L 8 RA 49/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 RA 3105/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 49/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht die Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten bei der Berechnung seiner Altersrente und insofern die Anerkennung von Beitragszeiten für Zeiten der Beschäftigung als Agronom/Instrukteur in den Lagern für "displaced persons" (DP-Lager) Leipheim (bei Ulm) von Mai 1946 – Oktober 1946 und im DP-Lager Hochland bei Bad Tölz von November 1946 – September 1948.

Der Kläger ist 1917 in L (damals noch zu Österreich gehörend) geboren und hat dort seine Schul- und Ausbildungszeit verbracht. Die Landwirtschaftsschule beendete er nach seinen Angaben 1937 und war anschließend als Agronom/Instrukteur tätig. 1941 sei er in die UdSSR geflüchtet und 1946 nach Polen zurückgekehrt. Er ist jüdischen Glaubens und hat Entschädigung für Schaden an Freiheit für die Zeit vom 01. August 1941 – 15. Juni 1943 vom bayerischen Landesentschädigungsamt München erhalten. Im Oktober 1948 wanderte er nach Israel ein, wo er wohnt und dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

Im März 1997 beantragte der Kläger die Anerkennung von Beitragszeiten, die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen sowie die Gewährung eines Altersruhegeldes. Er legte Unterlagen zu polnischen und russischen Zeiten vor und gab im hier interessierenden Zusammenhang an, von Mai 1946 - Oktober 1946 im DP-Lager Leipheim und von November 1946 – September 1948 im DP-Lager Hochland bei Bad Tölz gearbeitet zu haben. Für den letzten Zeitraum nannte er eine Tätigkeit als Agronom/Instrukteur. Angaben zu der Frage, ob er Bar- und / oder Sachbezüge erhalten habe und wie hoch der Arbeitsverdienst gewesen sei, konnte er nicht machen, dies war ihm nicht erinnerlich; es seien Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden. Für diese Zeit legte er eine Bescheinigung der JEWISH AGENCY FOR PALESTINE vom 17. Juni 1948 vor, in der es unter anderem heißt: " is authorized to deal with suplies on the behalf of the summer recreation camps.” Außerdem legte er eine Identitätskarte der JEWISH REFUGEES WELFARE SOCIETY (J-R-W-S), ausgestellt am 10. September 1948 vor, wonach er sich zu jener Zeit in Hochland befand.

Die Beklagte veranlasste eine Sprachprüfung durch das israelische Finanzministerium, die mit der Befürwortung der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) endete (Protokoll vom 07. August 1997).

Aus der beigezogenen Entschädigungsakte nahm die Beklagte einige Unterlagen in Kopie zur Verwaltungsakte. In der Bescheinigung des Internationalen Suchdienstes Arolsen vom 15. Oktober 1956 ist zu den Aufenthaltsdaten nach dem 08. Mai 1945 bescheinigt: Am 10. März 1947 im DP-Lager Föhrenwald; am 29. April 1947 im DP-Lager Leipheim/Donau; zu einem unbestimmten Zeitpunkt im Kibbuz Hochland; am 14. September 1948 vom Lager Lindenfels nach Israel ausgewandert. Im Entschädigungsverfahren gab der Kläger im Rahmen einer dort vorgelegten eidesstattlichen Erklärung vom 07. August 1956 unter anderem an, er sei 1946 von Polen nach Deutschland übersiedelt, wo er im September 1946 im DP-Lager Leipheim Aufenthalt genommen habe. In diesem DP-Lager sei er dann dauernd und ununterbrochen über den 01. Januar 1947 hinaus verblieben, bis er von dort im September 1947 in das DP-Lager Hochland übersiedelt sei. Aus diesem sei er im September 1948 über Marseille nach Israel ausgereist.

Mit Bescheid vom 04. Mai 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Altersruhegeldes ab, weil die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Die Zugehörigkeit zum dSK sei nicht feststellbar, sodass keine Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannt werden könnten und die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach dem Zusatzabkommen zum Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen abgelehnt werden müsse.

