuldhaft haben die Antragstellerinnen aber jedenfalls deshalb eine Klage unterlassen, weil sie die ausführlichen und unmissverständlichen Hinweise zur Notwendigkeit einer Klageerhebung im Beschluss des Sozialgerichts unbeachtet gelassen haben. Da ihnen dieser Beschluss am 5. September 2006 zugestellt worden ist, wäre noch eine rechtzeitige Klageerhebung möglich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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BRB
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