Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 17 RA 544/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 1399/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. August 2006 geändert: Der Bescheid vom 12. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2004 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Kürzung seiner Rente wegen der doppelten Anrechnung von Zeiten des Krankengeldbezuges als Beitragszeiten; ausschlaggebend ist, ob der Kläger die Fehlerhaftigkeit des Ausgangsbescheides infolge von grober Fahrlässigkeit nicht erkannte.
Der 1945 geborene Kläger bezieht von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01. Dezember 1996.
Im Bewilligungsbescheid vom 26. Juni 1997 waren die Versicherungszeiten des Klägers in der Anlage 2 Seite 2 – für die Zeit ab Januar 1972 wie folgt angegeben:
Rentenversicherung der Angestellten
SVN 01.01.72 - 31.12.72 20.789,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.73 - 31.12.73 22.092,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.74 - 31.12.74 24.477,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.75 - 31.12.75 29.414,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.76 - 31.12.76 30.616,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.77 - 31.12.77 33.030,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.78 - 31.12.78 37.697,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.79 - 31.12.79 35.758,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.80 - 31.12.80 39.171,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.81 - 31.12.81 42.552,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.82 - 31.12.82 44.103,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.83 - 31.12.83 47.997,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.84 - 31.12.84 62.350,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge AFG 01.01.85 - 05.01.85 Arbeitslosigkeit SVN 07.01.85 - 31.12.85 50.985,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.86 - 31.12.86 54.153,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.87 - 31.12.87 55.556,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.88 - 30.09.88 39.704,00 DM 9 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.10.88 - 31.12.88 16.516,00 DM 3 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.89 - 31.12.89 60.492,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.90 - 31.12.90 63.434,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.91 - 31.12.91 66.110,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.92 - 14.04.92 18.687,00 DM 4 Mon. Pflichtbeiträge 15.04.92 - 22.06.92 8.079,90 DM 2 Mon. Pflichtbeiträge Sozl. 15.04.92 - 22.06.92 7.963,00 DM Pflichtbeitrag Sozl. 15.04.92 - 22.06.92 krank/Gesundheitsmaßnahme SVN 23.06.92 - 05.08.92 8.364,00 DM 2 Mon. Pflichtbeiträge 06.08.92 -31.12.92 17.096,60 DM 4 Mon. Pflichtbeiträge gemindert auf 16.983,56 DM Beitragsbemessungsgrenze Sozl. 06.08.92 - 31.12.92 17.097,00 DM Pflichtbeitrag gemindert auf 16.983,96 DM Beitragsbemessungsgrenze Sozl. 06.08.92 - 31.12.92 krank/Gesundheitsmaßnahme SVN 01.11.92 - 30.11.92 5.340,00 DM Pflichtbeitrag gemindert auf 4.538,57 DM einmalig gezahlt. Entgelt SVN 01.01.93 - 31.12.93 66.937,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge gemindert auf 62.871,24 DM Beitragsbemessungsgrenze 01.01.93 - 21.02.93 5.972,10 DM Pflichtbeitrag gemindert auf 3.411,54 DM Beitragsbemessungsgrenze Sozl. 01.01.93 - 21.02.93 5.972,00 DM Pflichtbeitrag gemindert auf 3.411,48 DM Beitragsbemessungsgrenze Sozl. 01.01.93 - 21.02.93 krank/Gesundheitsmaßnahme SVN 01.01.94 - 30.06.94 37.221,00 DM 6 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.07.94 - 07.09.94 14.094,00 DM 3 Mon. Pflichtbeiträge AFG 08.09.94 - 31.12.94 8.781,00 DM 3 Mon. Pflichtbeiträge AFG 08.09.94 - 31.12.94 Arbeitslosigkeit AFG 01.01.95 - 31.12.95 59.464,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge AFG 01.01.95 - 31.12.95 Arbeitslosigkeit AFG 01.01.96 - 04.11.96 51.560,00 DM 11 Mon. Pflichtbeiträge AFG 01.01.96 - 04.11.96 Arbeitslosigkeit
Die Rente betrug ab 01. August 1997 monatlich 947,30 DM.
