L 17 P 4/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 P 561/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 P 4/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Pflegeleistungen der Pflegestufe II nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -. Dem 1933 geborenen Kläger wurden seit dem 1. September 1998 Pflegeleistungen der Pflege-stufe I gewährt. Dem Bescheid vom 22. Dezember 1998 lag ein im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK - erstelltes Gutachten des Dipl.-Med. St vom 16. November 1998 zugrunde, der einen Grundpflegebedarf von 97 Minuten ermittelt hatte. Am 6. Mai 2002 beantragte er die Gewährung von Leistungen einer höheren Pflegestufe. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine neue Begutachtung, die am 8. Juli 2002 von dem Arzt T durchgeführt wurde. Er ermittelte einen täglichen Grundpflegebedarf von 50 Minuten, der sich folgendermaßen zusammensetzte: Körperpflege Waschen 4x wöchentlich Teilübernahme 10’ 1x Teilübernahme Oberkörper 3’ Baden 3x wöchentlich Teilübernahme und Beaufsich-tigung 11’ Zahnpflege 2x Unterstützung 4’ Kämmen 2x Unterstützung 2’ Rasieren 1x Unterstützung 1’ Ernährung Mundgerechte Zubereitung 3x Teilübernahme 6’ Mobilität An-/Auskleiden je 1x 10’ Stehen 3x Transfer 3’ gesamter Grundpflegebedarf 50’. Darauf wurde der Antrag mit Bescheid vom 19. Juli 2002 abgelehnt. Auf den Widerspruch, mit dem der Kläger Pflegeaufzeichnungen für die Zeit vom 8. bis 14. Juni 2002 einreichte, erteilte die Beklagte den weiteren ablehnenden Bescheid vom 19. September 2002 und wies den Wi-derspruch nach Einholung einer Stellungnahme des MDK (Dr. K) mit Widerspruchbescheid vom 8. November 2002 zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben (eingegangen am 21. November 2002) und vorgetra-gen, es bestehe ein Grundpflegebedarf in Höhe von 147 Minuten täglich. Dazu hat er einen Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 19. November 2002 eingereicht, nach dem bei ihm ein Grad der Behinderung von 100 und die Nachteilsausgleiche "B" und "G" anerkannt worden sind. Während des Verfahrens ist der Kläger erneut vom MDK begutachtet worden. Der Arzt Dr. B und die Pflegefachkraft H stellten im Gutachten vom 19. März 2003 folgenden täglichen Grundpflegebedarf fest: Körperpflege Waschen 6x wöchentlich Teilübernahme 10’ Baden 4x wöchentlich Teilübernahme und Beaufsich-tigung 11’ Zahnpflege 3x Unterstützung 6’ Kämmen 2x volle Übernahme 4’ Rasieren 4x wöchentlich volle Übernahme 3’ Darm-/Blasenentleerung 1x Teilübernahme Darm 2’ 3x Richten der Bekleidung 6’ Ernährung Mundgerechte Zubereitung 3x Teilübernahme 9’ Mobilität Aufstehen/Zu-Bett-Gehen 14x Teilübernahme 15’ Ankleiden 1x volle Übernahme Gesamtkörper 8’ 6x volle Übernahme Teilkörper 4’ Auskleiden 1x volle Übernahme Gesamtkörper 4’ 6x volle Übernahme Teilkörper 2’ Stehen 4x wöchentlich volle Übernahme 1’ Gehen 12x Teilübernahme 13’ gesamter Grundpflegebedarf 98’. Das Sozialgericht zog Berichte des St. H Krankenhauses vom 25. Juli 1997, 28. August 1997, 15. Oktober 1997, 13. Oktober 1999 und 11. November 1999 sowie einen Bericht des Kurato-riums für Dialyse vom 17. Juni 2003 bei. Sodann hat es den Arzt K mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 19. Juni 2003 erstellte und am 18. Februar 2004 ergänzte. Er stellte die pflegebegründenden Diagnosen vorzeitig vermehrte Altersschwäche seit etwa 1998 bei degenerativen Veränderungen im Stütz- und Bewegungsapparat: Wirbelsäulenverän-derungen, besonders der