Im Widerspruchsverfahren fragte die Beklagte wegen der geltend gemachten Beschäftigungszeiten in den DP-Lagern beim Landratsamt Bad Tölz, bei der LVA Oberbayern, der AOK Bayern – Bad Tölz und der AOK Günzburg nach. Diese Anfragen verliefen ebenso wie eine Suchaktion im Kontenarchiv der Beklagten negativ. Mit gesondertem Bescheid vom 18. Januar 1999 lehnte die Beklagte ergänzend ausdrücklich die Berücksichtigung der Zeit vom 01. Mai 1946 – 01. September 1948 ab, weil für diese Zeit weder eine Beitragsentrichtung nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei. In seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass grundsätzlich für die von ihm verrichteten Tätigkeiten während der sogenannten DP-Zeiten Versicherungspflicht vorgelegen habe und von einer korrekten Beitragsabführung der deutschen Arbeitgeber auszugehen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 1999 bestätigte die Beklagte ihre ablehnenden Entscheidungen vom 04. Mai 1998 und 18. Januar 1999.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt, mit der er weiterhin die Gewährung einer Rente unter Anerkennung von Zeiten beansprucht hat. Für entsprechende Beschäftigungen in DP-Lagern sei generell ab 01. April 1946 von Versicherungspflicht und Beitragsabführung auszugehen, sodass die geltend gemachten Zeiten als glaubhaft gemacht anzusehen seien. Im Verlaufe des Klageverfahrens hat die Beklagte schließlich die Zugehörigkeit des Klägers zum dSK und Zeiten in Polen und der Sowjetunion anerkannt und daraus folgend mit Bescheid vom 23. April 2001 eine Regelaltersrente, beginnend am 01. Juli 1990, bewilligt.

Die Anfragen des SG bezüglich der DP-Zeiten beim American Jewish Joint, der AOK Bad Tölz und der AOK Günzburg, der Stadtverwaltung Bad Tölz (- Wolfratshausen), Günzburg und Leipheim sowie beim Amt für Verteidigungslasten Nürnberg und Rheinland-Pfalz blieben erfolglos; die AOK Bad Tölz teilte ergänzend mit, dass ihre Altkartei noch vollständig erhalten sei. Ebenso blieb eine Anfrage beim Staatsarchiv München ohne Erfolg. Der Internationale Suchdienst Arolsen teilte - insofern ergänzend zu der der Beklagten bereits vorliegenden Bescheinigung vom 15. Oktober 1956 – am 15. Mai 2000 mit, dass der Kläger außerdem am 31. Oktober 1946 im DP-Lager Leipheim und am 10. April 1948 im DP-Lager Föhrenwald aufhältlich gewesen sei; unter Bemerkungen werden eigene Angaben des Klägers mit "1946 – 1948 Föhrenwald, Germany" erwähnt, die der Kläger am 10. April 1948 gemacht hat.

Der Kläger hat ergänzend die Niederschrift über die Zeugenvernehmung in dem Verfahren S 9 RA 922/97 -2 des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2001 vorgelegt; danach wurden der Zeuge G O als ehemaliger Amtsvorsteher beim Amt für Verteidigungslasten in München und der Zeuge K C als ehemaliger Dienststellenleiter und Lohnstellenleiter des Besatzungskostenamtes der Stadt München gehört; deren Bekundungen würden die Auffassung des Klägers zur Glaubhaftmachung stützen.

