Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 AL 2464/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 28/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Insolvenzgeld.
Der 1948 geborene Kläger stand vom 1. Februar 1995 an in einem Beschäftigungsverhältnis bei der N Verwaltungs GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber). Er war Prokurist der Gesellschaft, deren Geschäftsgegenstand die Verwaltung von Grundstücken und die Beteiligung an anderen im Grundstücksbereich tätigen Gesellschaften war. Als jährliches Arbeitsentgelt war ein Betrag von 126.000,- DM (und Nebenleistungen) vereinbart, zahlbar in zwölf gleichen Monatsraten. Das Gehalt zahlte der Arbeitgeber an den Kläger letztmals für Mai 1996.
Im August 1996 schloss der Kläger mit seinem Arbeitgeber eine "Stundungsvereinbarung", wonach das Gehalt ab Juni 1996 bis zum Ablauf des Jahres 1996 zinslos gestundet werden sollte. Am 17. Dezember 1996 wandte sich der Kläger an die Beklagte wegen der Übersendung eines Antragsvordrucks für Konkursausfallgeld. Er erhielt daraufhin einen entsprechenden Vordruck, auf dem der 17. Dezember 1996 als Tag der Antragstellung vermerkt war. Am 18. Dezember 1996 erteilte der Arbeitgeber dem Kläger ein Zeugnis, in dem ausgeführt wird, dass eine einvernehmliche Vertragsaufhebung erfolgen müsse, da der Arbeitgeber seit Monaten seine finanziellen Verpflichtungen nicht mehr vollständig erfüllen könne. Mit Schreiben vom selben Tag bestätigte der Arbeitgeber dem Kläger zur "Vorlage beim Arbeitsamt", dass dieser seit dem 18. Dezember 1996 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden sei und sich dem Arbeitsmarkt in vollem Umfang zur Verfügung stellen könne. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 18. Dezember 1996 (bis 31. Mai 1997). Mit Schreiben vom 20. Dezember 1996 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1997. Am 28. Mai 1997 erteilte E H, einer der Geschäftsführer (und Gesellschafter) des Arbeitgebers, dem Kläger ein "Schuldanerkenntnis mit Zahlungsverpflichtung", wonach dem Kläger für das Jahr 1996 noch ein Gehaltsanspruch von netto 28.843,51 DM zustehe, für dessen Zahlung er (E H) persönlich einstehe.
Ab dem 1. Juni 1997 stand der Kläger wieder in einem Beschäftigungsverhältnis, in dem er ein monatliches Bruttoentgelt von 9.000,- DM erhielt. Am 2. Januar 1998 erklärte E H für den (vorherigen) Arbeitgeber ein "Schuldanerkenntnis mit Zahlungsverpflichtung". Dem Kläger stehe für das Jahr 1997 als "Abfindung für das vorfristig aufgelöste Arbeitsverhältnis" ein Betrag von 35.000,- DM zu. Mit der Zahlung seien alle noch bestehenden Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag abgegolten, der Betrag stelle keinen regulären Arbeitslohn für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Am selben Tage erklärte E H in einer schriftlichen "Bürgschaft", dass er für diese Zahlungsverpflichtung persönlich einstehe.
Am 13. September 2000 beantragte der (ehemalige) Arbeitgeber des Klägers beim Amtsgericht C die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund vorübergehender Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht lehnte den Antrag durch Beschluss vom 8. März 2001 ab, da nach den angestellten Ermittlungen eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Masse nicht vorhanden sei.
Der Kläger, der seit dem 30. April 2001 wieder arbeitslos war, wandte sich mit Schreiben vom 28. Dezember 2001 an seinen ehemaligen Arbeitgeber und erinnerte wegen des für 1996 nicht gezahlten Gehalts und der vereinbarten Abfindung. Der Arbeitgeber antwortete durch Schreiben vom 15. Januar 2002, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt und die Gesellschaft aufgelöst sei.
Der von der Beklagten dem Kläger bereits Ende 1996 übersandte Vordruck auf Konkursausfallgeld ging am 29. Januar 2002 ausgefüllt bei der Beklagten wieder ein. Der Kläger machte auf ihm geltend, dass er für die Zeit von Juni bis August 1996 Ansprüche gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber in Höhe von monatlich 6.839,93 DM habe, die noch offen seien. Durch Bescheid vom 18. April 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld ab. Die Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die Monate Oktober bis Dezember 1997 seien seit dem 31. Dezember 1999 verjährt. Daran ändere das vorgelegte Schuldanerkenntnis vom 28. Mai 1997 nichts, weil es sich nur auf Ansprüche aus dem Jahre 1996 beziehe. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er für seine Ansprüche aus dem Jahre 1997 ein Schuldanerkenntnis über 35.000 DM erhalten habe, was zur Abdeckung des Insolvenzgeldes ausreichend sei. Er sei bereit, die aus dem Schuldanerkenntnis stammenden Rechte an die Beklagte abzutreten. Klage gegen den Arbeitgeber habe er nicht erhoben, weil er kein gutes Geld dem schlechten habe hinterherwerfen wollen.
Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2002). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass schon zweifelhaft sei, ob Insolvenzgeldzeitraum die letzten drei Monate vor dem angeblichen Ende des Arbeitsverhältnisses (also 1. Oktober bis 31. Dezember 1997) oder vor der Arbeitslosmeldung am 18. Dezember 1996 sei. Jedenfalls bestehe für beide Zeiträume kein Anspruch. Bei einem Insolvenzgeldzeitraum vom 18. September bis 17. Dezember 1996 habe das Schuldanerkenntnis die Verjährung nach § 208 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nur unterbrochen. Ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung sei nicht erfolgt. Bei einem Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Oktober 1997 bis 31. Dezember 1997 seien die Lohnansprüche ebenfalls verjährt, weil das Schuldanerkenntnis vom 2. Januar 1998 nur eine Abfindung verspreche, die aber von vornherein nicht insolvenzgeldfähig sei.
Dagegen richtet sich die am 29. Mai 2002 erhobene Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 18. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2002 und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Insolvenzgeld begehrt. Vor dem Sozialgericht hat der Kläger vorgetragen, dass sein Arbeitgeber sich nicht auf Verjährung berufen habe. Die Forderungen seien durch die von E H abgegebenen Schuldanerkenntnisse gesichert. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 29. Oktober 2004 abgewiesen, nachdem es die Geschäftsführer des Arbeitgebers, E H und C S, als Zeugen gehört hat. Insolvenzereignis sei der Beschluss des Amtsgerichts C vom 8. März 2001, Insolvenzgeldzeitraum die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses von Oktober bis Dezember 1997. Die Gehaltsansprüche für diese Monate bestünden fort. Die Beklagte könne zwar die Einrede der Verjährung nicht erheben, weil diese allein dem Arbeitgeber zustehe. Anzurechnen sei aber das aus der neuen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt. Auch könnte der Anspruch durch die für 1997 vereinbarte Abfindung beschränkt sein, da der Kläger weitergehende Lohnansprüche nicht mehr geltend gemacht habe. Der Kläger habe aber jedenfalls versäumt, Insolvenzgeld innerhalb der in § 324 Abs. 3 des Sozialgesetzbuchs, Drittes Buch (SGB III) geregelten zweimonatigen Ausschlussfrist zu beantragen. Der Antrag sei erst am 30. Januar 2002 wirksam gestellt worden. Der Antrag vom 17. Dezember 1996 entfalte nämlich keine Rechtswirkungen mehr, da das Insolvenzereignis damals noch nicht absehbar gewesen sei. Eine Nachfrist könne dem Kläger nicht gewährt werden, weil er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Er habe versäumt, sich von seinem ehemaligen Arbeitgeber über das Insolvenzereignis in Kenntnis setzen zu lassen.
Gegen das ihm am 16. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Januar 2005 eingegangene Berufung des Klägers. Zu Unrecht habe das Sozialgericht den Insolvenzgeldzeitraum auf Oktober bis Dezember 1997 bestimmt. Sinnvoll seien allein die drei Monate nach Beginn der Stundung der Lohnzahlungen oder vor Ausscheiden aus der Beschäftigung am 18. Dezember 1996, da Zweck des Insolvenzgeldes die Sicherung des Lebensunterhaltes sei und ab Juni 1997 schon wieder ein neues Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Der am 17. Dezember 1996 gestellte Antrag habe noch Rechtswirkungen; er – der Kläger – sei durch einen Mitarbeiter des damaligen Arbeitsamtes entsprechend informiert worden. Auch habe der Arbeitgeber in den Jahren bis 2001 seine Zahlungsfähigkeit nicht wieder erlangt. Er – der Kläger sei in Bezug auf die Durchsetzung von Ansprüchen auf Insolvenzgeld auch nicht geschäftserfahren. Treuwidrig sei er von seinem Arbeitgeber nicht über die Insolvenz informiert worden. Der Vorwurf der Fahrlässigkeit setze aber voraus, dass er von der Insolvenz gewusst habe oder hätte wissen können. Er habe seinen Arbeitgeber jährlich wegen der noch offenen Ansprüche gemahnt. Für weiteres habe angesichts der von Eberhard Henke übernommenen Bürgschaft keine zwingende Notwendigkeit bestanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für im Jahre 1996 ausgefallenes Gehalt, hilfsweise für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1997, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Ein Anspruch könne nur auf der Grundlage des Beschlusses des Amtsgerichts C vom 8. März 2001 als Insolvenzereignis für die letzten drei Monate des Jahres 1997 bestehen. Die Antragsfrist von zwei Monaten sei nicht eingehalten. Die Nachfrist sei nicht gewahrt, weil der Kläger sich nicht bemüht habe, seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Die Akten der Beklagten (Betriebsakte und die den Kläger betreffende Akte) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Mit Recht hat das Sozialgericht die auf Gewährung von Insolvenzgeld gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger hat die Antragsfrist versäumt.
Als Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers kommt allein § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in Betracht. Nach dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihre Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung sind daneben nicht anwendbar. Nach § 430 Abs. 5 SGB III setzte das nämlich den Eintritt des Insolvenzereignisses vor dem 1. Januar 1999 voraus. Das maßgebende Insolvenzereignis liegt indessen nach dem Stichtag. Insolvenzereignis ist hier die Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse durch das Amtsgericht C am 8. März 2001 (§ 183 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Maßgebend ist das Datum der richterlichen Unterschrift, weil der Beschluss seit diesem Zeitpunkt rechtlich existent war. Es kommt nicht darauf an, wann der Beschluss zugestellt worden ist oder wann die betroffenen Arbeitnehmer Kenntnis von ihm erlangt haben (Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 30. April 1996 - 10 Rar 8/94).