Lendenwirbelkörper und Kreuzbeinregion, teils mit schmerzhaften Nervenwurzelreizbeschwerden, Zustand nach Bandscheibenvorfalloperation 1977, Spondylarthrose, Spinalkanalste-nose, teilweiser Kniegelenksarthrose beidseitig, links mehr als rechts, Omalgie (Schulter- Armgelenksschmerzen), beidseitig geminderter Kräftezustand, erhebliche Gehbehinderung zunehmend seit etwa Herbst 1998, Diabetes mellitus seit 1975, mit Insulinabhängigkeit seit etwa 1985 und zunehmenden Komplikationen seit etwa 1996: Entwicklung einer Arte-riosklerose der Herzkranzgefäße 1996, periphere diabetische Polyneu-ropathie seit etwa 1998, dialysepflichtige Niereninsuffizienz seit 30.04.2002 und sekundär renaler Hyperparathyreoidismus seit Sommer 2003, Zustand nach Nierenteilentfernung links wegen bösartigen Nierentu-mors ohne bekannte Metastasen- Bildung 1998, Zustand nach Herzinfarkt 1997 bei koronarer Herzkrankheit, Herzminderleistung bei Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Herz-schrittmacher - Träger 1997, selten Angina pectoris, Atembeschwerden bei Belastung, Adipositas im Sinne einer Pflegeerschwernis seit 06/1998. Er kam zu dem Schluss, dass daraus folgender täglicher Pflegebedarf resultiere: Körperpflege Waschen 4x wöchentlich Ganzkörper Unterstützung und Teilübernahme 10’ 1x Teilkörper Unterstützung und Teilübernahme 8’ Baden 3x wöchentlich Unterstützung und Teilüber-nahme 9’ Zahnpflege 3x 6’ Rasieren 1x Unterstützung und Teilübernahme 5’ Darm-/Blasenentleerung 1x Nachreinigung nach Stuhlgang 5’ 3x Entleerung der Urinflasche 6’ Ernährung Mundgerechte Zubereitung 3x volle Übernahme 9’ Mobilität Aufstehen/Zu-Bett-Gehen je 1x 4’ Ankleiden 1x Unterstützung und Teilübernahme 12’ Auskleiden 1x Teilübernahme 4’ Stehen 6x wöchentlich 2’ gesamter Grundpflegebedarf 80’.

Der Kläger ist auch diesem Gutachten entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, sein Pflegebedarf sei vom Sachverständigen nicht ausreichend gewürdigt worden. Seit dem 10. Januar 2004 ist der Kläger stationär im S-D Istraße untergebracht. Mit Bescheid vom 15. Januar 2004 wurden ihm Leistungen der vollstationären Pflege nach Stufe I ab 10. Januar 2004 gewährt. Die Klage, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2004 darauf ge-richtet hat, ihm vom 1. Mai 2002 bis einschließlich 9. Januar 2004 Pflegegeld der Pflegestufe II und vom 10. Januar 2004 an vollstationäre Leistungen der Pflegestufe II zu gewähren, hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom selben Tage abgewiesen und sich zur Begründung auf das Gutachten des Arztes K gestützt. Gegen das dem Kläger am 21. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich seine am 17. Januar 2005 eingegangene Berufung. Während des Berufungsverfahrens ist der Kläger auf Grund eines Höherstufungsantrages erneut vom MDK begutachtet worden. Die Pflegefachkraft Sch ermittelte in ihrem Gutachten vom 12. April 2005 folgenden Pflegebedarf: Körperpflege Waschen 6x wöchentlich Ganzkörper Teilübernahme und Anleitung 22’ 1x volle Übernahme Teilkörper 15’ Duschen 1x wöchentlich Teilübernahme und Beaufsich-tigung 5’ Zahnpflege 2x Unterstützung und Anleitung 2’ Kämmen 2x Anleitung 2’ Rasieren 1x Teilübernahme 4’ Darm-/Blasenentleerung 1x Darm Unterstützung 5’ 3x Richten der Bekleidung 6’ 3x Wechseln kleiner Vorlagen 6’ 4x Entleeren der Urinflasche 8’ Ernährung Mundgerechte Zubereitung 1x 3’ Mobilität Aufstehen/Zu-Bett-Gehen 4x volle Übernahme 8’ An-/Auskleiden je 1x 16’ Stehen 6x 7’ gesamter Grundpflegebedarf 109’.

