Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 15 R 5418/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 487/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor dieses Urteils wie folgt neu gefasst wird: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab 2004 große Witwenrente zu gewähren. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von großer Witwenrente (WR) aus der Versicherung des 2004 verstorbenen F R (im Folgenden: Versicherter).
Die 1950 geborene Klägerin lebte mit dem am 1946 geborenen und zuletzt als Schulhauswart beim L B beschäftigten Versicherten, den sie 2004 heiratete, seit 1978 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Sie hat aus ihrer ersten Ehe zwei in den Jahren 1969 (H E; im Folgenden: H.E.) und 1973 (I E; im Folgenden: I.E.) geborene Kinder. In den Jahren 2003 und 2004 erzielte die Klägerin aus ihrer Beschäftigung als Apothekenhelferin bei der V N f G GmbH ein monatliches Bruttoentgelt von ca. 2.400,- EUR (Bescheinigung vom 2. Februar 2005).
Bei dem Versicherten wurde erstmals im Oktober 2002 ein Blasenkarzinom diagnostiziert, das zunächst operativ entfernt wurde. Im Mai 2003 erkrankte er an einer neurologischen Erkrankung (Guillain-Barré-Syndrom), in deren Verlauf er nach einem stationären Aufenthalt im Klinikum N vom 18. April 2003 bis zum 26. April 2003 auch eine Anschlussheilbehandlungsmaßnahme in der B der Beklagten in B vom 15. Mai 2003 bis zum 12. Juni 2003 durchlief; auf den Entlassungsbericht vom 16. Juni 2003 wird Bezug genommen. Im Februar 2004 wurde bei dem Kläger ein metastasierendes Urothelkarzinom der Harnblase festgestellt, das sich als rasch progredient mit Befall der Leber und Lymphknoten darstellte (Entlassungsbericht des Klinikums N vom 07. Juni 2004), worauf sich der Versicherte zu palliativen Zwecken einer Chemotherapie unterzog. Die Chemotherapie wurde im Klinikum N vom 08. Juni bis zum 10. Juni 2004 stationär fortgesetzt. Wegen einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit Verschlechterung der Leberfunktionsleistung erfolgte eine weitere stationäre Behandlung im Klinikum N vom 14. Juni 2004 bis zum 10. Juli 2004, wobei wegen des sich kontinuierlich verschlechternden Zustandes des Versicherten die Chemotherapie abgebrochen und der Versicherte mit Morphinen medikamentös behandelt wurde. Im Verlauf dieses Krankenhausaufenthaltes heirateten die Klägerin und der Versicherte. Nach einer erneuten Entlassung mit Homecarebetreuung wurde der Versicherte am 2004 notfallmäßig im Klinikum N stationär aufgenommen, wo er am selben Tage wegen Leber- und Nierenversagens verstarb.
Am 15. November 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von WR. Sie gab an, die Eheschließung sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung des ständig auf Pflege angewiesenen Versicherten erfolgt, dessen Tod bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, dass vorliegend im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung in § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) davon auszugehen sei, die Erlangung einer Versorgung sei Ziel der Eheschließung gewesen. Diese gesetzliche Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegen können.
Im Klageverfahren hat die Klägerin, die weiterhin vollschichtig als Apothekenhelferin beschäftigt ist, vorgetragen, sie und der Versicherte hätten bereits seit 1981 oder 1982 heiraten wollen. Sie habe zunächst aber die Volljährigkeit ihrer Kinder aus erster Ehe abwarten wollen, weil sie Probleme für die Kinder befürchtet habe, wenn diese einen anderen Nachnamen bekommen hätten. Der Versicherte habe im Hinblick auf seine 1969 geborene Tochter A aus erster Ehe ebenfalls abwarten wollen, bis seine Tochter volljährig und er nicht mehr unterhaltspflichtig gewesen sei. Die Hochzeit sei dann aus familiären Gründen immer weiter verschoben worden, teilweise auch wegen finanzieller Erwägungen. Bei der Einlieferung des Versicherten in das Klinikum N im Jahr 2004 habe dieser dann geäußert, sie sollten nunmehr heiraten, damit sich niemand mehr einmischen könne und sie – die Klägerin – die Rechte einer Ehefrau habe. Hintergrund dessen sei gewesen, dass die schwer alkoholkranke Tochter des Versicherten diesen immer wieder mit Geldforderungen belästigt habe. Der Versicherte habe auch nicht gewollt, dass seine Tochter von seiner schweren Erkrankung erfahre. Er habe von ihr – der Klägerin – auch verlangt, diese solle seiner Tochter ausrichten, dass diese nicht mehr anrufen und sich ausschließlich an sie – die Klägerin – wenden solle. Dies habe der Versicherte seiner Tochter auch anlässlich eines Krankenbesuches persönlich mitgeteilt. Durch die Eheschließung habe daher auch gewährleistet werden sollen, dass die Tochter des Versicherten keinen Einfluss auf dessen Behandlung und Pflege habe nehmen können.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen KP (Schwester der Klägerin; im Folgenden: P.), I.E. und H. E.; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlagen 1 bis 3 zur Sitzungsniederschrift vom 06. März 2006 Bezug genommen. Das SG hat der auf Gewährung von WR nach dem verstorbenen Versicherten für die Zeit ab 2004 gerichteten Klage mit Urteil vom 06. März 2006 stattgegeben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei auch begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf WR nach § 46 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI. Der Ausschlussgrund des § 46 Abs. 2a SGB VI liege nicht vor. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei zur Überzeugung der Kammer widerlegt. Es sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen, für die Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Zwar sei nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen auch aus Sicht der Klägerin der Tod des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung in zumindest absehbarer Zeit zu erwarten gewesen. Die Klägerin und der Versicherte hätten aber bereits seit langer Zeit Heiratsabsichten gehabt, was sich zur Überzeugung des Gerichts aus den Angaben der Klägerin und den Einlassungen der Zeugen ergeben habe. Überwiegender Anlass und Beweggrund für die dann letztlich vorgezogene "Nottrauung" am 02. Juli 2004 sei schließlich die Tatsache gewesen, dass die Pflege und Vertretung des Versicherten in allen im Zusammenhang mit der Krankheit auftretenden Problemen für die Klägerin als Lebensgefährtin große Schwierigkeiten mit sich gebracht habe bzw. mit sich hätte bringen können, und zwar im Hinblick auf die drohende Einmischung durch die Tochter des Versicherten (A S, im Folgenden: A. S.), die ohne die Eheschließung die nächste Verwandte des Versicherten gewesen wäre. Alle Zeugen hätten dieses Motiv bestätigt. Im Übrigen sei bei der Klägerin, die seinerzeit und auch derzeit noch über ein monatliches Arbeitsentgelt von etwa 2.400,- EUR verfüge, keinerlei Versorgungsbegehren erkennbar gewesen. Der Rentenbeginn folge aus § 99 Abs. 2 SGB VI.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Das SG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Vermutung einer Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2a SGB VI vorliegend widerlegt sei. Hierfür sei der volle Beweis des Gegenteils erforderlich, der nicht habe geführt werden können. Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung sei vielmehr davon auszugehen, dass das langjährige Zusammenleben der Klägerin mit dem Versicherten ohne Trauschein die Annahme rechtfertige, dass die knapp vier Wochen vor dem Ableben des Versicherten geschlossene Ehe lediglich zu Versorgungszwecken geschlossen worden sei. Auch die konkreten Umstände der Eheschließung würden für eine Versorgungsehe sprechen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung habe nicht mehr davon ausgegangen werden können, dass der Versicherte noch längere Zeit leben würde und es sich um den Beginn eines neuen gemeinsamen, auf die Zukunft gerichteten Lebensabschnitts handeln würde. Es habe sich vielmehr um eine "Nottrauung" gehandelt. Schließlich sei auch nicht glaubhaft, dass über 20 Jahre lang durchgehend immer Gründe vorgelegen haben sollten, die die Klägerin und den Versicherten an einer Eheschließung gehindert hätten. Bei einem ernsthaften und dringlichen Heiratswunsch wäre dessen Verwirklichung lange vor dem Bekanntwerden der Krebserkrankung zu erwarten gewesen. Vorliegend seien jedoch konkrete Heiratspläne erst ganz kurzfristig nach dem Bekanntwerden der Krebserkrankung und während einer auf dieser Erkrankung beruhenden kontinuierlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherten gefasst worden. Das Motiv, den Anforderungen der Bürokratie durch die Eheschließung besser gerecht werden zu können bzw. den Einmischungsversuchen der Tochter des Versicherten entgegenzuwirken, stelle keine mit dem Beweggrund der Versorgung vergleichbare Motivationslage dar. Derartigen Einmischungsversuchen hätte der Versicherte mit einer auf die Klägerin ausgestellten Vorsorgevollmacht wirksam Einhalt gebieten können. Auch die Einkommensverhältnisse der Klägerin widerlegten die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht. Denn bereits damals sei es offensichtlich gewesen, dass die Altersrente der zu diesem Zeitpunkt knapp 54 Jahre alten Klägerin eines Tages erheblich niedriger sein würde als ihr Erwerbseinkommen und sie beim späteren Bezug einer Versichertenrente zumindest eine Teilleistung aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes zu erwarten gehabt hätte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise weiteren Beweis durch Einvernahme der Tochter des verstorbenen Versicherten A S als Zeugen zu erheben, der erbringen wird, dass eine Einmischung in die Pflege und Betreuung des verstorbenen Versicherten nicht beabsichtigt war, weiterhin hilfsweise den zuständigen Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung der Klägerin mit dem verstorbenen Versicherten zu vernehmen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten für den Versicherten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet; sie war mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils entsprechend dem bereits erstinstanzlich verfolgten Begehren der Klägerin (nur) auf Gewährung großer WR zur Klarstellung entsprechend neu zu fassen war.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung großer WR für die Zeit ab 2004 (vgl. § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Nach der genannten Vorschrift haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der – wie hier – die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große WR, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind in der Person der zum Zeitpunkt des Ablebens des Versicherten 53 Jahre alten Klägerin erfüllt. Dem Anspruch auf große WR steht die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht entgegen.