Im Rahmen von Ermittlungen zur Einkommensanrechnung und zur Höhe des Krankenversicherungsbeitrages stellte die Beklagte fest, dass die beitragspflichtigen Einnahmen aus dem Bezug von Krankengeld in den Zeiten vom 15. April 1992 bis zum 22. Juni 1992 und vom 06. August 1992 bis zum 21. Februar 1993 bei der Rentenberechnung doppelt berücksichtigt worden waren. Dies ergebe sich aus der Anlage 2 zum Bescheid vom 26. Juni 1997. Es kam zu einer Minderung der monatlichen Rente ab 01. März 2004 um 7,04 EUR. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2004 mit, sie beabsichtigte, einen Bescheid mit entsprechender Rentenminderung und Rückforderung der Überzahlung für die Zeit vom 01. Dezember 1996 bis 31. März 2004 in Höhe von 293,98 EUR zu erlassen und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme. Beigefügt war eine neue Rentenberechnung.
Der Kläger gab bis zum 12. März 2004 keine Stellungnahme ab; die Beklagte stellte mit Bescheid von diesem Tage die Rente wegen Berufsunfähigkeit von Beginn an neu fest und zahlte ab 01. Mai 2004 monatlich 905,75 EUR. Die Überzahlung vom 01. Dezember 1996 bis 30. April 2004 in Höhe - nunmehr von 298,01 EUR errechnet - habe der Kläger zu erstatten. Hiergegen legte der Kläger am 05. April 2004 Widerspruch ein, den er damit begründete, er habe die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides weder gekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit verkannt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 01. Juni 2004 zurück und führte aus, hätte der Kläger den an ihn gerichteten Bescheid gelesen, so hätte ihm dessen Unrichtigkeit auffallen müssen. Weder habe der Kläger während dieser doppelt berücksichtigen Zeiten zwei Leistungen bezogen noch zwei Tätigkeiten ausgeübt.
Hiergegen hat sich die am 14. Juni 2004 beim Sozialgericht Potsdam erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt hat.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid vom 12. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 17. August 2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, auf eine besondere Härte hätte sie nicht eingehen können, da der Kläger keine Angaben gemacht habe. Ein besonders gravierendes Behördenversäumnis sei ihr nicht vorzuwerfen und der Kläger hätte die Fehlerhaftigkeit des Ausgangsbescheides infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 09. September 2006 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 27. September 2006, mit der er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Der Kläger beantragt,
1. Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. August 2006 wird aufgehoben.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2004 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die wegen des Streits um die Höhe einer unbefristeten Rente – also nicht nur die Rückforderung - statthafte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG ).
Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung des Klägers ist auch begründet, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Sie waren daher aufzuheben und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts zu ändern. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch SGB X nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 dieser Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Abs. 2 darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist. Schließlich kann ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach dieser Vorschrift nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Diese Frist verlängert sich auf zehn Jahre, wenn
1. die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X lauten:
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Bei dem Ausgangsbescheid über die Bewilligung der Rente des Klägers vom 26. Juni 1997 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Dieser Verwaltungsakt war auch rechtswidrig begünstigend, da die Krankengeldbezugszeiten des Klägers im Jahre 1992 doppelt bei der Berechnung der Rente zugrunde gelegt worden waren.
Somit konnte der Verwaltungsakt vom 26. Juni 1997 (Ausgangsbescheid) grundsätzlich nur innerhalb von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Diese Frist ist zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 12. März 2004 bei weitem überschritten gewesen.
Die zehnjährige Frist des § 45 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X kommt hier nicht zur Anwendung, da ihre Voraussetzungen nicht vorliegen. Dass der Ausgangsbescheid auf Angaben beruhte, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2), wird selbst von der Beklagten nicht vorgetragen und dafür ist nichts ersichtlich.
Auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Ziffer 3 SGB X liegen nicht vor, denn der Kläger hat die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes weder gekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass dem Kläger bewusst war, dass die Krankengeldbezugszeiten im Jahre 1992 doppelt berücksichtigt wurden; dies trägt die Beklagte auch nicht vor.
Es liegt auch keine grobe Fahrlässigkeit vor. Hierfür muss die in der Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sein. Dies ist der Fall, wenn außer Acht gelassen worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Die Rechtswidrigkeit muss sich ohne weitere Nachforschungen aus dem Bescheid selbst ergeben haben, und es musste anhand der Umstände und ganz nahe liegender Überlegungen einleuchten und auffallen, dass der Bescheid fehlerhaft ist (BSGE 42, 186). Dabei ist auch in subjektiver Hinsicht ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Bei komplizierten Berechnungen und maschinellen Verschlüsselungen ohne einen erklärenden Langtext wird in der Regel nicht von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen werden können. Eine Verpflichtung zu Erkundigungen besteht nur, wenn sich dies aufdrängen musste (von Wulffen u. a., SGB X, Wiesner zu § 45 Anm. 24).
Die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit sind im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht erfüllt. Dies folgt schon daraus, dass im Rentenbescheid vom 26. Juni 1997 in dessen Anlage 2 diese Zeiten zwar tatsächlich doppelt aufgeführt sind, einmal jedoch mit einer in DM ausgewiesenen Summe und bei der Wiederholung ohne eine derartige Summe. Bereits daraus ergibt sich, dass ein Versicherter dem Versicherungsverlauf nicht entnehmen konnte, ob diese Zeiten doppelt angerechnet würden. Ebenso gut konnte und durfte ein Versicherter, der diesen Versicherungsverlauf sorgfältig durchgelesen hat, annehmen, aus ihm unbekannten verwaltungstechnischen Gründen seien die Zeiten einmal mit den entsprechenden Entgelten aufgeführt und als Pflichtbeitrag bezeichnet und in der Wiederholung wurden sie zur näheren Kennzeichnung ohne eine Summenangabe mit dem Zusatz "krank/Gesundheitsmaßnahme" aufgeführt. Die Berechnung, die dann ergibt, dass dies unzutreffend ist und tatsächlich für diese Zeiten zweimal Beiträge zugrunde gelegt worden sind, lässt sich dieser Anlage nicht entnehmen. Sie erschließt sich erst mit dem Vergleich der Anlage 2 mit der Anlage 3 (Entgeltpunkte für Versicherungszeiten).
Es handelt sich um eine komplizierte Berechnung, die ein Versicherter nicht nachvollziehen kann und deren Fehlerhaftigkeit, wie dargelegt, sich nicht unmittelbar aufdrängt, zumal in der Anlage 2 die Zahl der zu berücksichtigenden Monate zutreffend jeweils mit "2" benannt wird. Dass es sich insoweit nicht um sofort ersichtliche Fehler handelt, wird zudem auch daraus deutlich, dass selbst die Mitarbeiter der Beklagten – im Gegensatz zum Kläger fachkundig – dies im Rahmen der Rentenfeststellung – Kontospiegel vom 18. Juni 1997 (Bl. 100 der Verwaltungsakte) – und bei den zahlreichen anschließenden Bearbeitungsvorgängen, nicht bemerkt haben.
Liegen schon die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, die nach Ablauf der Zweijahresfrist allein zur Aufhebung auch mit Wirkung für die Zukunft berechtigen würde, nicht vor, so kommt es auf die Frage der übrigen Fristen – insbesondere ob der Bescheid rechtzeitig eingegangen ist - für eine Rücknahme nicht mehr an, denn die Rücknahme war ohnehin unzulässig.