Sodann hat das SG nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 27. Mai 2002 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die geltend gemachten Beitragszeiten vom 01. Mai 1946 – 01. September 1948 seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Ob der Kläger in den genannten Zeiträumen beschäftigt gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, weil der Nachweis einer Beschäftigung allein für die Anerkennung als glaubhaft gemachte Beitragszeit nicht ausreiche. Voraussetzung für eine Glaubhaftmachung von Beitragszeiten sei vielmehr, dass nicht nur das Bestehen eines die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnisses gegen Entgelt in einem bestimmten Zeitraum, sondern darüber hinaus auch die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung glaubhaft gemacht werde. Hierbei sei zu beachten, dass es keinen Beweisgrundsatz dahingehend gebe, dass bei nachgewiesenem Beschäftigungsverhältnis auch die Beitragsentrichtung als nachgewiesen zu gelten habe oder dass eine nachgewiesene Beschäftigung die Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden lasse (Hinweis auf BSG SozR 5745 § 1 VuVO Nr. 2). Vielmehr sei auch bei nachgewiesenen Beschäftigungsverhältnissen im Einzelfall zu prüfen, ob nach den Umständen des Einzelfalles und dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollten, eine Beitragsentrichtung überwiegend wahrscheinlich und damit gemäß §§ 203, 286 a SGB VI glaubhaft gemacht sei. Dies lasse sich vorliegend nicht feststellen. Im Hinblick auf die umfangreichen und negativ verlaufenen Ermittlungen und die Angabe der Stadt Bad Tölz, dass ihre Altkartei vollständig vorhanden sei, könne keine überwiegende Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Die diversen Direktiven in der damaligen Zeit, die die Beitragsentrichtung für die DP’s angemahnt hätten, zeigten auf, dass eben nicht von einer Beitragstreue der Beschäftigungsstellen auszugehen sei. Es bedürfe in diesen Fällen weiterer Indizien, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Beitragsabführung begründeten. So habe das SG bei seinen Ermittlungen in anderen Fällen durchaus Beitragsnachweise, die auf Mitgliedskarten aufgeführt gewesen seien, ermitteln können, sodass die Behauptung, die Meldung sei damals stets in Form von Listen vorgenommen worden, jedenfalls nicht uneingeschränkt den damaligen Verhältnissen entsprochen habe. Auch das Ergebnis der durch die 9. Kammer des SG erfolgten Zeugenvernehmung bestätige die Auffassung, dass nicht von einer generellen Beitragsentrichtung ausgegangen werden könne. Der Zeuge O habe zwar insofern keine verwertbaren Aussagen machen können. Doch habe der Zeuge C angegeben, dass in den Jahren 1946 – 1948 für einen großen Teil der DP’s der amerikanischen Zone von der UNRRA Listen geschickt worden seien, ohne aber Angaben zu Sozialversicherungsbeiträgen zu enthalten. Die auf den Listen mitgeteilten Löhne seien nachgerechnet worden und der Gesamtbetrag der UNRRA überwiesen worden, welche die Löhne direkt an die Mitarbeiter ausgezahlt habe. Im Gegensatz dazu seien für die restlichen DP’s vom zuständigen Amt die Berechnungen für die Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge vorgenommen und abgezogen worden. Die Auszahlung der Löhne sei in diesen Fällen nach Abzug der Abgaben durch die Lohnbuchhalter des Amtes erfolgt. Demzufolge könne nicht grundsätzlich von einer Beitragsentrichtung für die DP’s ausgegangen werden.

Gegen den dem Kläger am 23. Juni 2002 zugegangenem Gerichtsbescheid richtet sich dessen am 18. September 2002 eingelegte Berufung, mit der er weiter die Berechnung seiner Altersrente unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Beitragszeit vom 01. Mai 1946 – 01. September 1948 beansprucht. Er verweist darauf, dass Herr K von der AOK München in seiner Darlegung vom 04. März 2002 die Verhältnisse umfassend erläutert habe und sich daraus ergebe, dass von einer generellen Beitragsabführung auszugehen sei. Der Kläger hat außerdem Listen über Polizeipersonal vorgelegt, wonach für die DP-Polizei Sankt Ottilien Hospital (zum DP-Lager Landsberg/Lech gehörend) im Mai 1946 Beiträge zur Sozialversicherung einbehalten wurden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2002 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, seine Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01. Mai 1946 – 01. September 1948 als glaubhaft gemachte Beitragszeit neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Von einer generellen Beitragsabführung könne weiterhin nicht ausgegangen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte sowie die beigezogene Entschädigungsakte des Regierungspräsidiums Darmstadt (Az. D-12719), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sache entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Berechnung seiner Altersrente unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeit vom 01. Mai 1946 – 01. September 1948 als glaubhaft gemachte Beitragszeit, wie das SG zutreffend entschieden hat.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nur noch der Rentenbescheid vom 23. April 2001, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, und mit dem die nunmehr zuerkannte Altersrente ohne die weiterhin streitigen Zeiten berechnet worden ist.