Danach haben Witwen keinen Anspruch auf WR, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Vorschrift wurde durch Artikel 1 Nr. 6b des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403) mit Wirkung vom 01. Januar 2002 in das SGB VI eingefügt. Sie begründet für alle seit ihrem Inkrafttreten am 01. Januar 2002 geschlossenen Ehen die gesetzliche Vermutung, dass bei einem Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung war. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 2004 bis zum 2004. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greift also ein. Sie ist vorliegend nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens allerdings widerlegt, weil trotz der sehr kurzen Ehedauer zur Überzeugung des Senats hier die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung war, einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der Senat stützt sich hierbei auf die durchweg glaubhaften Einlassungen der Klägerin in ihren vorbereitenden Schriftsätzen und im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2007 sowie die Aussagen der vom SG als Zeugen vernommenen Kinder der Klägerin.
Danach steht fest, dass es neben den Versorgungserwägungen zumindest gleichgewichtiger Zweck der Eheschließung war, nach dem langjährigen Zusammenleben der Klägerin mit dem Versicherten der beiderseitigen Liebesbeziehung durch den Akt der Eheschließung den – wie sich die Klägerin ausgedrückt hat - "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren. Die Klägerin hat anlässlich ihrer persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung eingehend und unter detaillierter Schilderung ihres Zusammenlebens mit dem Versicherten bekräftigt, dass schon viele Jahre vor der Diagnostizierung der schließlich zum Tod des Versicherten führenden Krebserkrankung im Oktober 2002 von ihrer Seite und auch von Seiten des Versicherten der Wunsch bestanden habe, zu heiraten. Die Klägerin hat auch glaubhaft und überzeugend dargelegt, weshalb dieser schon lange Jahre bestehende Heiratswunsch aus familiären und teilweise auch finanziellen Erwägungen nicht früher realisiert wurde. Es ist nach dem dokumentierten Krankheitsverlauf des Versicherten auch uneingeschränkt plausibel, dass der Verwirklichung dieser Heiratsabsicht nach dem stationären Aufenthalt des Klägers im Klinikum N vom 18. April 2003 zum 26. April 2003 und einer anschließenden Heilbehandlungsmaßnahme vom 15. Mai 2003 bis zum 12. Juni 2003 zunächst der Gesundheitszustand des Klägers in Folge seiner neurologischen Erkrankung entgegenstand, die eine zeitweilige Gehbehinderung zur Folge hatte und es nach den Einlassungen der Klägerin insoweit auch nicht zuließ, dass der Versicherte feste Schuhe tragen konnte. Ein tödlicher Verlauf der neurologischen Erkrankung war jedoch von vornherein nicht zu erwarten (vgl. Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. G vom 18. Mai 2005). Frühestens mit der Diagnostizierung des metastasierenden Urothelkarzinoms im Februar 2004 konnte überhaupt von einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten ausgegangen werden; zu diesem Zeitpunkt stand die Heiratsabsicht der Klägerin und des Versicherten aber bereits fest. Auch die erstinstanzlich als Zeugen gehörten Kinder der Klägerin, H. E. und I. E., die von dem Kläger mit erzogen wurden, mit ihm als Kinder in einem Familienverband lebten und ihn als "Vater" ansahen, haben bestätigt, dass die Klägerin und der Versicherte schon viele Jahre vor dessen schwerer Erkrankung die konkrete Absicht hatten, zu heiraten.
Zudem steht die langjährige Liebesbeziehung der Klägerin mit dem Versicherten, bei der es sich nach den Angaben der Klägerin um eine "eheähnliche Lebensgemeinschaft" gehandelt hat und die seit 1978 (vgl. auch die Meldebescheinigungen des Landeseinwohneramtes Berlin vom 18. April 2005) bestand, einem alleinigen oder überwiegenden Versorgungsgedanken entgegen. Denn gerade diese zum Zeitpunkt der Eheschließung seit 26 Jahren bestehende nichteheliche Lebensgemeinschaft belegt, dass beide Partner eine dauerhafte Beziehung aufgebaut hatten, die gerade nicht auf gegenseitige Versorgungsansprüche ausgerichtet war. Letzteres erhellt auch daraus, dass die im Jahr 1950 geborene Klägerin während des Zusammenlebens mit dem Versicherten, zum Zeitpunkt der Eheschließung und auch noch derzeit als Apothekenhelferin vollschichtig berufstätig war und ist und in den Jahren 2003 und 2004 ein monatliches Bruttoentgelt von durchschnittlich 2.400,- EUR erzielte, mit dem ihr eigener Lebensunterhalt ohne weiteres gesichert war. Zwar ist davon auszugehen, dass sich durch die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung die wirtschaftliche Situation der Klägerin insgesamt verbessert bzw. – wie die Beklagte vorträgt – sich schließlich auch die Möglichkeit der Verringerung der Arbeitszeit bei gleich bleibendem Gesamteinkommen ergeben könnte. Diese Gesichtspunkte können aber angesichts der wirtschaftlichen Absicherung der Klägerin durch das eigene langjährig bezogene Erwerbseinkommen und die hierdurch begründeten Rentenanwartschaften nicht dazu führen, den Versorgungsgedanken, der naturgemäß (auch) eine Rolle für den Entschluss zur Heirat gespielt haben mag, als alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat anzusehen. Der Verweis der Beklagten darauf, dass die Altersrente der zum Zeitpunkt der Eheschließung 53 Jahre alten Klägerin eines Tages erheblich niedriger sein werde als ihr Erwerbseinkommen, liegt auf der Hand und dürfte jedem Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung mit durchschnittlicher Urteils- und Einsichtsfähigkeit bewusst sein. Eine eigenständige Versorgung durch selbst erworbene Rentenanwartschaften führt aber regelmäßig dazu, dass dem Versorgungsgedanken im Rahmen der Motivationslage für eine Eheschließung ein geringeres Gewicht zukommt, wie die Klägerin im vorliegenden Einzelfall anlässlich ihrer persönlichen Anhörung eindrucksvoll bekräftigt hat.