Ein früheres Insolvenzereignis liegt nicht vor. Zwar wird der Arbeitgeber bereits vor dem 8. März 2001 vermögenslos gewesen sein, denn nach dem Bericht des vom Amtsgericht eingesetzten Sachverständigen haben sich seine Vermögensverhältnisse (jedenfalls) seit 1998 nicht wesentlich verändert. Dem Kläger hatte der Arbeitgeber bereits im Zeugnis vom 18. Dezember 1996 bestätigt, dass er zur Gehaltszahlung nicht mehr in der Lage sei. Neben der Vermögenslosigkeit verlangt § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III für ein früheres Insolvenzereignis aber auch eine Einstellung der Geschäftstätigkeit. Diese Voraussetzung lag indessen - jedenfalls bis zu dem Beschluss des Amtsgerichts C vom 8. März 2001 - nicht vor. Die Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers beschränkte sich nach dem Gutachten des vom Amtsgericht eingesetzten Sachverständigen (in den letzten Jahren) darauf, eine Vollhaftungsfunktion für die verbundenen Unternehmen zu übernehmen. Diese Tätigkeit war seit dem Ausbleiben der Lohnzahlungen an den Kläger nicht eingestellt worden. Ein früheres Insolvenzereignis ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Richtlinie 80/987/EWG, wonach als Insolvenzereignis jedenfalls auch die Stellung des Insolvenzantrages anzusehen ist (EuGH, Urt. v. 15. Mai 2003 - C-160/01 - = NJW 2003, 2371). Der insoweit eindeutige Wortlaut des § 183 SGB III lässt nämlich keine richtlinienkonforme Auslegung des Inhalts zu, dass neben die drei in der Vorschrift aufgezählten Insolvenzereignisse als viertes der Zeitpunkt der Stellung eines Insolvenzantrages tritt (BSG, Urt. v. 18. Dezember 2003 - B 11 AL 27/03 -). Im Übrigen würde das nicht zu einem günstigeren Ergebnis für den Kläger führen. Deswegen kommt es nicht darauf an, dass der richtlinienwidrige Inhalt der Vorschrift allenfalls Staatshaftungsansprüche begründen könnte, über die in einem Verfahren gegen die Beklagte auf Zahlung von Insolvenzgeld ohnehin nicht entschieden werden kann (BSG, Urt. v. 18. Dezember 2003 - B 11 AL 27/03 -).
Nach § 183 SGB III ist Insolvenzgeld für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden (letzten) drei Monate des Arbeitsverhältnisses zu zahlen, soweit Ansprüche auf Arbeitsentgelt noch offen sind. Die Vorschrift verlangt nur das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt und nicht, dass sich dieser Anspruch aus einer tatsächlichen Beschäftigung ergibt. Erfasst werden daher auch die Fälle, in denen der Lohnanspruch nach § 615 BGB erhalten bleibt, weil sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befindet (Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl. § 183 Rdnr. 66). Das Arbeitsverhältnis des Klägers bei seinem Arbeitgeber endete (erst) durch Kündigung am 31. Dezember 1997. Das ergibt sich aus der vorgelegten schriftlichen Kündigung, den Angaben des Klägers und der Aussage des vom Sozialgericht als Zeugen gehörten C S. Zwar wird in der Abfindungsvereinbarung vom Januar 1998 der Begriff einer "vorfristigen" Auflösung des Arbeitsverhältnisses gebraucht. Dies erklärt sich aber daraus, dass der Kläger seit Dezember 1996 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt war und im Laufe des Jahres 1997 eine andere Beschäftigung fand, so dass er seinem alten Arbeitgeber tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stand und anderweitig Lohn bezog. Anhaltspunkte für eine (rechtliche) Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 31. Dezember 1997 durch Aufhebungsvertrag oder eine weitere Kündigung ergeben sich daraus nicht.
Der Kläger hatte aufgrund Annahmeverzugs des Arbeitgebers bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses weiter Ansprüche auf Lohnzahlung (§§ 293, 615 BGB). Diese minderten sich ab Juni 1997 um den anderweitig erzielten Verdienst (§ 615 Satz 2 BGB). Insolvenzgeldzeitraum sind die letzten drei dem Insolvenzereignis vorausgegangenen Monate des Arbeitsverhältnisses, also die Monate Oktober bis Dezember 1997. Der zeitliche Abstand zu dem erst am 8. März 2001 eingetretenen Insolvenzereignis ist für sich unerheblich, weil § 183 SGB III insoweit keine Voraussetzungen für eine zeitliche Nähe aufstellt (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, § 183 Rdnr. 56). Insolvenzgeldfähig ist demnach der für die Monate Oktober bis Dezember ausgefallene Arbeitslohn, vermindert um das aus dem neuen Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt. Auf seine Ansprüche auf Arbeitslohn hat der Kläger nicht dadurch verzichtet, dass er mit seinem Arbeitgeber für das Jahr 1997 eine Abfindungsvereinbarung geschlossen hatte. Zwar sollte nach dem Inhalt dieser Vereinbarung die Abfindungssumme an die Stelle der Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag treten, jedoch erst mit der erfolgten "unwiderruflichen Zahlung". Da diese bislang ausgeblieben ist, stehen dem Kläger seine Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag noch zu. Unerheblich für den Anspruch auf Insolvenzgeld ist die (möglicherweise eingetretene) Verjährung des Lohnanspruchs, da der Arbeitgeber bisher die entsprechende Einrede nicht erhoben hat (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, § 183 Rdnr. 110). Die Beklagte selbst hat die Einrede nicht erworben.