Nachweise dafür, dass für den streitigen Zeitraum Beiträge entrichtet worden sind, liegen nicht vor. Auch ist kein Beweis geführt, wonach Beiträge vom Lohn oder Gehalt des Klägers einbehalten wurden. Indes schließt dies die Anerkennung einer Beitragszeit nicht aus, denn eine Beitragsentrichtung kann unter bestimmten Voraussetzungen auch nur glaubhaft gemacht werden (§ 1 Abs. 1 der bis zum 31. Dezember 1991 gültigen Versicherungsunterlagenverordnung [VuVO] vom 03. März 1960 und nunmehr § 286 a SGB VI). Danach sind Zeiten der Beschäftigung oder Tätigkeit vor dem 01. Januar 1950, für die Versicherungsunterlagen fehlen, als Beitragszeiten anzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass die Versicherungskarten bei dem Arbeitgeber oder Versicherten oder nach den Umständen des Falles auf dem Wege zum Träger der Rentenversicherung verloren gegangen sind und dass der Versicherte eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, für die Beiträge gezahlt worden sind. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht (§ 10 VuVO bzw. jetzt § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X), wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Das bedeutet zwar, dass durchaus nicht unerhebliche Zweifel verbleiben können, ob die behauptete Tatsache vorliegt; es muss jedoch mehr dafür als dagegen sprechen.

Nach diesen Maßstäben ist nicht glaubhaft gemacht, dass für den Kläger in dem streitigen Zeitraum Beiträge für versicherungpflichtige Beschäftigungen entrichtet worden sind. Ausgangspunkt einer Glaubhaftmachung muss regelmäßig die Schilderung eines Sachverhaltes sein, wie er sich nach Auffassung eines Versicherten ereignet hat und wie er aus sich heraus möglich erscheint. Auch muss Übereinstimmung mit den weiteren Angaben des Versicherten sowie sonstigen Feststellungen bestehen. Vor dem Hintergrund der seinerzeit zur Anwendung kommenden gesetzlichen Bestimmungen kann aufgrund der klägerischen Angaben zu einer Beschäftigung als Agronom/Instrukteur - eine solche unterweisende Beschäftigung unterstellt der Senat an dieser Stelle auch für die Zeit im DP-Lager Leipheim, obwohl es insoweit an näheren Angaben fehlt – eine Beitragsentrichtung bzw. ein Beitragseinbehalt nicht angenommen werden.

§ 1 AVG ist im streitigen Zeitraum in der amerikanischen Zone in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 1936 (RGBl. I S. 1128) angewandt worden (vgl. Koch/Hartmann, Angestelltenversicherungsgesetz, 2. Auflage 1952, Teil I A VI). Nach seinem Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. Abs. 3 waren Angestellte in den Berufen der Erziehung, des Unterrichts, der Fürsorge und der Kranken- und Wohlfahrtspflege für den Fall der Berufsunfähigkeit und des Alters versichert, wenn sie gegen Entgelt beschäftigt waren. Nach § 1 Abs. 3 AVG a.F. i. V. m. § 160 der Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. gehörten neben Gehalt und Lohn zum Entgelt auch Gewinnanteile, Sach- und andere Bezüge, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig, statt eines Gehaltes oder Lohnes oder neben ihm vom Arbeitgeber erhielt.