Darauf wurde die Gewährung von Leistungen einer höheren Pflegestufe erneut abgelehnt (Be-scheid vom 20. April 2005). Der Kläger führt sein Begehren fort und ist der Ansicht, dass insbesondere seine erhebliche Gehbehinderung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Es bestehe Sturzgefahr, so dass er ständig überwacht werden müsse. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Oktober 2004 und die Bescheide der Be-klagten vom 19. Juli 2002 und vom 19. September 2002 in der Fassung des Wider-spruchsbescheides vom 8. November 2002 aufzuheben, den Bescheid vom 15. Januar 2004 zu ändern sowie den Bescheid vom 20. April 2005 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm vom 1. Mai 2002 bis 9. Januar 2004 Pflegegeld der Pflegestufe II und seit dem 10. Januar 2004 Leistungen für vollstationäre Pflege der Pflegestufe II zu ge-währen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie ist der Auffassung, dass der (die Gewährung vollstationärer Leistungen der Pflegestufe II ablehnende) Bescheid vom 20. April 2005 Gegenstand des Verfahrens geworden sei. Die Streitgegenstände des anhängigen Sozialgerichtsverfahrens seien deckungsgleich mit dem Verfügungssatz dieses Bescheides. Der Kläger begehre eine Verurteilung zu Leistungen nach der Pflegestufe II. Es sei über dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden. Damit greife § 96 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - Platz, der entsprechend dem Sinn und Zweck der Norm - Prozessökonomie, Vermeidung widersprüchli-cher Entscheidungen - weit auszulegen sei. Die Akten des Sozialgerichts Berlin - S 76 P 561/02 - und die Akten der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das ange-fochtene Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Oktober 2004 ist zutreffend. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Pflegeleistungen der Pflegestufe II. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 19. Juli 2002 und vom 19. September 2002 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 8. November 2002. Auch die Bescheide vom 15. Januar 2004 und 20. April 2005 sind nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Zwar ist diese Vorschrift nicht direkt anwendbar, denn danach werden nur Bescheide Gegenstand des Verfahrens, die den angefochtenen Bescheid ersetzen oder ergänzen. Dies ist bei den Bescheiden vom 15. Januar 2004 und vom 20. April 2005 nicht der Fall. Sie befassen sich mit der Gewährung von vollstationären Leistungen. Dabei handelt es sich um eine andere Leistung, selbst wenn in beiden Fällen nur das Vorliegen der Pflegestufe II strittig ist. § 96 Abs. 1 SGG ist hier aber analog anzuwenden, denn hier besteht zwischen den Beteiligten - anders als in dem dem Urteil des Senats vom 16. März 2005 (L 17 P 31/04) zugrunde liegenden Fall - ein Dauerrechtsverhältnis, das durch die Gewährung von Pflegeleistungen begründet worden ist. Besteht ein solches Dauerrechtsverhältnis, dann ist im Interesse eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens § 96 SGG dann entsprechend anzuwenden, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht geändert oder ersetzt wird, der spätere Bescheid aber ein streitiges Rechtsverhältnis regelt, das "im Kern" dieselbe Rechtsfrage betrifft und sich an den vom ur-sprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschließt (vgl. BSG, Urteil vom 17. November 2005 - B 11a/11 AL 57/04 R -, SozR 4-1500 § 96 Nr. 4, m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn es geht bei allen Bescheiden "im Kern" darum, ob eine höhere Pflegestufe als die Pflegestufe I vorliegt. Die Bescheide betreffen auch Zeiträume, die unmittelbar aneinander anschließen. Der Kläger hat weder Anspruch auf Pflegegeld der Pflegestufe II für die Zeit vom 1. Mai 2002 bis 9. Januar 2004 (I) noch auf die Übernahme einer der Pflegestufe II entsprechenden Pauschale für den anschließenden Zeitraum (II.). I. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Pflegegeld der Pflegestufe I für die Zeit vom 1. Mai 2002 bis 9. Januar 2004 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialge-setzbuch - SGB X -. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - um einen solchen handelt es sich bei der Gewährung von laufenden Pflegeleistungen - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung, wenn durch sie materiell-rechtlich ein anderer Anspruch gegeben ist als der, der durch den frü-heren Bescheid festgestellt wurde. Hier ist aber keine wesentliche Veränderung seit dem Be-scheid vom 19. Oktober 1999 eingetreten. Dem Kläger standen auch im streitigen Zeitraum lediglich Leistungen der Pflegestufe I, nicht aber, wie geltend gemacht, der Pflegestufe II zu. Nach den §§ 36, 37 Abs. 1 SGB XI haben Pflegebedürftige der Pflegestufe II je Kalendermonat Anspruch auf häusliche Pflegehilfe im Umfang von Pflegeeinsätzen bis zu einem Gesamtwert von 921 EUR. Sie können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld in Höhe von 410 EUR beantragen, wenn sie mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellen. Nach § 15 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftige Personen der Pflegestufe II (Schwerpflegebe-dürftige) zuzuordnen, wenn sie bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität min-destens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehr-fach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Nach § 15 Abs. 3 SGB XI muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere, nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grund-pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, täglich im Wochendurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindes-tens zwei Stunden entfallen. Zur Grundpflege gehören nur die Bereiche Körperpflege, Ernäh-rung und Mobilität, nicht aber die hauswirtschaftliche Versorgung. Nach § 14 Abs. 4 SGB XI sind gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen, die für die Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen sind: im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahn-pflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Auf-nahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Ko-chen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Nach den vorliegenden Unterlagen lässt sich das Vorliegen der Voraussetzungen der Pflege-stufe II nicht feststellen. Es liegen vier Gutachten vor, die sämtlich einen Pflegebedarf auswei-sen, der der Pflegestufe I, nicht aber der Pflegestufe II entspricht. Das Gericht stützt sich ins-besondere auf das Gutachten des Arztes K, das vom Sozialgericht eingeholt worden ist. Dieses Gutachten ist nach einer Untersuchung und einer ausführlichen Befragung im häuslichen Be-reich des Klägers erstellt worden. Es beschreibt eingehend die Funktionseinbußen des Klägers und den daraus resultierenden Hilfebedarf. Den Einwendungen, die der Kläger dagegen erhoben hat, vermag der Senat nicht zu folgen. Dabei kann das Gericht den Zeitbedarf - wie der Sach-verständige - nur schätzen, eine minutengenaue Ermittlung ist nicht möglich. Eine solche ge-richtliche Schätzung ist auch zulässig (§ 202 SGG in Verbindung mit § 287 ZPO; BSG, Urteil vom 29. April 1999 B 3 P 7/98 R – SozR 3 3300 § 14 Nr. 10). Der Kläger wurde viermal in der Woche am ganzen Körper gewaschen und dreimal gebadet. Für beide Vorgänge war Unterstützung und Teilübernahme erforderlich. Für die volle Übernahme dieser Verrichtungen sehen die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begut-achtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches, Begutach-tungs-Richtlinien - BRi - eine Pflegezeit von 20 bis 25 Minuten vor. Beim Kläger ist zu be-rücksichtigen, dass seine erhebliche Adipositas einen pflegeerschwerenden Faktor darstellt. Der Ansatz des Arztes K, der für die Ganzkörperwäsche 18 Minuten und für das Baden 20 Minuten - jeweils für einen Vorgang - ansetzt, ist nicht zu niedrig. Herr K hat ausführlich beschrieben, dass der Kläger in der Lage war, sich zum Teil zu waschen. Insofern ist nicht plausibel, dass der Kläger die Notwendigkeit voller Übernahme geltend macht (und hierfür in der Klagebegründung 13 Minuten berechnet). Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger wegen der Nierener-krankung vermehrt schwitzte und deshalb täglich eine weitere Teilkörperwäsche erforderlich war. Der Sachverständige schätzt den Hilfebedarf hierfür nachvollziehbar auf 8 Minuten täglich, so dass insgesamt für den Bereich Waschen, Duschen, Baden ein Hilfebedarf in Höhe von 27 Minuten täglich besteht. Der Kläger bedurfte der Hilfe bei der Zahnpflege. Dieser Bedarf fiel dreimal täglich an. Der Richtwert der BRi für eine volle Übernahme der Zahnpflege beträgt fünf Minuten, der Kläger bedurfte aber nur der Unterstützung, die eigentliche Verrichtung führte er noch selbständig aus. Danach ist die Einschätzung des Arztes K, der einen Bedarf von 6 Minuten täglich annimmt, nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen K konnte der