Der Einwand des Klägers, dass Insolvenzgeld den Lebensunterhalt sichern solle und deswegen der Insolvenzgeldzeitraum auf die Monate des Jahres 1996 fallen müsse, in denen er überhaupt keinen Lohn erhalten habe, rechtfertigt keine Vorverlegung des Insolvenzgeldzeitraums. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der laufende Lebensunterhalt für das Jahr 1996 schon bei Abgabe des Antragsvordruckes am 29. Januar 2002 nicht mehr gesichert werden konnte. Im Übrigen soll Insolvenzgeld zwar das Lohnausfallrisiko absichern, aber nur für begrenzte Zeit. Dem Kläger hätte es freigestanden, nach drei Monaten Zahlungsverzug das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen und so klare Verhältnisse (und möglicherweise einen Insolvenzgeldzeitraum von Juni bis August 1996 neben dem Bezug von Arbeitslosengeld) zu schaffen. Wer sein Arbeitsverhältnis trotz mehr als drei Monaten ausgebliebener Lohnzahlungen fortbestehen lässt, handelt nach der Gesetzeslage auf eigenes Risiko, weil er nicht erwarten kann, dass Insolvenzgeld für einen längeren Zeitraum gezahlt wird (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 183 Rdnr. 51). Das Gesetz kennt auch kein Wahlrecht, bei einem längeren Zeitraum mit Lohnausfall drei Monate nach Belieben auszusuchen, sondern beschränkt den Anspruch auf die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis.
Der Anspruch des Klägers scheitert daran, dass er die nach § 324 Abs. 3 SGB III bestehende Antragsfrist von zwei Monaten nach Eintritt des Insolvenzereignisses nicht eingehalten hat. Wirksam war erst die Antragstellung am 29. Januar 2002, die mehr als zwei Monate nach dem Beschluss des Amtsgerichts C 8. März 2001 als maßgeblichem Insolvenzereignis lag. Die im Dezember 1996 erfolgte (telefonische) Nachfrage nach Antragsformularen kann nicht als wirksame Antragstellung für das am 8. März 2001 eingetretene Insolvenzereignis angesehen werden. Zwar reicht nach der Rechtsprechung des BSG ein "dem Grunde nach" gestellter Antrag aus (BSG, Urt. v. 14. August 1984 - 10 RAr 18/83 -). Gegen einen wirksamen Antrag spricht hier aber schon, dass das Gesetz einen Antrag in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Insolvenzereignis voraussetzt. Vorhergehende Anträge können nur dann als wirksam angesehen werden, wenn der Eintritt eines Insolvenzereignisses bereits bekannt oder vorhersehbar ist (Peters-Lange in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 8 Rdnr. 99). Das war Ende des Jahres 1996 für den im März 2001 ergangenen Beschluss des Amtsgerichts C bereits deswegen nicht der Fall, weil 1996 noch kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (bzw. des Konkursverfahrens) gestellt worden war. Im Übrigen ist der zeitliche Abstand so groß, dass das Insolvenzereignis vom März 2001 nicht mehr als identisch mit dem angesehen werden kann, auf das sich ein im Dezember 1996 gestellter Antrag hätte bezogen haben können.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, ihm sei 1996 von einem Mitarbeiter des Arbeitsamtes gesagt worden, als Tag der Antragstellung zähle das Datum der telefonischen Anfrage. Die Möglichkeit eines – allenfalls in Betracht kommenden - sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs setzt eine falsche Auskunft oder Beratung voraus. Mit seiner Anfrage im Dezember 1996 hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, es liege bereits ein Insolvenzereignis vor oder der Eintritt eines solchen sei zumindest absehbar. Nur darauf konnte er bei verständiger Würdigung die ihm erteilte Auskunft beziehen. Die übliche Verzögerung zwischen Anforderung der Vordrucke und Eingang der ausgefüllten Formulare bei der Beklagten wurde durch die Handhabung der Antragstellung durch den Kläger beträchtlich verlängert. Er hatte keinen Anlass, die ihm erteilte Auskunft so zu verstehen, dass die Antragsfrist auch für eine andere und spätere Insolvenz gewahrt sei, sofern es sich nur um denselben Arbeitgeber handeln würde. Es ist nicht erkennbar und wird vom Kläger auch nicht vorgetragen, dass die gegebene Auskunft ausdrücklich einen mehr als vier Jahre später eintretenden Insolvenzfall erfasste.
Eine Nachfrist wegen der Unkenntnis vom Eintritt des Insolvenzereignisses (§ 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III) ist dem Kläger nicht zu gewähren. Nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III wäre dafür jedenfalls Voraussetzung, dass der Kläger sich mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche (gegen den Arbeitgeber) bemüht hätte. Der Kläger hat aber nichts unternommen, um seine Lohnansprüche für Oktober bis Dezember 1997 durchzusetzen. Dazu wäre erforderlich gewesen, nach angemessener Frist Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Die im Januar 1998 vom Kläger geschlossene Vereinbarung über seine Entgeltansprüche aus dem Jahre 1997 reicht nicht aus. Nach dieser Vereinbarung sollte anstelle des Arbeitslohnes eine "Abfindung für das vorfristig aufgelöste Arbeitsverhältnis" gewährt werden. Statt seine Lohnansprüche zu verfolgen, erwarb der Kläger mit ihr einen weiteren Anspruch, ohne dadurch aber der Zahlung oder des Erwerbs eines vollstreckbaren Titels näher gekommen zu sein. Die vom Kläger behaupteten regelmäßigen jährlichen Mahnungen stellen ebenfalls keine hinreichenden Bemühungen zur Durchsetzung seiner Ansprüche dar.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Insolvenzgeld.