Der Kläger selbst kann sich weder an die Art und Weise der Bezahlung noch an deren Höhe oder Wert erinnern und auch der übrige Sachverhalt gibt keinerlei Hinweise auf die auch nur ungefähre Höhe dieses Entgelts. Die aus der damaligen Zeit stammende Bescheinigung vom 17. Juni 1948 sowie die Identitätskarte vom 10. September 1948 lassen keine Schlüsse auf eine Entgeltzahlung zu. Es ist aufgrund der dem Kläger nicht mehr erinnerlichen Entlohnung seiner Tätigkeit daher ebenso gut möglich, dass er zumindest im Wesentlichen nur Sachbezüge erhalten hat (vgl. zu solchen Fallgestaltungen Urteile des Senats vom 09. Oktober 2003 – L 8 RA 90/98 – und vom 26. Februar 2004 – L 8 RA 77/98). Bei diesem Sachverhalt ist zu berücksichtigen, dass nach § 9 AVG a.F. eine Beschäftigung versicherungsfrei war, für die nur freier Unterhalt als Entgelt gewährt wurde. Als freier Unterhalt war dabei dasjenige Maß von wirtschaftlichen Gütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich war, und zwar neben Unterkunft, Beköstigung, Kleidung usw. auch Entgeltbezüge in geringem Umfang (vgl. Koch / Hartmann, Angestelltenversicherungsgesetz, 2. Auflage 1952, § 9 Rdnr. 1). Zwar ist § 9 AVG a.F. mit der 1. Vereinfachungs-VO vom 17. März 1945 RGBl. I S. 41) außer Kraft getreten. Die 1. Vereinfachungs-VO ist für das gesamte Reichsgebiet – auch soweit es im Zeitpunkt der Verkündung (11. April 1945) bereits besetzt war – verkündet worden (BSGE 3, 161; 10, 156; 15, 65; 18, 246; SozR 5750 Artikel 2 § 46 Nr. 3). Für die Zeit vor dem 7. September 1949 (erstmaliges Zusammentreten des Deutschen Bundestages) soll die Wirksamkeit nach der zitierten (älteren) Rechtsprechung des BSG davon abhängen, ob im Zeitpunkt der Verkündung der Vereinfachungs-VO das alte deutsche Reich seine Gesetzgebungshoheit noch behalten oder infolge der Besetzung durch die alliierten Truppen bereits verloren hatte, ob also am 11. April 1945 der jeweilige Wohnort des jeweiligen Versicherten "noch nicht dauerhaft von feindlichen Truppen besetzt" war (zusammenfassend BSGE 52, 1=SozR 2200 § 1259 Nr. 50, kritisch insoweit BSGE 74, 112 = SozR 3-2200 § 1259 Nr. 15). Damit ist jedenfalls eine Beitragsabführung im Falle eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, für das im Wesentlichen freier Unterhalt gewährt wurde, wenig wahrscheinlich. Wenn die Versicherungsträger der amerikanischen Zone zum Teil auf Anweisung ihrer Aufsichtsbehörden die 1. Vereinfachungs-VO nicht angewandt haben, so ist das zwar für deren Rechtsgültigkeit ohne Bedeutung (BSGE 3, 161, 171). Es ist aber – gerade weil die Nichtanwendung der 1. Vereinfachungs-VO in der amerikanischen Zone historisch gesichert ist – nicht wahrscheinlich, dass bei einer Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses, wie es auf Grund der Beschreibung des Klägers angenommen werden kann, die gegebenenfalls bestehende Beitragspflicht überhaupt erkannt und Beiträge tatsächlich abgeführt worden sind. Bei diesem Sachverhalt kommt es nicht auf die Frage an, ob im Falle der Zahlung einer Vergütung über das Besatzungskostenamt von einer Beitragstreue ausgegangen werden könnte (vgl. zu Vorstehendem Urteil des Senats vom 09. Oktober 2003 – L 8 RA 90/98). Hinzu kommt, worauf bereits das SG hingewiesen und was der Senat auch schon in seiner Anfrage an das Zentrum für Antisemitismusforschung vom 17. März 2005 angemerkt