L 3 B 278/06 U ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 102/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 B 278/06 U ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 25. September 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung kein höheres Verletztengeld zusteht.

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 09. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. November 2006, mit dem dem seit 15. September 2005 als selbständiger Handwerksmeister in der Kfz-Branche tätigen Antragsteller Verletztengeld ab 10. Juni 2006 wegen einer Wiedererkrankung an den Folgen des am 30. September 2003 erlittenen Arbeitsunfalls gewährt worden ist. Das Verletztengeld beträgt danach, ausgehend von zu versteuernden Einkünften im Jahr 2005 in Höhe von 5220,- EUR, 11,60 EUR pro Tag.

Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist diese Entscheidung der Antragsgegnerin, die das Sozialgericht bestätigt hat, nicht zu beanstanden.

Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wenn - wie hier - um Sozialleistungen gestritten wird. Danach kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine solche Regelungsanordnung ist geboten, wenn der Anordnungsanspruch, d.h. die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren begehrt wird, und der Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, mit Wahrscheinlichkeit vorliegen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Nach § 48 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) gelten im Fall der Wiedererkrankung an den Folgen des Versicherungsfalls die §§ 45 bis 47 SGB VII mit der Maßgabe entsprechend, dass anstelle des Zeitpunkts der ersten Arbeitsunfähigkeit auf den der Wiedererkrankung abgestellt wird. Zwar kommt es auch für die Berechnung des Verletztengelds auf die Verhältnisse vor der neuen Arbeitsunfähigkeit an, der Betroffene braucht allerdings nicht mehr zu dem versicherten Personenkreis zu zählen, denn es handelt sich ja um die Folgen eines bereits eingetretenen Versicherungsfalls. Dabei ist nach einem Wechsel von einer abhängigen Beschäftigung zu einer selbständigen Tätigkeit, wie es bei dem Antragsteller der Fall ist, bei einer Wiedererkrankung eine Berechnung des Verletztengeldes nach § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorzunehmen. Das ist die überwiegende Auffassung im Schrifttum (vgl. Lauterbach/Fröhlke Unfallversicherung - SGB VII, § 48 RN 9, 11; Hauck-Nehls, Gesetzliche Unfallversicherung, § 48 RN 8; ab März 2006 auch Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 48 Anm. 6; Kasseler Kommentar-Ricke, § 48 SGB VII RN 4; Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, § 48 RN 7; s.a. Urteil des Sächsischen LSG vom 28. Februar 2002, Az.: L 2 U 122/00). Die allein in Schmidt (Kommentar zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2. A. 2004, § 48 RN 5) unter Bezugnahme auf den Aufsatz von Dr. Benz, Wiedererkrankung und Verletztengeldanspruch bei Wegfall oder Änderung des Versichertenstatus (abgedruckt in Die BG 1997, S. 319 ff), vertretene Auffassung, für Personen, die im Fall der Wiedererkrankung als Unternehmer tätig seien, werde das Verletztengeld nach § 47 Abs. 5 i.V.m. §§ 82 ff SGB VII berechnet, da es auf den Status des Erkrankten im Zeitpunkt der Wiedererkrankung ankomme, hält der Senat bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht für überzeugend. Denn diese Gegenmeinung lässt ohne Begründung außer Acht, dass die Entschädigungspflicht im Fall der Wiedererkrankung an den zuvor erlittenen Versicherungsfall anknüpft. Es spricht deshalb mehr dafür, im Fall der Wiedererkrankung auf die Berechnung des Verletztengeldes nach § 47 Abs. 1 SGB VII abzustellen. § 47 Abs. 5 SGB VII regelt dagegen abweichend von Abs. 1 allein den Fall, dass der Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als Unternehmer eingetreten ist.

Eine abschließende – endgültige - Klärung dieser Rechtsfrage braucht hier nicht zu erfolgen, sondern bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Damit kommt es hier im einstweiligen Rechtsschutzverfahren maßgeblich auf das Arbeitseinkommen, also den gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelten Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit, an, das der Antragsteller in dem Kalenderjahr vor dem Beginn des Wiedereintritts der Arbeitunfähigkeit erzielt hat. Das ist ein Betrag von 5220,- EUR. Der 360. Teil davon beträgt 14,50 EUR. Von diesem Regelentgelt sind 80 % als Verletztengeld in Höhe von 11,60 EUR täglich an den Antragsteller auszuzahlen, was durch den Antragsgegner auch erfolgt ist.

Unabhängig davon ist nicht festzustellen, dass dem Antragsteller ein nicht wiedergutzumachender Nachteil entsteht, wenn ihm das begehrte höhere Verletztengeld nicht vorläufig zugesprochen wird. Hier ist insbesondere die Dauer der begehrten höheren Leistung zu berücksichtigen. Zwar war der Antragsteller im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung noch arbeitsunfähig, es lag aber nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 23. Oktober 2006 vor. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ist dann im Laufe des Verfahrens bis zum 31. Januar 2007 nachgewiesen worden. Es ist damit über einen abgeschlossenen Zeitraum zu entscheiden, in dem der Antragsteller zwar neben der Verletztenrente nur geringe Einkünfte hatte, die aber immerhin die monatliche Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Sozialgesetzbuch II (SGB II) überstiegen (247,43 EUR Verletztenrente monatlich, die nach dem außergerichtlichen Vergleich mit der Antragsgegnerin über einen zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienst von 22.731,97 EUR nunmehr 252,58 EUR betragen dürfte, und Verletztengeld in Höhe von 348,- EUR monatlich). Außerdem bleibt durch den Bezug von Verletztengeld der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, § 192 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Da über das Vermögen des Antragstellers bereits durch Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 18. August 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, ist auch nicht sichergestellt, dass die Antragsgegnerin nach einem für ihn ungünstigen Ausgang des Hauptsacheverfahrens das zu Unrecht ausgezahlte höhere Verletztengeld zurückerhält. In diesem Zusammenhang ist letztlich nach wie vor von Bedeutung, dass nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26. November 1993 eine Lücke in der Verwirklichung effektiven Rechtsschutzes i.S. von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), die durch vorläufigen Rechtsschutz zur Verhinderung schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteile (BVerfGE 46, 166 ff) geschlossen werden müsste, dann nicht vorliegt, wenn der Antragsteller eine höhere als die bindend zuerkannte Rente begehrt. In diesen Fällen wird der durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte effektive Rechtsschutz ausreichend und umfassend im Hauptsacheverfahren gewährt (BSG SozR 3-1780 § 123 Nr. 1).

Die Beschwerde war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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