Auch die konkrete Krankheit- und Leidensgeschichte des Versicherten vor der Eheschließung rechtfertigt nicht die Annahme, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente zu begründen. Zwar war dem verstorbenen Versicherten spätestens im Februar 2004 und der Klägerin spätestens anlässlich der stationären Behandlung des Versicherten vom 24. Mai bis zum 03. Juni 2004 bekannt, dass dieser an einem metastasierenden Urothelkarzinom litt. Dies folgt aus den Angaben der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung und dem Hinweis auf ein entsprechendes Aufklärungsgespräch im Entlassungsbericht des Klinikums N vom 07. Juni 2004. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass die seinerzeit eingeleitete Chemotherapie nur noch palliativen, d. h. auf symptomatische Maßnahmen beschränkten, Charakter haben konnte. Daraus lässt sich jedoch nicht die Annahme herleiten, dass beide späteren Ehegatten darüber im Klaren gewesen seien, dass der Versicherte bald sterben würde. Vielmehr war ausweislich des genannten Entlassungsberichtes auch von Seiten der behandelnden Ärzte geplant, die Chemotherapie ambulant in dreiwöchentlichen Abständen durchzuführen. Der Senat hält angesichts dessen das Vorbringen der Klägerin für uneingeschränkt glaubhaft, dass diese auch im Verlauf des nachfolgenden stationären Aufenthaltes des Versicherten im Klinikum N (14. Juni 2004 bis 10. Juli 2004), wo am 2004 die Eheschließung erfolgte, trotz der Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Versicherten, des Abbruchs der Chemotherapie und der Morphinmedikation nicht davon ausgegangen war, dass dessen Tod kurzfristig bevorstehen würde. Sie hat vielmehr glaubhaft versichert, dass die behandelnden Ärzte ihr gegenüber eine konkrete Prognose über die noch verbleibende Lebenszeit des Versicherten nicht abgegeben hatten und ihr zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht bewusst war, dass "mein Mann so bald würde sterben müssen". Der Senat hat keine vernünftigen Zweifel, dass dieses Vorbringen den Tatsachen entspricht.
Selbst wenn die Klägerin und der Versicherte sich aber zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2004 konkret darüber im Klaren gewesen wären, dass der Versicherte bald sterben würde bzw. an einer derart schweren Erkrankung leide, dass in absehbarer Zeit der Tod des Versicherten zu erwarten gewesen wäre, ergäbe sich keine andere Beurteilung. Denn auch in diesem Falle wäre das von der Klägerin als vorrangig angegebene Motiv der Eheschließung, nämlich der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben, zumindest als gleichgewichtiger Zweck der Heirat anzusehen. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin möglicherweise rechtsirrtümlich davon ausgegangen war, durch die Position als Ehefrau die Belange des Versicherten und dessen Pflege besser regeln zu können bzw. "Einmischungsversuchen" seiner Tochter A aus erster Ehe besser entgegentreten zu können. Die Beklagte verweist insoweit zutreffend darauf, dass es rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten gibt, die es der Klägerin auch ohne eine Eheschließung ermöglicht hätten, die Versorgung und Pflege des Versicherten betreffende Belange zu regeln. Auch ist nicht dargetan, dass es zu diesbezüglichen "Einmischungsversuchen" der Tochter des Versicherten überhaupt gekommen wäre. Letzteres ist jedoch ohne Belang, weil sich an dem dargelegten und zumindest gleichgewichtigen Zweck der Heirat insoweit nichts ändert. Es bestand daher für den Senat auch keine Veranlassung, dem von der Beklagten hilfsweise gestellten Beweisantrag zu folgen, die leibliche Tochter des verstorbenen Versicherten, A. S., als Zeugin im Hinblick darauf zu hören, ob es von ihrer Seite eine "Einmischung" in die Pflege und Betreuung des Versicherten gegeben habe.
Auch dem weiter hilfsweise gestellten Beweisantrag, den zuständigen Standesbeamten als Zeugen zu den Umständen der Trauung zu vernehmen, war nicht zu entsprechen, und zwar schon deshalb nicht, weil es sich hierbei um einen unsubstanziierten Beweisermittlungsantrag handelt, der weder den Zeugen namentlich benennt noch erkennen lässt, welche Ergebnisse für die Tatsachenfeststellung des Gerichts zu erwarten sind. Selbst wenn es sich, worauf der Beweisantrag abheben könnte, im Übrigen bei der Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten um eine so genannte Nottrauung aus Anlass einer lebensbedrohlichen Erkrankung gemäß § 7 Personenstandsgesetz gehandelt hätte, änderte dies nichts an der dargelegten, zur vollen Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von großer Witwenrente (WR) aus der Versicherung des 2004 verstorbenen F R (im Folgenden: Versicherter).