Auf die Berufung des Klägers war mithin das angefochtene Urteil mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zu ändern und die angefochtenen Bescheide waren aufzuheben.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG hierfür dargelegten Gründe vorliegt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Kürzung seiner Rente wegen der doppelten Anrechnung von Zeiten des Krankengeldbezuges als Beitragszeiten; ausschlaggebend ist, ob der Kläger die Fehlerhaftigkeit des Ausgangsbescheides infolge von grober Fahrlässigkeit nicht erkannte.
Der 1945 geborene Kläger bezieht von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01. Dezember 1996.
Im Bewilligungsbescheid vom 26. Juni 1997 waren die Versicherungszeiten des Klägers in der Anlage 2 Seite 2 – für die Zeit ab Januar 1972 wie folgt angegeben:
Rentenversicherung der Angestellten
SVN 01.01.72 - 31.12.72 20.789,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.73 - 31.12.73 22.092,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.74 - 31.12.74 24.477,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.75 - 31.12.75 29.414,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.76 - 31.12.76 30.616,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.77 - 31.12.77 33.030,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.78 - 31.12.78 37.697,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.79 - 31.12.79 35.758,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.80 - 31.12.80 39.171,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.81 - 31.12.81 42.552,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.82 - 31.12.82 44.103,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.83 - 31.12.83 47.997,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.84 - 31.12.84 62.350,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge AFG 01.01.85 - 05.01.85 Arbeitslosigkeit SVN 07.01.85 - 31.12.85 50.985,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.86 - 31.12.86 54.153,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.87 - 31.12.87 55.556,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.88 - 30.09.88 39.704,00 DM 9 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.10.88 - 31.12.88 16.516,00 DM 3 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.89 - 31.12.89 60.492,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.90 - 31.12.90 63.434,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.91 - 31.12.91 66.110,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.01.92 - 14.04.92 18.687,00 DM 4 Mon. Pflichtbeiträge 15.04.92 - 22.06.92 8.079,90 DM 2 Mon. Pflichtbeiträge Sozl. 15.04.92 - 22.06.92 7.963,00 DM Pflichtbeitrag Sozl. 15.04.92 - 22.06.92 krank/Gesundheitsmaßnahme SVN 23.06.92 - 05.08.92 8.364,00 DM 2 Mon. Pflichtbeiträge 06.08.92 -31.12.92 17.096,60 DM 4 Mon. Pflichtbeiträge gemindert auf 16.983,56 DM Beitragsbemessungsgrenze Sozl. 06.08.92 - 31.12.92 17.097,00 DM Pflichtbeitrag gemindert auf 16.983,96 DM Beitragsbemessungsgrenze Sozl. 06.08.92 - 31.12.92 krank/Gesundheitsmaßnahme SVN 01.11.92 - 30.11.92 5.340,00 DM Pflichtbeitrag gemindert auf 4.538,57 DM einmalig gezahlt. Entgelt SVN 01.01.93 - 31.12.93 66.937,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge gemindert auf 62.871,24 DM Beitragsbemessungsgrenze 01.01.93 - 21.02.93 5.972,10 DM Pflichtbeitrag gemindert auf 3.411,54 DM Beitragsbemessungsgrenze Sozl. 01.01.93 - 21.02.93 5.972,00 DM Pflichtbeitrag gemindert auf 3.411,48 DM Beitragsbemessungsgrenze Sozl. 01.01.93 - 21.02.93 krank/Gesundheitsmaßnahme SVN 01.01.94 - 30.06.94 37.221,00 DM 6 Mon. Pflichtbeiträge SVN 01.07.94 - 07.09.94 14.094,00 DM 3 Mon. Pflichtbeiträge AFG 08.09.94 - 31.12.94 8.781,00 DM 3 Mon. Pflichtbeiträge AFG 08.09.94 - 31.12.94 Arbeitslosigkeit AFG 01.01.95 - 31.12.95 59.464,00 DM 12 Mon. Pflichtbeiträge AFG 01.01.95 - 31.12.95 Arbeitslosigkeit AFG 01.01.96 - 04.11.96 51.560,00 DM 11 Mon. Pflichtbeiträge AFG 01.01.96 - 04.11.96 Arbeitslosigkeit
Die Rente betrug ab 01. August 1997 monatlich 947,30 DM.