Kläger sich selbständig kämmen. Er bedurfte der Unterstützung und Teilübernahme beim Rasieren. Für eine volle Übernahme sehen die BRi einen Zeitkorridor von 5 bis 10 Minuten vor, so dass der Senat der Einschätzung des Sachverständigen, der hierfür 5 Minuten annimmt, folgen kann. Bei der Blasenentleerung war der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen selb-ständig. Weder musste ihm aus der Sitzposition hochgeholfen werden noch war ein Richten der Bekleidung erforderlich. Lediglich bei der Darmentleerung war einmal täglich Nachreinigung erforderlich. Dieser Vorgang ist mit 5 Minuten nicht zu niedrig angesetzt (BRi: volle Übernahme 3 bis 6 Minuten). Dafür dass der Kläger mehrmals täglich den Darm entleert und ein entspre-chender Reinigungsbedarf entsteht, gibt es keinen Anhaltspunkt. Sämtliche Gutachter haben nur eine einmalige Entleerung des Darms ermittelt. Der Kläger benutzt nachts und gelegentlich auch tagsüber eine Urinflasche, die von einer Hilfsperson entleert und gesäubert werden muss. Der Sachverständige schätzt den notwendigen Hilfebedarf auf 6 Minuten täglich, was nicht zu be-anstanden ist. Insgesamt bestand damit ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege von 49 Minuten. Dem Kläger musste die Nahrung mundgerecht zubereitet werden. Der Kläger nahm drei Hauptmahlzeiten zu sich. Nach den BRi beträgt der Richtwert für die mundgerechte Zubereitung einer Hauptmahlzeit zwei bis drei Minuten. Der Ansatz von 9 Minuten, den Herr K vorge-nommen hat, ist daher nicht zu beanstanden. Insgesamt lag danach im Bereich der Ernährung ein Hilfebedarf von 57 Minuten vor. Der Kläger benötigte je einmal Hilfe beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen in Form von Unter-stützung und Teilübernahme. Die BRi geben für die Hilfe beim Aufstehen oder Zu-Bett-Gehen einen Richtwert von ein bis zwei Minuten vor. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass Herr K vier Minuten angenommen hat. Zusätzliche Erholungsphasen in liegender Körperhaltung kann der Kläger nach seinen Feststellungen selbständig durchführen. Für das Aus- und Ankleiden brauchte der Kläger Hilfe in Form von Unterstützung und Teil-übernahme. Die BRi sehen für das Ankleiden einen Richtwert von acht bis zehn Minuten und für das Auskleiden einen Richtwert von vier bis sechs Minuten vor. Selbst wenn man annimmt, dass an den Dialysetagen (dreimal wöchentlich) ein weiteres Aus- und Ankleiden erfolgt, ist die Einschätzung des Sachverständigen, der einen durchschnittlichen Tagesbedarf von 16 Minuten annimmt, nicht zu niedrig. Der Arzt K hat für den Bereich Stehen einen täglichen Pflegebedarf von 2 Minuten angenommen und damit der Tatsache Rechnung getragen, dass der Kläger Hilfe beim Transfer in die Bade-wanne und aus ihr heraus benötigte. Den umfangreichen Hilfebedarf beim Gehen, den der Kläger geltend macht, konnte der Sach-verständige nicht feststellen. Der Kläger ging selbständig. Der Kläger brauchte keine pflegerelevante Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Die Wege zur Dialyse sind nicht zu berücksichtigen, weil hierfür ein Kranken-transport eingesetzt wird. Es lag danach insgesamt ein Hilfebedarf im Bereich der Mobilität von 22 Minuten vor. Der somit ermittelte Grundpflegebedarf von 80 Minuten ist für die Pflegestufe II nicht ausreichend. II. Der Kläger hat auch keinen Anspruch, dass die Beklagte seit dem 10. Januar 2004 Aufwen-dungen ersetzt, die der Pflegestufe II entsprechen. Nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 SGB XI ü-bernimmt die Pflegekasse in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. Juni 2007 bei Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der medizinischen Behandlungspflege und der sozialen Betreuung pauschal für Pflegebedürftige der Pflegestufe II in Höhe von 1279 Euro monatlich. Die Einstufung in Pflegestufen richtet sich dabei wie bei der häuslichen Pflege nach den §§ 14, 15 SGB XI. Insoweit kann auf das oben Dargelegte verwiesen werden. Es lässt sich allerdings dem Gutachten der Pflegefachkraft Sch entnehmen, dass sich der Pfle-gebedarf des Klägers insbesondere im Bereich der Körperpflege erhöht hat. Sie ermittelte in ihrem Gutachten einen täglichen Pflegebedarf von 109 Minuten, der jedoch noch immer nicht der Pflegestufe II entspricht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund zur Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich ist.
Rechtskraft
Aus
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