Der 1948 geborene Kläger stand vom 1. Februar 1995 an in einem Beschäftigungsverhältnis bei der N Verwaltungs GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber). Er war Prokurist der Gesellschaft, deren Geschäftsgegenstand die Verwaltung von Grundstücken und die Beteiligung an anderen im Grundstücksbereich tätigen Gesellschaften war. Als jährliches Arbeitsentgelt war ein Betrag von 126.000,- DM (und Nebenleistungen) vereinbart, zahlbar in zwölf gleichen Monatsraten. Das Gehalt zahlte der Arbeitgeber an den Kläger letztmals für Mai 1996.
Im August 1996 schloss der Kläger mit seinem Arbeitgeber eine "Stundungsvereinbarung", wonach das Gehalt ab Juni 1996 bis zum Ablauf des Jahres 1996 zinslos gestundet werden sollte. Am 17. Dezember 1996 wandte sich der Kläger an die Beklagte wegen der Übersendung eines Antragsvordrucks für Konkursausfallgeld. Er erhielt daraufhin einen entsprechenden Vordruck, auf dem der 17. Dezember 1996 als Tag der Antragstellung vermerkt war. Am 18. Dezember 1996 erteilte der Arbeitgeber dem Kläger ein Zeugnis, in dem ausgeführt wird, dass eine einvernehmliche Vertragsaufhebung erfolgen müsse, da der Arbeitgeber seit Monaten seine finanziellen Verpflichtungen nicht mehr vollständig erfüllen könne. Mit Schreiben vom selben Tag bestätigte der Arbeitgeber dem Kläger zur "Vorlage beim Arbeitsamt", dass dieser seit dem 18. Dezember 1996 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden sei und sich dem Arbeitsmarkt in vollem Umfang zur Verfügung stellen könne. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 18. Dezember 1996 (bis 31. Mai 1997). Mit Schreiben vom 20. Dezember 1996 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1997. Am 28. Mai 1997 erteilte E H, einer der Geschäftsführer (und Gesellschafter) des Arbeitgebers, dem Kläger ein "Schuldanerkenntnis mit Zahlungsverpflichtung", wonach dem Kläger für das Jahr 1996 noch ein Gehaltsanspruch von netto 28.843,51 DM zustehe, für dessen Zahlung er (E H) persönlich einstehe.
Ab dem 1. Juni 1997 stand der Kläger wieder in einem Beschäftigungsverhältnis, in dem er ein monatliches Bruttoentgelt von 9.000,- DM erhielt. Am 2. Januar 1998 erklärte E H für den (vorherigen) Arbeitgeber ein "Schuldanerkenntnis mit Zahlungsverpflichtung". Dem Kläger stehe für das Jahr 1997 als "Abfindung für das vorfristig aufgelöste Arbeitsverhältnis" ein Betrag von 35.000,- DM zu. Mit der Zahlung seien alle noch bestehenden Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag abgegolten, der Betrag stelle keinen regulären Arbeitslohn für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Am selben Tage erklärte E H in einer schriftlichen "Bürgschaft", dass er für diese Zahlungsverpflichtung persönlich einstehe.
Am 13. September 2000 beantragte der (ehemalige) Arbeitgeber des Klägers beim Amtsgericht C die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund vorübergehender Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht lehnte den Antrag durch Beschluss vom 8. März 2001 ab, da nach den angestellten Ermittlungen eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Masse nicht vorhanden sei.
Der Kläger, der seit dem 30. April 2001 wieder arbeitslos war, wandte sich mit Schreiben vom 28. Dezember 2001 an seinen ehemaligen Arbeitgeber und erinnerte wegen des für 1996 nicht gezahlten Gehalts und der vereinbarten Abfindung. Der Arbeitgeber antwortete durch Schreiben vom 15. Januar 2002, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt und die Gesellschaft aufgelöst sei.
Der von der Beklagten dem Kläger bereits Ende 1996 übersandte Vordruck auf Konkursausfallgeld ging am 29. Januar 2002 ausgefüllt bei der Beklagten wieder ein. Der Kläger machte auf ihm geltend, dass er für die Zeit von Juni bis August 1996 Ansprüche gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber in Höhe von monatlich 6.839,93 DM habe, die noch offen seien. Durch Bescheid vom 18. April 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld ab. Die Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die Monate Oktober bis Dezember 1997 seien seit dem 31. Dezember 1999 verjährt. Daran ändere das vorgelegte Schuldanerkenntnis vom 28. Mai 1997 nichts, weil es sich nur auf Ansprüche aus dem Jahre 1996 beziehe. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er für seine Ansprüche aus dem Jahre 1997 ein Schuldanerkenntnis über 35.000 DM erhalten habe, was zur Abdeckung des Insolvenzgeldes ausreichend sei. Er sei bereit, die aus dem Schuldanerkenntnis stammenden Rechte an die Beklagte abzutreten. Klage gegen den Arbeitgeber habe er nicht erhoben, weil er kein gutes Geld dem schlechten habe hinterherwerfen wollen.
Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2002). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass schon zweifelhaft sei, ob Insolvenzgeldzeitraum die letzten drei Monate vor dem angeblichen Ende des Arbeitsverhältnisses (also 1. Oktober bis 31. Dezember 1997) oder vor der Arbeitslosmeldung am 18. Dezember 1996 sei. Jedenfalls bestehe für beide Zeiträume kein Anspruch. Bei einem Insolvenzgeldzeitraum vom 18. September bis 17. Dezember 1996 habe das Schuldanerkenntnis die Verjährung nach § 208 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nur unterbrochen. Ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung sei nicht erfolgt. Bei einem Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Oktober 1997 bis 31. Dezember 1997 seien die Lohnansprüche ebenfalls verjährt, weil das Schuldanerkenntnis vom 2. Januar 1998 nur eine Abfindung verspreche, die aber von vornherein nicht insolvenzgeldfähig sei.
Dagegen richtet sich die am 29. Mai 2002 erhobene Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 18. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2002 und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Insolvenzgeld begehrt. Vor dem Sozialgericht hat der Kläger vorgetragen, dass sein Arbeitgeber sich nicht auf Verjährung berufen habe. Die Forderungen seien durch die von E H abgegebenen Schuldanerkenntnisse gesichert. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 29. Oktober 2004 abgewiesen, nachdem es die Geschäftsführer des Arbeitgebers, E H und C S, als Zeugen gehört hat. Insolvenzereignis sei der Beschluss des Amtsgerichts C vom 8. März 2001, Insolvenzgeldzeitraum die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses von Oktober bis Dezember 1997. Die Gehaltsansprüche für diese Monate bestünden fort. Die Beklagte könne zwar die Einrede der Verjährung nicht erheben, weil diese allein dem Arbeitgeber zustehe. Anzurechnen sei aber das aus der neuen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt. Auch könnte der Anspruch durch die für 1997 vereinbarte Abfindung beschränkt sein, da der Kläger weitergehende Lohnansprüche nicht mehr geltend gemacht habe. Der Kläger habe aber jedenfalls versäumt, Insolvenzgeld innerhalb der in § 324 Abs. 3 des Sozialgesetzbuchs, Drittes Buch (SGB III) geregelten zweimonatigen Ausschlussfrist zu beantragen. Der Antrag sei erst am 30. Januar 2002 wirksam gestellt worden. Der Antrag vom 17. Dezember 1996 entfalte nämlich keine Rechtswirkungen mehr, da das Insolvenzereignis damals noch nicht absehbar gewesen sei. Eine Nachfrist könne dem Kläger nicht gewährt werden, weil er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Er habe versäumt, sich von seinem ehemaligen Arbeitgeber über das Insolvenzereignis in Kenntnis setzen zu lassen.
Gegen das ihm am 16. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Januar 2005 eingegangene Berufung des Klägers. Zu Unrecht habe das Sozialgericht den Insolvenzgeldzeitraum auf Oktober bis Dezember 1997 bestimmt. Sinnvoll seien allein die drei Monate nach Beginn der Stundung der Lohnzahlungen oder vor Ausscheiden aus der Beschäftigung am 18. Dezember 1996, da Zweck des Insolvenzgeldes die Sicherung des Lebensunterhaltes sei und ab Juni 1997 schon wieder ein neues Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Der am 17. Dezember 1996 gestellte Antrag habe noch Rechtswirkungen; er – der Kläger – sei durch einen Mitarbeiter des damaligen Arbeitsamtes entsprechend informiert worden. Auch habe der Arbeitgeber in den Jahren bis 2001 seine Zahlungsfähigkeit nicht wieder erlangt. Er – der Kläger sei in Bezug auf die Durchsetzung von Ansprüchen auf Insolvenzgeld auch nicht geschäftserfahren. Treuwidrig sei er von seinem Arbeitgeber nicht über die Insolvenz informiert worden. Der Vorwurf der Fahrlässigkeit setze aber voraus, dass er von der Insolvenz gewusst habe oder hätte wissen können. Er habe seinen Arbeitgeber jährlich wegen der noch offenen Ansprüche gemahnt. Für weiteres habe angesichts der von Eberhard Henke übernommenen Bürgschaft keine zwingende Notwendigkeit bestanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für im Jahre 1996 ausgefallenes Gehalt, hilfsweise für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1997, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Ein Anspruch könne nur auf der Grundlage des Beschlusses des Amtsgerichts C vom 8. März 2001 als Insolvenzereignis für die letzten drei Monate des Jahres 1997 bestehen. Die Antragsfrist von zwei Monaten sei nicht eingehalten. Die Nachfrist sei nicht gewahrt, weil der Kläger sich nicht bemüht habe, seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Die Akten der Beklagten (Betriebsakte und die den Kläger betreffende Akte) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Mit Recht hat das Sozialgericht die auf Gewährung von Insolvenzgeld gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger hat die Antragsfrist versäumt.
Als Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers kommt allein § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in Betracht. Nach dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihre Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung sind daneben nicht anwendbar. Nach § 430 Abs. 5 SGB III setzte das nämlich den Eintritt des Insolvenzereignisses vor dem 1. Januar 1999 voraus. Das maßgebende Insolvenzereignis liegt indessen nach dem Stichtag. Insolvenzereignis ist hier die Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse durch das Amtsgericht C am 8. März 2001 (§ 183 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Maßgebend ist das Datum der richterlichen Unterschrift, weil der Beschluss seit diesem Zeitpunkt rechtlich existent war. Es kommt nicht darauf an, wann der Beschluss zugestellt worden ist oder wann die betroffenen Arbeitnehmer Kenntnis von ihm erlangt haben (Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 30. April 1996 - 10 Rar 8/94).