Im Rahmen von Ermittlungen zur Einkommensanrechnung und zur Höhe des Krankenversicherungsbeitrages stellte die Beklagte fest, dass die beitragspflichtigen Einnahmen aus dem Bezug von Krankengeld in den Zeiten vom 15. April 1992 bis zum 22. Juni 1992 und vom 06. August 1992 bis zum 21. Februar 1993 bei der Rentenberechnung doppelt berücksichtigt worden waren. Dies ergebe sich aus der Anlage 2 zum Bescheid vom 26. Juni 1997. Es kam zu einer Minderung der monatlichen Rente ab 01. März 2004 um 7,04 EUR. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2004 mit, sie beabsichtigte, einen Bescheid mit entsprechender Rentenminderung und Rückforderung der Überzahlung für die Zeit vom 01. Dezember 1996 bis 31. März 2004 in Höhe von 293,98 EUR zu erlassen und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme. Beigefügt war eine neue Rentenberechnung.
Der Kläger gab bis zum 12. März 2004 keine Stellungnahme ab; die Beklagte stellte mit Bescheid von diesem Tage die Rente wegen Berufsunfähigkeit von Beginn an neu fest und zahlte ab 01. Mai 2004 monatlich 905,75 EUR. Die Überzahlung vom 01. Dezember 1996 bis 30. April 2004 in Höhe - nunmehr von 298,01 EUR errechnet - habe der Kläger zu erstatten. Hiergegen legte der Kläger am 05. April 2004 Widerspruch ein, den er damit begründete, er habe die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides weder gekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit verkannt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 01. Juni 2004 zurück und führte aus, hätte der Kläger den an ihn gerichteten Bescheid gelesen, so hätte ihm dessen Unrichtigkeit auffallen müssen. Weder habe der Kläger während dieser doppelt berücksichtigen Zeiten zwei Leistungen bezogen noch zwei Tätigkeiten ausgeübt.
Hiergegen hat sich die am 14. Juni 2004 beim Sozialgericht Potsdam erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt hat.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid vom 12. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 17. August 2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, auf eine besondere Härte hätte sie nicht eingehen können, da der Kläger keine Angaben gemacht habe. Ein besonders gravierendes Behördenversäumnis sei ihr nicht vorzuwerfen und der Kläger hätte die Fehlerhaftigkeit des Ausgangsbescheides infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 09. September 2006 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 27. September 2006, mit der er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Der Kläger beantragt,
1. Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. August 2006 wird aufgehoben.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2004 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die wegen des Streits um die Höhe einer unbefristeten Rente – also nicht nur die Rückforderung - statthafte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG ).
Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung des Klägers ist auch begründet, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Sie waren daher aufzuheben und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts zu ändern. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch SGB X nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 dieser Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Abs. 2 darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist. Schließlich kann ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach dieser Vorschrift nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Diese Frist verlängert sich auf zehn Jahre, wenn
1. die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X lauten:
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Bei dem Ausgangsbescheid über die Bewilligung der Rente des Klägers vom 26. Juni 1997 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Dieser Verwaltungsakt war auch rechtswidrig begünstigend, da die Krankengeldbezugszeiten des Klägers im Jahre 1992 doppelt bei der Berechnung der Rente zugrunde gelegt worden waren.
Somit konnte der Verwaltungsakt vom 26. Juni 1997 (Ausgangsbescheid) grundsätzlich nur innerhalb von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Diese Frist ist zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 12. März 2004 bei weitem überschritten gewesen.
Die zehnjährige Frist des § 45 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X kommt hier nicht zur Anwendung, da ihre Voraussetzungen nicht vorliegen. Dass der Ausgangsbescheid auf Angaben beruhte, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2), wird selbst von der Beklagten nicht vorgetragen und dafür ist nichts ersichtlich.
Auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Ziffer 3 SGB X liegen nicht vor, denn der Kläger hat die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes weder gekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass dem Kläger bewusst war, dass die Krankengeldbezugszeiten im Jahre 1992 doppelt berücksichtigt wurden; dies trägt die Beklagte auch nicht vor.
Es liegt auch keine grobe Fahrlässigkeit vor. Hierfür muss die in der Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sein. Dies ist der Fall, wenn außer Acht gelassen worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Die Rechtswidrigkeit muss sich ohne weitere Nachforschungen aus dem Bescheid selbst ergeben haben, und es musste anhand der Umstände und ganz nahe liegender Überlegungen einleuchten und auffallen, dass der Bescheid fehlerhaft ist (BSGE 42, 186). Dabei ist auch in subjektiver Hinsicht ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Bei komplizierten Berechnungen und maschinellen Verschlüsselungen ohne einen erklärenden Langtext wird in der Regel nicht von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen werden können. Eine Verpflichtung zu Erkundigungen besteht nur, wenn sich dies aufdrängen musste (von Wulffen u. a., SGB X, Wiesner zu § 45 Anm. 24).
Die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit sind im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht erfüllt. Dies folgt schon daraus, dass im Rentenbescheid vom 26. Juni 1997 in dessen Anlage 2 diese Zeiten zwar tatsächlich doppelt aufgeführt sind, einmal jedoch mit einer in DM ausgewiesenen Summe und bei der Wiederholung ohne eine derartige Summe. Bereits daraus ergibt sich, dass ein Versicherter dem Versicherungsverlauf nicht entnehmen konnte, ob diese Zeiten doppelt angerechnet würden. Ebenso gut konnte und durfte ein Versicherter, der diesen Versicherungsverlauf sorgfältig durchgelesen hat, annehmen, aus ihm unbekannten verwaltungstechnischen Gründen seien die Zeiten einmal mit den entsprechenden Entgelten aufgeführt und als Pflichtbeitrag bezeichnet und in der Wiederholung wurden sie zur näheren Kennzeichnung ohne eine Summenangabe mit dem Zusatz "krank/Gesundheitsmaßnahme" aufgeführt. Die Berechnung, die dann ergibt, dass dies unzutreffend ist und tatsächlich für diese Zeiten zweimal Beiträge zugrunde gelegt worden sind, lässt sich dieser Anlage nicht entnehmen. Sie erschließt sich erst mit dem Vergleich der Anlage 2 mit der Anlage 3 (Entgeltpunkte für Versicherungszeiten).
Es handelt sich um eine komplizierte Berechnung, die ein Versicherter nicht nachvollziehen kann und deren Fehlerhaftigkeit, wie dargelegt, sich nicht unmittelbar aufdrängt, zumal in der Anlage 2 die Zahl der zu berücksichtigenden Monate zutreffend jeweils mit "2" benannt wird. Dass es sich insoweit nicht um sofort ersichtliche Fehler handelt, wird zudem auch daraus deutlich, dass selbst die Mitarbeiter der Beklagten – im Gegensatz zum Kläger fachkundig – dies im Rahmen der Rentenfeststellung – Kontospiegel vom 18. Juni 1997 (Bl. 100 der Verwaltungsakte) – und bei den zahlreichen anschließenden Bearbeitungsvorgängen, nicht bemerkt haben.
Liegen schon die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, die nach Ablauf der Zweijahresfrist allein zur Aufhebung auch mit Wirkung für die Zukunft berechtigen würde, nicht vor, so kommt es auf die Frage der übrigen Fristen – insbesondere ob der Bescheid rechtzeitig eingegangen ist - für eine Rücknahme nicht mehr an, denn die Rücknahme war ohnehin unzulässig.
Auf die Berufung des Klägers war mithin das angefochtene Urteil mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zu ändern und die angefochtenen Bescheide waren aufzuheben.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG hierfür dargelegten Gründe vorliegt.
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