hat, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im streitigen Zeitraum nicht glaubhaft ist. Zunächst ist nämlich festzustellen, dass aufgrund der eigenen und insofern widersprüchlichen Angaben die Aufnahme einer Beschäftigung, zu der der Kläger ausweislich der von ihm unterzeichneten Anträge keinerlei nähere Angaben machen kann, in einem DP-Lager ab 01. Mai 1946 ausscheidet. Denn nach den der Beklagten vorgelegten Unterlagen arbeitete er noch bis Mitte April 1946 in der damaligen UdSSR und kehrte erst im weiteren Verlauf nach Polen zurück. Nach seiner eigenen eidesstattlichen Erklärung aus dem Jahre 1956 kam er erst im September 1946 nach Deutschland und in das DP-Lager Leipheim, wo er über die Jahreswende 1946/47 und noch bis September 1947 verblieb. Insofern besteht auch Übereinstimmung mit der Bescheinigung des Internationalen Suchdiensts (IST) Arolsen, die einen Aufenthalt im DP-Lager Leipheim (erst) am 31. Oktober 1948 bestätigt. Im Widerspruch zu diesen früheren Angaben steht auch die Behauptung in dem Antrag bei der Beklagten, von November 1946 – September 1948 im DP-Lager Hochland bei Bad Tölz gearbeitet zu haben. Ein Aufenthalt im Kibbuz Hochland kann der ITS Arolsen lediglich für einen unbekannten Zeitpunkt bestätigen. Ob dieser Zeitpunkt in zeitlicher Nähe zu der Ausstellung der Identitätskarte am 10. September 1948 – zu diesem Zeitpunkt hielt sich der Kläger danach in Hochland auf - zu sehen ist, muss allerdings offen bleiben. Näher liegt, wenn auch für diese Vermutung Hinweise fehlen, aufgrund der zeitlichen Einordnung in der Bescheinigung des ITS Arolsen, dass die Bestätigung des Aufenthaltes im Kibbuz Hochland einen deutlich früheren Zeitraum betrifft, da die einrahmenden Daten 29. April 1947 und 10. April 1948 lauten. Dass der Kläger seiner Behauptung zufolge vom November 1946 – September 1948 im DP-Lager Hochland bei Bad Tölz versicherungspflichtig gearbeitet und Beiträge abgeführt hat, lässt sich mit den bestätigten Aufenthalten am 10. März 1947 im DP-Lager Föhrenwald, am 29. April 1947 im DP-Lager Leipheim und am 10. April 1948 im DP-Lager Föhrenwald schwerlich in Einklang bringen. Auch die am 10. April 1948 notierte Angabe des Klägers, seit 1946 offenbar in Föhrenwald aufhältlich gewesen zu sein, macht die im vorliegenden Verfahren zur Prüfung gestellten Angaben des Klägers nicht plausibler. Mithin ist bereits nicht hinreichend klar feststellbar, wo sich der Kläger in dem streitigen Zeitraum aufgehalten hat und wo er demzufolge gearbeitet haben könnte. Hinzu kommt, dass er hinsichtlich der behaupteten Beschäftigung für das Lager Leipheim keine Angabe gemacht und für das Lager Hochland eine Tätigkeit als Agronom/Instrukteur genannt hat. Die Art der Beschäftigung bleibt damit unklar, vermuten lässt sich eine Schulung für landwirtschaftliche Berufe im Hinblick auf die bevorstehende Auswanderung nach Palästina/Israel. Mithin lässt sich bereits nicht ein eindeutiges klar umrissenes Beschäftigungsverhältnis, das der Versicherungspflicht unterlegen hat, feststellen. Auch die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung vom Juni 1948 lässt offen, ob und wie diese in ein Beschäftigungsverhältnis oder in eine andere Form der Betätigung für das Lager einzuordnen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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