Ein früheres Insolvenzereignis liegt nicht vor. Zwar wird der Arbeitgeber bereits vor dem 8. März 2001 vermögenslos gewesen sein, denn nach dem Bericht des vom Amtsgericht eingesetzten Sachverständigen haben sich seine Vermögensverhältnisse (jedenfalls) seit 1998 nicht wesentlich verändert. Dem Kläger hatte der Arbeitgeber bereits im Zeugnis vom 18. Dezember 1996 bestätigt, dass er zur Gehaltszahlung nicht mehr in der Lage sei. Neben der Vermögenslosigkeit verlangt § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III für ein früheres Insolvenzereignis aber auch eine Einstellung der Geschäftstätigkeit. Diese Voraussetzung lag indessen - jedenfalls bis zu dem Beschluss des Amtsgerichts C vom 8. März 2001 - nicht vor. Die Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers beschränkte sich nach dem Gutachten des vom Amtsgericht eingesetzten Sachverständigen (in den letzten Jahren) darauf, eine Vollhaftungsfunktion für die verbundenen Unternehmen zu übernehmen. Diese Tätigkeit war seit dem Ausbleiben der Lohnzahlungen an den Kläger nicht eingestellt worden. Ein früheres Insolvenzereignis ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Richtlinie 80/987/EWG, wonach als Insolvenzereignis jedenfalls auch die Stellung des Insolvenzantrages anzusehen ist (EuGH, Urt. v. 15. Mai 2003 - C-160/01 - = NJW 2003, 2371). Der insoweit eindeutige Wortlaut des § 183 SGB III lässt nämlich keine richtlinienkonforme Auslegung des Inhalts zu, dass neben die drei in der Vorschrift aufgezählten Insolvenzereignisse als viertes der Zeitpunkt der Stellung eines Insolvenzantrages tritt (BSG, Urt. v. 18. Dezember 2003 - B 11 AL 27/03 -). Im Übrigen würde das nicht zu einem günstigeren Ergebnis für den Kläger führen. Deswegen kommt es nicht darauf an, dass der richtlinienwidrige Inhalt der Vorschrift allenfalls Staatshaftungsansprüche begründen könnte, über die in einem Verfahren gegen die Beklagte auf Zahlung von Insolvenzgeld ohnehin nicht entschieden werden kann (BSG, Urt. v. 18. Dezember 2003 - B 11 AL 27/03 -).
Nach § 183 SGB III ist Insolvenzgeld für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden (letzten) drei Monate des Arbeitsverhältnisses zu zahlen, soweit Ansprüche auf Arbeitsentgelt noch offen sind. Die Vorschrift verlangt nur das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt und nicht, dass sich dieser Anspruch aus einer tatsächlichen Beschäftigung ergibt. Erfasst werden daher auch die Fälle, in denen der Lohnanspruch nach § 615 BGB erhalten bleibt, weil sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befindet (Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl. § 183 Rdnr. 66). Das Arbeitsverhältnis des Klägers bei seinem Arbeitgeber endete (erst) durch Kündigung am 31. Dezember 1997. Das ergibt sich aus der vorgelegten schriftlichen Kündigung, den Angaben des Klägers und der Aussage des vom Sozialgericht als Zeugen gehörten C S. Zwar wird in der Abfindungsvereinbarung vom Januar 1998 der Begriff einer "vorfristigen" Auflösung des Arbeitsverhältnisses gebraucht. Dies erklärt sich aber daraus, dass der Kläger seit Dezember 1996 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt war und im Laufe des Jahres 1997 eine andere Beschäftigung fand, so dass er seinem alten Arbeitgeber tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stand und anderweitig Lohn bezog. Anhaltspunkte für eine (rechtliche) Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 31. Dezember 1997 durch Aufhebungsvertrag oder eine weitere Kündigung ergeben sich daraus nicht.
Der Kläger hatte aufgrund Annahmeverzugs des Arbeitgebers bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses weiter Ansprüche auf Lohnzahlung (§§ 293, 615 BGB). Diese minderten sich ab Juni 1997 um den anderweitig erzielten Verdienst (§ 615 Satz 2 BGB). Insolvenzgeldzeitraum sind die letzten drei dem Insolvenzereignis vorausgegangenen Monate des Arbeitsverhältnisses, also die Monate Oktober bis Dezember 1997. Der zeitliche Abstand zu dem erst am 8. März 2001 eingetretenen Insolvenzereignis ist für sich unerheblich, weil § 183 SGB III insoweit keine Voraussetzungen für eine zeitliche Nähe aufstellt (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, § 183 Rdnr. 56). Insolvenzgeldfähig ist demnach der für die Monate Oktober bis Dezember ausgefallene Arbeitslohn, vermindert um das aus dem neuen Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt. Auf seine Ansprüche auf Arbeitslohn hat der Kläger nicht dadurch verzichtet, dass er mit seinem Arbeitgeber für das Jahr 1997 eine Abfindungsvereinbarung geschlossen hatte. Zwar sollte nach dem Inhalt dieser Vereinbarung die Abfindungssumme an die Stelle der Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag treten, jedoch erst mit der erfolgten "unwiderruflichen Zahlung". Da diese bislang ausgeblieben ist, stehen dem Kläger seine Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag noch zu. Unerheblich für den Anspruch auf Insolvenzgeld ist die (möglicherweise eingetretene) Verjährung des Lohnanspruchs, da der Arbeitgeber bisher die entsprechende Einrede nicht erhoben hat (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, § 183 Rdnr. 110). Die Beklagte selbst hat die Einrede nicht erworben.