Die 1950 geborene Klägerin lebte mit dem am 1946 geborenen und zuletzt als Schulhauswart beim L B beschäftigten Versicherten, den sie 2004 heiratete, seit 1978 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Sie hat aus ihrer ersten Ehe zwei in den Jahren 1969 (H E; im Folgenden: H.E.) und 1973 (I E; im Folgenden: I.E.) geborene Kinder. In den Jahren 2003 und 2004 erzielte die Klägerin aus ihrer Beschäftigung als Apothekenhelferin bei der V N f G GmbH ein monatliches Bruttoentgelt von ca. 2.400,- EUR (Bescheinigung vom 2. Februar 2005).
Bei dem Versicherten wurde erstmals im Oktober 2002 ein Blasenkarzinom diagnostiziert, das zunächst operativ entfernt wurde. Im Mai 2003 erkrankte er an einer neurologischen Erkrankung (Guillain-Barré-Syndrom), in deren Verlauf er nach einem stationären Aufenthalt im Klinikum N vom 18. April 2003 bis zum 26. April 2003 auch eine Anschlussheilbehandlungsmaßnahme in der B der Beklagten in B vom 15. Mai 2003 bis zum 12. Juni 2003 durchlief; auf den Entlassungsbericht vom 16. Juni 2003 wird Bezug genommen. Im Februar 2004 wurde bei dem Kläger ein metastasierendes Urothelkarzinom der Harnblase festgestellt, das sich als rasch progredient mit Befall der Leber und Lymphknoten darstellte (Entlassungsbericht des Klinikums N vom 07. Juni 2004), worauf sich der Versicherte zu palliativen Zwecken einer Chemotherapie unterzog. Die Chemotherapie wurde im Klinikum N vom 08. Juni bis zum 10. Juni 2004 stationär fortgesetzt. Wegen einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit Verschlechterung der Leberfunktionsleistung erfolgte eine weitere stationäre Behandlung im Klinikum N vom 14. Juni 2004 bis zum 10. Juli 2004, wobei wegen des sich kontinuierlich verschlechternden Zustandes des Versicherten die Chemotherapie abgebrochen und der Versicherte mit Morphinen medikamentös behandelt wurde. Im Verlauf dieses Krankenhausaufenthaltes heirateten die Klägerin und der Versicherte. Nach einer erneuten Entlassung mit Homecarebetreuung wurde der Versicherte am 2004 notfallmäßig im Klinikum N stationär aufgenommen, wo er am selben Tage wegen Leber- und Nierenversagens verstarb.
Am 15. November 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von WR. Sie gab an, die Eheschließung sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung des ständig auf Pflege angewiesenen Versicherten erfolgt, dessen Tod bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, dass vorliegend im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung in § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) davon auszugehen sei, die Erlangung einer Versorgung sei Ziel der Eheschließung gewesen. Diese gesetzliche Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegen können.
Im Klageverfahren hat die Klägerin, die weiterhin vollschichtig als Apothekenhelferin beschäftigt ist, vorgetragen, sie und der Versicherte hätten bereits seit 1981 oder 1982 heiraten wollen. Sie habe zunächst aber die Volljährigkeit ihrer Kinder aus erster Ehe abwarten wollen, weil sie Probleme für die Kinder befürchtet habe, wenn diese einen anderen Nachnamen bekommen hätten. Der Versicherte habe im Hinblick auf seine 1969 geborene Tochter A aus erster Ehe ebenfalls abwarten wollen, bis seine Tochter volljährig und er nicht mehr unterhaltspflichtig gewesen sei. Die Hochzeit sei dann aus familiären Gründen immer weiter verschoben worden, teilweise auch wegen finanzieller Erwägungen. Bei der Einlieferung des Versicherten in das Klinikum N im Jahr 2004 habe dieser dann geäußert, sie sollten nunmehr heiraten, damit sich niemand mehr einmischen könne und sie – die Klägerin – die Rechte einer Ehefrau habe. Hintergrund dessen sei gewesen, dass die schwer alkoholkranke Tochter des Versicherten diesen immer wieder mit Geldforderungen belästigt habe. Der Versicherte habe auch nicht gewollt, dass seine Tochter von seiner schweren Erkrankung erfahre. Er habe von ihr – der Klägerin – auch verlangt, diese solle seiner Tochter ausrichten, dass diese nicht mehr anrufen und sich ausschließlich an sie – die Klägerin – wenden solle. Dies habe der Versicherte seiner Tochter auch anlässlich eines Krankenbesuches persönlich mitgeteilt. Durch die Eheschließung habe daher auch gewährleistet werden sollen, dass die Tochter des Versicherten keinen Einfluss auf dessen Behandlung und Pflege habe nehmen können.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen KP (Schwester der Klägerin; im Folgenden: P.), I.E. und H. E.; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlagen 1 bis 3 zur Sitzungsniederschrift vom 06. März 2006 Bezug genommen. Das SG hat der auf Gewährung von WR nach dem verstorbenen Versicherten für die Zeit ab 2004 gerichteten Klage mit Urteil vom 06. März 2006 stattgegeben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei auch begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf WR nach § 46 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI. Der Ausschlussgrund des § 46 Abs. 2a SGB VI liege nicht vor. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei zur Überzeugung der Kammer widerlegt. Es sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen, für die Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Zwar sei nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen auch aus Sicht der Klägerin der Tod des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung in zumindest absehbarer Zeit zu erwarten gewesen. Die Klägerin und der Versicherte hätten aber bereits seit langer Zeit Heiratsabsichten gehabt, was sich zur Überzeugung des Gerichts aus den Angaben der Klägerin und den Einlassungen der Zeugen ergeben habe. Überwiegender Anlass und Beweggrund für die dann letztlich vorgezogene "Nottrauung" am 02. Juli 2004 sei schließlich die Tatsache gewesen, dass die Pflege und Vertretung des Versicherten in allen im Zusammenhang mit der Krankheit auftretenden Problemen für die Klägerin als Lebensgefährtin große Schwierigkeiten mit sich gebracht habe bzw. mit sich hätte bringen können, und zwar im Hinblick auf die drohende Einmischung durch die Tochter des Versicherten (A S, im Folgenden: A. S.), die ohne die Eheschließung die nächste Verwandte des Versicherten gewesen wäre. Alle Zeugen hätten dieses Motiv bestätigt. Im Übrigen sei bei der Klägerin, die seinerzeit und auch derzeit noch über ein monatliches Arbeitsentgelt von etwa 2.400,- EUR verfüge, keinerlei Versorgungsbegehren erkennbar gewesen. Der Rentenbeginn folge aus § 99 Abs. 2 SGB VI.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Das SG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Vermutung einer Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2a SGB VI vorliegend widerlegt sei. Hierfür sei der volle Beweis des Gegenteils erforderlich, der nicht habe geführt werden können. Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung sei vielmehr davon auszugehen, dass das langjährige Zusammenleben der Klägerin mit dem Versicherten ohne Trauschein die Annahme rechtfertige, dass die knapp vier Wochen vor dem Ableben des Versicherten geschlossene Ehe lediglich zu Versorgungszwecken geschlossen worden sei. Auch die konkreten Umstände der Eheschließung würden für eine Versorgungsehe sprechen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung habe nicht mehr davon ausgegangen werden können, dass der Versicherte noch längere Zeit leben würde und es sich um den Beginn eines neuen gemeinsamen, auf die Zukunft gerichteten Lebensabschnitts handeln würde. Es habe sich vielmehr um eine "Nottrauung" gehandelt. Schließlich sei auch nicht glaubhaft, dass über 20 Jahre lang durchgehend immer Gründe vorgelegen haben sollten, die die Klägerin und den Versicherten an einer Eheschließung gehindert hätten. Bei einem ernsthaften und dringlichen Heiratswunsch wäre dessen Verwirklichung lange vor dem Bekanntwerden der Krebserkrankung zu erwarten gewesen. Vorliegend seien jedoch konkrete Heiratspläne erst ganz kurzfristig nach dem Bekanntwerden der Krebserkrankung und während einer auf dieser Erkrankung beruhenden kontinuierlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherten gefasst worden. Das Motiv, den Anforderungen der Bürokratie durch die Eheschließung besser gerecht werden zu können bzw. den Einmischungsversuchen der Tochter des Versicherten entgegenzuwirken, stelle keine mit dem Beweggrund der Versorgung vergleichbare Motivationslage dar. Derartigen Einmischungsversuchen hätte der Versicherte mit einer auf die Klägerin ausgestellten Vorsorgevollmacht wirksam Einhalt gebieten können. Auch die Einkommensverhältnisse der Klägerin widerlegten die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht. Denn bereits damals sei es offensichtlich gewesen, dass die Altersrente der zu diesem Zeitpunkt knapp 54 Jahre alten Klägerin eines Tages erheblich niedriger sein würde als ihr Erwerbseinkommen und sie beim späteren Bezug einer Versichertenrente zumindest eine Teilleistung aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes zu erwarten gehabt hätte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise weiteren Beweis durch Einvernahme der Tochter des verstorbenen Versicherten A S als Zeugen zu erheben, der erbringen wird, dass eine Einmischung in die Pflege und Betreuung des verstorbenen Versicherten nicht beabsichtigt war, weiterhin hilfsweise den zuständigen Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung der Klägerin mit dem verstorbenen Versicherten zu vernehmen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten für den Versicherten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet; sie war mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils entsprechend dem bereits erstinstanzlich verfolgten Begehren der Klägerin (nur) auf Gewährung großer WR zur Klarstellung entsprechend neu zu fassen war.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung großer WR für die Zeit ab 2004 (vgl. § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Nach der genannten Vorschrift haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der – wie hier – die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große WR, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind in der Person der zum Zeitpunkt des Ablebens des Versicherten 53 Jahre alten Klägerin erfüllt. Dem Anspruch auf große WR steht die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht entgegen.
