L 16 B 408/06 AL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AL 3961/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 B 408/06 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 2006 geändert. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Beklagten ist begründet. Sie hat außergerichtliche Kosten des Klägers nicht zu erstatten. Die Beschwerde des Klägers ist daher unbegründet.

Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht auf Antrag durch Be-schluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das gerichtliche Verfahren – wie hier – anders als durch Urteil endet. Die Entscheidung ist nach sachgemäßem Ermessen zu treffen. Zu berücksichtigen ist in erster Li-nie, wie der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand bei summarischer Prüfung voraussichtlich ausgegangen wäre (st. Rspr. des Bundessozialgerichts, stellvertretend: BSG SozR Nrn. 3, 4, 7 zu § 193 SGG). Ferner kann trotz fehlender Erfolgsaussicht ein Kostenerstat-tungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Veranlassungsprinzips gegeben sein (BVerwG NJW 1965, 1732; LSG Bremen Breithaupt 1987, 523, 525; vgl. auch BSG, Urteil vom 25. März 2003 – B 1 KR 17/01 R = BSGE 91, 32, 38). Daneben können das erreichte Prozessergebnis sowie die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung berücksichtigt werden (LSG Ber-lin NZS 1993, 184; LSG Baden-Württemberg Breithaupt 1995, 158, 159).

Hiervon ausgehend haben die Beteiligten einander Kosten für das Klageverfahren nicht zu er-statten. Der Kläger hätte bei summarischer Prüfung mit seinem auf die Zahlung von Arbeitslo-sengeld in Form eines Vorschusses nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 615,00 EUR gerichteten Begehren nicht obsiegt. Die Beklagte hatte ihm mit Bescheid vom 03. Mai 2004 Arbeitslosengeld ab 16. April 2004 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 365,00 EUR gewährt. Der Bewilli-gungsbescheid enthielt den Zusatz: "Die Höhe der Leistung wurde vorläufig festgesetzt. Die endgültige Festsetzung wird mit Bescheid bekannt gegeben." Mit diesem Bescheid konnte nicht eine vorläufige Entscheidung über die Erbringung von Arbeitslosengeld nach § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) getroffen werden, denn der An-spruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach stand fest. Vielmehr ist die im Bescheid gere-gelte "vorläufige Festsetzung" ein Vorschuss iS des § 42 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I). Da der Leistungsträger gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I die Höhe der Vorschüsse nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt, hätte die vom Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten auf Zahlung des Arbeitslosengeldes nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 615,00 EUR nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null erfolgen können. Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt des Erlass des Bescheides vom 03. Mai 2004 nicht vor. Die Arbeitsbescheinigung vom 20. April 2004 enthält den Hinweis, dass ab Oktober 2003 Kurzarbeit angemeldet wurde. In der Arbeitsbescheinigung sind für die Monate April 2003 bis September 2003 Bruttoarbeitsentgelte in Höhe von jeweils 2658,72 EUR und für die Monate Ok-tober 2003 bis April 2004 Bruttoarbeitsentgelte in unterschiedlicher Höhe bescheinigt. Die Beklagte konnte aus der Arbeitsbescheinigung nicht zweifelsfrei entnehmen, ob in den für die Monate Oktober 2003 bis April 2004 bescheinigten Bruttoarbeitsentgelten Kurzarbeitergeld enthalten ist. Sie hatte im Hinblick auf die Regelung des § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III sachge-recht das wöchentliche Bemessungsentgelt zunächst aus der Summe der tatsächlich bescheinig-ten Arbeitsentgelte im Bemessungszeitraum (30.932,36 EUR) berechnet. Aus der Leistungsakte der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bereits bei Arbeitslosmeldung bzw. noch vor Erlass des Bescheides vom 03. Mai 2004 seinen Arbeitsvertrag nebst Ergänzungsvertrag vom 30. September 2000 vorgelegt hatte. Eine weitere Sachaufklärung durch das Gericht hat im Rahmen einer Kostengrundentscheidung nach § 193 SGG nicht zu erfolgen.

Eine Erstattung der Hälfe der außergerichtlichen Kosten rechtfertigt sich auch nicht aus Veran-lassungsgesichtspunkten. Aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven, an Treu und Glauben orientierten Erklärungsempfängers (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 1995, 4 RLw 4/94 = SozR 3-1300 § 31 Nr. 10) waren Inhalt und Umfang der Vorläufigkeit hinreichend bestimmt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29. April 1997, 4 RA 46/96 = SozR 3-1200 § 42 Nr. 9) und auch hinreichend begründet iS des §§ 33, 35 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz. Die Beklagte hatte dem Kläger insoweit keine Veranlassung zur Erhebung der Klage geboten. Bei der Auslegung des Verwaltungsaktes aus der Sicht eines objektiven Empfängers ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte dem Kläger in der Zwischenmitteilung vom 29. April 2004 erläutert hatte, dass über seinen Antrag nur vorläufig entschieden werden könne, weil die Gehaltsabrechnungen für die Monate Dezember 2003 bis März 2004 fehlten und Zeiten mit Kurzarbeit bei der Bemessung unberücksichtigt blieben.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden An-wendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten wer-den (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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