Der Einwand des Klägers, dass Insolvenzgeld den Lebensunterhalt sichern solle und deswegen der Insolvenzgeldzeitraum auf die Monate des Jahres 1996 fallen müsse, in denen er überhaupt keinen Lohn erhalten habe, rechtfertigt keine Vorverlegung des Insolvenzgeldzeitraums. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der laufende Lebensunterhalt für das Jahr 1996 schon bei Abgabe des Antragsvordruckes am 29. Januar 2002 nicht mehr gesichert werden konnte. Im Übrigen soll Insolvenzgeld zwar das Lohnausfallrisiko absichern, aber nur für begrenzte Zeit. Dem Kläger hätte es freigestanden, nach drei Monaten Zahlungsverzug das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen und so klare Verhältnisse (und möglicherweise einen Insolvenzgeldzeitraum von Juni bis August 1996 neben dem Bezug von Arbeitslosengeld) zu schaffen. Wer sein Arbeitsverhältnis trotz mehr als drei Monaten ausgebliebener Lohnzahlungen fortbestehen lässt, handelt nach der Gesetzeslage auf eigenes Risiko, weil er nicht erwarten kann, dass Insolvenzgeld für einen längeren Zeitraum gezahlt wird (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 183 Rdnr. 51). Das Gesetz kennt auch kein Wahlrecht, bei einem längeren Zeitraum mit Lohnausfall drei Monate nach Belieben auszusuchen, sondern beschränkt den Anspruch auf die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis.
Der Anspruch des Klägers scheitert daran, dass er die nach § 324 Abs. 3 SGB III bestehende Antragsfrist von zwei Monaten nach Eintritt des Insolvenzereignisses nicht eingehalten hat. Wirksam war erst die Antragstellung am 29. Januar 2002, die mehr als zwei Monate nach dem Beschluss des Amtsgerichts C 8. März 2001 als maßgeblichem Insolvenzereignis lag. Die im Dezember 1996 erfolgte (telefonische) Nachfrage nach Antragsformularen kann nicht als wirksame Antragstellung für das am 8. März 2001 eingetretene Insolvenzereignis angesehen werden. Zwar reicht nach der Rechtsprechung des BSG ein "dem Grunde nach" gestellter Antrag aus (BSG, Urt. v. 14. August 1984 - 10 RAr 18/83 -). Gegen einen wirksamen Antrag spricht hier aber schon, dass das Gesetz einen Antrag in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Insolvenzereignis voraussetzt. Vorhergehende Anträge können nur dann als wirksam angesehen werden, wenn der Eintritt eines Insolvenzereignisses bereits bekannt oder vorhersehbar ist (Peters-Lange in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 8 Rdnr. 99). Das war Ende des Jahres 1996 für den im März 2001 ergangenen Beschluss des Amtsgerichts C bereits deswegen nicht der Fall, weil 1996 noch kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (bzw. des Konkursverfahrens) gestellt worden war. Im Übrigen ist der zeitliche Abstand so groß, dass das Insolvenzereignis vom März 2001 nicht mehr als identisch mit dem angesehen werden kann, auf das sich ein im Dezember 1996 gestellter Antrag hätte bezogen haben können.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, ihm sei 1996 von einem Mitarbeiter des Arbeitsamtes gesagt worden, als Tag der Antragstellung zähle das Datum der telefonischen Anfrage. Die Möglichkeit eines – allenfalls in Betracht kommenden - sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs setzt eine falsche Auskunft oder Beratung voraus. Mit seiner Anfrage im Dezember 1996 hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, es liege bereits ein Insolvenzereignis vor oder der Eintritt eines solchen sei zumindest absehbar. Nur darauf konnte er bei verständiger Würdigung die ihm erteilte Auskunft beziehen. Die übliche Verzögerung zwischen Anforderung der Vordrucke und Eingang der ausgefüllten Formulare bei der Beklagten wurde durch die Handhabung der Antragstellung durch den Kläger beträchtlich verlängert. Er hatte keinen Anlass, die ihm erteilte Auskunft so zu verstehen, dass die Antragsfrist auch für eine andere und spätere Insolvenz gewahrt sei, sofern es sich nur um denselben Arbeitgeber handeln würde. Es ist nicht erkennbar und wird vom Kläger auch nicht vorgetragen, dass die gegebene Auskunft ausdrücklich einen mehr als vier Jahre später eintretenden Insolvenzfall erfasste.
Eine Nachfrist wegen der Unkenntnis vom Eintritt des Insolvenzereignisses (§ 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III) ist dem Kläger nicht zu gewähren. Nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III wäre dafür jedenfalls Voraussetzung, dass der Kläger sich mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche (gegen den Arbeitgeber) bemüht hätte. Der Kläger hat aber nichts unternommen, um seine Lohnansprüche für Oktober bis Dezember 1997 durchzusetzen. Dazu wäre erforderlich gewesen, nach angemessener Frist Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Die im Januar 1998 vom Kläger geschlossene Vereinbarung über seine Entgeltansprüche aus dem Jahre 1997 reicht nicht aus. Nach dieser Vereinbarung sollte anstelle des Arbeitslohnes eine "Abfindung für das vorfristig aufgelöste Arbeitsverhältnis" gewährt werden. Statt seine Lohnansprüche zu verfolgen, erwarb der Kläger mit ihr einen weiteren Anspruch, ohne dadurch aber der Zahlung oder des Erwerbs eines vollstreckbaren Titels näher gekommen zu sein. Die vom Kläger behaupteten regelmäßigen jährlichen Mahnungen stellen ebenfalls keine hinreichenden Bemühungen zur Durchsetzung seiner Ansprüche dar.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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