Danach haben Witwen keinen Anspruch auf WR, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Vorschrift wurde durch Artikel 1 Nr. 6b des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403) mit Wirkung vom 01. Januar 2002 in das SGB VI eingefügt. Sie begründet für alle seit ihrem Inkrafttreten am 01. Januar 2002 geschlossenen Ehen die gesetzliche Vermutung, dass bei einem Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung war. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 2004 bis zum 2004. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greift also ein. Sie ist vorliegend nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens allerdings widerlegt, weil trotz der sehr kurzen Ehedauer zur Überzeugung des Senats hier die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung war, einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der Senat stützt sich hierbei auf die durchweg glaubhaften Einlassungen der Klägerin in ihren vorbereitenden Schriftsätzen und im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2007 sowie die Aussagen der vom SG als Zeugen vernommenen Kinder der Klägerin.
Danach steht fest, dass es neben den Versorgungserwägungen zumindest gleichgewichtiger Zweck der Eheschließung war, nach dem langjährigen Zusammenleben der Klägerin mit dem Versicherten der beiderseitigen Liebesbeziehung durch den Akt der Eheschließung den – wie sich die Klägerin ausgedrückt hat - "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren. Die Klägerin hat anlässlich ihrer persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung eingehend und unter detaillierter Schilderung ihres Zusammenlebens mit dem Versicherten bekräftigt, dass schon viele Jahre vor der Diagnostizierung der schließlich zum Tod des Versicherten führenden Krebserkrankung im Oktober 2002 von ihrer Seite und auch von Seiten des Versicherten der Wunsch bestanden habe, zu heiraten. Die Klägerin hat auch glaubhaft und überzeugend dargelegt, weshalb dieser schon lange Jahre bestehende Heiratswunsch aus familiären und teilweise auch finanziellen Erwägungen nicht früher realisiert wurde. Es ist nach dem dokumentierten Krankheitsverlauf des Versicherten auch uneingeschränkt plausibel, dass der Verwirklichung dieser Heiratsabsicht nach dem stationären Aufenthalt des Klägers im Klinikum N vom 18. April 2003 zum 26. April 2003 und einer anschließenden Heilbehandlungsmaßnahme vom 15. Mai 2003 bis zum 12. Juni 2003 zunächst der Gesundheitszustand des Klägers in Folge seiner neurologischen Erkrankung entgegenstand, die eine zeitweilige Gehbehinderung zur Folge hatte und es nach den Einlassungen der Klägerin insoweit auch nicht zuließ, dass der Versicherte feste Schuhe tragen konnte. Ein tödlicher Verlauf der neurologischen Erkrankung war jedoch von vornherein nicht zu erwarten (vgl. Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. G vom 18. Mai 2005). Frühestens mit der Diagnostizierung des metastasierenden Urothelkarzinoms im Februar 2004 konnte überhaupt von einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten ausgegangen werden; zu diesem Zeitpunkt stand die Heiratsabsicht der Klägerin und des Versicherten aber bereits fest. Auch die erstinstanzlich als Zeugen gehörten Kinder der Klägerin, H. E. und I. E., die von dem Kläger mit erzogen wurden, mit ihm als Kinder in einem Familienverband lebten und ihn als "Vater" ansahen, haben bestätigt, dass die Klägerin und der Versicherte schon viele Jahre vor dessen schwerer Erkrankung die konkrete Absicht hatten, zu heiraten.
Zudem steht die langjährige Liebesbeziehung der Klägerin mit dem Versicherten, bei der es sich nach den Angaben der Klägerin um eine "eheähnliche Lebensgemeinschaft" gehandelt hat und die seit 1978 (vgl. auch die Meldebescheinigungen des Landeseinwohneramtes Berlin vom 18. April 2005) bestand, einem alleinigen oder überwiegenden Versorgungsgedanken entgegen. Denn gerade diese zum Zeitpunkt der Eheschließung seit 26 Jahren bestehende nichteheliche Lebensgemeinschaft belegt, dass beide Partner eine dauerhafte Beziehung aufgebaut hatten, die gerade nicht auf gegenseitige Versorgungsansprüche ausgerichtet war. Letzteres erhellt auch daraus, dass die im Jahr 1950 geborene Klägerin während des Zusammenlebens mit dem Versicherten, zum Zeitpunkt der Eheschließung und auch noch derzeit als Apothekenhelferin vollschichtig berufstätig war und ist und in den Jahren 2003 und 2004 ein monatliches Bruttoentgelt von durchschnittlich 2.400,- EUR erzielte, mit dem ihr eigener Lebensunterhalt ohne weiteres gesichert war. Zwar ist davon auszugehen, dass sich durch die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung die wirtschaftliche Situation der Klägerin insgesamt verbessert bzw. – wie die Beklagte vorträgt – sich schließlich auch die Möglichkeit der Verringerung der Arbeitszeit bei gleich bleibendem Gesamteinkommen ergeben könnte. Diese Gesichtspunkte können aber angesichts der wirtschaftlichen Absicherung der Klägerin durch das eigene langjährig bezogene Erwerbseinkommen und die hierdurch begründeten Rentenanwartschaften nicht dazu führen, den Versorgungsgedanken, der naturgemäß (auch) eine Rolle für den Entschluss zur Heirat gespielt haben mag, als alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat anzusehen. Der Verweis der Beklagten darauf, dass die Altersrente der zum Zeitpunkt der Eheschließung 53 Jahre alten Klägerin eines Tages erheblich niedriger sein werde als ihr Erwerbseinkommen, liegt auf der Hand und dürfte jedem Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung mit durchschnittlicher Urteils- und Einsichtsfähigkeit bewusst sein. Eine eigenständige Versorgung durch selbst erworbene Rentenanwartschaften führt aber regelmäßig dazu, dass dem Versorgungsgedanken im Rahmen der Motivationslage für eine Eheschließung ein geringeres Gewicht zukommt, wie die Klägerin im vorliegenden Einzelfall anlässlich ihrer persönlichen Anhörung eindrucksvoll bekräftigt hat.
Auch die konkrete Krankheit- und Leidensgeschichte des Versicherten vor der Eheschließung rechtfertigt nicht die Annahme, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente zu begründen. Zwar war dem verstorbenen Versicherten spätestens im Februar 2004 und der Klägerin spätestens anlässlich der stationären Behandlung des Versicherten vom 24. Mai bis zum 03. Juni 2004 bekannt, dass dieser an einem metastasierenden Urothelkarzinom litt. Dies folgt aus den Angaben der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung und dem Hinweis auf ein entsprechendes Aufklärungsgespräch im Entlassungsbericht des Klinikums N vom 07. Juni 2004. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass die seinerzeit eingeleitete Chemotherapie nur noch palliativen, d. h. auf symptomatische Maßnahmen beschränkten, Charakter haben konnte. Daraus lässt sich jedoch nicht die Annahme herleiten, dass beide späteren Ehegatten darüber im Klaren gewesen seien, dass der Versicherte bald sterben würde. Vielmehr war ausweislich des genannten Entlassungsberichtes auch von Seiten der behandelnden Ärzte geplant, die Chemotherapie ambulant in dreiwöchentlichen Abständen durchzuführen. Der Senat hält angesichts dessen das Vorbringen der Klägerin für uneingeschränkt glaubhaft, dass diese auch im Verlauf des nachfolgenden stationären Aufenthaltes des Versicherten im Klinikum N (14. Juni 2004 bis 10. Juli 2004), wo am 2004 die Eheschließung erfolgte, trotz der Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Versicherten, des Abbruchs der Chemotherapie und der Morphinmedikation nicht davon ausgegangen war, dass dessen Tod kurzfristig bevorstehen würde. Sie hat vielmehr glaubhaft versichert, dass die behandelnden Ärzte ihr gegenüber eine konkrete Prognose über die noch verbleibende Lebenszeit des Versicherten nicht abgegeben hatten und ihr zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht bewusst war, dass "mein Mann so bald würde sterben müssen". Der Senat hat keine vernünftigen Zweifel, dass dieses Vorbringen den Tatsachen entspricht.
Selbst wenn die Klägerin und der Versicherte sich aber zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2004 konkret darüber im Klaren gewesen wären, dass der Versicherte bald sterben würde bzw. an einer derart schweren Erkrankung leide, dass in absehbarer Zeit der Tod des Versicherten zu erwarten gewesen wäre, ergäbe sich keine andere Beurteilung. Denn auch in diesem Falle wäre das von der Klägerin als vorrangig angegebene Motiv der Eheschließung, nämlich der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben, zumindest als gleichgewichtiger Zweck der Heirat anzusehen. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin möglicherweise rechtsirrtümlich davon ausgegangen war, durch die Position als Ehefrau die Belange des Versicherten und dessen Pflege besser regeln zu können bzw. "Einmischungsversuchen" seiner Tochter A aus erster Ehe besser entgegentreten zu können. Die Beklagte verweist insoweit zutreffend darauf, dass es rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten gibt, die es der Klägerin auch ohne eine Eheschließung ermöglicht hätten, die Versorgung und Pflege des Versicherten betreffende Belange zu regeln. Auch ist nicht dargetan, dass es zu diesbezüglichen "Einmischungsversuchen" der Tochter des Versicherten überhaupt gekommen wäre. Letzteres ist jedoch ohne Belang, weil sich an dem dargelegten und zumindest gleichgewichtigen Zweck der Heirat insoweit nichts ändert. Es bestand daher für den Senat auch keine Veranlassung, dem von der Beklagten hilfsweise gestellten Beweisantrag zu folgen, die leibliche Tochter des verstorbenen Versicherten, A. S., als Zeugin im Hinblick darauf zu hören, ob es von ihrer Seite eine "Einmischung" in die Pflege und Betreuung des Versicherten gegeben habe.
Auch dem weiter hilfsweise gestellten Beweisantrag, den zuständigen Standesbeamten als Zeugen zu den Umständen der Trauung zu vernehmen, war nicht zu entsprechen, und zwar schon deshalb nicht, weil es sich hierbei um einen unsubstanziierten Beweisermittlungsantrag handelt, der weder den Zeugen namentlich benennt noch erkennen lässt, welche Ergebnisse für die Tatsachenfeststellung des Gerichts zu erwarten sind. Selbst wenn es sich, worauf der Beweisantrag abheben könnte, im Übrigen bei der Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten um eine so genannte Nottrauung aus Anlass einer lebensbedrohlichen Erkrankung gemäß § 7 Personenstandsgesetz gehandelt hätte, änderte dies nichts an der dargelegten, zur vollen Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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